Ich war im Sommer 2016 in Wesel, hauptsächlich um die rekonstruierte Rathausfassade zu begutachten... Empfangen wurde ich schon von einem quasi nicht existenten Bahnhof. Bahnsteig wohl Baustelle, im rohen Zustand mit Unkraut überwuchert und ohne Dächer (es regnete). Durch die Bilder von 1945aus den Geschichtsbüchern - mit der 98%igen Zerstörung des Stadtkerns - hatte ich natürlich Befürchtungen ob der architektonischen Qualitäten, die ich zu erwarten hatte... die wurden auch voll und ganz bestätigt. Ich habe aber zudem auf dem Weg zum Marktplatz eine nahezu verlassene Fußgängerzone durchquert, Geschäfte waren an einem Samstagnachmittag fast alle geschlossen (wann ist denn dann dort mal etwas los?). Willibrordikirche und die rekonstruierte Rathausfassade am Markt sind da wirklich die einzigen Lichtblicke, letztere hat m. E. die Stadt architektonisch um 50% aufgewertet.
Als dritten Anlaufpunkt bewegte ich mich noch in Richtung der Zitadelle, durch vorstadtartige Wohnviertel, teilweise ungepflegt, Gehsteige mit Stolperfallen. Die Zitadelle - Insgesamt eine imposante Anlage, die eine Preußische Festung des 18. - 20. Jahunderts gut vermittelt. Das dazugehörige Museum war aber - wohl schon längere Zeit - geschlossen, Bauarbeiten, eine wohl schon länger nicht mehr aktive Baustelle, Wiedereröffnungsdatum lt. Schildern schon lange überschritten... Außer den üblichen Infotafeln keine geöffnete Touristeninformation oder Gastronomie (wie gesagt, Samstag Nachmittag...). Was mir völlig entgagen ist, dass der Rhein wenige hundert Meter hinter der Zitadelle verläuft - Der Blick von dort ging abschreckend auf belebte Schnellstraßen und ein Gewerbegebiet, kein gestalterischer Hinweis auf die Naherholungsmöglichkeiten ( ?) am Rhein... Auf dem Weg zurück zum Bahnhof mittlerweile hungrig, habe ich dann auch nichts passables gefunden (Hätte mich ja mit Döner oder Pizza begnügt), selbst der McD.. im Bahnhof hatte geschlossen. Dann also hungrig weiter nach Köln...
Auf den Zug wartend hörte ich dann allerdings um 18 Uhr aus der Ferne ein schönes, recht wuchtiges Glockengeläut (spätere Recherchen ergaben, dass die Glocken der Willibrordikirche aus dem 19. Jahrhundert während der Zerstörung der Stadt bereits beschlagnahmt und ausgebaut waren, so dass sie als Klangdenkmal der Stadt überlebt hatten.)
Fazit: Willibrordikirche und Rathausfassade sind sehenswerete Einzelbauwerke - vor deren Wiederaufbauleistung ich Hochachtung habe - , in der Zitadelle fühlte ich mich als interessierter Besucher alleine gelassen, möglicherweise vorhandene Spazierwege am Rhein waren von mir von der Innenstadt aus nicht offensichtlich auffindbar, die Innenstadt war - gemessen an ihrer Größe - so tot, wie ich es an einem Samstagnachmittag (außerhalb der jetzigen Pandemie...) niemals erlebt habe. Die Nähe von Oberhausen und Rhein-Ruhr insgesamt scheint da alles abzusaugen.
Bezeichnenderweise erzählte mir später ein Bekannter, der in der Nähe von Wesel aufgewachsen ist (ca. 15 km), dass er von der Stadt nur den Busbahnhof kenne, an dem er auf dem Weg zu seiner Berufsschule immer umsteigen musste...