Die Versenkung der Gustloff jährte sich unlängst (am 30. Januar) zum achtzigsten mal. Zu diesem Ereignis gab es mW keine Gedenkminute im Bundestag.
Der böse denkende Schelm in mir unkt, daß "man" an einem 30.01. etwas "Wichtigerem" zu "gedenken" hatte.
Ich denke, es ist eine Mischung aus tatsächlich nicht darum wissen, fehlendem Interesse für deutsche Opfer und der üblichen politischen Instrumentalisierung. Wenn mal vom Leid der Ostpreußen, Schlesier, Pommern die Rede ist, dann doch nur unter dem Verweis darauf, daß die Deutschen damals ja keine Opfer sein können. Noch jedes damalige Kind hat Schuld auf sich geladen und trägt die Verantwortung für 1933-45, einfach weil es deutsch war und zu dieser Zeit am Leben war.
Aus so etwas mag das Folgende resultieren: eine mich besonders wütend machende Instrumentalisierung der Art "Rückwirkend den Anfängen wehren und unsere Geschichte restlos aufarbeiten" war das Urteil gegen eine heute 99-jährige, die (aus dem Gedächtnis geschrieben) 44/45 als 18-jährige für ein paar Wochen noch Schreibkraft (?) in Stutthof (?) gewesen war, und die für vielfache Beihilfe bei Morden angeklagt und verurteilt wurde. Begründung: sie hätte sich dagegen wehren sollen/müssen.
Mein Gott, wie ich das verabscheue, mit dem Wissen von heute und den überaus fragwürdigen Moralvorstellungen unserer Tage und diesen hundsverreckten vielfachen Maßstäben zu messen und über die Menschen von damals zu urteilen. Sie zu verurteilen. Was unterscheidet eigentlich die fürchterlichen Juristen heutzutage von denen damals?
Ich war am 27.11. letzten Jahres in Freiburg zum 80. Jahrestag der Bombardierung. War im Gedenkgottesdienst, bin neben einer Dame gesessen, die damals vier Jahre alt war, habe mir die sehr übersichtliche Fotoausstellung im Münsterforum angeschaut und einen recht gelungenen Dokumentarfilm mit einigen der verbliebenen Zeitzeugen. Ich habe vor Jahrzehnten in FR studiert, der Bezug zur Stadt ist trotz, was seitdem passiert ist (dort wie im ganzen Land), immer noch da, und ich hatte ganz einfach das Gefühl/Bedürfnis, daß ich zum 80. Jahrestag in FR sein "muß". Ich weiß um die Geschichte...und daß Geschichte was mit Geschehen zu tun hat, mithin nicht ungeschehen gemacht werden kann. Es mußte nicht so kommen damals, ist es aber, und damit muß man leben.
Hier im Forum dürften ein großer Teil darum wissen, egal ob in Bezug zu Freiburg, Dresden, Münster etc. Ich werde im März auch nach Würzburg fahren. Da habe ich keinen Bezug zur Stadt per se, aber ich möchte das Gedenkläuten "erhören".
Heute ist die Nacht vom 07. auf den 08.02. In einer Woche wird sich Dresden zum 80. Mal gejährt haben. In der übernächsten Pforzheim. Bruchsal am 01.03. Der letzte Angriff auf Köln am 02.03., der war so gewaltig, daß es eigentlich alle 261 vorangegangenen nicht wirklich gebraucht hätte. 05.03. Chemnitz. 16.03. dann Würzburg, gefolgt vom 22.03. mit Hildsheim, 27.03. mit Paderborn. Drei tausendjährige Städte, in einer Spanne von 11 Tagen in zusammen nicht einmal einer Stunde auf Bodengleiche gebracht, wie Jörg Friedrich das mal griffig formulierte.
Der Bombenkrieg gegen das Dritte Reich und das davon besetzte Europa mag zwischen 500- und 600.000 Menschen das Leben gekostet haben und annullierte landauf, landab das bis dahin Erreichte und Erschaffene. Es gibt Tage, da ist mein Gedankengang: 600.000...das sind 10% der in der Shoah Ermordeten. Jene wird als ein unendlich schlimmes Verbrechen bezeichnet, was sie auch ist. Der Bombenkrieg hat ein Zehntel der Menschenleben gefordert...schlechterdings sind 10% von Unendlich immer noch Unendlich.
Dann gibt es andere Tage, in denen die Lektüre von Hilberg oder Friedlaender bei mir die Schlußfolgerung hinterläßt: Die Deutschen hatten es schon verdient, nur traf es wie immer die Falschen. Damals...wie heute.
Beim Untergang der Wilhelm Gustloff kamen zwischen 5000 und 10.000 Menschen ums Leben. Am 16. April jährt sich der Untergang der Goya auch zum 80. Mal. 7.000 Tote. Ob von den Überlebenden dieser Katastrophen heute noch jemand lebt? Ich weiß es nicht.
Erinnern wir uns daran, die darum wissen, und die es kümmert, Valjean. Das mag nicht viel sein, aber ich finde, es ist ausreichend.
Schluß für heute.