So, hier ist wie angekündigt der nächste Teil meiner kleinen Serie. Es geht also weiter mit der Mengstraße. Ich denke, dass ich wegen der Menge der Bilder wohl zwei Beiträge (einen je Straßenseite) machen werde.
Die Mengstraße gehört zwar nicht zum Baugebiet, aber was hier erhalten ist, ist im Gegensatz zu den kläglichen Resten der drei anderen Straßen einfach großartig und liefert einen sehr guten Eindruck, wie das ganze Viertel einmal ausgesehen hat und - wenn es nach mir ginge - auch wieder aussehen könnte. Man kann von Glück reden, dass hier in der Mengstraße das meines Erachtens wohl größte zusammenhängende Ensemble an typischen Lübecker Häusern mit unveränderter Giebelgestaltung erhalten geblieben ist. Als "typische Lübecker Häuser" bezeichne ich vor allem die Treppengiebelhäuser aus Gotik und Renaissance. Damit sich das hier einigermaßen in Grenzen hält, habe ich die jüngeren klassizistischen Fassaden, die so auch anderswo vorkommen, ausgespart.
Kurze Info: Die Hausnummern von Nord- und Südseite liegen bei gegenüberliegenden Häuser weit auseinander, da die Nordseite mit der Zählung an der Breiten Straße beginnt und die Südseite erst am Schüsselbuden, da die Marienkirche die oberen Südseite einnimmt. Dadurch zählt die Nordseite bis Nr. 70, die Südseite aber nur bis Nr. 45. Erhalten ist die Nordseite ab Nr. 38, die Südseite ab Nr. 17.
Und noch eins vorweg: Die Straße ist ziemlich schmal, daher ist der Winkel bei den meisten Fotos etwas ungünstig. Selbst mit 17mm Brennweite und auf den Portalstufen der gegenüberliegenden Häuser stehend habe ich nicht alles ganz draufbekommen...
Also, los geht´s mit der Nordseite der Mengstraße von Westen nach Osten:
Abb.1: Mengstraße 64, Renaissance, schon mit horizontaler Fassadengliederung, im Inneren historische Ausstattung erhalten, als Weinhandlung genutzt. Wer mal in Lübeck ist: Unbedingt reingehen!
Abb.2: Nr. 64, Portal aus gotländischem Kalkstein, daher schon relativ stark verwittert...
Abb.3: Mengstraße 56, ein tatsächlich barocker "Neubau" im Gegensatz zu den sonst üblichen Überformungen, da der Vorgängerbau eingestürzt war.
Abb.4: Mengstraße 54, Giebel Renaissance mit noch vertikaler Gliederung. EG und 1. OG leider im 19. Jhdt. überformt. Wie unglaublich wäre das Ensemble Nr. 48-56 gewesen, wenn auch Nr. 54 unten noch die Originalfassade gehabt hätte.
Kurzer Exkurs zu den Renaissancefassaden:
Als man nach der Epoche der Gotik begann, neue Häuser zu bauen oder die Fassaden nach dem neuen Baustil der Renaissance zu erneuern, wollte man zunächst keinen groben Schnitt im Aussehen der Häuser machen und behielt in der frühen Renaissance die Elemente der gotischen Häuser, also die vertikale Gliederung durch Hochblenden und die kleineren lukenartigen Öffnungen bei - nur eben rund- statt spitzbogig. Erst nach und nach ging man zur "richtigen" Backstein-Renaissance über, die sich durch eher horizontale Fassadengliederung und in einzelnen Stichbogen-Nischen sitzende größere Fenster auszeichnet.
Abb.5: Mengstraße 52, Renaissance, Geschosshöhen zu Wohnzwecken verändert, erkennbar an den "tiefergelegten" Fenstern im 1. OG. Fassadengliederung ursprünglich wie Nr. 50 (siehe nächstes Bild).
Abb.6: Mengstraße 50, Ebenfalls Renaissance, beherbergt zusammen mit Nr. 48 das Restaurant "Schabbelhaus". Reiche historische Innenausstattung aus verschiedenen Epochen, unbedingt mal reinschauen, wenn in Lübeck! Fotos gibt es auf der Webseite des Restaurants.
Abb.7: Mengstraße 50, Portal. Gerade lese ich selbst erst, dass das Portal ursprünglich zu Fischstraße 34 gehörte und bin ganz erstaunt. Es gibt also doch noch etwas, was aus der Fischstraße noch vorhanden ist. Fischstraße 34 liegt aber nicht im Neubaugebiet, sondern im unteren Baublock.
Daher hier kurz ein altes Foto zwischendurch:
Abb.7a: Fischstraße 34 um 1900. Quelle: Wikipedia, gemeinfrei
Und weiter mit meinen Bildern:
Abb.8: Mengstraße 50 und 52 als Ensemble
Abb.9: Und weil´s so schön ist, nochmal die Giebel von 50 und 52
Abb.10: Mengstraße 48, gehörend zum Schabbelhaus. Barock überformt, ursprünglich wohl Renaissance, zu erkennen an den Veränderungen im Bereich der Fenster im 2. OG (insbesondere an den Rillen und andersfarbigen Steine, die die Lage der alten Fenster (offenbar 2 Reihen übereinander) andeuten).
Das erste Schabbelhaus befand sich übrigens bis 1942 in Nr. 36 und ging mit seiner überaus reichen historischen Ausstattung leider ganz knapp verloren. Wir erinnern uns: Erhalten ist die Straße ab Nr. 38...
Abb.11: Nr. 48, Portal
Abb.12: Mengstraße 48-54 im Zusammenhang
Abb.13: Mengstraße 44, Renaissance, Erdgeschoss neuzeitlich verändert. Ehemaliges mittiges Portal und EG-Fenster noch ablesbar.
Abb.14: Mengstraße 40, bestehend aus diesem und den unter Abb.15 gezeigten Haus. Diese "Haushälfte" mit für Lübeck seltener aufwändiger Rokokofassade - ist zwar prächtig, passt m.E. hier nicht so recht in die Straßenfront - das wird auch auf Bild 18 erkennbar...
Abb.15: Mengstraße 40, zweite Haushälfte, Renaissancefassade, Fenster und Fassadengliederung in den OGs stark verändert.
Abb.16: Mengstraße 36: Portalreste des o.g. ersten Schabbelhauses, eingebaut in einen 50er-Jahre-Neubau.
Abb.17: Mengstraße, Nordseite von Westen
Abb.18: Mengstraße, Nordseite von Osten
Ergänzend möchte ich noch kurz die hier erhaltenen zur Beckergrube führenden Querstraßen zeigen:
Abb.19: "Siebente Querstraße" zwischen Nr. 54 und 56. Diese hat auch einen geschwungenen Verlauf wie die ehemalige Krumme Querstraße, ist aber deutlich länger. Wie man sieht, findet man auch hier erhaltene, wenn auch kleinere Häuser aus Gotik und Renaissance.
Abb.20: "Blocksquerstraße" zwischen Nr. 38 und 40. Die sogenannten "Schwibbögen" dienten zur gegenseitigen Abstützung und Sicherung der Häuser gegen Abrutschen auf dem sandigen Stadthügel und waren an fast allen Querstraßen zu finden.
Und als kleine Zugabe am Schluss:
Abb.21: Zwei historische Straßenschilder, wie sie noch oft zu finden sind. Manchmal findet man einen Zusatz, zu welchem der ehemaligen 4 Quartiere der Altstadt die Straße gehörte: "M.Magd.Qu." steht für "Maria-Magdalenen-Quartier". Der Name bezieht sich auf das Burgkloster (Maria-Magdalenen-Kloster).
Die Südseite folgt demnächst...
Alle Fotos (außer Abb.7a) von mir vom 24.5.2015