So, ihr lieben Leute, da wir schon so lange durch Wien III promenieren, sollten wir uns vielleicht einmal ein kleinwenig Gedanken machen, ob wir nicht ausnahmsweise mal ein bisserl Wert auf Vollständigkeit und Systematik legen wollen. Dh ich hab mir tatsächlich derartige (mir gewöhnlich eher fremde) Gedanken gemacht, und hier ist das Ergebnis:
Wir besuchen heute ein zugegebenermaßen eher obskures Stadtviertel.
Meine Güte, was heißt schon obskur in der Aera des Massentourismus...
Groteskerweise ist die ehemalige Vorstadt Weißgerber, heute der letzte größere, hier noch nicht präsentierte Teil Landstraßes, weit diesbezüglich stärker heimgesucht als etwa die Josefstadt oder der Alsergrund.
Na ja, was sind denn schon schließlich die Piaristenkirche oder das Liechtensteinpalais -unsere kosmpolitische Plebs hat da schon andere Ziele, die wir natürlich nicht beachten und nur soweit wahrnehmen wollen, als es unvermeidlich ist, dh ganz am Rande.
Wer hätte den tourismuswirtschaftlichen Aufstieg Weißgerbers vor, sagen wir, 40 Jahren vorausgesehen?
Diese Vorstadt ist über weite Teile völlig belanglos, und aus diesem Satz spricht keineswegs meine angebliche Arroganz gegenüber dem Historismus (älteres findet man dort nämlich nicht, was uns jedoch egal ist, denn wir sind ja schließlich keine Snobs, nicht wahr?).
Keiner, nicht mal youngnickel, wird ob der städtebaulichen Schönheiten Weißgerbers in enthusiasmiertes Jubelgeheul ausbrechen.
Aber das macht nichts, denn wir Aristokraten des Geistes, die wir bescheiden und demutsvoll über unsere Mutter Erde wandeln, überdies stets sehenden Auges, werden immer etwas unserer Ergötzung oder Erbauung, und wenn s gar nicht anders ausgeht, unserer Belehrung Dienliches finden. Vor allem Letzteres ist hier ganz bestimmt der Fall: Wo sonst kann man die Meriten des Historismus studieren, und seine innere Wahrhaftigkeit, seine Authentizität, Materialgerechtigkeit etc schätzen lernen, wenn nicht hier, in dieser läppischen stowässrigen Nachbarschaft? Wo sonst?
Abgesehen davon, verhält es sich nicht ganz so schlimm. Wir werden original Wiener Backsteingotik kennenlernen, werden der Erfurter Renaissance gedenken und zu guter Letzt ein wirklich nicht unbedeutendes Ensemble vorfinden, das wirklich zum Besten dieser Art in Wien zählt, eine hiererorts typische Melange von Historismus und Jugendstil. Durchwegs solide. Um dies zu erkennen, hätte es vielleicht jenes absonderlichen Nachbargebäudes gar nicht bedurft, aber diesbezüglich hat dieses sicher nicht geschadet.
Frei nach Plato: Lerne hinzuschauen, und du wirst auch von jenen profitieren, die dummes Zeug bauen!*
EDIT:
ich geb zu, dass ich hier manchem Erwiderer - höchst unfreiwillig - eine gewisse Pointe 'aufgelegt' habe... jaja, lerne lesen, und du wirst... ... schreiben, ja klar.
Stimmt immerhin auch in dieser Form zweifellos.