Taschenbergpalais; komplizierte Baugeschichte:
aus meiner Sicht eine "geschmäcklerische" Reko, was die Farbigkeit angeht.
Der Mittelbaukörper des Palais wurde als erster Bauabschnitt in hochbarocken Formen von Pöppelmann errichtet. Die Farbigkeit ist hier sehr bunt gewählt und (evtl. ? *) im Zustand der Entstehung dieses Fassadenabschnitts* rekonstruiert.
(Im Detail: gebaut wurde der Pöppelmannsche Mittelteil in 3 Etappen von 1705 bis 1720 als "Türckisches Palais". Zur stilistischen und "gesellschaftspolitischen" Einordnung: im Anschluss 1720 bis 24 entstanden Wasser- und Bergpalais in Pillnitz mit den chinoasen bunten Bemalungen als wohl letzte antiklassische Gebäude des Hofes, wenn ich das richtig überblicke.)
Spätere Erweiterungen des Taschenberg-Palais als Thronfolger-Residenz, die in zahlreichen Schritten dazu kamen, waren dann von Knöffel und seinem klassischen "Lisenen-Stil" beeinflusst. Ehrenhöfe rechts und später links sowie Innenhof. (Bauherrschaft August III, vergleiche Hubertusburg.)
Man kann davon ausgehen, dass mit den "klassischen" Erweiterungen des "Pöppelmannschen Kerns" die Farbigkeit an diesem reduziert wurde, nämlich so wie sich heute NUR die seitlichen Ehrenhöfe und der Innenhof zeigen.
Ich persönlich hätte mir am Taschenbergpalais weniger Farbe im Mittelbau gewünscht, im Sinne der Einheitlichkeit der gesamten Bauflucht. Aber als Reminiszenz an den großen Meister Pöppelmann und als Betonung der Baugeschichte* ist es eben nun so gefasst, wie es in seiner Gesamtheit wohl nie war. Auch schön.
* der Mittelbau wurde 1705 aus 3 Bürgerhäusern (breiter Mitterisalit, linker Seitenrisalit und zwischenliegende Rücklage) und 1 oder 2 weiteren Parzellen (rechts vom Mittelrisalit Richtung Zwinger) auf denen die Bestandsgebäude von links einfach nach rechts "gespiegelt" wurden, "geboren". (Am linken Seitenrisalit kann man durch seine abgeknickte Bauflucht die Verwendung alter Substanz gut erkennen. Man hatte gerade den Nordischen Krieg verloren und musste sparen... )
Die rekonstruierte sehr bunte Farbigkeit der Taschenberg-Mittelkörpers betont diese unterschiedlichen Ursprungs-Bauglieder des Mittelbaus besonders (Mittelrisalit Aprikot, Rücklagen grau, Seitenrisalite gelblich.)
Ob an den Ruinen diese (ursprüngliche) Farbigkeit der Fassade festgestellt werden konnte?
Oder soll die sehr abwechslungsreiche Farbgebung zur Darstellung der Komplexität der Baugeschichte bewusst "museumspädagogische" Aspekte bedienen?
Wer weiß mehr?
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Pöppelmann wurde nach dem Zwinger für eigenständige GEBÄUDE-Bauaufgaben im Auftrag des Hofes weniger herangezogen, weil man - beeinflusst von Frankreichs Klassik - seinen Stil am HOF als unmodern empfand.
Pöppelmann baute dann eben Brücken (wie die Grimmaer oder die Dresdener) oder Innenräume. Er wurde von seinem Dienstherren weiter verwendet, aber gestalterisch von klassischen Einflüssen und anderen Baumeistern verdrängt.
(Z.B. Japan. Palais von Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann, Zacharias Longuelune und Jean de Bodt. Man arbeitete im Oberlandbauamt in "Planungsgemeinschaft und Wettbewerb".)
Vermutlich hat er auch weitere Bürgerhäuser errichtet, wie er ja auch schon irgendwann zwischen 1710 und 1716 das "Dinglingerhaus" für einen Herrn Thäme errichtet hatte. (Dinglinger kaufte es 1716.)
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Der Stil Pöppelmanns war bei den BÜRGERN noch lange beliebt, für die strengen neuen Schöpfungen (Kurländer Palais etc.) des Hofes zeigten sie weniger Verständnis. Baumeister wie Bähr, Hase, Locke usw. usw. bauten die Bürgerhäuser weiter im Geiste Pöppelmanns, also " traditionell" bunt und eben anders, als es der Hof ab Mitte der 1720-er tat.
Nebenschauplatz Frauenkirche zur Erläuterung: Am Außenbau hat sich eine "Arbeitsgruppe" von Architekten des Hofes mit dem Entwurf Bärs so lange beschäftigt, bis er "klassisch genug" war.
Innen hat man aber den bürgerlichen Zeitgeschmack nicht beeinflusst. Ich denke die Unterschiede zwischen Innen- und Außenwirkung der Kirche sind evident.
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Coselpalais ist erst um 1763 aus zwei Bürgerhaus-Ruinen des 7-Jährugen Krieges entstanden. Hier hat man den Dresdener "klassizistischen" Rococco-Stil mit dezenter Farbigkeit aber eben auch Differenzierungen des Stuck.
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Zwischen 1730 und 1756 gab es bei Hofe in der Farbigkeit stärkere Zurückhaltung. Natürlich ist nicht immer ein kompletter Verzicht auf farbige Akzentuierungen zu sehen, aber zwischen z.B. Taschenberg-Palais Mittelfront oder dem Pillnitz-Nukleus einerseits und beispielsweise Hubertusburg andererseits liegen ja wirklich Welten.
Ein Freund sagte mal, der Dresdener klassische Barock der höfischen Bauten um 1730 gefiele ihm nicht richtig.
Beispielsweise das Japanische Palais käme ihm so nüchtern vor, dass es wie eine wilhelminisch-neobarockes Gebäude erscheint.
Ist das nun gut oder schlecht? Ist das Gebäude "reif", seiner Zeit "weit voraus" oder "langweilig"?
Das liegt immer im Auge des Betrachters. In jedem Fall ist es für ihn deutlich anders, als er sich Barock "eigentlich" vorstellt.
(In jedem Fall ist das Jap. Palais in der Architekturgeschichte deutlich unterbelichtet. Zum Glück nimmt sich Dr. Hertzig diesem Thema jetzt im Rahmen einer Monographie an. Er spricht beim Jap. Palais von einem "kaiserlichen" Schloss. Bedenkt man, dass August sich tatsächlich Hoffnungen auf die Kaiserwürde für die Wettiner machte und betrachtet man dessen Elbfront, dann wird klar, was Hertzig meint.
Das Jap. Palais orientiert sich in strenge und Steinsichtigkeit an Versailles und französischer Klassik.)
Sicher scheint mir zu sein, dass die Wirkung bsplsw. des Jap. Palais in seiner schlichten Nobles und Größe auf Abstand und Andersartigkeit zu den farbigen kleinteiligen Bürgerhäusern der Neuen Königstadt "berechnet" wurde. (Deswegen muss die auch wieder her! Damit die majestätische und gravitätische Wirkung des Jap. Palais unterstrichen wird und dessen Größe wieder zur Geltung und Wahrnehmung kommt.
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Das Regimentshaus
Was man am Jap. Palais exemplarisch und offensichtlich zeigen kann, ist am Regimentshaus ebenfalls bei der Rekonstruktion "gemeint" .
Das Gebäude war bauhistorisch kein Bau aus einem Guss, sondern in vielen Umbauten entstanden. Aus zwei älteren Vorgängerbauten wurde es 1710 wohl unter Beteiligung Pöppelmanns (Portale) geformt und 1729 in seiner heutigen Form umgebaut. Herr Dr. Hertzig hat das in seinen Büchern schön beleuchtet.
Löffler vermutete aufgrund Analogien Naumann (Hauptwerk Hubertusburg erste Fassung) als Architekt. Hertzig stellt das in Frage. Mir scheint eine Zusammenarbeit des ZEITGLEICH am Jap. Palais tätigen "Planungsteams" (s.o.) in Zusammenarbeit mit Naumann - (als Architekt für überwiegend Militärisches) aufgrund der "Militärisch-Höfisch-Staatlichen" Bauaufgabe möglich bis wahrscheinlich, ich kann diese These aber nicht beweisen.
Nutzungsgeschichte im Augustäischen Zeitalter:
- Das Gebäude war bis 1719 Wohnort des Dresdener Gouverneurs.
- 1720 bis 1729 beherbergte das Regimentshaus einen Teil der königlichen Kunstsammlung,
- wurde dann vom Ex-Mann der Cosel (später Gouverneur von Dresden) bewohnt und
- nach dessen Ableben von J. Chr. v. Hennicke (Geheimer Rat von August III und Vizekammerpräsident sowie "rechte Hand" Brühls).
Rekonstruiert wurde die bis 1945 (ohne Belvedere) erhaltene Architekturfassung von 1729. (Ich finde das Belvedere übrigens sehr passend und wichtig, um durch dieses in der "Dreiheit" dieser Platzfront die Mitte zu betonen, statt das Gewicht auf den Eckbau (Ellimeyer) zu verlagern.)
Offensichtlich hat man sich heute - bei der Entscheidung zur Farbigkeit - an dieser Stelle für die "gravitätische" Wirkung eines höfischen Gebäudes innerhalb der Bürgerstadt entschieden; also im GEGENSATZ zu den Bürgerhäusern ringsum und im Dialog mit dem Johanneum gegenüber. (Der von Seinsheim vermutete Dialog zwischen Dinglinger-Haus und Regimentshaus ist hingegen bei näherer Betrachtung der historischen Zusammenhänge nicht gegeben.)
Man bezieht sich in der Reko der Farbigkeit auf eine Zeit, in der die Kunstsammlungen August des Starken aus dem Regimentshaus gerade wieder ausgezogen waren, aber sein höfischer Charakter ungebrochen war.
Der architektonische Bezug zum Japanischen Palais und seiner Steinsichtigkeit ist bei dieser Reko-Entscheidung klar.
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Das gegenüberliegende Johanneum wurde mit der Englischen Treppe und dem Umbau unter August dem Starken 1730-31 vom altmodischen Renaissance-Bau zum französisch-klassischen Gebäude und beherbergte dann Stall (unten) und königliche Gäste (oben). Später wurde es zur Gemäldegalerie August III, wie wir sie von den Bildern Canalettos kennen.
(Dass es Ende des 19. Jhds. in seiner Fassade nachteilig (?) verändert wurde, mag man bedauern. Zumindest seine zurückhaltende Farbigkeit ist weiterhin "klassisch" und korrespondiert mit dem Regimentshaus.)
Ich denke der stadtgestalterische Kontext mit
- einem Königlichen Gästehaus sowie Sammlungsgebäude / Gouverneurs-Sitz einerseits und
- Bürgerhäusern andererseits
am Jüdenhof ist evident? Ich kann die Entscheidung der Denkmalpfleger so nachvollziehen.
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Insgesamt muss man wohl konstatieren, dass die Geschichte der höfischen barocken Bauten in Dresden oft vielgestaltiger ist, als man zunächst meint. Konkrete Entscheidungen zur Farbigkeit sind mit dieser Geschichte verknüpft und immer dem konkreten Einzelfall geschuldet. Es wurde extra eine zusätzliche temporäre Planstelle im Landesamt f. Denkmalpflege für die Farben am Neumarkt geschaffen, um der Komplexität der Aufgabe gerecht zu werden!
Natürlich kann man hier im Forum erörtern, ob eine spätere Fassung, mit farbigen Akzentuierungen (z.B. Regimentshaus - Fotos um 1900 ff, als es dann Hotel war) dem einen oder anderen Diskutant "schöner" und "passender" erscheint. Das finde ich gut und wertvoll, weil Leser und Schreiber sich mit Geschichte sowie Wirkung von Farbe und Form beschäftigen. So wird eine in unserer Zeit scheinbar immer mehr aussterbende schöngeistige Bildung gepflegt.
Dafür ist vielen Diskutanten, wie z.B. Seinsheim zu danken.
Auch geht es nicht darum, jemanden von einem anderen "Geschmack" zu überzeugen. Ich würde mir aber wünschen, dass man hier öfter "fragt" und sich über Diskussionen verschiedene Sichtweisen und Denkansätze der Ausführenden eröffnen lässt.
Nicht diskutabel ist für mich hingegen, dass Künstlern, Denkmalpflegern, Architekten und Restauratoren ohne fundiertes Wissen zu den Zusammenhängen - mehr oder weniger direkt - Unfähigkeit unterstellt wird, weil der "persönliche Geschmack" von Diskutanten nicht getroffen wurde.
Man gibt hier in Dresden wirklich sein bestes und kämpft am Neumarkt und den Staatsbauten um jede Nuance.