Posts by Rastrelli

    Noch ein Nachtrag zur Diskussion um den Landesnamen: Weißrussland oder Belarus?


    Im Oktober 2021 hat der Sprachendienst des Auswärtigen Amtes sein Länderverzeichnis dahingehend geändert, dass fortan in Bezug auf das Land die Verwendung von Belarus, belarussisch in allen kommunikativen Situationen empfohlen wird. Die Bezeichnung Weißrussland wird gewissermaßen aus dem Verkehr gezogen. Sie veraltet. Daraufhin hat auch die deutsche Wikipedia auf Belarus, belarussisch umgestellt. Zuvor war die Namensfrage intensiv diskutiert, ein Wechsel von Weißrussland zu Belarus aber mehrmals zurückgestellt worden, da Wikipedia die Entwicklung des Sprachgebrauchs erst noch weiter beobachten wollte.


    Leider schreiben einige Medien in Deutschland Ableitungen von Belarus mit nur einem s nach dem u - belarusisch. Diese Schreibweise geht auf eine Pressemitteilung der Deutsch-Belarussischen Historikerkommission aus dem Jahr 2020 zurück. Nun ist eine Historikerkommission weder zuständig noch fachlich kompetent, solche Sprachregelungen festzulegen, und ich sehe die sprachdidaktischen Probleme, die sich aus der Pressemitteilung ergeben. Auch bei der Schreibung belarusisch soll das s stimmlos gesprochen werden. In den slawischen Sprachen werden stimmloses und stimmhaftes s als zwei verschiedene Welten empfunden. Die richtige Aussprache ist aber nur bei der Schreibung mit Doppel-s gewährleistet. Diese Schreibung - belarussisch - ist seit den 90er Jahren im Deutschen lexikalisiert. Wenn nun einige Medien ihr eigenes Ding machen, sorgt das nur für Verunsicherung.


    Eine andere Empfehlung der Historikerkommission wird dagegen weitaus seltener von den Medien aufgegriffen. Sie betrifft die Schreibung von Namen mit Belarus-Bezug. Bislang wird fast immer die russische Namensform verwendet. Beispiel: Swetlana Tichanowskaja. Die belarussische Form des Namens der Oppositionspolitikerin lautet (in deutscher Transkription): Swjatlana Zichanouskaja. Wir kennen das Problem von Namen mit Ukraine-Bezug. Da hat die Verwendung der ukrainischen Formen in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Der Gebrauch landessprachlicher Namensformen hilft dabei, die jeweilige Nation als eigenständig wahrzunehmen.


    Jetzt habe ich noch zwei schöne Musikvideos für euch. Es singt die Sopranistin Marharyta Laŭčuk. Sie ist ein engagiertes Mitglied der belarussischen Opposition und lebt im Exil. Begleitet wird sie von Andrej Pavuk.


    Das erste Lied - Spadčyna ("Das Erbe")

    Der Text stammt von dem bedeutenden belarussischen Dichter Janka Kupała und wurde 1922 erstmals veröffentlicht. Auf dem T-Shirt von Marharyta Laŭčuk könnt ihr den Landesnamen in der internationalen Schreibweise lesen. Im Hintergrund die weiß-rot-weiße Flagge der belarussischen Nationalbewegung. Das Lukaschenko-Regime verwendet dagegen die leicht modifizierte Flagge der Sowjetrepublik als Staatsflagge. Die ist rot-grün.


    Das zweite Lied - Aksamitny letni viečar ("Ein lauer Sommerabend")

    Der Text von Siaržuk Sokałaŭ-Vojuš ist eine Liebeserklärung an die Heimat. Am Ende jeder Strophe singt Marharyta "Belarus maja" (mein Belarus). Auf ihrem T-Shirt hat sie das Logo des Minsker Autowerks.

    Das ist ein interessanter Aspekt, der ja auch im Bereich moderner Kunst wirkt. Nicht über das Herz erschließt sich einem diese Architektur bzw. Kunst, sondern über den Kopf. Es ist eine intensive Beschäftigung damit nötig, um die Barrieren des Herzens zu überwinden.

    Das stimmt so nicht. Ich beschäftige mich mit dem, was mich interessiert. Ob ich mich für ein Thema interessiere, hat natürlich etwas mit Gefühl und Veranlagung zu tun. Ich interessiere mich für Architektur, für bildende Kunst, für Musik und Literatur. Ich muss keine "Barrieren des Herzens" - die Formulierung ist schrecklicher Kitsch - überwinden, um mich mit moderner Kunst zu beschäftigen. Denn ich interessiere mich für Kunst. Bei der modernen Kunst gibt es eine riesige Bandbreite. Vieles spricht mich nicht an. Aber warum sollte ich mich deshalb der Kunst grundsätzlich verschließen?


    Man kann übrigens auch nicht sagen, dass alte Kunst sich jedem sofort über das Herz erschließen würde. Viele Menschen können mit älterer Kunst leider gar nichts anfangen. Auch alte Kunst will verstanden werden und nicht einfach nur schön sein. Andererseits kann moderne Kunst auch auf rein ästhetischer Ebene wirken. Abstrakte Gemälde von Gerhard Richter bedürfen zum Beispiel keiner großen Erklärungen. Sie wirken unmittelbar durch Farben und Formen auf den Betrachter.

    Das von HansaMansa gezeigte Luftbild des Schauspielhauses stammt aus dem Frühjahr 2022. Es zeigt das ursprüngliche Zerstörungsbild. Dieses oder ein ähnliches Foto war seinerzeit auch in verschiedenen Medien zu sehen. Die russische Besatzungsmacht hat später einen großen Bauzaun um die Theaterruine errichtet. Im Dezember 2022 wurde die Ruine zum großen Teil abgerissen. Nur die Schauseite blieb stehen. Sie soll in eine Rekonstruktion des Gebäudes einbezogen werden.


    Da das Theatergebäude in beiden Staaten - Russland und Ukraine - große symbolische Bedeutung erlangt hat, haben beide Staaten jeweils angekündigt, das Theater wieder in seiner ursprünglichen Gestalt aufbauen zu wollen. Abgesehen von seiner geschichtlichen Bedeutung ist das im Stil des Sowjetischen Historismus errichtete Gebäude in Mariupol auch ein architektonisches Highlight gewesen, da es in der Stadt nur wenige ältere Gebäude gab.

    Und Ferenc Széchényi ohne Damenbegleitung


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    Budapest, Museumsgarten (Múzeumkert), Denkmal für Graf Ferenc Széchényi (Foto: Globetrotter19, 25. Dezember 2016, CC-BY-SA-3.0)


    Das Ferenc-Széchényi-Denkmal steht im nördlichen Teil des Museumsgartens, der das Ungarische Nationalmuseum umgibt. Das Denkmal wurde 1902 zum 100. Jahrestag der Museumsgründung enthüllt. Geschaffen hat es János Istók.


    Im Jahre 2018 gab es im Museumsgarten Restaurierungsarbeiten. Dabei wurde auch das Gärtnerhaus erneuert und ergänzt. Es befindet sich hinter dem Nationalmuseum, also im östlichen Teil des Museumsgartens. Das 1852 von János Wagner errichtete klassizistische Gebäude diente ursprünglich wohl als Gärtnerei. Später wohnte hier der Gärtner. Noch bis 1966. Zunächst zwei Aufnahmen vom Zustand vor der Restaurierung, dann ein aktuelles Foto:


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    Die Rückseite des Gärtnerhauses vor der Rückseite des Nationalmuseums (Foto: Globetrotter19, 25. Dezember 2016, CC-BY-SA-3.0)


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    Die Gartenseite des Gärtnerhauses vor der Sanierung (Foto: Globetrotter19, 25. Dezember 2016, CC-BY-SA-3.0)


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    Museumsgarten und Gärtnerhaus nach der Sanierung (Foto: Hujber Tünde, 24. Dezember 2019, CC-BY-SA-4.0)


    Hinter dem Gärtnerhaus befindet sich auf der anderen Straßenseite das Hauptgebäude des Ungarischen Rundfunks - ein Klassiker der ungarischen Moderne, erbaut 1966-1969. Solche Kontraste findet man öfter in Budapest.


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    Ungarischer Rundfunk (Magyar Rádió) (Foto: Globetrotter19, 25. Dezember 2016, CC-BY-SA-3.0)

    Die "Berliner Abendschau" hat am 18. April ebenfalls berichtet.


    rbb24.de/kultur/beitrag/av7/video-neubau-museum-der-moderne-berlin


    RBB-Kulturkritikerin Maria Ossowski findet den Bau jetzt besser als vorher. Aber nur "diplomatisch ausgedrückt". Wirklich begeistert ist sie also auch nicht. Immerhin: Das neue Haus heißt jetzt nicht mehr "Scheune", weil es keine Scheunentore mehr gibt. Und: Wir dürfen uns auf einen großen Beuys-Raum freuen. Ich habe Beuys mal im Hamburger Bahnhof gesehen. Um es diplomatisch auszudrücken: Ich freue mich auf den Beuys-Raum und nehme die Herausforderung, die "Vorplatzschräge" namens Piazetta (schräg ist insbesondere auch der Name) zu erklimmen, weiterhin gerne an, um in die Gemäldegalerie zu gelangen.


    Insgesamt mag ich das Kulturforum. Man kann von dort quer durch den Tiergarten zum Hauptbahnhof laufen. Wenn sich nun die Pflanzenwelt nach Süden ausdehnt, finde ich das nicht schlecht. Beuys im Wald und solarbedacht. Der überarbeitete Entwurf erscheint mir praktikabler als das gehäkelte Ziegelkleid, das ursprünglich geplant war.

    reklov2708

    Wie ich sehe, hast du deine Beiträge gelöscht. Darauf habe ich das, was du als

    unsachliche und persönlich verletzende Abschnitte

    bezeichnest, aus meinem Beitrag herausgenommen. Es waren zwei Zeilen, ein einziger kurzer Abschnitt.


    Der Rest meines Beitrags hat Hand und Fuß und ist absolut sachlich. Ich bitte, diesen Beitrag stehen zu lassen, für den Fall, dass wieder jemand das Verschieben des Strangs in die Lounge verlangt. Es macht mir schließlich Arbeit, sowas zu schreiben.

    Die Lounge ist für externe Besucher unsichtbar. Warum sollten wir die Bilder vom Eisernen Piraten der Weltöffentlichkeit vorenthalten? Das Thema befindet sich jetzt im Ordner "Berlin - Allgemeines und Überbezirkliches" und genau da gehört es hin. Nur dort wird es von den Besuchern des Forums auch gefunden. Der Strang hat einen aussagekräftigen Titel ("Historische Fotografien des Berliner Alltagslebens"). Wen das nicht interessiert, der muss nicht reinschauen. Es gibt auch weiterhin genügend Themen und Fotos mit eindeutigem Architekturbezug.


    weil das Thema nicht wirklich mit "Bauprojekte, Sanierungen, Rekonstruktionen, Stadtumbau und Denkmalschutz in Deutschland"

    zu tun hat.

    Diese große Überschrift sollte man nicht zu eng auslegen. Es ist häufig so, dass eine Überschrift nicht alles benennt, was in dem zugehörigen Text oder in den zugehörigen Texten behandelt wird. Das sage ich jetzt als Sprachwissenschaftler. Eine Überschrift ist keine umfassende Inhaltsangabe, sondern gibt an, worum es hauptsächlich im nachfolgenden Text oder in den nachfolgenden Texten geht. Das Alltagsleben ist ein Nebenaspekt, der sich aus der Beschäftigung mit dem Berliner Stadtbild vor 1945 ergibt. Der Reiz historischer Ansichten beruht häufig nicht nur auf der Schönheit der Gebäude, sondern auch auf Details des Straßenbildes jener Zeit, wie z.B. Verkehrsmittel, Kleidermode, Litfaßsäulen. Einrichtungen der kommunalen Infrastruktur, wie z.B. S- und U-Bahn, Feuerwehr, Schlacht- und Viehhöfe, sind wichtige Aspekte der Stadtentwicklung.


    Die Bilder, die Eiserner Pirat hier präsentiert, sind geeignet, die Besucher unseres Forums zur Beschäftigung mit Stadtgeschichte und schöner Architektur anzuregen.

    Burg Krásna Hôrka


    Die Restaurierungsarbeiten ziehen sich in die Länge. Auch elf Jahre nach dem Brand ist die Burg immer noch geschlossen. Das wird in der slowakischen Gesellschaft durchaus kritisiert. Immerhin, es geht voran. 2024 sollen erste Teile der Burg wiedereröffnen.


    Blick zum Burgtor im Frühjahr 2006, vier Jahre vor dem Brand:


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    Burg Krásna Hôrka, Burgtor, dahinter die Schlosskapelle (Foto: Tamás Thaler, 28. April 2006, CC-BY-SA-3.0)


    Dieselbe Ansicht im Herbst 2021. Die Dächer sind mittlerweile alle neu gedeckt, aber das Burgtor ist für Besucher noch geschlossen.


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    Krásna Hôrka, Burgtor und Schlosskapelle (Foto: PeterWiki56, 4. September 2021, CC-BY-SA-4.0)

    Hat man den Brandstifter eigentlich erwischt?

    Ja. Es war ein 15-jähriger Jugendlicher aus der Stadt. Er wurde vom Gericht für nicht schuldfähig befunden, da psychisch krank, und in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Denkmalschützer kritisierten nach dem Brand fehlende Brandschutzvorkehrungen. Dies sei generell ein Problem bei Holzkirchen in Russland.


    Beim Wiederaufbau der Uspenskaja-Kirche in Kondopoga soll nun eine Brandschutzanlage eingebaut werden. Dies sagte Swetlana Supak, die stellvertretende Leiterin der Denkmalschutzbehörde Kareliens, im August 2021 im Regionalfernsehen. Die Kirche selbst müsse mit traditionellen Methoden und Materialien wiederaufgebaut werden. Unabhängig davon sei eine Brandschutzanlage zu planen. Wünschenswert sei ein System, das ein Feuer automatisch entdecken und löschen könne. In dem Bericht von SAMPO TV erfahren wir außerdem, dass der Standort der Kirche abgesperrt ist und bewacht wird. Immer wieder kommen Menschen vorbei, die ihre Anteilnahme bekunden. Eine wohltätige Stiftung hat 9 Millionen Rubel an Spendengeldern gesammelt. Ein Stiftungsvertreter betont, dass auch kleine Spenden wichtig sind, weil sie die Verbundenheit der Menschen mit der Uspenskaja-Kirche zum Ausdruck bringen.


    Im Sommer 2022 wurde der Beginn des Wiederaufbaus der Kirche gemeldet. Die Ausschreibung des Auftrags, von der ich in meinem vorigen Beitrag berichtet hatte, war also erfolgreich. Die Finanzierung kommt aus dem föderalen Haushalt.

    Der Fehler in der Beschriftung war mir auch schon aufgefallen. Die woke Deutung von campus solis halte ich aber für abwegig. Denn bei den Objektbeschriftungen in den Staatlichen Museen sowie in der wissenschaftlichen Literatur sind präzise Angaben zur Datierung unverzichtbar.


    In der DDR hieß es "vor unserer Zeitrechnung" (stets abgekürzt: v. u. Z.) bzw. "unserer Zeitrechnung" (abgekürzt: u. Z.). Im Russischen sind analoge Formulierungen heute noch allgemein gebräuchlich. Ich finde das unproblematisch. Ob man das mit "Zeitrechnung" schreibt oder mit "Christus" ist im Grunde egal. Ich achte da gar nicht groß drauf.


    Im Fachjargon von Historikern, Archäologen usw. hört man in gesprochener Rede oft "3. Jahrhundert vor bis 1. Jahrhundert nach". Also man verkürzt zu "vor" und "nach". Wenn der zeitliche Bezug klar ist, wird auch häufig auf eine solche Angabe verzichtet. Bei Datierungen um die Zeitenwende herum ist es aber unverzichtbar, einen Bezug zu "Christi Geburt" oder "unserer Zeitrechnung" anzugeben.


    Die Bezeichnungen julianischer und gregorianischer Kalender wurden auch in der DDR nicht infrage gestellt. Die Namen beziehen sich auf historische Persönlichkeiten. Es ist aber vielleicht ein interessantes Detail, dass einige orthodoxe Ortskirchen die christlchen Feste wie Ostern und Weihnachten am gleichen Tag wie die Katholiken feiern, dies aber nicht nach dem gregorianischen Kalender tun, sondern nach dem neujulianischen Kalender. Dieser wurde in Serbien entwickelt und kommt auf einer anderen Berechnungsgrundlage zu dem Ergebnis, dass in den nächsten circa 800 Jahren die christlichen Feste in Ost und West auf den gleichen Tag fallen. Danach kann man sich ja dann einen neuen "neoneujulianischen" Kalender basteln. Hauptsache man hat sich nichts von einem Papst sagen lassen.

    Ist das die perspektivische Verzerrung, oder sind der Dame rechts der Kartusche ein paar Finger abgebrochen?

    Es ist, wie East_Clintwood geschrieben und Eiserner Pirat gezeigt hat. Die beiden mittleren Finger und der Daumen der Justitia werden gebraucht, um die Waage zu halten. Unnatürliche, manirierte Fingerstellungen und Handhaltungen sind in der älteren Kunst keine Seltenheit.


    Die Adlerkartusche zeigt eines deutlich: dass Wilhelm II. das Schloss vorrangig als Residenz nicht des deutschen Kaisers, sondern des preußischen Königs begriff.

    Das war es ja auch. Deutscher Kaiser war zwar dem Rang nach der höhere Titel, aber König von Preußen hatte weitaus mehr Substanz, historische Tiefe (in einer Adelsgesellschaft überaus wichtig) und eine konkrete Machtbasis - das Königreich Preußen. Das Berliner Schloss war die Residenz des Königs von Preußen, der gewissermaßen nebenher noch das Kaiserreich mitmachte. Die gesamte Hofhaltung wurde aus preußischen Ressourcen bestritten. Die Museen waren königliche Museen, die große Bibliothek Unter den Linden war die Königliche Bibliothek. Im Namen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird dies heute noch deutlich. Die SPK erfüllt die Aufgabe einer nationalen Kultureinrichtung. Die Sammlungen, die ihr historisch zugrunde lagen, waren ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenfalls als nationale Kultureinrichtungen konzipiert, wurden aber aus preußischen Mitteln finanziert. Das galt in der Regel auch, wenn sich Mäzene betätigten. James Simon war ein preußischer Mäzen. Es gab im Deutschen Reich von 1871 keine "Reichskultureinrichtungen", wie es überhaupt nur wenige Reichsinstitutionen gab. Zu nennen wären vor allem Reichstag, Reichsgericht, Reichskanzler und Reichsämter, Reichspost, Kaiserliche Marine.


    Ich glaube, er wollte da eine historische Kontinuität vortäuschen, die nicht so bestand. Schon so ein kleines Bisschen Disneyland

    Das Wort "Disneyland" hat in der seriösen Beschäftigung mit Architekturgeschichte und mit Rekonstruktionen nichts verloren. Es ist völlig normal, dass an Schlössern im Laufe der Zeiten weitergebaut wurde.

    dass die russischen Kirchen oder allgemein Rekonstruktionen fast ausschließlich traditionell in Ziegelbauweise ausgeführt werden.

    "Fast ausschließlich" kann man nicht sagen. Beton wird in den Ländern des orthodoxen Kulturkreises häufig für Sakralbauten verwendet. Er gilt jedoch als unedles Material und wird praktisch immer "unsichtbar" gemacht. Sichtbeton finden wir im orthodoxen Sakralbau weltweit nur in ganz wenigen Einzelfällen. Aber für den Rohbau kommt Beton häufig zum Einsatz, auch in Russland. Zum Teil gibt es dafür auch konstruktive Gründe.


    Ein schönes Beispiel einer solchen "Betonkirche" haben wir hier im Strang bereits vorgestellt: die neue Kathedrale des Moskauer Sretenski-Klosters. Der hohe, weite und lichte Innenraum (hier noch ein schönes Foto) ließe sich in traditioneller Ziegelbauweise nicht realisieren. Das ist moderne Architektur in respektvoller Anknüpfung an die Tradition. Unter der Kathedrale des Sretenski-Klosters befindet sich übrigens auch eine Tiefgarage. Auf dem Klostergelände in der Moskauer Innenstadt ist nur wenig Platz, deshalb hat man diese "unorthodoxe" Lösung gewählt. Selbstverständlich ist die Tiefgarage "unsichtbar".

    Bitte keine politischen Diskussionen führen! Das bringt uns nicht weiter.


    Für die Architekturinteressierten habe ich noch weitere Bilder der Kathedrale des Warnizki-Klosters.


    Das Dorf Warnizy ist der Geburtsort des heiligen Sergius (Sergi) von Radonesch. Er wird in der russischen Kirche in besonderem Maße verehrt. Das Kloster, das sich dort ansiedelte, entwickelte sich über lange Zeit aber gar nicht besonders gut. In sowjetischer Zeit wurde die Anlage weitgehend zerstört. Im Rahmen der Wiederbesiedlung des Klosters wurden die Gebäude wiederaufgebaut. Nach dem Jahr 2000 begann man mit dem Bau einer Kathedrale. Die Arbeiten kamen jedoch nicht über den Sockel hinaus. Erst ab 2012 wurde der Bau fortgeführt - nun jedoch nach einem völlig neuen Entwurf des Architekten Zarin (Царин). Die Arbeiten gingen zügig voran. Zum 700. Geburtstag des heiligen Sergius wurde die neue Kathedrale geweiht. Das Warnizki-Kloster wird als Filiale der Troize-Sergijewa Lawra betrieben. Es untersteht damit direkt dem Patriarchen von Moskau.


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    Rostow (Gebiet Jaroslawl), Warnizki-Kloster, Baustelle der Klosterkathedrale (Foto: Виктор П., 10. Mai 2013, sobory.ru, CC-BY-NC)


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    Rostow, Warnizki-Kloster, Kathedrale Sergija Radoneschskogo von Norden (Foto: Flash rockin' man, 28. September 2020, sobory.ru, CC-BY-NC)

    Aja (Ая) ist ein Dorf im Osten der Region Altaj (Altajski Kraj). Es liegt am linken Ufer der Katun, eines Quellflusses des Ob. Etwa 2.000 Menschen leben hier. In den letzten Jahren hat sich der Tourismus recht gut entwickelt. Die neue Dorfkirche wurde wohl kurz nach 2010 erbaut. Der Vorbau mit dem Eingang und den Glocken wurde 2016 angefügt.


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    Aja (Ая, Altajski rayon, Altajski kraj), Kirche zu Mariä Schutz (Pokrowa Preswjatoj Bogorodizy, Pokrowskaja-Kirche)

    (Foto: Владимир Глазунов, 30. November 2018, sobory.ru, CC-BY-NC)


    Die Pokrowskaja-Kirche ist ein oktogonaler Ziegelbau. Ein separater Altarraum wurde nicht angefügt. Der Altar befindet sich also innerhalb des Hauptbaus. Das ist ungewöhnlich. Die Bauform der Kirche erinnert so an eine Kapelle. Russische Kapellen haben keinen Altar. Der Glockenstuhl über dem Eingang und die zweireihig gesetzten Fenster weisen aber darauf hin, dass es sich um eine Kirche handelt und keine Kapelle.


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    Aja (Altaj), Pokrowskaja-Kirche (Foto: Владимир Глазунов, 30. November 2018, sobory.ru, CC-BY-NC)


    Sehr hübsch finde ich das blau gedeckte und mit Sternen besäte Zeltdach (Schatjor). Es wird von einer vergoldeten Glawka mit Kreuz abgeschlossen. Die Gestaltung des Dachüberstandes lässt sich aus der Tradition der russischen Sakralbaukunst herleiten. Die Platzierung einer Sternenzier auf einem Zeltdach ist jedoch ungewöhnlich.


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    Aja (Altaj), Kirche von Südosten (Foto: Altaets, 10. Juni 2016, sobory.ru, CC-BY-NC)


    Die Fallrohre haben eine für Russland typische Form und werden zur dekorativen Akzentuierung des schlichten Äußeren der Kirche genutzt.


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    Aja, Fallrohr an der Kirche (Foto: Владимир Глазунов, 30. November 2018, sobory.ru, CC-BY-NC)


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    Aja, Kirche, ein Fenster der unteren Reihe (Foto: Владимир Глазунов, 30. November 2018, sobory.ru, CC-BY-NC)


    Die ursprüngliche Pokrowskaja-Kirche war ein Holzbau von 1901 und sah ganz anders aus. Die historische Fotografie aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigt einen für jene Zeit und Region typischen Kirchenbau. Wann er verloren ging, ist nicht bekannt. Der Neubau bezieht sich nur mit der Altarwidmung auf die frühere Kirche.


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    Aja (Altaj), Pokrowskaja-Kirche von 1901 (Foto: Anfang 20. Jh., sobory.ru)

    Bild 8, der Kiosk steht vor einem Metroeingang, wo ?

    Danke! Das hat mir weitergeholfen.


    Bild 8 zeigt eine Eingangshalle zur U-Bahnstation Deák tér. Solche Eingangshallen wurden zur Eröffnung der ersten U-Bahnlinie 1896 gebaut. Sie sahen nicht alle gleich aus. Leider wurden sie bereits zwischen 1911 und 1924 nach und nach wieder abgerissen - wegen "ungerechtfertigten Pomps".


    Das Haus, das im Hintergrund des Pavillons zu sehen ist, steht leider auch nicht mehr. Am Deák-Platz hat sich seit der Zeit um 1900 vieles verändert. Hier noch eine Aufnahme des Gebäudes von 1912. Ganz rechts ist der Eingangspavillon der U-Bahn angeschnitten.


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    Deák Ferenc tér, Haus Kemnitzer (Foto: Albin Schmidt, 1912, Sammlung Fortepan, CC-BY-SA-3.0)


    Das Haus Kemnitzer stand an der Ecke vom Deák tér zum Waitzner Ring (Váci körút, heute Bajcsy-Zsilinszky út). Dazu eine Aufnahme von György Klösz von 1904.


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    Deák tér und Váci körút (heute Bajcsy-Zsilinszky út), links das Haus Kemnitzer, rechts der Anker-Hof, im Hintergrund die Stephansbasilika

    (Foto: György Klösz, 1904, Quelle: Budapest Főváros Levéltára, Sammlung Fortepan, CC-BY-SA-3.0)

    Snork

    Könntest du den Strangtitel korrigieren? Ich schlage vor: "Russland - Farbfotos von 1910"

    Danke!



    Wir können hier ja auch mal Bilder zeigen.


    Im Sommer 1910 bereiste Sergej Prokudin-Gorski das Gouvernement Twer. Er fertigte auch mehrere Aufnahmen in der alten Stadt Stariza am Rande der Waldaj-Höhen. Das folgende Foto eines Klosters an der hier noch jungen Wolga ist für mich Magie pur. Man findet zwar solche Motive auch heute noch in Russland, und es gibt erstklassige Fotografen, welche die traditionelle russische Kulturlandschaft ins Bild zu setzen wissen. Aber dennoch: Die Aufnahmen von Prokudin-Gorski sind einzigartig. Sie strahlen eine überzeitliche Ruhe aus. Die Welt steht still. Nicht nur für einen Moment. Sie steht still für die Ewigkeit.


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    Stariza (Gebiet Twer), Uspenski-Kloster an der Wolga (Foto: Sergej Prokudin-Gorski, 1910, public domain)