Posts by Rastrelli

    Ich bin ja wahrlich kein Orban-Freund aus offentsichtlichen Gründen (Korruption, fehlende Pressefreiheit etc.). Es ist aber wirklich beeindrukend was zur Zeit in Budapest rekonstruiert wird. Keine Kitsch-Bauten wie Putins neue Sommerresidenz oder Erdogans Präsidentenpalast in Ankara, sondern wirklich vorbildliche Rekonstruktionen soweit ich das beurteilen kann.

    Orbán, Erdoğan und Putin in einen Topf zu werfen, ergibt wenig Sinn. Die Unterschiede sind erheblich.


    Putins Residenzen Waldaj und Sotschi gehen auf Stalin zurück. In ihren alten Teilen sind es russische Datschas. Über das genaue Aussehen der gesamten Anlagen ist der Allgemeinheit nichts bekannt. Der Konstantinspalast in Strelna bei Petersburg ist ein Schloss- und Parkensemble aus der Zarenzeit, das nach Kriegszerstörungen rekonstruiert wurde. Vermutlich denkst du aber an den von Nawalny entdeckten dubiosen Palast bei Gelendschik. Nur ist das keine Residenz des russischen Präsidenten. Dieses dubiose Bauprojekt hat nichts mit Budapest zu tun. Was willst du da vergleichen?


    Der Präsidentenpalast in Ankara ist ein schönes Beispiel neo-osmanischer Architektur. Das sollte hier im Forum eigentlich Beifall finden. Geht schließlich um klassische, repräsentative Architektur.


    Ungarn hat im Gegensatz zu Russland und der Türkei kein Präsidialsystem. Viktor Orbán ist Ministerpräsident, Sein Amtssitz befindet sich im Karmeliterkloster im Burgviertel. Der Präsident der Republik residiert in dem kleinen Sándor-Palast nebenan. Im Zentrum der ungarischen Staatsrepräsentation steht das "Landeshaus" (Országház), der Sitz des Parlaments und Aufbewahrungsort der heiligen Stephanskrone. In Budapest gibt es viele Rekonstruktionen, weil hier die Möglichkeit dazu besteht. Aber welchen Palast hätte man in Ankara rekonstruieren sollen? Dort wurde unter Bezugnahme auf die türkische Kunsttradition neu gebaut. Man muss sich immer den konkreten Fall ansehen.

    Zum Wiederaufbau der Stadtkirche gab es 2013 einen Wettbewerb, den Heinle Wischer Architekten gewannen. Vorgesehen ist die Nutzung als polnisch-deutsches Kulturzentrum.


    Das im Kircheninnern integrierte Kulturhaus ist ein eigenständiger Einbau und in seiner Form, Farbe und Materialwahl modern und klar. Es stellt einen deutlichen Kontrast zur erhaltenen Backsteinsubstanz dar. Der Funktionsaufbau ist flexibel, bei Bedarf können weitere Haus-Elemente dem Innenraum zugefügt werden. Das hohe Steildach oberhalb der Kirchenruine wird in seiner historischen Kubatur mit modernen Materialien und Technologien rekonstruiert. Es ist leicht und lässt den Blick in den Himmel frei.


    Diese Planungen sind nach wie vor aktuell. Das Dach soll aus einer leichten, halbtransparenten Membran auf einer Unterkonstruktion aus Stahl bestehen.Gegenwärtig bemüht sich die Stadt Gubin, Fördermittel zu akquirieren. Ursprünglich - also 2013 - waren die Gesamtkosten des Heinle-Wischer-Projekts auf 40 Millionen Złoty geschätzt worden. Inzwischen sind die Baukosten jedoch allgemein stark gestiegen. Die momentan erhofften Fördermittel würden nur einen Bruchteil der Kosten decken. Es ist offen, ob sie für das Dach reichen könnten. Bürgermeister Bartłomiej Bartczak gab sich jedoch Ende 2022 zuversichtlich, dass bald mit den Bauarbeiten begonnen werden könne.



    Bislang konnten folgende Arbeiten an der Kirchenruine erledigt werden:


    Am Turm begann man 2006 mit den Arbeiten. 2007 wurde ein neuer Helm aufgesetzt. In den Jahren 2011 und 2012 wurde der Turm instandgestzt. Dabei wurden Betondecken eingezogen, eine Metalltreppe und neue Fenster eingebaut. Seit 2013 ist der Turm öffentlich zugänglich. 2017 erhielt er eine neue Wetterfahne.


    Am Kirchenschiff wurde 2007 die äußere Mauerkrone restauriert, wobei fehlende Teile ergänzt wurden. Außerdem wurden einsturzgefährdete Gewölbereste entfernt. 2008 wurden die Räumlichkeiten der Sakristei abgedichtet, die Binnenarkaden gesichert und ein Laserscan der Wände gemacht.


    (Angaben nach gubin.naszemiasto.pl, 7. Dezember 2022)


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    Gubin, Rathaus und Ruine der Stadtkirche (Foto: A. Savin, 7. August 2013, FAL)

    Hat einer der verehrten Mitforisten neuere Informationen zum Stand des Wiederaufbaus der Stadtkirche

    Wir haben zu diesem Thema einen eigenen Strang: Gubin - Wiederaufbau der Stadt- und Hauptkirche


    Ich will an dieser Stelle daher nur kurz antworten: Der Wille zum Wiederaufbau ist da, aber das Geld fehlt. Die Stadt Gubin versucht Fördermittel aufzutreiben. Aufgrund explodierender Baukosten ist aber fraglich, ob die akquirierbaren Beträge wenigstens für das Dach reichen, das in moderner Form geplant ist. Aktuell kann der Turm besichtigt werden.

    Diese Drahtgitter am Neptunbrunnen finde ich ja besonders albern. Soll wahrscheinlich Kunst sein, gehört aber dringend weg.

    Die Metallinstallation deutet die noch fehlenden Figuren an. Warst du denn noch nie vor Ort? Es ist wirklich nicht schwer zu erkennen.


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    Potsdam, Lustgarten, Neptuns Triumph (Foto: um 1927-1933, public domain)


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    Lustgarten, NeptunsTriumph (Foto: Auregann, 8. November 2020, CC-BY-SA-4.0)


    Hier noch ein Foto von 2012. Der Triton vorn rechts fehlt noch und wird metallisch angedeutet.


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    Neptuns Triumph (Foto: Löwe 48, 10. September 2012, CC-BY-SA-3.0)


    2020 sind dann die beiden vorderen Tritonen vorhanden. Die Wasserrösser werden nur angedeutet, ebenso der Höhenakzent, die noch fehlende Gruppe Neptun und Amphitrite.


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    NeptunsTriumph (Foto: Auregann, 8. November 2020, CC-BY-SA-3.0)


    Mir gefällt das Neptunbecken im Lustgarten und auch die Idee der provisorischen Vervollständigung des Figurenensembles. Würde man die Metallinstallation entfernen, dann wäre der Zusammenhang zwischen den Sandsteinfiguren nur schwer zu erkennen.


    erbse, du solltest dich mal mit der Funktion von Andeutungen in der bildenden Kunst befassen. Allusionen regen die Fantasie an. Nur muss man sich auch auf die Kunst einlassen. Leider sind viele Menschen heute sehr oberflächlich.

    Dazu aktuelle Fotos, veröffentlicht am 1. Mai:

    Es sind ja nun leider beide Patzschke-Brüder verstorben. RIP. Ich nehme an, das Architektenbüro wird weiterhin bestehen und seinem Stil treu bleiben?

    Ein Architekturbüro von einiger Bedeutung ist ein ziemlich großer Betrieb.


    Das Architekturbüro der Berliner Zwillingsbrüder Jürgen und Rüdiger Patzschke wurde im Jahre 1968 gegründet und zeichnet sich durch eine klassisch-traditionelle Architektursprache aus. Seit 2002 hat sich ein Generationswechsel vollzogen. Robert, Tatjana, Till-Jonathan und Thaddäus Patzschke leiten die beiden Berliner Ateliers gemeinsam mit den Partnern Michael Mohn, Kirsten Händel und Prof. Christoph Schwebel. [ . . . ] Das Planungsteam am Stammsitz in Berlin verfügt über 50 erfahrene Mitarbeiter.


    Die von Neußer gezeigte Visualisierung lässt eine echte künstlerische Handschrift erkennen. So ein schönes Bild! Man könnte sich vorstellen, es einzurahmen und an die Wand zu hängen. Der Unterschied zu den handelsüblichen Computervisualisierungen heutiger Büros ist enorm.

    Kiew ist eine unglaublich schöne Stadt. Gerade im Frühling. Derzeit blühen die Kastanien. Vor einem Monat blühten die Japanischen Zierkirschen (farblich passend zu dem Haus in meinem Vorbeitrag).


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    Kiew, Japanische Zierkirschen (Sakura), wahrscheinlich im Botanischen Garten

    (Foto: Mychajlo Krywolapow, KMDA, kyivcity.gov.ua, 11. April 2023, CC-BY-4.0)


    Eine so schöne Stadt wird natürlich auch besungen. Hier einige sehenswerte Musikvideos:


    Kyjewe mij (Mein Kiew) - Aufnahme mit dem Bass Jurij Huljajew, 1962

    "Kyjewe mij" ist die Hymne der Stadt - komponiert 1962 von Ihor Schamo auf einen ukrainischen Text von Dmytro Luzenko. Die Filmaufnahmen stammen auch aus den sechziger Jahren.


    Kyjewe mij (Mein Kiew) - Aufnahme mit Tetjana Pyrohowa und Tetjana Choda, 2020

    Das Video wurde am 31. Mai 2020 veröffentlicht. Mit aktuellen Filmaufnahmen. Tetjana Pyrohowa ist die erste der beiden Sängerinnen.


    Und nun das gleiche Lied in einer ausgesprochen modernen Bearbeitung - kaum wiederzuerkennen und illustriert mit tollkühnen Drohnenaufnahmen. Wer genau hinhört, kann hier wie bei den beiden vorangegangenen Aufnahmen die Refrainzeile heraushören:

    "Jak tebe ne ljubyti, Kyjewe mij!" (Wie könnte ich dich nicht lieben, mein Kiew!)


    Kyjiw - CEPASA, 2022

    Die Musik von CEPASA wurde im Mai 2022 in einem Kiewer Studio aufgenommen. Die sensationellen Drohnenaufnahmen steuerte der Drohnenspezialist FlyUA bei. Sie sind von 2021.


    Und nun eine andere Musik mit Videoaufnahmen aus dem Mai 2022:


    Kijew - eto doma (Kiew - das ist Zuhause) - SAGE / Nekrassow, 2022

    Die Musik von SAGE wurde im Frühjahr 2022 in Kiew aufgenommen. Die Gesangssprache ist Russisch. Die Videoaufnahmen stammen von Andrij Nekrassow. Sie entstanden im Mai 2022, also genau vor einem Jahr. Aktuell sieht es in Kiew genauso aus. Die wohl einzige Veränderung: Das bei Minute 0:55 zu sehende Hochhaus "101 Tower" wurde bei einem Angriff im Herbst 2022 beschädigt.


    Als Zugabe habe ich noch ukrainische Swingmusik für euch:


    Sorjana nitsch (Sternklare Nacht) - Aufnahme mit dem Ensemble "Mrija", 1966

    Musik und Text von Anatolij Kos-Anatolskyj. Die Videoaufnahmen sind dem Kinofilm "Sirka baletu" (Der Ballettstar) von 1964 entnommen, gedreht natürlich in Kiew.

    Die Nikolaikirche war in dieser Form (ohne Kuppel) ja sehr tempelartig.

    Es war von Anfang an eine Kuppel vorgesehen. Nur konnte diese zunächst nicht realisiert werden. Der "Tempel" ohne Kuppel war nur eine Übergangslösung - freilich eine sehr schöne (aus unserer Sicht). Diese genügte jedoch den Ansprüchen an eine Kirche an dieser Stelle nicht und bestand lediglich zwischen 1837 und 1843. Dann gingen die Arbeiten zur Vollendung des Bauwerks weiter.


    Die Kuppel ist einfach wahnsinnig schön. Gerade aus der Fernsicht. Die Nikolaikirche ist seit meiner Kindheit eines meiner Lieblingsbauwerke.


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    Potsdam, Blick von der Freundschaftsinsel zur Kuppel der Nikolaikirche. Das Dach rechts im Vordergrund gehört zum Museum Barberini

    (Foto: Dosseman, 24. Juni 2022, CC-BY-SA-4.0)

    Eigentlich brauchen wir hier doch nicht jeden belanglosen Zeitungsartikel zu melden. Ohne das ganze Polittheater wären dieser Strang und der zur Garnisonkirche viel schlanker und übersichtlicher.


    Es ist ja richtig, die Kommunalpolitik zu berücksichtigen, aber wir müssen doch nicht jeden Furz der Rekogegner auf dem Silbertablett präsentieren.

    Noch ergänzend: ein Drohnenvideo, veröffentlicht am 8. April 2023. Die Aufnahmen sind aber aus dem Herbst.


    Die britischen Gesellschafter sind Edward James Heldreich und Richard John Heldreich, Nachfahren eines Hans Gottlob von Heldreich, der im späten 18. Jahrhundert Besitzer von Schloss Heidersdorf war.


    Durch die Corona-Krise hat sich alles verzögert. Im Park wurde aufgeräumt, aber die Bauarbeiten am Schloss haben offensichtlich noch nicht begonnen.


    Das Schloss wurde 1945 geplündert. In den ersten Nachkriegsjahren stand es leer. Später war dort eine Landwirtschaftsschule untergebracht. 1976-1978 wurde das Schloss für eine Nutzung als Hotel instandgesetzt. 1977 wurden Schloss und Park unter Denkmalschutz gestellt. Im Oktober 1979 brannte das Schloss aus. Zum Schloss gehören auch Wirtschaftsgebäude des Ritterguts. Sie wurden nach dem Krieg durch das örtliche Staatsgut (PGR) genutzt. Der Zustand der Wirtschaftsbauten ist schlecht, einige sind Ruinen. (Angaben im Wesentlichen nach polskiezabytki.pl) Eventuell gab es hier in den letzten Jahren schon Instandsetzungsarbeiten.

    Und so sah es mal aus,

    sogar noch 1978:

    1979 hat das Schloss gebrannt. Seitdem ist es Ruine.


    Hier ein Video mit guten Drohnenaufnahmen aus dem Juli 2020


    Es kann sich hier mE nur um deutsche Erben handeln. 1945 ff. wurde von den polnisch-kommunistischen Behörden sämtlicher Besitz in den gewonnenen deutschen Gebieten verstaatlicht.

    Der Kommunismus ist schon lange vorbei. Seitdem wurden viele Objekte privatisiert. So auch Schloss Heidersdorf (Włosień, Gemeinde Platerówka, Kreis Lubań, Wojewodschaft Niederschlesien). Das wurde 2001 an einen privaten Investor verkauft. Laut einem Bericht von Radio Wrocław vom 17. April 2016 heißt der Käufer Henryk Ostrowski. Er hatte ursprünglich kleinere Pläne für ein Hotel, aber offensichtlich Schwierigkeiten, Denn es tat sich ja wenig bis nichts in Włosień. Er hat dann britische Partner ins Boot geholt, die ihm gesagt haben, das Projekt müsse wesentlich größer aufgezogen werden, um sich zu rechnen. Es gibt nun (seit 2016) eine Absichtserklärung mit der Hilton Gruppe. Geplant ist ein Luxushotel mit Wellnessbereich, Konferenzbereich, Hausbrauerei und anderen Extras. Dafür sollen auch moderne Anbauten entstehen. Die Bauarbeiten sollen - Stand 2016 - 90 Millionen Złoty kosten.


    Hinter dem Projekt steht also eine polnisch-britische Gesellschaft. Und das Hotel wird dann wohl "Pałac Włosień" oder "Palace Włosień" heißen.

    Die folgende Übersicht wurde vom Fernsehturm aus aufgenommen, der auf einer Anhöhe im Westen Bakus steht. Nach dem Baubestand zu urteilen entstand das Foto zwischen 2012 und 2015. Links ist ein Hochhaus aus der 2012 vollendeten Dreiergruppe der Flame Towers gut zu sehen. In den letzten Jahren sind an der Uferlinie und im Hintergrund einige Neubauten hinzugekommen, die aber den Gesamteindruck nicht verändern. Rechts neben dem Flame Tower ist eine rundliche Struktur aus sehr dichter und niedriger Bebauung auszumachen. Das ist die Altstadt Icheri Sheher. Um sie herum befinden sich die zentralen Teile der Stadt. Die dunklen Flächen sind Parks.


    Baku liegt an der Südküste der Halbinsel Apscheron. Die Bucht von Baku wirkt auf dem Foto rundlicher, als sie in Wirklichkeit ist. Das Foto zeigt ja ein riesiges Gebiet. Ich fand es reizvoll, mir am Küstenboulevard im Stadtzentrum stehend beim Blick aufs Meer vorzustellen, dass am anderen Ende der Iran liegt.


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    Baku, Blick vom Fernsehturm nach Osten (Foto: president.az, um 2012-2015, CC-BY-4.0)

    Im Eröffnungsbeitrag dieses Stranges wurde auf die Internetseite von Konstantin Akinsha hingewiesen. Akinsha hatte sich zum Ziel gesetzt, in englischer Sprache über Kulturgutverluste infolge der russischen Aggression zu informieren. Ich konnte die Website über viele Monate nicht erreichen. Jetzt ist sie wieder da. Der letzte Eintrag ist aber vom 12. Juni 2022 und bezieht sich auf den Brand der Kirchen im Wsichswjatskyj skyt, einem Wirtschaftshof des Klosters Swjatohirsk im Gebiet Donezk, am 4. Juni 2022. Die Seite wird also schon lange nicht mehr aktualisiert.


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    Tetjaniwka bei Swjatohirsk (Gebiet Donezk), Wsichswjatskyj skyt mit der Kirche Wsich Swjatych, Ansicht von Norden

    (Foto: Сергей Ковров, 22. März 2017, sobory.ru, CC-BY-NC)


    Die große Kirche Aller Heiligen (Wsich Swjatych) war 2009 fertiggestellt worden. Rechts im Hintergrund (mit zwei Zeltdächern) die kleine Kirche "Aller Heiligen, die einst in russischen Landen lebten", erbaut 2001-2004. Beide Kirchen wurden im Stil der nordrussischen Holzbaukunst errichtet und waren Neuschöpfungen. Sie sind am 4. Juni 2022 verbrannt.

    Im Osten hingegen scheint es trotz größerer Probleme mit Leerstand und geringerer Wirtschaftskraft weithin selbstverständlich zu sein, gründerzeitliche Füllbauten zu erhalten und sogar in ihrer bauzeitlichen Schönheit wiederherzustellen.

    Ja, das ist so bei uns normal. Ich würde die Gründerzeitler auch nicht als Füllbauten bezeichnen. Sie sind einfach eine Zeitschicht.


    ein Eindruck ist, dass es durchaus typisch für die im Bombenkrieg wenig zerstörten kleineren Städte im Gebiet der ehemaligen DDR ist, dass man heutzutage ein recht harmonisches Straßenbild mit weitgehend erhaltenem gründerzeitlichen Baubestand vorfindet.

    Im Land Brandenburg stehen nur ganz wenige Gründerzeitler unter Denkmalschutz. Es liegt also an der Einstellung der Gesellschaft, wenn traditionelle Ortsbilder erhalten bleiben. Der Verfall der Altstädte galt in der DDR nicht als positiv, sondern als Folge der politisch-ökonomischen Unzulänglichkeiten des Systems. Als dann mit der Wiedervereinigung die Ressourcen zur Rettung der Altstädte zur Verfügung standen, hat man sie entsprechend genutzt.


    In der Innenstadt aufgestellten Informationstafeln war zu entnehmen, dass noch in den 1970er Jahren geplant war, in den kommenden Jahrzehnten - ein Fortbestehen der DDR natürlich vorausgesetzt - praktisch alle älteren Häuser der Stadt Brandenburg durch Neubauten zu ersetzen, so bis zum Jahr 2000 alle vor 1918 errichteten Gebäude. Allerdings setzte wohl bereits in den 1980er Jahren diesbezüglich ein Umdenken ein, und heute sieht man in Brandenburg an der Havel einen insgesamt guten Erhaltungs- und Sanierungszustand der gesamten - also auch gründerzeitlichen - Bausubstanz.

    Ich wäre nicht darauf gekommen, es als etwas Besonderes anzusehen, dass die gründerzeitliche Bausubstanz gepflegt wird. Warum sollte man sie ausnehmen und anders behandeln als andere Altbauten?


    Die Stadt Brandenburg galt zu DDR-Zeiten übrigens nicht als schön. Das "Stadtmarketing" rückte das Stahl- und Walzwerk in den Vordergrund. Danach kam der Marienberg mit Friedenswarte und Schwimmbad. Bei einer Aufzählung schöner alter Städte wären Jüterbog, Tangermünde und Stendal dabeigewesen, aber ganz sicher nicht Brandenburg. Wir waren mal da und fanden die Stadt nicht sympathisch. Heute frage ich mich, woher das kam. Vielleicht lag es an der Propaganda um die Stahlindustrie, vielleicht an der Umweltverschmutzung, am Verfall der Altbausubstanz.

    Wow, für Deutschland eher untypische Form des Jugendstils. Erinnert mehr an Wiener Secession.
    Und ausgerechnet so ein schönes, rares Haus wirkt so heruntergekommen

    Das Haus Plauer Straße 6 ist in gutem Zustand. Es gehörte dem Spielwarenfabrikanten Ernst Paul Lehmann. Hier ein Vergleichsbild aus dem Jahr 2010, wo das Gebäude auch schon so gut aussah.


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    Brandenburg-Altstadt, Plauer Straße 6, Wohnhaus Ernst Paul Lehmann (Foto: Clemensfranz, 4. Juni 2010, CC-BY-SA-3.0)


    Fassade, Fenster, Türen - alles ist in Ordnung. Vor einigen Jahren wurden die Jugendstilmalereien im Erker freigelegt, konserviert und restauriert (ausführliche Informationen und Bilder dazu).


    Die heutige Gestalt geht auf den Umbau eines wesentlich älteren Hauses 1901/02 durch den Berliner Architekten Bruno Möhring zurück.

    Die flach abgesetzten Seitenrisalite und der Sockel sind laut Dehio in einem dunklen scharrierten Putz gestaltet, welcher im Kontrast zu dem hellen Glattputz des Mittelteils der Fassade steht. Gegliedert wird die Fassade weiterhin durch einen zentral angeordneten, zweigeschossigen, vorschwingenden Erker und eine rundbogige Traufe. Die großzügig wirkende Fassade wird durch floral-ornamentale Zierelemente belebt und schließt durch eine Gestaltung in Kupferblech ab. Die in Kupferblech gearbeitete Bekrönung des zentralen Erkers zeigt vegetabile Formen und stilisierte Akroterien, welche kunstvoll miteinander verflochten sind. Die rechts in der Fassade angeordnete Tordurchfahrt ist weitestgehend im originalen Zustand erhalten. Vestibül, Treppenhaus und mehrere Zimmer weisen noch wesentliche Teile der ebenfalls von Möhring entworfenenen Ausstattung auf.


    Die Gebäude der Lehmann'schen Blechspielwaren-Fabrik befinden sich in der Klosterstraße. Das ist gleich um die Ecke. Sie werden heute von der Stadtverwaltung genutzt. Die Bauten im Backsteinstil wurden zwischen 1895 und 1903 errichtet.


    Informationen aus der Datenbank des Landesdenkmalamtes zum Komplex Wohnhaus und Spielwarenfabrik Ernst Paul Lehmann


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    Brandenburg-Altstadt, Klosterstraße 6, Blechspielwaren-Fabrik Lehmann, im Hintergrund der Plauer Torturm

    (Foto: Clemensfranz, 4. Juni 2010, CC-BY-SA-3.0)


    Informationen des Stadtmuseums zur Person Ernst Paul Lehmann (1856-1934)


    Jugendstilhäuser wie das Wohnhaus in der Plauer Straße 6 sind in den Städten des weiteren Umlandes von Berlin gar nicht so selten. Ungewöhnlich ist hier vor allem die Erkerbekrönung in Kupferblech. Doch auch andernorts zeichnen Schmuckfreude und Kreativität so manches Haus aus. Die Architekten waren meist in Berlin ansässig.

    [...] Moderationshinweis: Entfernt. Bitte Angriffe auf andere Forenteilnehmer unterlassen.


    Am 16. März 2022:

    Das Drama nimmt seinen Lauf. Jetzt kann nur noch eine richtig heftige Wirtschaftskrise helfen. Ich wünsche mir ja sowas nicht herbei, für dieses Fleckchen Erde wärs aber besser, damit die Verb....clique im Rathaus, die das zu verantworten hat, nicht am Ende triumphiert.


    Nein, eine Wirtschaftskrise wäre nicht besser für Dessau-Roßlau. Und zum Glück kannst du sie nicht herbeischreiben.


    Am 25. Juni 2022:

    Und wieso habt ihr das nicht mit einem Shitstorm verhindert? Den könnten die Dessauer noch immer lostreten und das Ding zu Tode boykottieren- das ganze Hotel, versteht sich.

    Auf die Frage, wie das gehen sollte, mit dem "zu Tode boykottieren'", meinte UrPotsdamer:

    Na indem die Dessauer das Hotel boykottieren. Sie werden dort niemals übernachten

    was von unserem russischen General prompt bestätigt wurde:

    Dann ist das Ding ganz schnell pleite oder verschrien und kann in 15 Jahren wieder abgerissen werden.

    Bravo! Nur dass die Dessauer gar nicht im Hotel übernachten, wenn sie sich in ihrer Heimatstadt aufhalten. Und außerdem: Würde sich die Hotelkette zurückziehen, so würde ja nicht gleich das ganze Gebäude abgerissen. Vielmehr würde man dann einen neuen Mieter für das Gebäude suchen.


    Heimdall hatte damals einen sehr besonnenen Beitrag geschrieben:

    Leute, die Schlacht um das Hotel ist lange geschlagen. Kümmert Euch doch um die ganzen anderen "Baustellen" in Dessau, also dort, wo noch etwas zu gewinnen ist. Es gibt noch zahlreiche Ruinen in der Innenstadt. Auf den Kristallpalast weise ich ja immer wieder hin. Dort ist seit Jahren(Jahrzehnten) Stillstand. Dann habe ich die Industrieruine in der Hobuschgasse erwähnt, ebenso die Brandruine am Friedensplatz. Bringt doch erst mal die Reste Eures Bestandes in Ordnung.

    Und wenn es Euch nur um das Verhindern gehen sollte: Am Schloss ist ein modernistischer und womöglich monströser Anbau geplant, der sicherlich auch gut zu thematisieren wäre.

    Dieses Genöle um längst verlorene Gefechte bringt diese stagnierende Stadt wahrlich nicht einen Zentimeter nach vorne


    Das Hotelgebäude ist übrigens in Relation zur bisherigen Realität in Dessaus Innenstadt sogar ein Fortschritt. Ich fand die Aufregung um das Projekt schon immer überzogen. Und der Hotelbetrieb wird nicht scheitern. Touris und Reiseveranstalter buchen Hotels, wenn Preis und Service stimmen. Ein schwerer Einbruch des Tourismus in der Region ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Nach den Corona-Jahren stehen die Zeichen auf Erholung. Der Tourismus in Sachsen-Anhalt hatte sich in den Jahren vor Corona stabil entwickelt. Daran kann man nun anknüpfen. Insofern kommt die Hoteleröffnung genau zur rechten Zeit.

    Wir hatten das Thema ja schon seinerzeit hier diskutiert. Selbst wenn das Bürgerbegehren angenommen worden wäre, heißt das nicht, dass dann auch historisierend gebaut worden wäre. Das Hotel steht nun. Glaubt irgendjemand, dass es gleich wieder abgerissen wird? Wozu also dieser Lärm jetzt?


    B&B ist keine Luxuskette, Peter Pane auch nicht. Hotels und Restaurants beider Marken gibt es schon in Leipzig und Halle. Warum sollte das nicht auch in Dessau-Roßlau funktionieren. Mir scheint das ganze Projekt von der wirtschaftlichen Seite solide geplant.

    Machen wir weiter mit Musikvideos von Marharyta Laŭčuk.


    Das erste Video - Moj rodny kut (Mein heimatlicher Winkel)

    Der Text stammt von dem bedeutenden belarussischen Dichter Jakub Kołas. Er besingt seine vertraute heimatliche Umgebung, die er niemals vergessen könne. Auf Margos T-Shirt ist das von der belarussischen Nationalbewegung verwendete Wappen - die Pahonia - zu sehen. Das Lukaschenko-Regime verwendet dagegen das leicht modifizierte Emblem der Sowjetrepublik als Staatswappen.


    Das belarussische Wappen Pahonia finden wir am Fürstenzug in Dresden und auf sächsischen Postmeilensäulen, denn es ist das alte Wappen des Großfürstentums Litauen.


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    Die Pahonia als Wappen des Großfürstentums Litauen am Fürstenzug in Dresden ( Foto: Zedlik, 2008, CC-BY-SA-3.0)


    Das Wort Pahonia bedeutet Ritter, Reiter, Reiterei, Jagd. Eine Variante des Wappens ist heute das Staatswappen Litauens und wird Vytis genannt. Das litauische Wort vytis ist sprachgeschichtlich verwandt mit dem slawischen vitjaz (Recke, Ritter, Reiter, Held). Dem Wappen Pahonia ist die heimliche Nationalhymne der Belarussen gewidmet. Maksim Bahdanovič schrieb den Text 1916 in Minsk. In der Vertonung von Mikoła Ščahłoŭ-Kulikovič ist die Pahonia für mich eine der schönsten Nationalhymnen überhaupt. Sie ist das Lied der Demokratiebewegung. Der Lukaschenko-Staat hat - das könnt ihr euch denken - eine ganz andere Hymne. Hier drei Versionen der Pahonia:


    Das zweite Video - Pahonia (Klassikversion)

    Das Lagerfeuer-Video entstand wenige Tage nach der Studioaufnahme, die zu hören ist. Am Klavier der Litauer Justas Čeponis. Gesangspartner ist der litauische Bass Liudas Mikalauskas. Gesungen wird Belarussisch, die eingeblendeten Untertitel sind Litauisch. Der belarussische Text unter dem Video besagt:


    "Das Wappen Pahonia ist das historische Symbol Litauens und Belarus' aus den Zeiten des Großfürstentums Litauen, das im Laufe der Jahrhunderte unsere Völker im Kampf für die Freiheit vereinte. Am 13. Januar 2021 gedenkt Litauen der tragischen und heroischen Ereignisse, die vor 30 Jahren stattfanden. Litauen errang die Freiheit und Unabhängigkeit - als erste der 15 Republiken der UdSSR. Belarus ist noch auf dem Weg zu wirklicher Unabhängigkeit und Demokratie, und das brüderliche Litauen unterstützt es und hilft allen Belarussen. Wir stehen zusammen wie in den alten Zeiten."


    Am Ende des Videos reichen sich Laŭčuk und Mikalauskas symbolisch die Hand. An den Handgelenken tragen sie Bändchen in den jeweiligen Nationalfarben.


    Das dritte Video - Pahonia (Chorversion)

    Abgebildet ist die weiß-rot-weiße Flagge mit dem Wappen darauf. Belarussische Untertitel.


    Inhaltliche Zusammenfassung des Gedichts: Die Betrachtung des Reiterwappens weckt Erinnerungen an die große Vergangenheit. Die Fahne mit dem Wappen führte einst die litauische Reiterei an, die niemand aufhalten, niemand schlagen konnte. Die Belarussen haben ihre Heimat vergessen, verraten und verkauft. Doch die Reiter kommen und rütteln sie wach, damit sie sich nun für ihr Land einsetzen.


    Die Lyrik ist ziemlich komplex, aber das ist ungefähr der Sinn.


    Das vierte Video - Pahonia (als schlichtes Lied mit Gitarrenbegleitung)

    Marharyta Laŭčuk und Andrej Pavuk. Video von BELSAT TV, einem belarussischen Oppositionssender mit Sitz in Polen. Fernsehbilder von den Massenprotesten 2020 in Minsk.


    Belarussisch ist eine sehr schöne Sprache, die sich gut singen lässt. Im Großfürstentum Litauen wurde Altbelarussisch vom 14. bis ins 17. Jahrhundert als Kanzleisprache verwendet. Es war damit die erste ostslawische Sprache, die als Schriftsprache genutzt wurde. Die slawische Bevölkerung Litauens wurde früher als Litwinen bezeichnet, also als "Litauer". Der baltische Bevölkerungsanteil im alten Litauen war relativ gering.


    Der baltische Wortstamm balt- hat die Grundbedeutung weiß. Es besteht eine sprachgeschichtliche Verwandtschaft zu slawisch bel-. Meines Erachtens leitet sich dieses bel- in Belarus von der Nachbarschaft jener ostslawischen Stämme, aus denen das belarussische Volk entstand, zu den baltischen Stämmen her. Die "Weiße Rus", die durch die Quellen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit geistert, ist geografisch unbestimmt. Häufig werden als "Weiße Rus" die Nowgoroder Lande bezeichnet, zuweilen auch Moskau. Eine "Baltische Rus" ließe sich dagegen geografisch verorten. Der Begriff ist ungebräuchlich. Man sagt stattdessen "Litauer Rus" oder auch "Westliche Rus". Der litauische Name für Belarus ist Baltarusija.