Abgesehen davon ist Breslau eine böhmische und keine "polnische" Gründung (insofern man in der damaligen Zeit schon von Polen sprechen kann), der Name war ja auch Vratislawa nach dem böhmischen Fürsten Vratislaw.
Der böhmische Fürst Vratislav I. ist weder Gründer noch Namensgeber der Stadt Breslau.
Ortsnamen, die auf Personennamen zurückzuführen sind, finden wir im westslawischen Raum ausgesprochen häufig. In der Namenforschung folgen wir der Regel, dass ein erschlossener Personenname nur dann mit einer konkreten historischen Persönlichkeit in Verbindung gebracht wird, wenn sich dies durch historische Quellen sicher belegen lässt. Das früheste derartige Beispiel bezieht sich nicht auf Vratislav I., sondern auf dessen zweitgeborenen Sohn Boleslav I. Der zugehörige Ort ist Stará Boleslav in Mittelböhmen. Hier gab es eine přemyslidische Nebenresidenz, die Boleslav neu befestigen und ausbauen ließ und der er seinen Namen gab. Das war schätzungsweise um 930. Die früheste Quelle, die uns davon berichtet, ist die Christianslegende, deren Urtext in das ausgehende 10. Jahrhundert datiert wird.
Die Ersterwähnung Breslaus finden wir in der Chronik des Thietmar von Merseburg, die zwischen 1012 und 1018 geschrieben wurde. Die Fundstellen lauten: "Iohannem Wrotizlaensem" und "Wortizlava civitate". Hier finden wir in der ersten Silbe des Ortsnamens die Lautgruppe -ro- bzw. -or-. Das sagt dem kundigen Slawisten, dass dies ein polnischer Name ist und kein tschechischer. Ausgangspunkt für das Toponym kann nicht der tschechische Name Vratislav gewesen sein, da dann auch im Ortsnamen -ra- hätte stehen müssen. Wrocław leitet sich von dem polnischen Personennamen Wrocisław her. Der deutsche Name Breslau wiederum leitet sich vom polnischen Namen Wrocław ab.
Eine frühstädtische Siedlung ist in Breslau erst für die Mitte des 10. Jahrhunderts archäologisch nachweisbar. Sie befand sich auf der Dominsel. Der böhmische Fürst Vratislav I. starb am 13. Februar 921. Er hat also schon aus zeitlichen Gründen keinen Bezug zu Breslau.
Die Přemysliden übten im ersten Drittel des 10. Jahrhundert nur in einem kleinen Gebiet in Mittelböhmen die unmittelbare Herrschaftsgewalt aus. Dieser Kernraum přemyslidischer Herrschaft erstreckte sich beiderseits der unteren Moldau von den Flusstälern der Berounka und der Sázava im Süden bis zur Elbe im Nordosten. Weite Teile Böhmens wurden damals noch von Kleinfürsten beherrscht, die nur in einem lockeren Abhängigkeitsverhältnis zu den Přemysliden standen. Der sächsische Chronist Widukind von Corvey nennt sie "subreguli". Erst unter Fürst Boleslav I., der von 935 bis 972 regierte, wurde ganz Böhmen unter einer starken Zentralgewalt geeint. Und erst unter Boleslav II. (reg. 972-997) gab es ernsthafte Versuche, über Böhmen hinaus zu expandieren. Der polnische Fürst Mieszko I. konnte sich jedoch um 985/90 den Besitz Schlesiens sichern. Dies wurde in Kämpfen gegen die Böhmen durchgesetzt, die Schlesien davor möglicherweise kurzzeitig besetzt hatten. Genaues sagen die Quellen dazu aber nicht. Als im Jahre 1000 die neue Kirchenprovinz Gnesen errichtet wurde, wurden ihr die Suffragane Kolberg, Breslau und Krakau zugeordnet.
Nach einer zeitweiligen Eroberung durch die Piasten wurde Schlesien 1335 "für alle Zeiten" an Böhmen zurückgegeben.
Von einem "Zurückgeben" kann keine Rede sein. Schlesien wurde vor dem 14. Jahrhundert nur gelegentlich und für kurze Zeit von Böhmen beherrscht. Überwiegend gehörte es zu Polen. Die polnische Geschichte war aber sehr bewegt. Im Jahre 1335 wurde in den Verträgen von Trenčín und Visegrád ein Ausgleich zwischen Polen und Böhmen gefunden. Den schlesischen Fürstentümern wurde gestattet, sich für die böhmische Lehnshoheit zu entscheiden. Dafür verzichtete der König von Böhmen auf seine Ansprüche auf die polnische Krone.
(insofern man in der damaligen Zeit schon von Polen sprechen kann)
Der Landesname "Polen" taucht in den Quellen erstmals um das Jahr 1000 herum auf. Die Nennungen stehen in Bezug zu Fürst Bolesław Chrobry (reg. 992-1025). "Polen" bezieht sich hier also nicht nur auf das eigentliche Polanengebiet, sondern auf das gesamte Reich, Schlesien eingeschlossen. Thietmar von Merseburg bezeichnet die Einwohner des Landes als "Polen". Thietmar berichtet auch über Mieszko I. Dieser regierte ab etwa 960 und ist der erste historisch gesicherte polnische Herrscher. Der polnische Staat hieß also von Beginn seiner Existenz an "Polen". Polnische Sprachgeschichte beginnt im 8. Jahrhundert. Die altpolnische Phase beginnt im 10. Jahrhundert. Das damalige Schlesisch war einer der polnischen Hauptdialekte.