Ich habe mir heute die Sitzung der Gestaltungskommission gegönnt – aus Neugier, wie die Meinungsfindungs- und Entscheidungsprozesse so ablaufen – aber auch, weil ich diese Bürgernähe als interessierter Bürger durch Teilnahme würdigen möchte.
Sitzung Gestaltungskommission
1. Projekte und organisatorischer Rahmen sind hier beschrieben: http://www.dresden.de/de/stadtraum/p…n/sitzungen.php
2. Anwesend waren die Kommission selbst, die Vortragenden, Vertreter der Standverwaltung und Stadtrat - sowie etwa 25 Besucher (guter Querschnitt der Stadtgesellschaft)
3. Die Sitzung war ziemlich formal gestaltet: Begrenzung der Vortragsdauer; das Wort wird durch den Sitzungsleiter (Prof. Sulzer) erteilt; nachdem Fragen und Antworten ausgetauscht wurden gibt der Sitzungsleiter das finale Feedback der Kommission (welches offensichtlich in weiten Teilen anhand vorheriger Begehung und Unterlagen vorab gebildet wurde bzw. vorbereitet wurde)
4. Die Feedbackkultur erschien mir unerwartet offen und direkt – teils wurden weite Teile der vorgetragenen Konzepte abgelehnt und kritisiert - sowohl von der Kommission als auch von den Vertretern des Stadtrats; an dieser Stelle muss Prof. Sulzer positiv erwähnt werden, der durch seine Moderation eine deutliche und dennoch würdige Kritik ermöglichte
A) Projekt – Wohngebäude Dürerstraße / Holbeinstraße – Müller/Reimann
1. Lage: https://www.google.de/maps/search/ma…m/data=!3m1!1e3
2. Entwurf: eine große Struktur entlang der Grundigstraße zwischen Holbein- und Dürerstraße auf dem Gelände der aktuell dort befindlichen Baracken; S-Form mit dem Ziel das (alte) Straßenraster aufzunehmen und dennoch aufzulockern durch zwei halboffene Plätze; Richtung Holbeinstraße – also hin zur langen 11-geschossigen Platte erhöht auf 8 Stockwerke, sonst 5/6; eine Gewerbeeinheit
3. Architektur: Sockelausprägung mit Klinker o.ä. ; umlaufende Bänder zur Gebäudestrukturierung; viele 3-Eck Balkone, wie sie in Dresden bei Gebäuden der 60er und 70er Jahre nicht selten zu sehen sind; sonst vertikale Fenster ruhig angeordnet; für den Kontext dort nach meiner Einschätzung geeignete Erscheinung mit guter Qualität
4. Feedback / Rückfragen der Kommission: es scheint unklar zu sein, was mit dem direkt angrenzenden „Grünraum/Park“ geschehen soll – von Central Park bis Schule oder Blockrandbebauung war einiges zu hören – ohne diese Rahmenbedingung könne es jedoch kein schlüssiges Konzept geben; wesentlicher Punkt war das Verhalten zu den als wertvoll erachteten „green assets“ – also den alten Bäumen an der Grundigstraße (das Konzept sieht die Erhaltung auf halber Strecke vor) und zum rückseitigen „Grünraum/Park“; die Architektur wurde weitgehend als okay eingeschätzt – der Baubürgermeister merkte an, dass er keine Bänder mehr sehen könne; Kern-Hausaufgabe: die Stadt möge unter Einbeziehung der weiteren Eigentümern im Areal ein Gesamtkonzept erarbeiten – ggf. in Richtung Bebauungsplan; der Gedanke, hier in Richtung Parkanlage zu gehen erscheint mir persönlich auch geeignet
B) Postplatz – Bürogebäude auf der Fläche hinter Motel One (MK4) Knerer&Lang
1. Lage: https://www.google.de/maps/search/ma…m/data=!3m1!1e3
2. Entwurf: abgeändert vom aktuellen Bebauungsplan, da keine Wohnraumnutzung und reines TLG Bürogebäude sowie Form geändert; Schlangenform startend entlang der Schweriner Str., dann scharfe Kante Richtung Herta-Lindner, auf halber Strecke einbiegend in das Areal auf die anderes Seite um dann um 180 Grad zu drehen und entlang der Freiberger bis zur halben Länge zu bauen, wo quasi ein Stumpf den halboffenen Raum am Eck Herta-Lindner/Freiberger begrenzt; als ein (!) Funktionsgebäude soll auch eine (!) Gestaltung über die gesamte Fassadenlänge umgesetzt werden
3. Architektur: das Büro hatte 3 Fassadengestaltungsentwürfe mitgebracht – und allein dadurch aber auch durch die Vortragsweise subtil kommuniziert, dass die Fassadengestaltung aus K&L-Sicht nicht wesentlich sei; V1: 60er Jahre „Fensterbänder über die ganze Länge“, V2: 2010er Jahre „versetzte Fenster über die ganze Länge“, V3: ähnlich dem eigenen Vorbild „Motel One“
4. Feedback / Rückfragen: man muss es deutlich sagen „in allen Belangen und von allen Beurteilenden durchgefallen“; Kritikpunkte lose aufgelistet: Kubatur / Schlangenform ungünstig; Platzbegrenzung/Hochpunkt Freiberger Straße schwach; keine Wohnungen; Spitze zur Ecke Herta-Lindner/Schweriner – Gedanke der runden Ecke dort nicht aufgenommen; Fußweg zwischen Quartier und Motel One potentielle „Dreckecke“; Kern-Hausaufgabe: Gliederung des Quartiers in mehrere unterschiedlich gestaltete Gebäude; Schließung des Blocks; sinngemäße Aussage eines Kommissionsmitglieds: „Bauen Sie (dort) städtische und zeitgemäße Häuser – nicht mit den Mitteln von vor 10-15 Jahre
B) Wohnvilla – Wiener Straße – Leinert und Lorenz
1. Lage - https://www.google.de/maps/search/ma…m/data=!3m1!1e3
2. Entwurf: auf aktuellen Garagenkomplex; Volumen an den umliegenden Villen orientiert; „Villa“ in der Mitte mit Versatz – also 2 Rechtecke zueinander verschoben
3. Architektur: war noch nicht konkret ersichtlich; wesentlicher Ansatz sind umlaufende Balkone wie bei dem L&L Hochhaus Richtung Bahnhof
4.Vortrag: ein Chart zeigte Sempers Villa Rosa, Le Corbusiers Villa Savoye in einer Reihe mit dem L&L Objekt, was nicht so gut ankam; generell war der Vortrag sehr aufgeblasen – verglichen mit der intellektuellen Substanz eines Mehrfamilienhauses (Villa) mit Versatz
5. Feedback: reichte von „ok“ bis „schlecht“; der Baubürgermeister Schmidt-Lamontain sowie Thomas Löser brachten die Frage auf, warum nicht auch einmal eine zeitgemäße Villa ein schräges Dach haben könne…
Während der Feedbackrunde musste ich dann aus Termingründen gehen..
Mich hat die Veranstaltung sehr positiv überrascht. Es wird wirklich um gute Resultate gerungen – von Seiten der Kommission und den Stadtratsmitgliedern inkl. Baubürgermeister. Mir ist mit diesem Eindruck jedoch völlig unbegreiflich(er) geworden, wie auch grade in jüngerer Zeit Gebäude entstehen konnten, die sämtliche heute gehörten Argumentationsansätze negieren.