Posts by Bauaesthet

    Es bleibt immer der Prioritätenzwist zwischen: dem Leitbild eines Landesdenkmalamtes zu folgen, frühere, noch erhaltene originale Zeitschichten dokumentarisch zu konservieren, auch wenn sie heutigen mehrheitlich empfundenen ästhetischen Maßstäben nicht gerecht werden oder andererseits: den Maßstäben zur Schaffung, Ergänzung oder Wiederherstellung eines mehrheitlich ästhetisch empfundenen Stadtbildes oder Ensembles zu folgen.

    Ein Landesdenkmalamt kann sich immer auf die Originalität eines Objektes berufen, auch ohne Rücksicht auf zeitlose Ästhetik. Die Befürworter eines stimmigen Stadt- oder Ensemble-Bildes nach Kriterien der Ästhetik haben immer das Problem: Was gefällt, was ist vergängliche Mode, wie wichtig ist Stilreinheit oder bewusster Stilbruch, wer entscheidet nach welchen Kriterien darüber, welche heutige Gestaltung auch morgen noch zeitlos wertvoll empfunden und bleiben wird?

    Die Welt ist voller Besserwisser (auch unter uns?), die anderen ihren "ideologisch geschulten" Willen aufdrängen wollen, aber die Alternative der Befolgung eines ungeschulten, banalen Mehrheitswillens wäre nicht besser. Was ist also zu tun?

    ... gerade die herausragenden, individuellen Bauten, die heute im Stadtbild fehlen, ...

    Ich denke bei Reko Wünschen nicht daran, eine bestimmte Zeitepoche vorrangig zu behandeln, weder Historismus, noch Barock oder Klassizismus, um dann ein ausgesuchtes Gebäude aus der bevorzugten Zeit in fremder 08/15-Umgebung als Solitär zu rekonstruieren. Die große Kunst der Architektur bewundere ich besonders dann, wenn Gebäude aus unterschiedlichen Epochen in ihrer Eigenart so nebeneinander stehen, dass sie sich ebenso in ihren stilistischen Besonderheiten wie auch in ihrem gemeinsamen Erscheinungsbild ganz selbstverständlich harmonisch ergänzen. Also gilt es, m. E., verlorene Brillanten da wiederzugewinnen, wo sie nicht nur sich selbst oder eine ausgesuchte Zeitepoche (z. B. Historismus) präsentieren, sondern ganze Ensembles, Plätze, Straßenzüge durch ein wiedergewonnenes ästhetisches Gesamtbild bereichern. Das Problem ist: Wer kann nach zeitlosen Kriterien den hohen Wert der Ästhetik beurteilen? In der modernen Architektur bemühen sich manche Architekten zu verkrampft, ihrem Gebäude eine herausstechende, auch provokative Besonderheit abzutrotzen, mit der dann die Umgebung erschlagen wird.

    Ja klar, du hast recht. Ich meine aber keine Temperatur- und Feuchtigkeits-intensiven hochwertigen musealen Artefakte, sondern an passender Stelle z.B. ein dekoratives, originales, steinernes Bruchstück aus der Fassade, das sonst keine Verwendung findet, ein schöner Teil eines Kapitels oder einer Götterfigur.

    Priorität hat es jedenfalls, in der Öffentlichkeit und gegenüber den staatlich zuständigen Stellen weiter Verständnis und Bereitschaft zu wecken, zunächst einen ausgewählten Innenraum (Gigantentreppe!) zu rekonstruieren, zumal Spendengelder dafür verfügbar wären.

    Da das Humboldt-Forum doch ein Museum ist, gehört es doch logisch dazu, dass man auch in Durchgängen, bei Seiteneingängen, in Nischen usw. - ohne Überladung - auch vorhandene alte Artefakte hinstellt, statt diese in Archiven zu verstecken. Auch beschädigte Skulpturen können da einen Reiz ausstrahlen.

    Wir wissen ja auch nicht, ob das Gemälde von Gaertner überhaupt noch den barocken Urzustand, der damals schon gut 150 Jahre zurücklag, wiedergibt. Durchfahrten sind besonders verschmutzungsanfällig und dürften daher öfters überstrichen worden sein als Innenräume. Jedenfalls passt das klassizistische Grau nicht zu Schlüters Barock alla Romana.

    Wir sollten mit den frisch gestrichenen Farben an und in dem Gebäude vielleicht gnädiger umgehen. Die Durchgänge und eben noch fast strahlend weißen Stuckflächen werden insgesamt grauer, verschmutzter werden, Gebrauchsspuren und Patina bekommen, ebenso wie alle Innen- und Außenfassaden. Viele Schwarz-Weiß-Bilder vom alten Schloss lassen sogar eine gewisse "Verwahrlosung" erkennen. Und ob man bei früheren selektiven Renovierungen sich immer exakt an "ursprüngliche" Originalfärbungen gehalten hat, wage ich zu bezweifeln. Letztlich ist das Bemühen und Erhalten eines harmonisch dezenten Gesamtbildes entscheidend.

    Ich habe aus den Bildern von Mantikor ein Video angefertigt. Vielen Dank dafür 😊👍

    Lieber Sir Moc,

    wenn ich diese wunderschönen Bilder in deiner sensibel komponierten, bewegten Video-Komposition sehe und dazu diese melancholische Begleitmusik höre, bin ich gleichzeitig traurig bewegt um so viel Verlorenes und freudig bewegt um jedes wieder Gewonnene. herzlichen Dank!

    Soweit ich weiß, stehen die Gelder für die Gigantentreppe bereit, allerdings hat der Senat abgelehnt.

    Quote

    Eine Frage zur Klärung: Der Senat hat früher die Rückführung des Neptunbrunnens einschließlich Finanzierungsangebot des Bundes abgelehnt mit der Begründung, dass der Schlossplatz und seine Gestaltung ausschließlich in der Zuständigkeit des Senats liegen würde. Das gelte auch für die Rossebändiger.

    Ist es nicht umgekehrt so, dass der zu rekonstruierende Schlossbau im Eigentum des Bundes liegt und dass der Senat deshalb in Sachen Innenausbau hier keine Zuständigkeit und auch keine "Ablehnungsbefugnis" hat?

    Wenn die wunderbar rekonstruierten Durchgänge fertig sind und in ihrer großen Schönheit und Qualität wirken, müsste es doch zu einer neuen Aufbruchstimmung kommen - nicht nur hier im Kreis der Forumsmitglieder, sondern in der Öffentlichkeit und in den Entscheidungsgremien. Es gibt doch keinen Grund, das Projekt lustlos abzuschließen. Die zugesagten Spendengelder wären sicher noch (?) verfügbar. Die Handwerker haben ihre Kunstfertigkeit erneut bewiesen, sie sind da und wären sicher bereit. Eine nahtlos weiterführende Entscheidung zur Rekonstruktion der Gigantentreppe bietet sich jetzt an. Wer hat den Mut, die Kraft und die Kontakte, den Stein ins Rollen zu bringen?

    Aber was ist ... mit dem größeren Becken der "originale" Standort, wenn er auf dem Schloßplatz und vor dem Fernsehturm in beiden Fällen rund 60 Jahre gestanden hat? Die Denkmalpflege betrachtet den heutigen Standort des Schloßbrunnens ... auch als historisch (1969-2025; 56 Jahre), Schloßplatz (1891-1951; 60 Jahre). Im kollektiven Bewußtsein der Berliner ist sicher der heutige Standort eingegraben. ... Rossebändiger ... standen 101 Jahre vor dem Schloß, ... 80 Jahre lang stehen sie jetzt in Schöneberg. Nur mittels Anciennität ist da die Rückversetzung nicht zu begründen, das geht nur mit dem provisörischen Charakter in Schöneberg, den der Entwurfsurheber Pniower selbst betont hat.

    Das größere Neptun-Becken war ein schwacher Versuch, den für den großen, leeren Ort offensichtlich viel zu kleinen Brunnen optisch, auch durch Bodenpflasterung in alle Richtungen zu spreizen. Bei Rückversetzung (auch bei neuem, abgeformtem Brunnen) würde dazu wieder ein passenderes Becken in Originalgröße gehören. Zu dem Umfeld der modernen großen Bauten mit Fernsehturm und HF-Ostfassade gehört eigentlich nicht das kleinteilige Barock, sondern ein viel größerer, moderner Brunnen, z.B. mit Fontaine.

    Die Standzeiten halte ich nicht für so maßgeblich. Viel wichtiger sind die Ästhetik des Stadtraumes, die stilistische Wirkung und Bedeutung des Brunnens innerhalb des abgestimmten Ensembles vor Portal II.
    Das kollektive Bewusstsein der Berliner am Ort halte ich für „vergänglich“. Sie kommen und gehen, Kinder wachsen auf, heiraten, ziehen in einer Generation um oder ganz weg. Der Brunnen ist für alle Berliner da, auch für internationale Schloßbesucher, im Zentrum, da wo sich Unter den Linden und Lustgarten treffen.

    Das gilt auch für die Rossebändiger. Friedrich Wilhelm IV und W. Humboldt haben das Geschenk von Zar Nikolaus sorgfältig für den Standort ausgesucht – aus gutem Grund. Die von K.F. Schinkel gestalteten Rossebändiger Castor und Pollux grüßten später vom Alten Museum ihre Pendants vor Portal IV. Der damals mit der Kleistpark-Planung beauftragte Gartenarchitekt Pniower hat selbst mit Recht den ihm vorgegebenen unscheinbaren Standort und die weit auseinandergezoge, verlorene Paarwirkung der vereinsamten Figuren im Kleistpark als "provisorisch" bedauert. Dass Bezirksbürgermeister um ihren "Besitz" kämpfen, verstehe ich, dass aber der Senat solche erstrangigen Prunkstücke der Städtebaukunst nicht mutig wieder als einrahmendes Paar vor Schloßportal IV ins verdiente "Rampenlicht" stellt, dient nur bedauerlichen, kleinkarierten Lokalinteressen. Seitlich vor dieses Gebäude des ehemaligen "Volksgerichtshofes" im Kleistpark gehört eigentlich ein Mahnmal angesichts der vielen dort verhängten unsäglichen Todesurteile durch den Nazi-Verbrecher Konrad Freisler. Auch ein Denkmal an die Zeit der Hohen Alliierten Kommission wäre seitlich zusätzlich sinnvoll und geeigneter als die dort festgehaltene "Raubkunst". Aber vielleicht hat Berlin die Schnauze voll von wippendn, misslingenden Denkmalversuchen.

    ... Dafür müsste man dort aber zusammenhängendes Wissen und nen Überblick haben.

    Kann man das vom Senat für Stadtentwicklung ... und vom Landesdenkmalamt nicht erwarten?
    Die Baudirektorin sagt, das Thema sei "komplex" u. die Standorte seien "konstituierend". Das heißt: Der Hausherr hat die prächtigsten Bilder desinteressiert in Nebenzimmern abgestellt. Das sei konstituierend.

    Eine solche Missachtung von Kunst gibt es m.M. nicht in anderen europäischen Hauptstädten.

    Resurrectus

    Ja, du hast natürlich recht. Man könnte allerdings die Rückversetzung von Original-Kunstwerken an ihre Originalplätze auch als "Rekonstruktion eines Ensembles" betrachten, nicht handwerklich, aber städtebaulich. Das könnte, sollte m. M., auch Thema und Verantwortung eines Landesdenkmalamtes sein, eher als die Festnagelung der verstreuten Kunstwerke an "kostituierend" ersessene, zweitrangige, z.T. abgelegene Plätze in einer letzten oder favorisierten Zeitschicht?
    So habe ich es gemeint.

    Ich überlege, welches Leitbild das Landesdenkmalamt Berlin bei Rekonstruktionen von Bauwerken, Kunstwerken und Ensembles im Stadtbild verfolgt: Mehrere Prioritäten fallen mir ein:

    1. Die Qualität der Gestaltung d. Objektes (Ausdruck, Bedeutung, künstlerisch zeitlos hochwertige Gestaltung)
    2. Das ästhetisch "schöne" Zusammenwirken innerhalb eines Gesamtensembles (Schloß-Bau mit Schloßplatz)
    3. Der historische Kontext (z.B.Rossebändiger als Geschenk von Nikolaus an Wilhelm)
    4. Ein politischer Kontext: Hinweis auf die Zeit Preußens oder auf die Zeit der DDR-Hauptstadt
    5. Die Standzeit am Ort (Gewohnheit der örtlichen Bevölkerung)
    6. Das Eingehen auf bzw. Befolgen des Ausdruckes einer bestimmten Moderichtung
    7. Das Befolgen einer bestimmten ideologischen Vorgabe eines Auftraggebers
    8. oder andere geheimnisvolle Motive.

    Ich sehe für die Motive 1, 2 und 3 die höchste Priorität. Politische Motive sehe ich grundsätzlich mit Misstrauen. Die örtliche Bevölkerung hat nur eine kurze Verweilzeit am Ort, wird erwachsen, zieht um, stirbt irgendwo anders. Bestimmte Zeitschichten oder Vorgaben ohne Berücksichtigung von 1, 2, 3 sehe ich keine Priorität, besonders, wenn sie 1 bis 3 völlig verdrängen.

    Es ist selbstverständlich, dass die Rossbändiger und der Neptunbrunnen an die Stellen versetzt werden, wo sie hingehören. Wir sollten uns darüber freuen, es sah lange anders aus.

    Ist "selbstverständlich" nur dein Wunsch, dass die Versetzungen von RB oder NB eigentlich selbstverständlich sein müssten? Oder hast du Informationen über positive Überlegungen und Versetzungsabsichten von befugter Seite? Mir ist nichts darüber bekannt.

    Verstehe ich das richtig, dass weder Senat noch sonst eine Behörde ein Problem damit hätte, wenn von den Rossbändigern Kopien angefertigt würden und diese dann am ursprünglichen Ort aufgestellt würden?

    Denn schöner gestalten und aufwerten könnte man sie ja kaum.

    Diese Diskussion gehört zwar eigentlich in die Forumsgruppe "Schlossumfeld". Ich halte die Trennung von Schloßbau und Umfeld allerdings für falsch, weil sie die städtebauliche, ästhetische und historische Sicht auf das untrennbare Gesamtensemble immer wieder zerreißt. Richtig wäre m. M. die Behandlung von Gebäude und Umfeld als umfassendes Gesamtprojekt und Forumsdiskussion gewesen.
    Ich hoffe, der Moderator schiebt diesen Beitrag nicht ins Nirvana.

    Die Versetzung der Rossebändiger (RB) lehnte der Bezirksbürgermeister, zuständig für den Kleistpark, in der Planungsphase ab wegen des konstituierenden Besitzstandes und der Beliebtheit der RB bei der örtlichen Bevölkerung. Frau Regula Lüscher (Bauhausschülerin), ehemalige Senatsbaudirektorin, lehnte ebenfalls die Rückkehr der RB ab. Sie sagte, sie wolle um den neuen Schlossbau herum kein "Freiraummuseum" (!) zulassen. Für den Neptunbrunnen (NB) gab es sogar die Zusage des Bundes, die Versetzung zu finanzieren. Der Senat lehnte auch das ab, weil zwar der Schloßbau Zuständigkeit des Bundes, das Schloßumfeld aber Hoheitsgebiet des Landes seien. Gegen Neuschaffung von Kopien der RB und des NB für ihre Originalorte gab es in der Planungsphase m. M. keine ausdrücklichen Widerstände, es gab aber auch keine offene Diskussion, weil die generelle Auffassung der Zuständigen war, ein modernes, minimalistisches Umfeld zu schaffen.

    Das Landesdenkmalamt (im Ressort von Frau Kahlfeld) sieht Kopien generell als neue Kunstwerke ohne Geschichte. Statt die von 1845 bis 1945 =100 Jahre (RB) und von 1890 bis 1950 = 60 Jahre (NB) gültigen Originale an historischen Standorten als denkmalwürig wertzuschätzen, besteht das Denkmalamt auf der Erhaltung der Originale an ihren heutigen Standorten von 1945/50 bis 1990, (Beginn der Standortdiskussion) d.h. am sichtbaren Schutz der DDR-Zeitschicht von 45/40 Jahren.
    Auch viele Gegner des Schloß-Projektes wollen das ungeliebte Gebäude ausdrücklich isoliert und von früheren Schmuckelementen frei lassen. Deshalb, meine ich, gibt es auch heute viele Vorbehalte gegenüber Kopien der Kunstwerke. Ich kenne aber keine offiziellen Vorbehalte, weder gegen RB noch gegen NB. Neuschaffung von Kopien für die Originalorte sind viel teuerer als Versetzungen. Angesichts d. Finanzlage ist es unwahrscheinlich, dass Berlin zustimmt, und fraglich, ob es dafür genügend Spendengelder geben würde.

    Beispiel Anschreiben an zuständige Behörden:
    Wegen der Standorte der Rossebändiger und des Neptunbrunnens hatte ich höflich an den Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler geschrieben. Ich hatte die heutigen in unpassenden Umfeldern stehenden, zweitklassigen Standorte beklagt und für den höheren Wert des wieder mögliche Gesamtensembles durch die Platzierung an den Portalen II und IV des Schlossbaus argumentiert. Nach vielen Monaten bekam ich von der zuständigen Senatsbaudirektorin für Städtebau und zuständig für das Landesdenkmalamt, Frau Kahlfeld, eine freundliche, ausführliche, aber ausweichende Antwort. Dieses Thema sei diskutiert worden und sehr komplex. Die Kunstwerke hätten an ihren heutigen Standorten inzwischen eine „konstitutive“ Funktion erreicht. Man würde sich aber bemühen, die direkte Umgebung der heutigen Standorte schöner zu gestalten und aufzuwerten. Auf meine Argumente ging sie nicht ein. Im Hintergrund kämpften eindeutig die Bezirksbürgermeister um ihre „geerbten“ bzw. „ersessenen“ Besitzstände.

    Welche Institution des Bundes ist zuständig für bundeseigene Bauten und Kunstwerke in Berlin? Gehören die von dem heute bundeseigenen Schlossbau früher entfernten Kunstwerke deshalb heute noch dem Bund oder sind sie in Landeseigentum übergegangen? Ist das Gebäude der ehemals Hohen Kommission Bundeseigentum inklusiv Rossebändiger oder Landeseigentum?

    Diese Bundesinstitution wäre wohl auch zuständig für die Vorbereitung einer Entscheidung zu weiteren Rekonstruktionen im Innenausbau.

    Ich bin gerade bei so hohen %Zahlen der Übereinstimmung sehr skeptisch, eher ablehnend: Wenn ein Baumeister und Künstler wie Andreas Schlüter die geistige Idee, die Entwürfe und Modelle eines Schlosses oder Kunstwerkes herstellt und es zum Auftrag kommt, werden Werkstätten, Handwerker, Maurer, Maler usw. eingesetzt, um den grandiosen Plan zu realisieren. Diese ehemaligen vielen Fachleute, Vorarbeiter und Ausführende sind heute meist völlig unbekannt. Schlüters Berühmtheit ist begründet durch die Idee, seinen Entwurf und Ausführungspläne. Sein geniales Konzept ist heute durch das von Unbekannten realisierte und sorgsam dokumentierte Ergebnis erhalten. Wenn nun eine Rekonstruktion ansteht, können vergleichbar gut ausgebildete, erfahrene, stilkundige und sorgsam ausgewählte Fachleute mit modernen, oft besseren Werkzeugen ein ebenso gutes Gebäude oder Kunstwerk als neues, im Grunde gleichwertiges Original im Sinne Schlüters rekonstruieren. Wir können Schlüters geniales Kunstwerk wieder sehen, bewundern und schätzen und uns freuen, dass derartiges in unserer heutigen kapitalistischen Massen- und Modegesellschaft noch möglich ist.

    Dagegen würde diese Denkart nicht funktionieren, wenn Schlüter selbst in unvergleichbarer Kunstfertigkeit jeden Stein des Schlosses gesetzt, das Denkmal des Großen Kurfürsten Schritt für Schritt ganz alleine bis zur Aufstellung hergestellt hätte. Es würde auch nicht funktionieren, wenn ein von Michelangelo selbst gemaltes Originalbild von einer Manufaktur „rekonstruiert“ würde. Dennoch würden bei Beschädigung eines Meisterwerkes Restaurateure ihr Bestes versuchen, um den Schwung des Pinselstrichs Michelangelos nachzuahmen. Die pauschale Missachtung und Verhinderung jeglicher Rekonstruktion kann ich nicht verstehen.

    Resurrectus

    In diesem Punkt bin ich nicht einverstanden. Wenn es um zerstörte oder deplatzierte Kunst- und Bauwerke von großer Bedeutung in Stadtensembles geht, gilt der legitime Anspruch, eigentlich sogar die Pflicht zur Reparatur oder Wiederherstellung. Das gilt natürlich nur in wenigen Fällen von außergewöhnlicher künstlerischer bzw. städtebaulicher Bedeutung für das gemeinsame kulturelle Gedächtnis. Das ist bei dem Schlossbau und seinen wertvollsten Teilen in diesem hervorgehobenen Stadtensemble der Fall.

    Wenn politische Gremien, Kunstsachverständige und Bürger sich bei jeder Entscheidung über Städtebau, Kultur und Kunstwerke von Vertretern extremer rechter oder linker Gruppen einschüchtern lassen, die der Öffent-lichkeit mit provokanten Methoden ideologisch bedingte Tabus oder Verbote verordnen, leben wir in einem bedauernswert ängstlichen Gemeinwesen. Wir brauchen den Mut, sowohl den geschichtsverfälschenden Ideologen wie Oswald und Co. zu widerstehen, als auch Rechtsextremisten, die ohne Kunstverständnis alles begeistert beklatschen, was in ihre nationalen und selektiv geschichtsverklärenden Mythen passt. Hier geht es um außerordentliche Kunstwerke, die wir in hochwertiger handwerklicher Arbeit wiedergewinnen könnten – und um nichts anderes!

    Ich habe gelernt, dass die Zuständigkeit für das Schlossumfeld bei der Senatsverwaltung für Stadt­ent­wicklung, Bauen u. Wohnen liegt und dass das Landesdenkmalamt bei Fragen der Rekonstruktion mitzuentscheiden hat. So fiel die Entscheidung für Rossebändiger und Neptunbrunnen, sie an den derzeitigen zweitrangigen Standorten zu belassen. Schade für diese prächtigen Kunstwerke und die betroffenen Ensembles.

    Anders ist die Situation für die Innenräume des hybriden Neubaus im wunderschönen, großenteils wiederer-standenen Gewand. Zuständig für das Bauwerk ist der Bund. Ich hätte mir gewünscht, dass dort den Mut gegeben hätte, mehr Offenheit für eine beispielhafte Rekonstruktion weniger künstlerisch und historisch bedeutsamer Räume zu zeigen. Die Paradekammern, deren Zugang die berühmte Giganten-Treppe war, galten als künstlerische Meisterschöpfung des bedeutendsten deutschen Barockbildhauers Andreas Schlüter und gehörten zu den großen Raumschöpfungen des Barocks in Europa. Das Treppenhaus ist hervorragend durch Fotografien, Pläne und Gipsabgüsse dokumentiert. Die Wiederherstellung wäre möglich. Spendenmittel sind zu einem erheblichen Teil zugesagt. Warum fehlt der Mut, zunächst die Giganten-Treppe zu rekonstruieren?

    Vielen Dank Resurrectus für den Beitrag dieses großartigen Films. Er ist hochinteressant: künstlerisch, politisch, historisch, städtebaulich - sorgfältig zusammengestellt, aufschlussreich und gut kommentiert!

    Ich musste lernen, dass der für das Schlossumfeld zuständige Berliner Senat mit Landesdenkmalamt gefangen sind im Beharren auf einer kunst- und geschichtsvergessenen „konstitutionellen“ Zeitscheibensicht. Diese enge Sicht erlaubt nur die unbefriedigenden Interimslösungen für Rossebändiger und Neptunbrunnen. Darin sehe ich (mit Verlaub) ein unverständliches Armutszeugnis der Berliner Städtebau-Politik.

    Für die Innenraumgestaltung des hybriden Baus hätte ich mir die beispielhafte Rekonstruktion der Giganten-Treppe und, je nach Spendenbereitschaft, weniger bedeutender Räume gewünscht: Rittersaal, Paradekammern Andreas Schlüters. Der Mut, diese „Edelsteine“ der Barockkunst zu restaurieren, wäre eine großartige Perspektive. Welche Bundes-Instanz müsste den Mut für eine solche Entscheidung haben? Es wäre keine Geldfrage in schwieriger Zeit, sondern des politischen Wollens in Verbindung mit privatem Engagement.

    Wenn man konsequent primär historische Bedeutung und Ästhetik berücksichtigt, würde der Große Kurfürst wieder zurück an das Schloss gehören, auch wenn eine Ergänzung der modernen Brücke nicht realistisch ist.

    Begründung:
    1. Das hervorragende Kunstwerk von Schlüter stand auf der Brückenmitte mit Blick auf die alte Renaissance-Fassade aus der Zeit des Großen Kurfürsten. Er könnte auf die ehemalige Burgstelle und Südfassade sehen.
    2. Ein m. E. geeigneter Standort wäre direkt zwischen der südlichen BS/HF-Ostfassade und dem westlichen Brückenkopf. Damit würde das Schlüter-Bauwerk mit dem Schlüter-Denkmal wieder zusammengeführt.
    3. Heute steht das Denkmal in dem Ehrenhof des Ch. Schlosses. Ehrenhöfe sind repräsentativ gedacht für vorfahrende Kutschen. Kunsthistorisch bleiben sie frei von domierenden Statuen. Das ist z. Zt. ein Stilbruch.

    Mir ist klar, dass eine Rückversetzung an oder um das Schloss politisch und bürokratisch nicht realisierbar ist. Es bleibt also ein Gedankenspiel.