Hallo zusammen,
ich war gerade auf der Veranstaltung " "Potsdamer Mitte im Dialog": die Stadt und Landesbibliothek. Leider war es eine Veranstaltung im Monolog.
Auf dem Podium:
- Vorsitzender des Bibliothekfördervereins
- Vorsitzende der Volkshochschule (die in die Bibliothek einziehen soll)
- Vorsitzende der Bibliothek
- Baubeirat der Stadt Potsdam
- der Architekt des Vorhabens
Niemand von Mitteschön oder jemand der eine Gegenmeinung darstellen kann.
Dafür dann im Plenum noch einige höhere Kader der Stadt und eine deutliche Mehrheit derer, die jegliche Äußerungen pro Bibliothek in der vorgestellten Art und Weise bejubelten.
Und dann ging die Diskussion los: erst mal durfte jeder aus dem Podium eine Powerpoint- Darstellung der Nützlichkeit einer Stadt- und Landesbibliothek darstellen. Insbesondere der etwas ältere Herr im Vorsitz des Fördervereins auf hohem Politbüro-Niveau. Tenor: lieber, dummer Bürger, stelle Dich nicht quer. Der Zug ist eh schon abgefahren. Du wirst ja wohl nicht gegen eine Bibliothek sein. Und die Gelder, die wir da haben, sind weg, wenn wir nicht sofort bauen. Und Du wärest Schuld. Eine geschlagene halbe Stunde ging das so. Während der Zeit kam ich mir in die DDR versetzt vor...
Zum Ende der Litanei durfte dann der Architekt seine Entwürfe vorstellen. Großartig: 3 Grundrisse aus den 3 Stockwerken wurden gezeigt. Aus denen ging hervor, dass der Besucher im Erdgeschoss erst mal über die ganze Gebäudefläche laufen darf: vom Eingang am gegenüberliegenden Ende ist A der Empfang und B der Aufgang zur Treppe. Ach ja: eine Wendeltreppe, natürlich mit Stufen. Und ich habe in den Grundrissen keinen Fahrstuhl entdeckt. Aber das Gebäude ist vom Anspruch her Barrierefrei. Auf diesem Parterre-Stockwerk soll sich dann auch die Kinderbibliothek befinden. Deren Größe war nicht mehr, als 1/8tel des Grundgeschosses. Ansonsten Leere! Stille! Nur laufende Menschen, zur Wendeltreppe. Großartig, vielleicht finden sich dann in den über 1000m² sogar zukünftig einige wenige Plätze zum Lesen. Ach nein, das ist ja noch der öffentliche, städtische Bereich, in dem man nur Ausleih-Bücher mit nehmen kann...
Dann die erste Etage, in der der Bücherbestand sein soll. Zu erreichen über die besagte Wendeltreppe. Ziemlich freischwebend das Teil, zart besaitete Zeitgenossen und nicht schwindelfreie Menschen werden ihr Vergnügen haben...
Dann kommt die 2. Etage. In der soll dann die Volkshochschule ihren Platz finden. Natürlich ist damit dann die 2. Etage zum Lichthof her geschlossen. Aber das wurde auf der Veranstaltung dann auch nicht näher erläutert. Wir bekamen ein Bild zu sehen, in dem man in der 2. Etage immer noch durch alle Räume bis zur Außenfassade schauen kann. Aber das wird dann zum Februar hin nachgearbeitet. In der Kürze der Zeit von 2007 bis heute konnte man diese „Animation“ (lt. Architekt) nicht herstellen (für mich ist eine Animation ein bewegtes (3D-) Bild, eigentlich auch immer ein Bestandteil jedes Architektur- Kontruktionsprogrammes).
Die 3. Etage wird dann (übrigens doch) leider nicht für die Allgemeinheit zugänglich sein. Schließlich muss eine Bibliothek auch wirtschaftlich arbeiten, daher muss man diese Etage vermieten. Das macht dann den Umbau auch übrigens ganz viel besser billiger...
Nach 45 Minuten durfte dann auch der erste Besucher aus dem Plenum seine Frage stellen. Und dann lief das so ab: eine Frage und jeder von Denen vorne durfte wieder reden: also Sie wollen doch wohl auch eine so wichtige Institution wie eine Bibliothek? Und wir sind so eng mit der Zeit dass wir natürlich über solche Aspekte wie Architektur und Fassade und Stadtprägung nicht sprechen können, schließlich haben wir nur die Mittel bis Ende 2010. Und dann muss das alles durch und vollendet und entschieden sein. Und überhaupt haben Sie ja schon seit 2004 oder 2007 die Möglichkeit gehabt zu reden (nur leider zum ersten Mal heute öffentlich). Warum hat denn da keiner? Und es hat sich ja an den Entwürfen auch gar nichts geändert.
Nur kam dann raus, dass durch die Etagen-Vermietung nicht mehr die gleiche Magazin-Fläche wie bisher für die Bibliothek zur Verfügung steht. Aber das wird ja jetzt ausgelagert und die Verwaltung hat schon Anfragen an andere Bibliotheken im Land gestellt... Ach ja: die größte Neuerung der neuen Bibliothek wird sein, dass man sich Bücher über das Internet bestellen kann. Das kann man ja bisher nicht. Und dann hat man da dann auch keine Wartezeiten auf die ausgelagerten Bücher. Und das sind ja sowieso Bücher, die nicht nachgefragt werden. Also haben Sie sich mal nicht so...
Und der Architekt hat immer mal wieder beteuert, dass es in Anbetracht der kurzen Zeit (2004-2009) nicht möglich war und ist, ein Fassaden-Bild zu erstellen. Daher kann man natürlich auch nicht über die Fassade diskutieren, da die ja noch nicht erstellt und konstruiert ist. Und schließlich wolle man das ja im Januar / Februar 2010 vorstellen, wenn dann der Bau-Beschluss gefallen ist. Daher wurde dann auch das Bild aus dem Architektenvortrag ein Standbild, welches 2007 durch die Presse ging und nur den Innenhof der Bibliothek zeigt (stand 2007). Natürlich war hier noch die 2 Etage durchsichtig. Hätte auch seltsam ausgesehen: Stelzen über Parterre und erste Etage und durchsichtig bis zur Glaskubusfassade (nein, davon gibt es heute kein Bild) und dann die 2. Etage wegen der Volkshochschule verschlossen. Also diskutiert man mal eben die Vorstellung von 2007 und nicht den Planungsstand 2009...
Soll ich noch mehr erzählen? Wurde auf Fragen eingegangen? Wie dieser Glas-Kubus sich in die zu rekonstruierende Häuserzeile auf der Südseite des Platz der Einheit / Wilhelmplatzes einfügen wird? Wie der Übergang von dem Glas-Betonstelzenwürfel zur Häuserzeile stattfinden soll? Wie der Architekt dieses Gebäude im Kontext mit der zukünftig wiederhergestellten Straßenflucht-Struktur sieht? Wie die Verkehrsführung nach der Freilegung des Stadtkanals an der Fassade entlang laufen soll? Welche konstruktiven Änderungen dadurch notwendig werden? Oder was man jetzt noch an diesem Entwurf ändern kann? Antwort: Nichts! Friss und schluck oder stirb! Die typischen Hinhalte-Formeln in 40 Jahren DDR wunderbar einstudiert.
Und nachdem dann der Architekt zuletzt noch einmal reden durfte war dann auch die Veranstaltung um 21:15 zu Ende. Keine Diskussionsveranstaltung sondern eine Belehrungsveranstaltung. DDR pur.