Beiträge von CA_rotwang

    Ganz persönliche Meinung: Nachdem ich nun schon ein paar Mal als Teil von Besuchergruppen in allen drei Häusern rund um den Reichstag war, ist mein Eindruck, dass die Häuser von außen als Monumentalbauten beeindrucken, aber im Inneren dafür umso langweiliger ausgefallen sind.

    Im MEL-Haus sind die Bibliothek und der Anhörungssaal ganz schick, aber außer der Brücke rüber zum Paul-Löbe-Haus war es das dann auch schon. Das Paul-Löbe-Haus wirkt innendrin auch nur wie ein großes Messefoyer und hat als einziges Highlight den Tunnel rüber in den Reichstag. Die Kantine soll noch ganz schick sein, da war ich aber noch nie.

    Am belangslosesten von Innen ist der Neubau-Teil des Jakob-Kaiser-Hauses, der auf mich immer so wirkt wie die Mischung aus einer Sparkasse und einem Knast (mit den an Himmelsleitern erinnernden Treppenaufgängen). Der Altbau auf der anderen Seite der Dorotheenstraße hat immerhin oben einen sehr schönen Sitzungssaal mit Blick auf den Reichstag.

    Das ist übrigens die neueste Argumentationslinie gegen Stadtbild-Reparatur, die mir hier und da in den sozialen Netzwerken untergekommen ist: Die hässlichen Betonklötze würden ja nun einmal stehen und ihr Abriss mehr Energieverbrauch und Ressourcenverschwendung darstellen als ihre energetische Sanierung. Ob das dann im Einzelfall wirklich stimmt, ist dabei völlig egal.

    Das ist an vielen Stellen leider deutlich schwieriger zu entkräften als andere "Argumente" - insbesondere dann, wenn hinter rekonstruierten Fassaden doch nur wieder Betonbauten stecken.

    Hier könnte allerdings auch eine Chance für Rekonstruktionsprojekte liegen, wenn sie z. B. auf Holzbau setzen und beweisen, dass sich ökologisches, nachhaltiges Bauen und die Wiederherstellung eines menschenfreundlichen Stadtbildes sehr gut miteinander verbinden lassen..

    "Rotwang", das ist allerdings genau die Haltung, die dazu führte, dass Jahrzehnte lang der Kopf in den Sand gesteckt wurde, und derlei Leute immer dreister und einflussreicher wurden. Klar, kann man die paar Spinner ignorieren. Aber sie stehen ja nur für einen viel größeren Kreis an Duldern, Förderern und klammheimlichen Freunden, von denen viele in einflussreichen Positionen sitzen. Sie sitzen dort, weil zu viele Leute aus Bequemlichkeit immer "Was juckt es die Eiche" gesagt und weggeguckt haben. Und diese Leute, sowohl die Aktivisten wie ihre Gönner in den Positionen, sind es gar nicht gewohnt, irgendwelchen Widerspruch zu erhalten. (Deshalb auch der Hass auf das "Extrablatt", weil dort einmal nicht "Was juckt es die Eiche" gesagt wurde..)

    Anders ausgedrückt: Würden diese Leute auch still halten und "was juckt es die Eiche" sagen, wenn Stadtbild-Freunde ein ähnliche Aktion vor einer ihrer Ikonen machen würden? Vor dem Deutschen Architektur-Museum? Vor dem Bundeskanzleramt? Vor dem Rosa-Luxemburg-Denkmal? Vor der Redaktionszentrale von "Arch+"? usw... (mir fallen gerade keine besseren Beispiele ein)

    Deswegen muss man natürlich nicht HB-Männchen werden. Man kann ihnen ganz ruhig sagen, was man von ihnen hält. Das haben einige Forumsmitglieder getan.

    Natürlich würden die sich nicht still verhalten, wenn die Schloss-Freunde in ähnlicher Weise agieren würden. Genau das ist doch aber der Punkt: Solche Gruppen haben die Aufmerksamkeitsmaschinerie perfektioniert. Die Schloss- und Reko-Freunde sind in diesem Provokationstheater keine Adressaten oder Zuschauer, sondern sie sind die Mitspieler ohne die das nicht funktionieren würde. Sie sind die Echokammer der Infantilität.

    Das Spiel kann man eben mitspielen und dafür sorgen, dass immer wieder und wieder und wieder noch eine neue Provokation, noch eine Runde gedreht wird - oder sich selbstkritisch die Frage stellen, wie man es denn geschehen lassen konnte, dass sich bestimmte ideologische Kreise in bestimmten Schlüsselpositionen haben festsetzen können.

    Und das liegt nicht an der Bequemlichkeit des Wegschauens, sondern schlicht daran, dass die Schloss- und Reko-Freunde eben nicht verstehen, wie das Spiel funktioniert - und zwar sowohl das im öffentlichen Performance-Raum als auch auf der Bühne der Kulturpolitik. Die Verteidigungsrede, warum man diesem Quatsch jetzt unbedingt widersprechen muss, ist ja ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die Idee, dass Aufmerksamkeit die Währung unserer Zeit ist, sich immer noch nicht festgesetzt hat.

    Ein bisschen lustig ist es schon, dass diese Aktion, die jenseits einer kleinen Berliner Blase wohl kaum auf Verständnis stoßen wird, es jedenfalls schon mal geschafft hat, die ersten alten weißen Männer zu empören. ;)

    Medienberichte werden natürlich folgen, aber nicht, weil diese Aktion "so gut ankommt", sondern weil die empörten Reaktionen darauf genau der Treibstoff sind, den so eine Berichterstattung braucht.

    Oder kurz, damit es alle hier im Forum verstehen: Lebe man doch mehr nach dem Sprichwort: "Was juckt es die Eiche, wenn sich die Sau dran reibt?"

    Ich habe das Gefühl, dass eine tiefgreifende Revolution hin zu autofreien Innenstädten in Deutschland nicht so einfach kommen wird, weil deutsche Gemeinden angstgetrieben sind und permanent die Gefahr sehen, dass die autofahrenden Kunden ihres Einzelhandels in die jeweilige Nachbarstadt ausweichen. Das ist sozusagen das Gegenstück zum "Ach, die haben sich ein neues Supermarktzentrum auf die freie Wiese gebaut, dann brauchen wir das auch."

    Die Autokorrektur müsste deshalb einigermaßen zeitgleich von allen Städten und Gemeinden nach ihren jeweiligen Möglichkeiten vorangetrieben werden. Nur das sehe ich niemals kommen.

    Treibender Gedanke scheint mir auch nicht zu sein, Menschen ein Lebensumfeld zu geben, das ihren persönlichen Wünschen entgegenkommt, sondern eine Sozialromantik, die glaubt, Autos wären seit der Erfindung des Lastenfahrrads obsolet. Und wenn es in diesem Haus brennt, kommt dann die Feuerwehr mit Fahrrädern zum Löschen?

    Ohne jetzt zu spitzfindig zu sein, aber im Westend und gerade in den Straßen um dieses Haus herum, würde die Feuerwehr von einer deutlichen Reduzierung des MIV wirklich profitieren: Die Straßen teilweise verhältnismäßig eng, an beiden Seiten wird dicht auf dicht geparkt - man kann froh sein, dass es dort bisher noch keinen allzu schweren Brand gab.

    Gilt übrigens auch für andere Gebiete Münchens, z. B rund um St. Benno in der Maxvorstadt. In manchen Straßen werden die Feuerwehrzufahrten in den engen Straßen so schnell und so regelmäßig zugeparkt, so schnell kann man gar nicht die Parkraumüberwachung anrufen.

    Und die Ausweisung von Parkverbotszonen ist aufgrund der schieren Masse an Autos leider problematisch, denn wo sollen die ansonsten hin? Nicht ohne Grund kosten Tiefgaragenstellplätze in München inzwischen so viel wie ein Luxusauto. Von daher kann ich ein bewusstes Setzen eines Zeichens schon sehr gut verstehen, auch wenn es rechtlich wirklich nicht haltbar sein dürfte.

    Was haltet ihr von diesen Visionen?

    Nichts.

    Das ist eine Wiederholung der Fehler wie etwa Kassel-Wilhelmshöhe oder Limburg. Ein reiner Umstiegs- und P+R-Bahnhof im Nirgendwo. Menschen, die sowas vorschlagen, haben in der Regel nicht verstanden, was Menschen, die Bahn fahren, wichtig ist.

    Ja, ein Großteil des Fernverkehrs wird in Deutz abgefertigt, aber Deutz ist fußläufig von der Altstadt entfernt und über die Bahn und die Straßenbahn gleichermaßen mit dem nördlichen und dem mittleren/südlichen Teil der Altstadt verbunden.

    In meiner Brust schlagen zwei Herzen: Einerseits bin ich großer Liebhaber des Kopfsteinpflasters, andererseits sind das Abschnitte, die für Menschen in Rollstühlen oder Rollatoren absolut untauglich sind. Entscheidend ist am Ende, was wir als Gesellschaft höher bewerten: Die Teilhabe von in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen an allen Orten oder der historische Straßenbelag.

    Eine Frage, auf die ich keine abschließende Antwort habe. Worauf ich allerdings eine Antwort habe, ist die Frage, ob das für Menschen in Rollstühlen, etc. wirklich so schlimm ist: Ja, ist es.

    Der Staat, dessen Personal es nicht gewohnt ist, den Gürtel enger zu schnallen,

    Ich kann das wirklich nicht mehr hören, weil das absolut nicht der Wahrheit entspricht.

    Egal ob es Ingenieure, Juristen oder die Menschen in Pressestellen sind: Wer zum Staat geht, nimmt teilweise drastische finanzielle Einbußen hin. Junge Menschen, die heute für den Staat arbeiten, machen das meist aus idealistischen Gründen heraus.

    Gerichte, Bauämter, Verwaltungen und viele, sehr viele Bereiche des öffentlichen Dienstes haben ein großes Nachwuchsproblem, weil Consulting-Firmen, Kanzleien und andere Unternehmen sehr viel mehr Geld bieten können. Und wir steuern da bereits mit voller Geschwindigkeit auf ein kolossales Verwaltungsproblem zu, das in der Öffentlichkeit aber totgeschwiegen wird, weil der Deutsche an und für sich lieber in der Klischeevorstellung leben möchte, dass der "Günther vom Amt den ganzen Tag nur pennt" und dafür mit ordentlich Kohle aus den Taschen der armen Arbeiter nach Hause geht.

    Es läge dann eigentlich an den Bürgern, solche Leute abzuwählen und solche offenkundige Vetternwirtschaft zu unterbinden. Schließlich könnten sie ja auch einen Kandidaten wählen, der sich für den Erhalt und die Pflege des historischen Ortsbildes und der regionalen Traditionen einsetzt. Theoretisch könnten sie sogar für einen Kandidat stimmen, der für deutlich schärfere Auflagen plädiert. Aber vermutlich versagt auch hier der Wähler als Kontrollgremium und Souverän.

    Natürlich versagt er, denn die Lokalpresse wird schon dafür sorgen, dass sich das Framing der "Schrottimmobilie" durchsetzt und der Neubau als wichtiges Herzstück der "Revitalisierung" einer Gemeinde verkauft wird. Wie soll da ein Wähler zu einer souveränen Entscheidung auf sachlich-neutraler Basis kommen?

    (oft genug beobachtet)

    Das stimmt nur, wenn man den Gesamtweg betrachten würde. Doch am Ende des Tages sind wir alle Fußgänger - es ist die einzige Mobilitätsform, die wirklich alle Menschen vereint. Ob es nun der Gang vom Parkplatz, der ÖPNV-Haltestelle oder auch nur dem Fahrradständer zum Ziel ist, wir bewegen uns nunmal zu Fuß (Rollstühle usw. schließe ich da mal ein).

    Und diese Wege sind mal kürzer und mal länger, aber fast immer vorhanden, und sei es innerhalb eines Gebäudekomplexes. Auch in Innenbereichen wie Höfen, Garagen, Privatparkplätzen usw. fällt mir immer wieder auf, wie fußgängerunfreundlich diese gestaltet sind.

    Seitdem ich meine, wegen einer körperlichen Behinderung im Rollstuhl sitzende Mutter regelmäßig durch München schiebe, fällt mir erst einmal so richtig bewusst auf, wie schlecht Gehwege, Kreuzungen, etc. gestaltet sind. Wir weichen extrem oft auf Radwege aus, weil dort die Bordsteinkanten niedriger oder die Gehwegplatten/der Asphalt besser gepflegt ist. Ohne meine Begleitung könnte sie viele Strecken gar nicht schaffen, weil sie einen nicht motorisierten Rollstuhl hat (und selbst der hätte wohl oft Probleme).

    In einer Welt, in der Menschen immer älter werden und zugleich im Alter immer mobiler werden, sollte man Straßen und Gehwege erst einmal von denen ausgehend planen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Davon würden am Ende alle miteinander profitieren.

    Bevor im Inneren der Kathedrale das Gerüst für den Wiederaufbau des Vierungsturms aufgestellt wird, wurden Sicherungsgrabungen beauftragt. Diese fanden in einem sehr engen Zeitfenster statt und haben unter anderem wohl den Kopf einer Christusfigur und einen Sarg aus dem 14. Jahrhundert zu Tage befördert.

    Der Guardian berichtet in zwei Artikeln:

    https://www.theguardian.com/world/2022/mar…eath-notre-dame

    https://www.theguardian.com/world/2022/apr…haeological-dig

    Mach doch einfach mal eine Umfrage, was den Leuten als erstes zu Köln einfällt. Ich denke, nach Dom und Karneval kommt erstmal lange nichts, und dann sowas wie "Medienstandort". :wink:

    Im Zuge dieser Diskussion denke ich schon die ganze Zeit, dass es fast ein bisschen schade ist, dass sich der Dompropst im vergangenen Jahr dann doch gegen das Eintrittsgeld entschieden hat. Es wäre eine solide Möglichkeit gewesen, um im Laufe der Zeit festzustellen, wie viele der jährlich 6 Millionen Besucher denn nun wirklich wegen des Doms kommen (und entsprechend bereit sind, für diesen zu zahlen) und wie viele ihn überspringen, weil sie ihn lediglich beim Köln-Besuch bei einem kostenlosen Zutritt mal eben miterledigt hätten.

    wie Stadtmarketingexperte CA_rotwang

    Ich arbeite übrigens tatsächlich im PR-Bereich. :)

    Der Ruf, die Bekanntheit und das Selbstverständnis von Köln definiert sich ausschließlich über den Dom, auch wenn sich manche einreden wollen man könnte davon unabhängig sein.

    Das ist albern, aber ich hab auch wenig Lust jetzt in eine so derart verbohrte Diskussion einzusteigen. Natürlich kann man argumentieren, dass das Bevölkerungswachstum Kölns und damit der Aufstieg der Stadt auch etwas mit dem Dom zu tun hat (und dabei außer Acht lassen, dass es die Wallfahrten zum Dreikönigsschrein waren), aber wer den Appeal von Deutschlands zweitwichtigstem Medienstandort Deutschlands nach Berlin auf den Dom reduziert, der lebt in einer sehr speziellen Blase.