@ Oststaatler: Die Literatur, die du erwähnst, stammt fast durchgängig aus dem 19. Jahrhundert. Da müsste man einfach mal schauen, ob das noch dem aktuellen Forschungsstand entspricht.
Sehr skeptisch bin ich bei der von dir erwähnten Leader Scott, von der offenbar deine Hauptthese stammt. Ich habe einige Inhaltsangaben zu dem Werk gefunden und was ich da gelesen habe, deutet darauf hin, dass man das nicht unbedingt als wissenschaftlich valide Arbeit werten kann. Leader Scott versucht mit dem Buch offenbar eine Traditionslinie von den Maestri Comacini des Frühmittelalters über die mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften hin zur neuzeitlichen Freimaurerei zu ziehen, oder genauer gesagt: herbeizuphantasieren.
Angesichts der Tatsache, dass die Freimaurerei erst im späten 17. Jahrhundert entstanden ist und mit den Steinmetzbruderschaften bzw. Bauhütten nichts zu tun hat (oder jedenfalls nur so viel, dass die Begründer der Freimaurer eine Traditionslinie zu diesen behauptet haben, die de facto nicht bestand), ist dieser Teil schon mal falsch. Da liegt dann die Vermutung doch sehr nahe, dass es mit dem Rest wissenschaftlich gesehen auch nicht so weit her ist.
Vermutlich gehört das Buch insofern eher in die spätromantische englische Literatur (in diesem Fall mit pseudowissenschaftlichem Anspruch) mit ihrem Hang zur Esoterik als dass es ein ernstzunehmendes geschichtswissenschaftliches Buch wäre.
Offensichtlich haben Sie das Buch überhaupt nicht gelesen, weil Sie sonst so etwas nicht schreiben würden. Leader Scott hat nicht nur keine solchen Verbindungen hergestellt, sie ist auch offen kritisch gegenüber solchen Verbindungen. Außerdem ist es ein ganz anderes Thema. Das Hauptmaterial basiert, wie gesagt, auf den Manuskripten aus den Stadtarchiven verschiedener italienischer Städte. Sie präsentieren deutlich die Informationen über die Struktur und Organisation von Bauteams des 10. bis 15. Jahrhunderts, die eine lockere, aber einheitliche Vereinigung bildeten, die mindestens mehrere hundert Jahre (wie dokumentiert) bis zum Niedergang des 15. bis 16. Jahrhunderts dieselben Traditionen hatte. Wenn Sie behaupten, dass die Werke italienischer Archivare des 19. Jahrhunderts (die nur den umfangreichen Inhalt der Archive organisiert und übersetzt haben) gefälscht sind, ist dies eine sehr kühne Behauptung, die kühne Beweise erforderte. Die Veröffentlichungen aus diesen Archiven waren seitdem Referenzen in zahlreichen Forschungen, obwohl nicht viel Forschung betrieben wurde, um die Behauptungen der Forschungen der Comacine-Gilde zu beweisen oder zu widerlegen.
Tut mit leid, das passt leider auch nicht. Die Steinmetzbruderschaft ist erst 1459 in Regensburg gegründet wurde. Vgl. Binding, S. 107 ff.
Es gibt keine Organisation, die im Hochmittelalter das Monopol auf alle Bauhütten inne gehabt hätte. Schon gar nicht in Deutschland. Richtig dagegen ist, dass es enge stilistische Bezüge der deutschen Architektur nach Oberitalien gibt. Dies deckt sich auch mit der politischen Situation. Mir ist allerdings kein Fall bekannt (lasse mich da aber gerne korrigieren), in dem italienische Fachkräfte durch Schriftquellen im 12. oder 13. Jahrhundert bezeugt sind. Ein Bau, an dem ich lange selbst geforscht habe, ist die Jerichower Stiftskirche, die nicht nur stilistisch, sondern vor allem technisch nach Oberitalien weist. Bereits Friedrich Adler nahm Ende des 19. Jh. an, dass ein italienischer Bautrupp in der Mark Brandenburg beschäftigt gewesen sein muss. Die Schriftquellen dazu schweigen aber bis heute.
Ob es eine Vereinigung von Kirchenbauern gab, die im Frühmittelalter überwiegend in verschiedenen Städten Deutschlands beschäftigt war - wir können nicht sicher beweisen -, konnte nur durch Bezugnahme auf die Dokumentation aus Archiven aus der Zeit des romanischen Dombaus bewiesen werden. Im Falle Italiens liegt diese Dokumentation vor. Und diese Dokumentation beweist in der Tat, dass es einen Verein gab, der für so ziemlich alle großen kirchlichen Projekte eingesetzt wurde (dh das virtuelle Monopol innehatte). Dies geschah sowohl durch Anerkennung von Fähigkeiten, gegenseitige Unterstützung als auch durch besondere Privilegien.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass zu dieser Zeit in Deutschland eine ähnliche lose Organisation (oder mehrere unterschiedliche Organisationen) vorhanden war. Andernfalls wäre es schwer vorstellbar, wie plötzlich im 11. Jahrhundert in Deutschland große Kirchen gebaut wurden - dies würde eine besondere Ausbildung erfordern. Da zu diesem Zeitpunkt weder Internet noch technische Lehrbücher vorhanden waren, müsste jede Person, die den Entwurf und den Bau einer Kathedrale leiten könnte, nicht nur eine solche Ausbildung erhalten, sondern auch einen Nachweis über diese Ausbildung bei der Stadt oder dem Klerikerrat vorlegen. Und der besagte Rat müsste einen solchen Beweis anerkennen, bevor er diesem Mann die große Menge an Geld, Zeit und Material anvertraut. Darüber hinaus würde der besagte Mann auch ein Team von qualifizierten Steinmetzern, Steinmetzern, Gerüstbauern usw. benötigen. Qualifizierte Bauleiter und Vorarbeiter sind ebenfalls erforderlich. All dies kann nicht aus dem Nichts erscheinen. Der Pfeil zeigt über die Alpen, wo der ähnliche Bau schon seit mehreren Jahrhunderten stattfindet. Daher müsste ein bestimmter Kern qualifizierter Arbeiter und Designer aus fremden Ländern einen Samen pflanzen (in Form von Maurerschulen).
Ich möchte noch einmal das Beispiel des Kaiserdom Königslutter anführen.
Zum Schluss habe ich noch eine Frage an Sie: Gibt es noch Dokumente aus der Zeit des Baus der romanischen Kathedralen von Bamberg, Speyer, Worms, Mainz, Hildesheim und anderen? Nur diese Dokumentation könnte die Antworten liefern, die die Debatte beenden könnten.