Noch ein Nachtrag zur Diskussion um den Landesnamen: Weißrussland oder Belarus?
Im Oktober 2021 hat der Sprachendienst des Auswärtigen Amtes sein Länderverzeichnis dahingehend geändert, dass fortan in Bezug auf das Land die Verwendung von Belarus, belarussisch in allen kommunikativen Situationen empfohlen wird. Die Bezeichnung Weißrussland wird gewissermaßen aus dem Verkehr gezogen. Sie veraltet. Daraufhin hat auch die deutsche Wikipedia auf Belarus, belarussisch umgestellt. Zuvor war die Namensfrage intensiv diskutiert, ein Wechsel von Weißrussland zu Belarus aber mehrmals zurückgestellt worden, da Wikipedia die Entwicklung des Sprachgebrauchs erst noch weiter beobachten wollte.
Leider schreiben einige Medien in Deutschland Ableitungen von Belarus mit nur einem s nach dem u - belarusisch. Diese Schreibweise geht auf eine Pressemitteilung der Deutsch-Belarussischen Historikerkommission aus dem Jahr 2020 zurück. Nun ist eine Historikerkommission weder zuständig noch fachlich kompetent, solche Sprachregelungen festzulegen, und ich sehe die sprachdidaktischen Probleme, die sich aus der Pressemitteilung ergeben. Auch bei der Schreibung belarusisch soll das s stimmlos gesprochen werden. In den slawischen Sprachen werden stimmloses und stimmhaftes s als zwei verschiedene Welten empfunden. Die richtige Aussprache ist aber nur bei der Schreibung mit Doppel-s gewährleistet. Diese Schreibung - belarussisch - ist seit den 90er Jahren im Deutschen lexikalisiert. Wenn nun einige Medien ihr eigenes Ding machen, sorgt das nur für Verunsicherung.
Eine andere Empfehlung der Historikerkommission wird dagegen weitaus seltener von den Medien aufgegriffen. Sie betrifft die Schreibung von Namen mit Belarus-Bezug. Bislang wird fast immer die russische Namensform verwendet. Beispiel: Swetlana Tichanowskaja. Die belarussische Form des Namens der Oppositionspolitikerin lautet (in deutscher Transkription): Swjatlana Zichanouskaja. Wir kennen das Problem von Namen mit Ukraine-Bezug. Da hat die Verwendung der ukrainischen Formen in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Der Gebrauch landessprachlicher Namensformen hilft dabei, die jeweilige Nation als eigenständig wahrzunehmen.
Jetzt habe ich noch zwei schöne Musikvideos für euch. Es singt die Sopranistin Marharyta Laŭčuk. Sie ist ein engagiertes Mitglied der belarussischen Opposition und lebt im Exil. Begleitet wird sie von Andrej Pavuk.
Das erste Lied - Spadčyna ("Das Erbe")
Der Text stammt von dem bedeutenden belarussischen Dichter Janka Kupała und wurde 1922 erstmals veröffentlicht. Auf dem T-Shirt von Marharyta Laŭčuk könnt ihr den Landesnamen in der internationalen Schreibweise lesen. Im Hintergrund die weiß-rot-weiße Flagge der belarussischen Nationalbewegung. Das Lukaschenko-Regime verwendet dagegen die leicht modifizierte Flagge der Sowjetrepublik als Staatsflagge. Die ist rot-grün.
Das zweite Lied - Aksamitny letni viečar ("Ein lauer Sommerabend")
Der Text von Siaržuk Sokałaŭ-Vojuš ist eine Liebeserklärung an die Heimat. Am Ende jeder Strophe singt Marharyta "Belarus maja" (mein Belarus). Auf ihrem T-Shirt hat sie das Logo des Minsker Autowerks.