"Darüber hinaus ist der Beruf des Architekten auch wesentlich umfangreicher geworden. ENEV, Landesbauordnung (jedes BL hat eine eigene), Brandschutz, Bebauungspläne, Stellplatzsatzungen, Schallschutz, Umweltschutz, Haustechnik etc. Man blättert in Gesetzestexten, telefoniert mit Ämtern, redet mit Technikern über die Umsetzbarkeit."
Man könnte fast meinen, es liege am zu großen Staate?
Spaß beiseite. Was der klassischen "Bewegung" zu fehlen scheint, ist eine Fehleranalyse und ein überzeugendes Vorgehen, wie man den gegenwärtigen Architekturtrend wieder vom Kopf auf die Füße stellt. Es gibt ja Gründe dafür, warum "wir" heute da stehen, wo wir stehen. Warum Professoren von ihren Studenten nicht mehr als Schießscharten erwarten oder man anderweitig Argumente findet, die gegen klassisches Bauen sprechen.
Was aus meiner bescheidenen Betrachtung fehlt, ist ein längst überfälliger Schlachtplan. Wann z.B. hat die Entstuckung begonnen, wer waren die Täter, die z.B. das Berliner Schloss, das KW-Denkmal oder die vielen anderen kulturellen Reichtümer Deutschland abgerissen und gesprengt haben und warum weiß davon heute niemand etwas, kann jedoch zeitgleich aus dem FF die Biografie des Österreichers von der Eizelle bis 45 in einem Atemzug erzählen? (Nein, ich möchte hier nichts verharmlosen sondern mir die Frage erlauben, warum heute so gut wie jeder achselzuckend reagiert, wenn man sie über kulturelle Verluste und Zerstörungen ihrer eigenen Kultur befragt). Mit welchen _modernen_ Möglichkeiten schafft man heute effizient im Wettbewerb mit Betongießereien Schritt zu halten; welche Kompromisse ist die Klassikerszene bereit zu gehen?
Schlagt mich, aber braucht jede Fassade handgeschlagene Skulpturen oder sind die heutigen 3D-Drucker in der Lage, ähnlich Stilvolles für günstig Geld zu schaffen? Muss die detailreiche Eingangstür aus Holz vom Schreiner über Tage und Wochen gedrechselt worden sein oder kann man auch hier nicht auf Robotik und Katalagware setzen, um schnell und verhältnismäßig günstig ein ästhetisches Ergebnis zu erzielen das immerhin um Längen mehr her gibt, als diese menschenverachtenden Ecken und Kanten? Muss jede Fassade einzigartig sein oder findet man auch hier einen Mittelweg zwischen ständig monotoner Kacheloptik und detailverliebter Formsprache?
Falls mir jemand vorwerfen möchte, ich würde das klassische Handwerk zerstören wollen: Wie viel ist noch übrig geblieben und wer von der breiten Masse aka Bauträger ist bereit, Geld dafür auszugeben? Natürlich wäre mir lieb, wenn Architektur wieder den menschengemachten bzw. menschengleichen Charme hätte, wie damals. Die Zeit lässt sich jedoch nicht zurückdrehen und es täte "uns" gut daran, die Waffen des Gegners für unsere Ziele zu Nutze zu machen. Stück für Stück. Rekonstruktionen wie die Frankfurter Altstadt, einst die Frauenkirche oder das Berliner Schloss sind absolute Reichtümer und Riesenschritte für Kulturverliebte, sollte jedoch nicht das Maß für die "Alltagsarchitektur" sein. (Zumindest noch nicht. )
Das waren ein paar Gedanken von einem Außenstehenden. Welche Kritik davon überspitzt, unangemessen oder auf die Zwölf getroffen hat, darf gern hier im Forum diskutiert werden, solange unser aller Ziel nicht aus den Augen verloren wird.
Hallo tachMarkus, bei Hervorhebungen in Zitaten bitte Kursivschrift verwenden, keine Farbe. Letztere sollte der Moderation vorbehalten bleiben. Liebe Grüße
Mod./Snork