Beiträge von Mendelbruder

    Bauen im Bestand in der "Denkmalstadt Fürth"

    In Fürth sind in den letzten Jahren mit dem Ludwig Erhard Zentrum, dem Neubau des jüdischen Museums und der Lebenshilfe drei Gebäude entstanden, die von weiten Teilen der Bevölkerung als wenig gelungen angesehen werden, da sie sich zu wenig in um eine Einpassung in das historische Umfeld bemühen. Alle drei liegen mitten in der ensemblegeschützen Altstadt. Im folgenden sollen sie kurz dokumentiert werden.

    1. Ludwig Erhard Zentrum

    Das Ludwig Erhard Zentrum ist ein Museum zur Erinnerung an den in Fürth geborenen Bundeskanzler Ludwig Erhard. Es steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum historischen Rathaus. Ursprünglich sollte das Projekt 12 Millionen Euro kosten; am Ende stiegen die Kosten auf auf 17,4 Millionen (größtenteils aus Steuermitteln). Für den Fürther OB Jung ist der Bau ein "Imagegewinn".

    Die ehemalige Heimatpflegerin Barbara Ohm lobte, dass der Neubau „in Einzelteile aufgelöst ist“; er korrespondiere mit den Nachbargebäuden. Ohm spricht von einer „sehr modernen, durchdachten Architektur mit Charakter“. Ohm wünscht den Fürthern die nötige Geduld bei der Auseinandersetzung mit der klaren architektonischen Aussage.

    Ihr Nachfolger als Stadtheimatpfleger Alexander Mayer verließ die Jury des Architektenwettbewerbs dagegen aufgrund des absehbaren Ergebnisses und distanzierte sich von dem Bau. Bei einer nicht repräsentativen Umfrage der Fürther Nachrichten brachte eine deutliche Mehrheit ihre ablehnende Haltung zur Architektur zum Ausdruck. Die Verantwortlichen erwarten aber, dass sich die derzeitigen architektonischen Akzeptanzprobleme in der Stadtgesellschaft mit der Zeit durch Gewöhnung legen werden.

    Ein paar Links:

    Superikonoskop, LEZ, CC BY-SA 4.0



    Kamran Salimi, LEZ vom Rathausturm 1, cc-by-sa-3.0


    Robert Söllner, 2018-06-03-LEZ, cc-by-sa-3.0



    Ralph Stenzel, 2018-05-04 LEZ, cc-by-sa-3.0

    2. Anbau des jüdischen Museums Franken
    Der Anbau des jüdischen Museums in der Königstraße wurde vom Bamberger Architekten Ulrich Manz entworfen und kostete 6,2 Mio. Euro. Er wurde im Mai diesen Jahres fertiggestellt.

    Kommentar des Stadtheimatpflegers Alexander Mayer zur Architektur: "Als ich zur Präsentation des Architektenwettbewerbs gefahren bin, dachte ich mir, was wird den Architekten des 21. Jahrhunderts wohl dazu eingefallen sein? Bestimmt ein Würfel. Und was war das Ergebnis? Ein Würfel"



    Kamran Salimi, Neubau Jüdisches Museum Franken 2018 2, cc-by-sa-3.0



    Kamran Salimi, Jüdisches Museum Franken Fürth 2018, cc-by-sa-3.0

    3. Neubau der Lebenshilfe in der Ludwig-Erhard-Str.
    Der Neubau (nicht weit entfernt vom oben angesprochenen Ludwig Erhard Zentrum) wurde bereits 2008 fertiggestellt und stammt vom Fürther Architekten Peter Dürschinger. Auch dieses Gebäude bildet einen Kontrast zur gewachsenen historischen Umgebung.

    Heimatpfleger Meyer sprach von "Sargdeckel-Bunker-Architektur", die Ludwig-Erhard-Straße habe sich zu einer Geisterbahn verwandelt. Architekt Dürschinger hingegen ist stolz, dass es diese Gebäudeform weltweit nur fünf Mal gibt. Architektur muss spannend sein, lautet sein Credo.

    Fürther Nachrichten: Architektonisches Ausrufezeichen am Rathaus

    Vidicon, Ludwig Erhard Strasse 13ff, cc-by-sa-3.0



    Kamran Salimi, Lebenshilfe img1967, cc-by-sa-3.0

    Aus der Printausgabe der NN vom 08.08:

    Plane mit dem Renaissancebau ist nicht genehmigungsfähig

    "Aus Sicht von Baureferent Daniel Ulrich hat der CSU-Plan, einen Großdruck der historischen Fassade ans Pellerhaus zu hängen, keine Chancen."

    Die Altstadtfreunde hatten vorgeschlagen, für sechs Wochen eine Plane mit einem großformatigen Foto des alten Pellerhauses vor den Neubau zu hängen. Die CSU unterstütze das Vorhaben.

    Laut Baureferent Daniel Ulrich ist der Plan den 50er-Jahre-Bau zu verhüllen aber "genehmigungsrechtlich nicht möglich". Ohne ein Baugerüst dürfe es in Nürnberg keine Plane geben, so der Referent. Und ein Gerüst brauche es nicht, denn die denkmalgeschützte Fassade sei völlig in Ordnung. Ein Baudenkmal für eine Rekonstruktion abzubrechen, ist für Ulrich generell problematisch.

    Aus dem Artikel geht leider nicht hervor, ob Idee mit der Plane damit schon tot ist oder ob noch ein Gremium wie der Bauausschuss darüber abstimmen muss.

    Nürnberger City-Point muss dem Altstadt-Karree weichen

    Der Architekturwettbewerb für das Areal zwischen Breiter Gasse, Pfannenschmiedsgasse und Hallplatz ist entschieden. Nach dem Abriss des City-Points soll dort das "Altstadt-Karree" mit einem Investitionsvolumen von rund 200 Millionen Euro entstehen. Eine Jury hat aus den 11 teilnehmenden Architekturbüros drei Sieger gekürt. Welcher der Entwürfe umgesetzt wird, ist aber noch nicht entschieden. Laut Baureferent Daniel Ulrich sei das Ziel gewesen, Stadtreparatur zu betreiben, das sei gelungen.

    Der Neubau werde sich in jedem Fall besser in seine Umgebung einfügen als sein Vorgänger, betonte der Bauherr. Die Geschäfte sollen sich mehr nach außen an die Straße orientieren. Es ist ein Nutungsmix von Gastronomie, Dienstleistung und Hotel und Einzelhandel vorgesehen, nach oben wird teilweise sechsstöckig gebaut. Der Neubau soll außerdem mit einem passendem Dach versehen werden.

    http://www.deal-magazin.com/news/75125/Mei…arree-Nuernberg (mit Visualisierung des Siegerentwurfs)

    http://www.nordbayern.de/region/nuernbe…ichen-1.7908482 (mit Bild des drittplatzierten Entwurfs)

    Heutige Fassade Cit-Points hinter dem Zeughaus: https://www.sugarraybanister.de/orte-der-renaissance/zeughaus

    Neue Denkmalliste für Ebersberg: Betonkeller rein, Allee raus

    Der gesunde Menschenverstand ist für Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) derzeit so etwas wie Mister X im Brettspiel „Scotland Yard“. (...) „Ich frage mich schon, wo da der gesunde Menschenverstand ist, wenn man einen Betonkeller unter Denkmalschutz stellt und gleichzeitig eine wunderbare Baumallee rausnimmt!“, sagte er. Die Stadt hofft, das Denkmalamt in dieser Sache zum Kurswechsel bewegen zu können.


    https://www.merkur.de/lokales/ebersb…s-10027535.html

    7,75 Millionen Euro für das Forchheimer Rathaus

    Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages fördert die Sanierung des Forchheimer Rathauses. Insgesamt werden 7,75 Mio. Euro zur Sanierung vom Bund bereitgestellt – das ist die Hälfte der veranschlagten Sanierungskosten.

    https://www.marktspiegel.de/forchheim/loka…aus-d33967.html

    Forchheim: Einblicke in die Großbaustelle Rathaus

    Das Rathaus in der Forchheimer Innenstadt. Bei einem Rundgang mit der Projektleiterin der Rathaussanierung in Forchheim Claudia Stumpf durften wir einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen.

    https://www.radio-bamberg.de/mediathek/vide…stelle-rathaus/

    Werden die Rundbögen an den Seitenflügeln auch mit (Sprossen)Fenstern wie der Nordflügel ausgestattet oder werden nur die Fenster dahinter im Gang weiter eingebaut?

    Die Bogenöffnungen der Galerien zum Hof hin bleiben unverglast, was auch der authentische Originalzustand aus der Erbauungszeit ist. Nur in den 1930er Jahren waren die Galerien für die kurze Zeit bis zur Zerstörung vollständig verglast, was wohl mit der dahmaligen Nutzung des Pellerhauses als Stadtarchiv zusammenhing. In die Öffnungen des westlichen Seitenflügel zu den Hofgalerien kommen natürlich verglaste Fenster

    Weil so sieht es sehr unfertig aus und die Plastik?Fenster im Ostflügel gerahmt mit Betonwänden stören auch ziemlich!

    Und wird die Ziegelsteinmauer im 2 OG verputzt?

    Es ist ja noch unfertig, da man bisher nur den Rohbau fertiggestellt hat. Die Betonwände der Ostseite werden noch verputzt. Ob die Fenster dort ausgetauscht werden weiß ich nicht, da diese ja östlich anschließenden 1950er-Bau gehören. Vielleicht verhindert der Denkmalschutz, dass sie ausgetauscht werden.

    Das Ziegelmauerwerk im Westflügel wird natürlich noch verputzt und der gesamte Seitenflügel muss innen noch ausgebaut werden (siehe mein Post oben).

    Gestern wurde im Pellerhof mit zahlreichen geladenen Gästen die Fertigstellung des Rohbaus gefeiert. Mit dabei waren OB Maly, Bundesbauminister a.D. Oscar Schneider und sogar ein echter Nachfahre der Familie Peller.

    https://www.marktspiegel.de/nuernber...p=Kurationsbox

    Maly lobte das Engagement der Altstadtfreunde und der vielen Spender, betonte aber noch einmal das für ihn eine Rekonstruktion der Fassade des Vorderhauses nicht in Frage komme.

    Karl-Heinz Enderle betonte, dass das Projekt fast ohne öffentliche Gelder finanziert wurde. 4,5 Millionen an Spendengeldern kamen zusammen, 174 Spender gaben sogar mehr als 5.000 Euro. Seit Frühjahr 2017 ist der Hof auch an Wochenenden für Besucher geöffnet. Allein im letzten Jahr kamen 5.000 Besucher. Die Altstadtfreunde können sich bereits jetzt vor Nutzungsanfragen kaum retten. Als letzte Restarbeiten steht jetzt aber noch der Ausbau der Räume im Westflügel (Türen, Fenster, Fußböden, Deckenverkleidung, Installationen), das Pflaster im Hof muss nivelliert und die Oststeite vor den Räumen der 50er Jahre verputzt werden.

    Enderle bekräftigte noch mal, dass die Altstadtfreunde auch die Kosten für die Rekonstruktion der Vorderhaus-Fassaden tragen würden. Zur besseren Erschließung des Pellerhauses kann sich Enderle auch den Wiederaufbau des westlich benachbarten Schwarzen Pellerhauses vorstellen, das jetzt noch Ruine ist. Enderle regte außerdem an, "eine Plane mit dem Bild des alten Hauses in der Größe eins zu eins" vor das Nachkriegs-Pellerhaus zu stellen, um zu demonstrieren wie eine Rekonstruktion der Fassade wirkt.

    Speziell die letzte Idee mit der Plane finde ich persönlich sehr gut. Auf ähnliche Weise wurde schon in Berlin mit dem Schloss und der Bauakademie die Wirkung einer Rekonstruktion im Stadtraum verdeutlicht.

    Insgesamt kann man den Altstadtfreunden nur gratulieren für ihre grandiose Leistung und den langen Atem, den sie in den letzten 10 Jahren bewiesen haben. Der wiederaufgebaute Nordgiebel hat wirklich eine magische Wirkung. Und das Interesse der Nürnberger ist wirklich immens: Als ich das letzte Mal im Hof war, habe ich sogar ein Brautpaar gesehen, dass sich unbedingt im Hof fotografieren lassen wollte, obwohl damals noch die Gerüste am Giebel standen.

    Grandios! Danke. Ist der Hof damit zunächst vollständig? Ich dachte erst, es würden noch Spendengelder fehlen für einige Teile.

    Was den Rohbau, also Wände und Dächer anbetrifft, ist der Hof fertig. Die weiteren Spendengelder dienen dem Innenausbau des neu erbauten Seitenflügels, also Fenster, Türen etc. Auch die Bodenbeläge der Hofgalerien müssen noch verlegt werden. Das dürfte sich alles noch mindestens bis nächstes Jahr hinziehen.

    Am Schluss nochmal eine bildliche Gegenüberstellung: Links die Ruine des Hofes vor Beginn des Wiederaufbaus, das rechte Bild zeigt wie der Hof aussehen wird, wenn die letzten Gerüste gefallen sind.

    Es handelt sich wohl um das Areal zwischen den Straßen Am Spittel, Spitalstraße und Museumstraße.

    Die Beschreibungen der drei Häuser, die abgebrochen werden sollen, aus der bayerischen Denkmalliste:

    Spitalstraße 7: Wohn- und Handwerkerhaus, Färberhaus, zweigeschossiger, traufständiger Satteldachbau mit vorkragendem Giebel und Zwerchhaus mit Schweifgiebel, zum Teil Fachwerk, dendro.dat. 1717/18, Umbauten Ende 19. Jh.

    Spitalstraße 9: Wohnhaus mit Metzgerei, zweigeschossiger Massivbau mit Satteldächern und Putzgliederung, nördliche Hälfte giebelständig mit barockisierendem Schweifgiebel, südliche Hälfte traufständig und mit Fachwerkzwerchhaus mit Zeltdach sowie Fachwerkschleppgauben, von Johann Stieglitz, 1906, im Kern älter.

    Museumstraße 16: Scheune, erdgeschossiger, weitgehend unverputzter Satteldachbau, Traufseiten Bruchsteinmauerwerk, Giebelseiten in Fachwerk, dendro.dat. 1681/82.

    Bild von Spitalstraße 7:


    Feuchtwangen, Spitalstraße 7-002 [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], by Tilman2007, from Wikimedia Commons

    Ein Bild von Spitalstraße 9 ist im Artikel.

    Anschließend an die obige Diskussion, möchte ich auf eine Diskussion hinweisen, die am
    5. Juni vom Architekturclub Nürnberg veranstaltet wurde. Sie trug den Titel
    Nemo propheta in patria - Wie nehmen externe Architekten die Nürnberger Baukultur wahr?
    Eingeladen waren die Architekten Piero Bruno (Schöpfer der ersten brutalistischen Kindertagesstätte), Arno Lederer und Volker Staab. Letzterer ist seit Jahren für praktisch jedes größere Bauvorhaben in der Nürnberger Altstadt verantwortlich (Neues Museum, Sebalder Höfe, Augustinerhöfe). Ziel der Debatte war es durch "vergleichende Betrachtung von außen (...) altbekannte Klischees kritisch zu reflektieren und neue Inspirationsquellen für die Stadt sichtbar zu machen". Dadurch soll auch die Bewerbung Nürnbergs als europäische Kulturhauptstadt befruchtet werden. (Link zur Ankündigung)

    Ich war zwar nicht anwesend, aber in den Nürnberger Nachrichten erschien gestern ein kleiner Bericht (nicht online). Die Autorin stellt zunächst fest, dass ein großer Teil der Zuhörer selbst Architekten sind und man auf derartigen Veranstaltungen immer "die selben Gesichter" sähe. Die Mitglieder der Disziplin fänden offenbar nicht den Draht zur Stadtbevölkerung, woran nach Meinung der Autorin das abschreckende Fachjargon dieser Zunft Schuld ist.

    In der Diskussion selbst ging es auch um den von vielen Nürnbergern geäußerten Wunsch die Reniassance-Fassade des Pellerhauses zu rekonstruieren und dafür "die schöne 1950er-Fassade" zu opfern. Die Position der drei eingeladenen Architekten war erwartbar: Sie sprachen sich "gegen Bauen im Krebsgang, den Blick nach hinten gerichtet" aus. Die soeben fertiggestellte neue Frankfurter Altstadt und das Berliner Stadtschloss seien abschreckende Beispiele. Staab befand, dass solche Projekte "die falsche Geschichte" erzählen würden. Die Autorin des Zeitungsbeitrages (selber ebenfalls gegen Rekonstruktionen eingestellt) begrüßte die klare Positionierung Staabs und drückte ihre Hoffnung aus, dass die Befürworter der Pellerhaus-Rekonstruktion Staab als "allseits geschätzten Planer" eher zuhören als einheimischen Architekten.

    Staab schlug dann noch vor, die Wahrnehmung des öffentlichen Raumes in Nürnberg zu verbessern, indem man einige Würstchen- und Falafelbuden "abräumt". Außerdem dankten die Experten den Verein Baulust für sein Engagement für eine kritische Baukultur-Debatte (z.B. ein Vortragsabend zum Pellerhaus, bei dem einer der Referenten dem Vorkriegsbau jegliche kulturhistorische Bedeutung absprach).

    Mein Fazit: Schon der Name der Veranstaltung spricht Bände über das Selbstbild der hiesigen Architekten-Zunft: Nemo propheta in patria ("Niemand ist Prophet in seinem eigenen Land"). Die Nürnberger Architekten halten sich offenbar für verkannte Propheten einer glorreichen baukulturellen Zukunft, deren messianisches Wirken aber leider von den undankbaren, in der Vergangenheit verhafteten Nürnbergern nicht geschätzt wird. Zudem wirkt es angesichts der Tatsache, dass die "Architektur-Promis" offenbar zu jedem Thema der selben Meinung sind und innerhalb der Architektenschaft augenscheinlich bei keiner Frage ein Dissens herrscht, geradezu Hohn solche Veranstaltungen als Debatte zu bezeichnen.

    Ein interessanter Artikel aus der FR von Günther Moewes:

    http://www.fr.de/kultur/frankfu…pager-1518922-1

    Zitat von Günther Moewes


    Stadträume anstelle von Ego-Architektur
    Rekonstruktionen wie die neue Frankfurter Altstadt sind Indiz für Versäumnisse der Moderne und Reaktionen auf den Verlust der Vielfalt. Könnte sein, dass sie in der Bevölkerungsmehrheit Zustimmung findet.

    Zwar lehnt der Autor Rekonstruktionen nach wie vor ab ("lösen kein einziges wirkliches Problem, schon gar nicht das eines bezahlbaren Wohnungsbaus"), er versucht aber trotzdem zu ergründen, warum Reko-Projekte bei der Bevölkerungsmehrheit ein hohes Maß an Zustimmung finden. Angesichts der Kontroverse um die neue Frankfurter Altstadt fragt er, ob "es hier gar nicht um die Frage völkisch/nichtvölkisch geht, sondern um Unterschiede in der soziokulturellen und sinnlichen Wahrnehmung durch Fachwelt und Bevölkerungsmehrheit?"

    Er geht dann auf drei Defizite des modernen Städtebaus ein, namentlich den Verlust des Stadtraums, den mangelnden Bezug zur Region sowie der Entmischung und Funktionstrennung.

    Hier macht Moewes einige kluge Bemerkungen und übt Kritik an der "Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und abgeliefertem Durchschnitt" der Moderne. Diese habe den Stadtraum vernachlässigt und ihn "zum zufälligen Restbrei, zum bloßen Immobilienabfall" degradiert. Alle völlig neu geplanten Städte der Moderne seien gescheitert.
    Außerdem mangele es der Moderne an regionaler Vielfalt. Überall stünden die "gleichen gesichtslosen, rundum verglasten Bürohochhäuser, in Toronto verschwenderisch beheizt, in Nairobi noch verschwenderischer gekühlt." Statt sich regionaler Rohstoffe zu bedienen, verkleidet man das Bundespräsidialamt mit schwarzem indischen Marmor.

    Am Ende schwenkt der Autor dann schließlich zu einer Kapitalismuskritik um (wir sind ja bei der FR...). Der Architekt als willfähriges Werkzeug des Kapitals überlasse die Städte "dem Spiel von Globalisierung und Marktkräften".

    Insgesamt ein interessanter Artikel, der zeigt, dass die Kritik an der zeitgenössischen Architektur immer weitere Kreise zieht, auch wenn der Autor einige wichtige Motive für Rekonstruktionen wie den Ausgleich des Verlusts von historischer Tiefe nicht beachtet.

    Im aktuellen Newsletter informieren die Altstadtfreunde darüber, dass sie vorübergehend ein weiteres Haus gekauft haben, und zwar das Fachwerkhaus Weißgerbergasse 20 (dendrochronologisch auf 1689/90 datiert). Besonders mit seinem eigenwilligen Chörlein setzt es einen Akzent in der Häuserreihe. Das Haus befindet sich in einem relativ guten Zustand, steht aber momentan leer. Angesichts zahlreicher weiterer Projekte und "in Erwartung wirklich gefährdeter Häuser" werden die Altstadtfreunde das Gebäude nicht selbst sanieren. Das Haus wurde aber trotzdem gekauft, um es nicht in falsche Hände geraten zu lassen. Nun suchen die Altstadtfreunde einen neuen Eigentümer, der es denkmalgerecht saniert.

    Tilman2007, Nürnberg, Weißgerbergasse 20 20170821 001, CC BY-SA 4.0

    Was das Pilatushaus angeht, schreibt Herr Enderle:

    Zitat von Karl-Heinz Enderle

    Die Altstadtfreunde sollen das herausragende bürgerliche Fachwerkhaus (der Weinstadel war immer städtisch) übernehmen. Da bekamen wir so manchen bösen Kommentar zu hören – nicht über uns, sondern über den Umgang der Stadt mit ihren reichsstädtischen Denkmälern. Ja, es stimmt, es gab Gespräche bezüglich der Übernahme des „Kronjuwels“ (Baureferent Ulrich) durch die Altstadtfreunde. Dass diese jetzt öffentlich wurden, ist der Sache nicht dienlich. Fakt ist, dass das platzprägende Haus wegen Einsturzgefahr seit sechs Jahren leer steht und die Verwaltung wenig Chancen sieht, die Sanierung über kurz oder lang in Angriff zu nehmen. Könnten da nicht die Altstadtfreunde in die Bresche springen, die schon so viel erreicht haben und der Stadt mit dem Pellerhof einen über 5 Millionen Euro schweren Schatz auf dem silbernen Tablett servieren? Das muss gut überlegt sein, die Rahmenbedingungen müssten stimmen, die der Übernahme und der Zuschüsse, um den Anteil der Altstadtfreunde in einem verantwortbaren Maß zu halten. (...) Und eines ist sicher: Die Altstadtfreunde werden sich deswegen nicht in ein finanzielles Abenteuer stürzen!