Beiträge von Heimdall

    Es ging ja eigentlich gar nicht speziell um diesen Bau, sondern um einen Widerspruch zum ewigen Anti-Reko-Lamento von "das kostet so viel", "dafür fehlt Spendengeld in der Denkmalpflege", "man sollte lieber Kindergärten bauen, als solche Prestige-Bauprojekte wie das Stadtschloss" usw.

    Aber so ist es nun einmal: Die Freunde der Bautradition sind eben oftmals ausgesprochen verständnisvoll und entgegenkommend, wenn es um moderne Bauprojekte geht und diese nicht irgendwelche Altstadt-Bereiche betreffen. Sie sollten allerdings nicht erwarten, daß ihnen auch nur annähernd ähnliches von der Gegenseite widerfahren wird... :zwinkern:

    Nur mal als Meldung für diejenigen, die immer meckern, daß Baurekonstruktionen so unverschämt teuer seien.
    Für eine schlappe Milliarde Euro wird nun gerade das schwachsinnige moderne Airrail-Center (ein Büro-, Hotel- und Shopping-Komplex) am Frankfurter Flughafen errichtet. Und niemand erhebt natürlich seine Stimme, daß ausgerechnet dieses Geld ja so dringend bei der Pflege denkmalgeschützter Gebäude fehlen könnte.
    http://www.zeit.de/newsticker/200…189-21908382xml
    http://www.property-magazine.de/airrail-center…oden-20375.html

    Das ist zwar grundsätzlich richtig bemerkt, doch es ist das schlimmste ja nicht. Man sehe sich mal manche Kleinstädte in anderen Gegenden an und wird kaum besseres finden. Und es könnte auch alles viel schlimmer sein. Nehmen wir die oben aufgeführten Punkte:

    1. Eine Kleinstadt, die möglichst das ganz besonders "exklusive" betonen will. Heraus kommen meist hecktisch-wirre Planungen von profilierungsfreudigen Stadtoberen, die dann Architekten und Künstler zum "Ausleben" animieren. Ergebnisse dieses Strebens nach "Weltoffenheit" hatten wir in den 70er Jahren ausreichend.
    2. Es geht auch heruntergekommen, ungepflegt, durch Vandalismus verwahrlost. Manche Örtchen im Osten unseres Landes können ein Lied davon singen. Patina entsteht irgendwann von alleine.
    3. Daß über die Hälfte der Bausubstanz aus der Nachkriegszeit stammt (ein Prozentwert von etwas über 50 Prozent wäre ja sogar durchaus bemerkenswert im Sinne eines historischen Stadtbildes) ist ein Faktum, an dem sich nicht mehr viel ändern lässt (es sei denn man reisse nun viele Neubauten wieder ein).
    4.,5.,6. Die Klinker geben dem ganzen seinen norddeutschen Bezug. Insofern sind diesen Orten die andernorts beliebten Geschmacklosigkeiten immerhin erspart geblieben, z.B. braune Kunst-Patina-Kacheln, Plastik-Schindeln, Fassadenanstriche unter jedem Geschmacksniveau usw.

    Insofern also kann ich mit einem Ort wie Goldenstedt erst einmal leben. Hier kann man mittelfristig punktuelle Verbesserungen anstreben. Dazu gehört auch der Schutz historischer Bausubstanz vor dem Modernisierungswahn. Es gibt aber weitaus problematischere Baustellen in Deutschland.

    Danke für die Bilder. Das Örtchen macht keinen spektakulären Eindruck, aber doch jenen eines immerhin lebenswerten Kleinstädtchens. Es gibt einige historische Gebäude, etwa die Kirchen und die alten Bauernhäuser, die dem Ganzen geschichtlichen Halt geben. Die angepassten Neubauten sind durchaus akzeptabel. Die Umgebung scheint von kleinen Naturidyllen gesegnet. Eine Situation, auf der man doch zumindest aufbauen kann. (Zum Beispiel durch besseren Skulpturenschmuck des öffentlichen Raumes.)

    Handy ist natürlich kein deutsches Wort, sondern allenfalls eine deutsche Kreation. (http://www.u32.de/handy.html) Grundsätzlich ist Denglisch natürlich nur die dämlichste Ausformung jener sprachlichen Anglisierung, die nicht nur Mode ist, sondern auch teils bewußt gefördert wird. Die Normierung der Architektur und die Normierung von Sprache sind schließlich nur zwei Seiten einer globalistischen Medaille. Und dies kommt teils unbewußt und gedankenlos, teils aber auch durchaus mit dem nötigen Druck "von oben" zustande. Als ich vor vielen Jahren mal in einem (deutschen) Unternehmen jobbte, und auf meinen dortigen Verkaufskarten statt "sales" schlicht "Verkäufe" hinschrieb, wurde ich angewiesen, dies gefälligst zu unterlassen. Ein anderes Beispiel: Ein Freund berichtete mir, daß bei Seminaren in seinem Betrieb vorab gefragt werde, ob jemand nicht so gut deutsch verstehe bzw. lieber die Referate in Englisch höre. Meldet sich von 100 Teilnehmern nur einer auf diese Frage, wird das gesamte Seminar in Englisch gehalten. Die Meinung der 99 anderen zählt dann nichts. Gedankenlosigkeit und nötige Regelungen "von oben" arbeiten also Hand in Hand. Um dagegen agieren zu wollen, sind also zwei Dinge vonnöten: Eine gewisse Sensibilität und das angebrachte obrigkeitskritische Bewußtsein.

    Wenn der Bezirkskonservator ernsthaft die Behauptung aufstellt, in den 1920er Jahren habe "man" im Bauhaus-Stil gebaut, dann ist er schlicht inkompetent. Die Bauhaus-Architektur war vor 1945 nur eine randständige Erscheinung, eine Minderheitenposition. (Es würde mich wundern, wenn Kassel da eine extrem andere Ausrichtung erfahren hätte, als der Rest Deutschlands) Die Weimarer Jahre waren in viel stärkerem Maß von der so genannten "konservativen Moderne" geprägt, also von einem weitgehend schnörkellosen Heimatschutzstil mit Fensterläden und Satteldächern und Portaleinfassungen. Teils hat bereits der Neoklassizismus eine Rolle gespielt, der dann in den 30ern für Großgebäude eine wichtige Funktion übernahm. Bauhaus blieb auf wenige Projekte beschränkt, hatte dann in der NS-Zeit vor allem im Gewerbebau eine wichtige Funktion. Was außerdem der (vermeintliche) "Mainstream" mit der Schutzwürdigkeit von Gebäuden zu tun haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Demnach wären etwa Gebäude von Gaudi oder Hundertwasser nie schützenswert, weil sie nicht dem tonangebenden Zeitstil entsprechen. Hier scheint mir also nach Sichtung solcher Argumentation ein erneutes Beispiel für meinen Verdacht vorzuliegen, daß die Denkmalpflege heute bereits weitgehend modernistisch okkupiert ist und mit Scheinargumenten das Interesse bestimmter Bauherren und Baulobbys unterfüttern darf.

    Kassel ist scheinbar überhaupt nicht mehr zu helfen. Die Verantwortlichen in der Stadtregierung haben ja seit vielen Jahren bauästhetischen Dünnpfiff im Hirn, man denke nur an den verantwortungslosen Umgang mit dem Karlshospital. Und die glauben in ihrem Provinzdenken noch, alles richtig zu machen. Ich sage so etwas sehr ungern, aber für diese Stadt sehe ich definitiv schwarz. Nach Teilen des Ruhrpott ist das Deutschlands stadtbildästhetisch schwärzestes Loch. Bleibt nur zu hoffen, daß ihnen die schicken Einkaufszentren bald schöne Leerstände bescheren.

    Zitat von "Hildesheimer"


    Von weiteren Rekonstruktionen habe ich derzeit nichts gehört, das wird auch schwierig, da andere Rekonstruktionen (fast) immer den Abbruch vorhandener Substanz bedingen würden.

    Fast jedes innerstädtische Bauprojekt bedingt den Abbruch vorhandener Substanz. Das gehört schlicht zum Wesen des Städtebaus und der Architektur. Man muß dabei immer im Einzelfall entscheiden, ob ein Abriss die Situation verbessert oder verschlechtert bzw. ob es sich bei "vorhandener Substanz" um ein wirklich erhaltenswertes Baudenkmal handelt oder nicht. Alles andere ist Humbug.

    Zitat von "Hildesheimer"

    Mittlerweile wird in Hildesheim bei Stadtführungen schon nicht mehr darauf hingewiesen, dass das KHA eine Rekonstruktion ist. Einem Laien erschließt sich das aber nicht unmittelbar. Das finde ich zumindest fragwürdig, weil hier ein Teil der Geschichte, nämlich die von 1945 bis 1989, ausgeblendet wird. Ich bin wahrlich kein Freund davon, bei jeder Gelegenheit auf die Nazizeit, den Krieg und dessen Folgen hinzuweisen, aber bei dieser Rekonstruktion diesen Teil der Geschichte stillschweigend zu übergehen, halte ich für unaufrichtig. Es kommt allmählich dahin, dass wirklich so getan wird, als hätte es die Zerstörung hier nie gegeben.

    Die Rekonstruktion ist mittlerweile eben auch Geschichte. Der Hinweis darauf ist für Touristen eben nur eine Information mehr unter sehr vielen. Es ist sicher vergleichbar den Besuchern einer alten Burg, bei deren Besichtigung der Fremdenführer all die Daten ihrer Zerstörung und ihres Wiederaufbaus herunterleiert, ohne daß dies alles gespeichert werden kann. Sicherlich gehört diese besagte Information zu einer guten Stadtführung, aber man sollte sie auch nicht in ihrer Bedeutung für die Leute überhöhen.

    Zitat von "Hildesheimer"

    Es taucht hier auch öfter mal das Argument auf, neues Bauen sei "nicht schön". Das kann ich zumindest als Argument nicht akzeptieren, da Schönheit ein subjektiver Begriff ist und sich mit der Zeit wandelt. So wurde die sog. Gründerzeitarchitektur in den 1960/70er Jahren massenhaft abgerissen, weil man sie alt und häßlich fand. Heute werden diese Bauten in der Regel geschätzt, und man findet sie auch wieder schön. Mit Schönheit oder Geschmack zu argumentieren ist für mich problematisch - "de gustibus non est disputandis". Damit will ich nicht sagen, dass es nicht ausgesprochen scheußliche Bauten aus den letzten 100 Jahren gibt - aber Schönheit als Argument sticht für mich nicht.

    Sehen wir mal von der Frage ab, wer "man" eigentlich ist. (ich glaube nämlich nicht, daß "man" generell in den 1960/70er Jahren Gründerzeitarchitektur als häßlich empfand; die Abrisse waren vielmehr konkreten Machtverhältnissen und ökonomischen Interessen geschuldet) Daß Schönheit als Argument nicht sticht, ist zwar eine Aussage, aber eine problematische. Was sticht denn dann als Argument? (Ich würde noch nachvollziehen können, daß der Finanzaufwand und der praktische Nutzen das Erreichen des Ziels von Schönheit begrenzen oder jedenfalls einrahmen, aber das ist dann auch schon alles)

    Ich habe noch eine interessante Meldung.

    Dem "Förderverein Schloß Schwarzburg" platzt der Kragen. Seit 13 Jahren zeigt die offizielle Politik Desinteresse und mangelnde Unterstützung bei der Instandsetzung des ruinösen historischen Zeughauses. Nun stellt der Verein sein weiteres ehrenamtliches Engagement in Frage. Eine bedenkliche Situation.
    Schloss-Schwarzburg
    (Auf "Protestresolution" klicken)

    Och Kinners, gibt es wirklich keine anderen Probleme als sich seitenweise über diesen Schriftzug auszulassen? :?

    Noch als Erklärung: Das Palais hieß nie "Palais Kurland" oder "Kurland Palais", allenfalls hatte es früher auch mal den Namen "Kurländisches Palais", aber das ist sehr lange her und besser klingt der auch nicht. Und all das bezieht sich nicht auf einen Familiennamen, sondern auf die baltische Landschaft Kurland. ("Nach einem erneuten Besitzerwechsel im Jahre 1773 erhielt das Gebäude seinen jetzigen Namen. Neuer Eigentümer war Prinz Karl von Sachsen, der ehemalige Herzog von Kurland.")

    Also, vielleicht kann man sich, trotz Ermangelung derzeitigen Baugeschehens am Neumarkt, mal wieder irgendwelchen wichtigeren Themen widmen? :zwinkern: