Posts by BIO-Bayer

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    Es gab so viel Leid. Man darf sich von der Last der Vergangenheit nicht erschlagen lassen. Das Leben muss ja weitergehen. Und so ist es normal, dass Menschen auch verdrängen. Die Gedanken können nicht ständig um die düsteren Seiten der Vergangenheit kreisen.

    Die amoralische Monstrosität des Nationalsozialismus ist die eigentliche Erschütterung deutschen Seins.

    Vielen Dank für Ihre Antwort, Rastrelli. Im nächsten Leben hoffe ich, trotz persönlicher "wunder Punkte" auch zu solch' ausgeglichenen Beiträgen fähig zu sein. :)

    Man sieht auf dem Foto, dass der obere Stein des Wimpergs verrutscht ist. Ich frage mich, wie das bei Mörtelbauweise möglich ist.

    Vielleicht ein etwas laienhafter Erklärungsversuch: auf mehreren Bildern von anderen Stellen des Domes sind ähnliche Verschiebungen an Werksteinen, auch sehr großen, zu sehen. Klar, bei einem Volltreffer wie am Strebepfeiler des Nordturms "konnte das gar nicht anders sein", irgendwo müssen die freigesetzten Kräfte ja irgendwie abgeleitet werden. Selbst mit Mörtel ist diese Verbindung eine Schwachstelle, und ich vermute, daß der Rest des Wimpergs einfach "stabiler" war, und dem wie auch gearteten Impuls (Erschütterung/Luftdruck) standgehalten hat.

    Die Versenkung der Gustloff jährte sich unlängst (am 30. Januar) zum achtzigsten mal. Zu diesem Ereignis gab es mW keine Gedenkminute im Bundestag.

    Der böse denkende Schelm in mir unkt, daß "man" an einem 30.01. etwas "Wichtigerem" zu "gedenken" hatte.

    Ich denke, es ist eine Mischung aus tatsächlich nicht darum wissen, fehlendem Interesse für deutsche Opfer und der üblichen politischen Instrumentalisierung. Wenn mal vom Leid der Ostpreußen, Schlesier, Pommern die Rede ist, dann doch nur unter dem Verweis darauf, daß die Deutschen damals ja keine Opfer sein können. Noch jedes damalige Kind hat Schuld auf sich geladen und trägt die Verantwortung für 1933-45, einfach weil es deutsch war und zu dieser Zeit am Leben war.

    Aus so etwas mag das Folgende resultieren: eine mich besonders wütend machende Instrumentalisierung der Art "Rückwirkend den Anfängen wehren und unsere Geschichte restlos aufarbeiten" war das Urteil gegen eine heute 99-jährige, die (aus dem Gedächtnis geschrieben) 44/45 als 18-jährige für ein paar Wochen noch Schreibkraft (?) in Stutthof (?) gewesen war, und die für vielfache Beihilfe bei Morden angeklagt und verurteilt wurde. Begründung: sie hätte sich dagegen wehren sollen/müssen.

    Mein Gott, wie ich das verabscheue, mit dem Wissen von heute und den überaus fragwürdigen Moralvorstellungen unserer Tage und diesen hundsverreckten vielfachen Maßstäben zu messen und über die Menschen von damals zu urteilen. Sie zu verurteilen. Was unterscheidet eigentlich die fürchterlichen Juristen heutzutage von denen damals?

    Ich war am 27.11. letzten Jahres in Freiburg zum 80. Jahrestag der Bombardierung. War im Gedenkgottesdienst, bin neben einer Dame gesessen, die damals vier Jahre alt war, habe mir die sehr übersichtliche Fotoausstellung im Münsterforum angeschaut und einen recht gelungenen Dokumentarfilm mit einigen der verbliebenen Zeitzeugen. Ich habe vor Jahrzehnten in FR studiert, der Bezug zur Stadt ist trotz, was seitdem passiert ist (dort wie im ganzen Land), immer noch da, und ich hatte ganz einfach das Gefühl/Bedürfnis, daß ich zum 80. Jahrestag in FR sein "muß". Ich weiß um die Geschichte...und daß Geschichte was mit Geschehen zu tun hat, mithin nicht ungeschehen gemacht werden kann. Es mußte nicht so kommen damals, ist es aber, und damit muß man leben.

    Hier im Forum dürften ein großer Teil darum wissen, egal ob in Bezug zu Freiburg, Dresden, Münster etc. Ich werde im März auch nach Würzburg fahren. Da habe ich keinen Bezug zur Stadt per se, aber ich möchte das Gedenkläuten "erhören".

    Heute ist die Nacht vom 07. auf den 08.02. In einer Woche wird sich Dresden zum 80. Mal gejährt haben. In der übernächsten Pforzheim. Bruchsal am 01.03. Der letzte Angriff auf Köln am 02.03., der war so gewaltig, daß es eigentlich alle 261 vorangegangenen nicht wirklich gebraucht hätte. 05.03. Chemnitz. 16.03. dann Würzburg, gefolgt vom 22.03. mit Hildsheim, 27.03. mit Paderborn. Drei tausendjährige Städte, in einer Spanne von 11 Tagen in zusammen nicht einmal einer Stunde auf Bodengleiche gebracht, wie Jörg Friedrich das mal griffig formulierte.

    Der Bombenkrieg gegen das Dritte Reich und das davon besetzte Europa mag zwischen 500- und 600.000 Menschen das Leben gekostet haben und annullierte landauf, landab das bis dahin Erreichte und Erschaffene. Es gibt Tage, da ist mein Gedankengang: 600.000...das sind 10% der in der Shoah Ermordeten. Jene wird als ein unendlich schlimmes Verbrechen bezeichnet, was sie auch ist. Der Bombenkrieg hat ein Zehntel der Menschenleben gefordert...schlechterdings sind 10% von Unendlich immer noch Unendlich.

    Dann gibt es andere Tage, in denen die Lektüre von Hilberg oder Friedlaender bei mir die Schlußfolgerung hinterläßt: Die Deutschen hatten es schon verdient, nur traf es wie immer die Falschen. Damals...wie heute.

    Beim Untergang der Wilhelm Gustloff kamen zwischen 5000 und 10.000 Menschen ums Leben. Am 16. April jährt sich der Untergang der Goya auch zum 80. Mal. 7.000 Tote. Ob von den Überlebenden dieser Katastrophen heute noch jemand lebt? Ich weiß es nicht.

    Erinnern wir uns daran, die darum wissen, und die es kümmert, Valjean. Das mag nicht viel sein, aber ich finde, es ist ausreichend.

    Schluß für heute.

    D.h. die britischen Bombardements haben die Stadt zerstört und nicht die Kampfhandlungen der Russen?

    Wie gesagt: "Das Luftbild ist auch deswegen für mich von großem Interesse, weil es KB nach der Bombardierung, aber vor dem Kampf um die Stadt im Frühjahr 1945 zeigt, nach dem ja wirklich kein Stein mehr auf dem anderen war."

    Ab Ende Januar war Königsberg von der Roten Armee eingeschlossen, und bis zur Kapitulation der Deutschen dort am 09.04.1945 wurde sehr viel von dem, was die Bombardierungen stehen gelassen hatten, durch Artillerie, Brandstiftung, Sprengung etc. weiter zerstört. Und was danach noch stand, wurde nach dem Krieg plattgemacht. Eben das "andere Nachkriegsschicksal", das insbesondere Königsberg und Nord-Ostpreußen, sprich die spätere Oblast Kaliningrad, erleiden mußten. Auf den wenigen Fotos aus dem Nachkriegs-KB sieht man große "Tabula-Rasa", die etwas anders aussehen, als die meisten Ruinenstädte weiter westlich; so ähnlich wie die Sebalder Steppe in Nürnberg, nur halt auf fast die ganze Stadt ausgedehnt. Eigentlich ist es ein Wunder, daß der Königsberger Dom das alles überdauert hat.

    Ende 1944

    Der kleine Haarspalter in mir möchte hier kurz korrigieren, daß das Foto unmittelbar nach dem zweiten Angriff aufgenommen wurde. Das Speicherviertel (Lastadie) im Vordergrund räuchert noch, hinten steht noch die Haberberger Kirche (Blick wahrscheinlich vom Turm des Postamts Richtung Süden).

    Im Rahmen meines Interesses an den Ostgebieten und dem Bombenkriegs habe ich lange Zeit versucht, ein Bild der Bombardierung Königsbergs im August 1944 zu "erstellen". Dadurch, daß KB und Ostpreußen ein anderes Nachkriegsschicksal beschert war, war das eine langwierige Fissel-Arbeit, bei der wie bei einem Mosaik hier ein Steinchen, dann Jahre später dort das nächste zusammenkam. Heute habe ich endlich eine brauchbare Luftaufnahme des bombardierten Königsbergs finden können, auf der zum ersten Mal das ganze Ausmaß der Zerstörungen sichtbar wird. Ich verlinke hier auf das Foto in einem russischen Königsberg-Forum:

    https://forum-kenig.ru/download/file.php?id=81550&mode=view

    Auf einem anderen heute gefundenen Plan sind die Anflugwege der englischen Bomber eingezeichnet, welche aus generell südwestlicher Richtung kamen. Das hat, so meine ich mit meinem begrenzten Wissen, auch im Schadensbild niedergeschlagen. Man sieht im nördlichen, nordwestlichen und östlichen Teil der Stadt - Tragheim, Steindamm und Sackheim - zusammenhängende größere Gebiete, die stehen geblieben sind. Der erste Angriff in der Nacht 26./27.08.1944 betraf nur kleinere Gebiete im Norden der Stadt - Tragheim, Maraunenhof - und Einzeltreffer in Sackheim und weit im Südosten. Zu unterscheiden ist das hier nicht mehr wirklich. Das Luftbild ist auch deswegen für mich von großem Interesse, weil es KB nach der Bombardierung, aber vor dem Kampf um die Stadt im Frühjahr 1945 zeigt, nach dem ja wirklich kein Stein mehr auf dem anderen war.

    Nach dem zweiten Angriff in der Nacht 29./30.08. fast völlig zerstört sind das Zentrum: die Altstadt um das Schloß, die Kneiphof-Insel mit dem Dom, die Stadtteile Löbenicht, Neuroßgarten, Lastadie, großte Teile der Lomse, von (Vorder)Sackheim und (Vorder)Haberberg sowie Teile von Altroßgarten, Steindamm und Tragheim. Außer der Steindammer, Tragheimer, Haberberger und Lutherkirche sind alle Kirchen in der Innenstadt zerstört/ausgebrannt. Der Schloßturm steht noch und wirft seinen Schatten über den Schloßhof nach Nordosten. Die beiden Bahnhöfe wurden anscheinend kaum getroffen.

    Hier meine schnelle Bearbeitung des Luftfotos, damit die o. g. Stadtteile etc. lokalisiert werden können. Vielleicht ist es ja für den einen oder anderen von Euch auch von Interesse, gerade in diesen Tagen, wo sich diese Katastrophe zum 80. Mal jährt.

    Hat nur sechs Jahre gedauert, die Gelegenheit. Der "Stachus", ein ehem. Färberhaus (urspr. 1785), Gutenbergstr. 7.

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    Leider kann ich Folgendes nicht mit Fotos untermauern (ich bin nur vorbeigefahren und habe es aus dem Augenwinkel mitbekommen) aber ich freue mich, daß der ehem. Stachus ein neues Dach, einen neuen Verputz und neue Fenster bekommen hat. Wobei letzere nicht denkmalschutz-gemäß sein sollen, und wieder raus müssen, habe ich gehört. Ob der hölzerne Ausleger, das teilweise offene Fachwerk und das bißchen Fassadenmalerei "überlebt" haben, konnte ich in der Schnelle nicht feststellen.

    Frank Enstein Bei passender Gelegenheit bitte mal dort vorstellig werden, Du kommst wohl leichter mal hin als ich. Merci!

    Ein kleines Addendum aus dem Bilderrätsel-Strang zum Vergleich: die Schlosserhalde 1945/46 (?) und im Juli 2024.


    Auf dem fünften Bild von Frank Enstein ist der Blick aus der Gegenrichtung auf den Durchgang zum Kirchplatz zu sehen.

    Die von BIO-Bayer verwendete Pluralform "Sakomare" habe ich in deutschen Texten aber auch schon gelesen.

    Ja, glaubsch Du, daß I als Allgaia Bua no nachschau, wia im Russischn der Bluraal des jeweiligen Begriffs richtig daherkommt? :D Ich kann dutzende russische/ukrainische/lettische/baschkirische Volks- und Kirchenlieder singen, aber SO genau nehme ich es dann doch nicht.


    Aber wieder was gelernt, und dafür sei mit etwas Verspätung noch recht herzlich gedankt!

    Ich bin mir nicht sicher, ob "Sensibilität" ganz das richtige Wort ist. In vielen (nicht allen) Fällen wird auch der Aspekt "Ich, ich, ich...selbstverwirklich' mich!" eine Rolle spielen. Vielleicht will der Bauherr mit voller Absicht einen Kontrapunkt setzen. Vielleicht lassen die Bauvorschriften so was nicht nur zu (offenkundig), sondern ermutigen diese Architektur auch (Statik, Energetik, Was-weiß-ik). Zeitgeist? Vielleicht eine geschmacklose Mischung aus allem, oder nichts davon.


    Hätte ich Geld, Wissen und Können zum Wiederherrichten...käme für mich nichts Anderes als Altbestand in Frage.


    Von einigen Jahren zwei Jahrzehnten sah ich in der Nähe von Sion folgende halb im Boden versenkte Schuhschachtel:

    Mehr als einen halb ungläubigen, halb verächtlichen Schnaufer gab's dafür nicht...

    Das künstlerische Niveau ist wirklich beeindruckend, man sieht vor allem, wie hier der Faden des gehobenen Kunsthandwerks nicht abgerissen ist.

    Dazu eine Frage, die nicht unmittelbar mit dem Thema an sich zu tun hat: zwischen der Oktober-Revolution über das Wüten der Bolschwiken bis Gorbatschow ging ein Menschenleben dahin.

    Der Faden, von dem Seinsheim sprach: war der tatsächlich "nicht abgerissen", d. h. hat sich das Wissen um diese Art von Architektur, Kunst, lokalen Baustilen etc. in irgendwelchen Nischen überlebt, die die Sowjet-Zeit überdauerten, und das dort "gespeicherte" Wissen, Können und Wollen erhalten haben? Oder hat man sich das in den letzen drei-(plus) Jahrzehnten wieder mühsam selber beibringen müssen?

    Auch mit Hinblick auf gegenwärtige Geschehnisse hier in D-Land stellte sich mir die Frage: wo, wann und wie kann man an eine unterbrochene bzw. temporär verlorengegangene Tradition wieder anknüpfen?