Beiträge von Loggia

    Google wirft mir als Transkription von Рейхстбайштрассе Reichstayshtrasse aus, richtiger von den Buchstaben her (und mit deutscher Transkription für das sch) wäre wohl Reichstaischtrasse.

    Ich dachte erst an eine "Reichsteinstraße", bei der man möglicherweise das n verschluckt hat, immerhin gibt es in Brandenburg wohl eine "Carl-Reichstein-Straße". Aber warum man die dann mit ai schreiben sollte, wenn es bei Reich auch mit ei geht...

    zu "Reichstai" findet Ixquick immerhin

    http://www.flugzeugabstuerze-saarland.de/29.01.1944_Teil_1.pdf
    April 1944 beim. Felsberger Hof, Gemeinde Reichsthai bei Rockenhausen. Crist selbst sowie der Formations- kommandant Francis Tiller wurden damals bei ...

    Vielleicht gab es damals eine Reichsthai-Straße?

    Die müßte dann aber nur kurz so geheißen haben, denn in den historischen Straßenverzeichnissen zu Berliner Straßen findet man sie nicht.

    großflächiger Wohnungsbau gehört abgeschafft

    Die Blockrandbebauung von Gründerzeit ff. war aber genau das, großflächiger Wohnungsbau. Da wurden ganze Neustädte aus dem Boden gestampft. Der Unterschied liegt mehr in der Multifunktionalität der Häuser im Unterschied zu den reinen Wohnbauten, und der Art, wie man die Straßen und Plätze plante - nicht für auf verwilderten Wiesen umherstreifende Picknicker, sondern für Stadtbewohner, die kurze Wege zu Geschäften haben wollen.

    1. Gut, daß dieser Beitrag unter einer eigenen Überschrift erscheint - solche Erklärungen zu architektonischen Details gingen sonst verloren.
    2. mehr zum Thema - die Türmchenvillen in Potsdam (und anderswo) sind doch schon ein bißchen eine Schrumpfform von Belvedere, oder? So ein richtiges Belvedere gibt einen weiten Ausblick frei, es gehört also doch eigentlich immer ein Park drumrum oder ein See davor, oder sehe ich das falsch? Einer Türmchenvilla wird aber öfters mal der Ausblick verbaut...

    Klinker: richtig. Und es gibt auch den Fall, daß ein Bauherr vor dem Architekten Reißaus nimmt, weil der nur Klötze hinstellen will. Es braucht da schon beide dazu, wenn was Nicht-Klotziges entstehen soll.
    Es wird erst mählich-mählich mehr Auswahl an Architekten entstehen. Wichtig wäre, die gelungenen Baubeispiele moderner, aber nicht klotziger Häuser ständig zu promoten, auch mit den Architektennamen, so daß Bauherren diese Beispiele leicht finden.

    Ich möchte mich noch ein bißchen über die Abfolge der verschiedenen Bauformen verbreiten.

    Das Gründerzeit-Berlin hatte seit 1861 den Hobrecht-Plan, der die zukünftigen Straßen und Plätze vorsah sowie den Kanalisationsverlauf. Für die Häuser gab es nicht sehr viel Vorschriften, sie mußten feuerwehrkompatibel sein (nicht höher wie die Leitern, Platz zum Wenden der Feuerwehrspritze, Brandwände, feuerfeste Ziegel- und Blechdächer).
    Erschlossene Baugrundstücke wurden parzelliert. Wie das genau ablief, weiß ich nicht, möglicherweise kaufte eine "Terrainerschließungsgesellschaft" (privat, Bank) das Bauland auf, parzellierte, suchte dafür Eigentümer und vermittelte auch gleich Architekten und Bauhandwerk. Dies führte, weil die einzelnen Eigentümer den Baugrund möglichst gut ausnutzen wollten (der Bedarf war ja da), zu der bekannten Vorderhaus-Seitenflügel-Quergebäude-etc-Architektur, auch als "Berliner Mietshaus" bekannt, und zu einer gewissen straßenseitigen Abwechslung, weil der gleiche Architekt erst wieder 3 Häuser weiter noch einen Auftrag bekam. Die "soziale Mischung", Wohlhabende im Vorderhaus in der Beletage, arme Schlucker und Gewerbe hinten, hatte wohl Hobrecht sich schon ausgedacht. Dabei entstanden einige krasse Grotten ("Meyers Hof" im Wedding war ein berüchtigtes Beispiel, das die Stadtverwaltung nur mit argem Bauchgrimmen genehmigt hatte; in der Moabiter Perlebergerstraße gibt es heute noch so eine Ritze, wo ab 3.OG abwärts nie die Sonne scheint), aber noch weit mehr solide Substanz, die nach 100-150 Jahren teilweise noch stadtbildprägend ist.

    So um die Jahrhundertwende kamen die Genossenschaftsbauten auf - und das waren nun Wohnanlagen "aus einem Guß", in einem einheitlichen Stil. In Charlottenburg Nähe Horstweg gibt es einige solche, an der Torstraße in Mitte steht eine mit grau-weiß-roter Fassade, die mir sehr gefällt. In diesen Genossenschaften kauft man ein Wohnrecht, nicht eine bestimmte Wohnung in einem bestimmten Haus. Diese Wohnanlagen haben idR Schmuckgärten und keine Läden zur Straße, oder allenfalls 1, 2 (ein Gründerzeithaus hat idR genausoviel, ist aber sehr viel schmaler) - und die Beamtenvereine blieben eher unter sich. Will sagen: die Entmischung von Gewerbe und Wohnen sowie der sozialen Schichten fängt vermutlich mit den Genossenschaftsbauten um die Jahrhundertwende an, und erreicht dann in den 1960ern so ziemlich den Höhepunkt (CIAM als Anti-Hobrecht, sozusagen).

    Ab etwa 1930 wollte man die Hinterhöfe nicht mehr und fing an, Zeilen zu bauen und Solitäre, und man wollte nun verstärkt Grasflächen ums Haus. Man baute nicht mehr am Blockrand, sondern setzte die Wohnblocks parallel zueinander auf die grüne Wiese. D.h. es wurde praktisch nicht mehr urbanisiert, wie in der Gründerzeit, sondern es wurden überall Vorstädte angelegt: Schlafhäuser ohne städtische Funktionen wie Wirtshaus, Laden, Werkstatt. Eingekauft wurde zunehmend mit dem Auto, so daß sich die kleinen Läden nicht mehr halten konnten. Verdichtung bedeutete, stärker in die Höhe zu bauen - Aufzüge waren inzwischen erprobt und funktionstüchtig. Man kam vom Fußgänger als Leitbild ab und stellte sich Passanten fast nur noch in Autos oder Liften vor.

    Ca. 1975 begann die Abkehr von den immer höheren, auf die grüne Wiese gestreuten Schlafkisten, die Gründerzeit wurde "wiederentdeckt", mit ihrer Mischung und Dichte. In den folgenden 2 Jahrzehnten wurden viele Häuser aus der 2. Hälfte des 19. Jhdts vor Verfall und Abriß gerettet.
    So um 2000 legte sich Berlin einen neuen "Speckgürtel" zu, der sehr uneinheitlich ausfiel: Konzernviertel (Werkswohnungen gab es schon lange, diese wurden aber zum Teil als Eigentumswohnungen verkauft), Wohnbauklötze (wie die Frühsiebziger-Trabantenstädte), EFHs - imgrunde ist man wieder bei 1850 angekommen, als die Berliner Umlandgemeinden sehr unterschiedlich sprießten.

    Deswegen @Mexdus würde es sich vonwegen "neues Viertel aus einem Guß" vielleicht lohnen nach "Werkswohnungen" und "Genossenschaftsbauten" zu suchen, denn die sind so entstanden. Was davor war - Parzellierung und Blockrandbebauung mit ausgesprochener Straßenfassade - finde ich allerdings urbaner.

    Hm, bei so großen Projekten, wenn gleich ganze Stadtviertel gebaut werden, muß man mE vor allem aufpassen, Monotonie und zuviel Serialismus zu vermeiden. Und ich finde auch reine Wohnviertel schrecklich, wo die Cafés, Kneipen, Läden fehlen, also die EG-Zone nur Wohnungen hat. Die Leute, die dort wohnen, müssen sich auch mal sehen können.

    Jedenfalls finde ich den "Populismus-Vorwurf" besonders bizarr.
    Er verweist darauf, daß sich die, die sowas vorbringen, als CIAM-Erziehungs-Eliten verstehen. Sie fühlen sich offenbar als Geschmackswarte und Vorzensoren des niederen Pöbels, der sich mit ihren hochgeistigen, in Tonnenideologie massenhaft aufbereiteten, nackten Rechtecken einfach nicht zufriedengeben will.
    Extra wiedersprüchlich finde ich auch, daß die Grünen den Autoverkehr immer mehr zurückdrängen wollen - am liebsten so wie in Pjöngjang -, andererseits aber in keiner Weise funktionierende Lösungen - Viertel mit z.T. schmaleren Straßen, in denen z.T. Fahrrad- und Fußgängerverkehr reicht - aufnehmen wollen.

    Balanceakt: ja, in gewisser Weise. "Forderungen", konkret zu bestimmten Orten, sind wahrscheinlich erstmal die bessere Variante. Zur Abwehr von Trübys würde ich die als CIAM-Murkser festnageln wollen. Populismus-Vorwürfe halte ich übrigens für keine, weil Populus=Demos, insofern in einer Demokratie nicht wirklich hintergehbar.

    Ja, das Absolute und Städte- und Wohnungsbau sehe ich auch nicht zusammengehen, davon sollte man mE Abstand halten. Stadt funktioniert besser nicht-totalitär, "gemischt".
    Ob es einen "Theoretiker der europäischen Stadt" geben kann? Ich weiß es nicht, habe aber gewisse Zweifel - das ist eine ganz praktische Sache, Theoretiker der Ehe gibt es auch nicht, gleichwohl gibt es seit Jahrtausenden mehr oder weniger funktionierende Ehen.
    Man kann in ideologischem Schwang den Städtebau streifen und auch so weit gehen, alle bisherigen Funktionen kaputtzumachen, aber damit sprengt man imgrunde die Architektur.

    Ich finde man braucht sich in Antworten auf Trüby et alii gar nicht auf "Schönheit" zu versteifen.
    Die Rasterfassaden sind von tödlicher Langeweile, und die CIAM-Trabantenstädte funktionieren eben nicht als Städte.
    Es braucht einen dichten Städtebau, der gleichwohl abwechslungsreich ist.

    Ah, Aleppo.
    Mitte/Ende der 90er hörte ich von jemand, die diese Stadt besucht hatte, daß es dort Aktivitäten von Deutschen gäbe, die alten Kaufmannshäuser wieder zu restaurieren.
    Irgendwann später, es war wohl in den Nullerjahren, stieß ich mal auf einen Zeitungsartikel, die Häuser wären nun restauriert und man hätte einige zu Hotels umgebaut, und der Tourismus laufe immer besser.
    Dann war irgendwann der Krieg und man hörte nichts mehr von den Häusern in Aleppo oder Tourismus.
    Also, in Aleppo wurde schon seit Jahrzehnten deutsches Geld in Restaurationen gesteckt, wer das genau war, weiß ich nicht, ich weiß überhaupt nichts genaueres, nur DASS diese Stadtentwicklungsaktivitäten stattfanden.

    Lesenswertes Interview mit dem niederländischen Stadtentwickler Martin Aarts, der Rotterdam erträglicher gemacht hat und nun eine Weile in Berlin wohnt, über die seiner Meinung nach nötigen notwendigen Schwenks in der Berliner Stadtentwicklung: https://www.tagesspiegel.de/berlin/stadten…947304-all.html

    Zitate:

    - "Mein Motto ist: Jede Stadt muss ihre Innenstadt sexy und attraktiv
    machen. Sie ist die Visitenkarte einer Metropole, einer ganzen Region.
    Auch Berlins Innenstadt prägt das weltweite Bild der Stadt, nicht
    Grunewald oder Reinickendorf."(...)
    - "Eine lebenswerte Stadt muss sich immer wieder den Bedürfnissen der Menschen anpassen, nicht umgekehrt. Das ist nicht zuletzt eine ökonomische Notwendigkeit. Wenn die Wirtschaft sich ändert, muss sich auch die Stadt ändern. Die Menschen arbeiten heute nicht mehr von neun bis fünf, sondern den ganzen Tag und überall. Gerade Hochgebildete, die unternehmerisch tätig sind, brauchen die Stadt als Kommunikations- und Vernetzungsplattform, sie ist quasi ihr Büro und ihre Wohnung gleichzeitig. Die Zukunft einer Stadt hängt davon ab, wie gut sie sich auf solche Veränderungen einstellt. Wenn eine Stadt nichts für ihre Bewohner tut, werden sie aus der City abwandern oder verdrängt. Diese gefährliche Tendenz gibt es derzeit leider überall auf der Welt. Auch Berlin wird gerade für Familien immer weniger attraktiv."(...)
    - "In Rotterdam wurde immer gesagt, dass noch Platz für höchstens 2000 Häuser in der Innenstadt sei. Ich konnte aber anhand von Studien nachweisen, dass sogar Platz für 20.000 Häuser und 30.000 Menschen war. Ich vermute aufgrund meiner Beobachtungen, dass in Berlin viel mehr möglich ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Allein innerhalb des S-Bahn-Rings ist noch viel Platz."(...)
    - "Nach meiner Erfahrung wollen die meisten Großstädter dieselben Dinge: sicher, grün und gesund leben. Sie wünschen sich bezahlbaren Wohnraum, Straßen mit Bäumen, Spielraum und Grünanlagen, gute Schulen, schnell erreichbare Infrastruktur, Kultur, gesunde Luft. Es geht nicht nur um Auto oder Fahrrad, es geht um Lebensqualität."
    (...)

    - "Wie erkennt man, dass eine Innenstadt ihre Identität durch Tourismus verliert?"

    - "Man sieht es nicht auf den ersten Blick. Das geht ganz langsam, wie bei einem Frosch, dem man das Wasser heiß dreht. Erst gibt es nur ein paar Ferienwohnungen, in denen ein paar Amerikaner und Holländer wohnen, am Ende wohnt kaum noch ein Berliner dort. Ein sichtbares Zeichen ist es, wenn die Supermärkte verschwinden. Das sind Stützpfeiler des urbanen Lebens, sie sagen: Hier wohnen Menschen."
    (...)
    - "Je attraktiver eine Stadt ist, desto gefährdeter ist sie. Das kann
    man nicht nur in Venedig und Barcelona sehen. Die Geschäfte sind alle
    gleich, überall kann man Donuts und schlechten Cappuccino kaufen.
    Schrecklich. Auch in Amsterdam verschwinden immer mehr Läden für
    Einheimische und es gibt immer mehr Starbucks-Filialen für Touristen.
    Deswegen geht man dort nun deutlich rigoroser gegen Ferienappartements
    vor. Man darf künftig nur noch an 30 Tagen pro Jahr untervermieten, die
    Prüfer gehen direkt in die Häuser. Davon kann auch Berlin lernen. Auch
    bei der Problematik Onlinehandel könnte man sich sicher besser
    untereinander austauschen."

    - "Was soll denn daran bedrohlich für eine Stadt sein?"

    - "Der steigende Lieferverkehr nimmt wertvollen Stadtraum ein und verschlechtert die Luft.(...)"

    Ich hoffe sehr, daß dieses Gebäude wieder aufgebaut und die Fassade gerettet wird. Es trug in starken Maße mit zur Urbanität Zürichs bei. Klotzwürfel würden die Vorstadt in die Stadtmitte treiben, wie seinerzeit die FH in Potsdam.

    Der TSP berichtete gestern, daß der Straßenumbau am Molkenmarkt noch 2019 anfangen soll. Dies wurde wohl möglich dadurch, daß man mit der U5 dort schneller vorankam als geplant.
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-…9/22935566.html
    (ältere Artikel dazu https://www.tagesspiegel.de/berlin/molkenm…mm/1227088.html, https://www.tagesspiegel.de/berlin/histori…t/22754740.html, https://www.tagesspiegel.de/berlin/verkehr…ve/1840590.html)
    Daß dieses Autobahnkreuz, das innerstädtisch nichts verloren hat, nun wegkommt, finde ich gut, aber man sollte als Bürger mE schon sich dafür stark machen, daß dort schöne Gebäude und nicht öde Klötze hinkommen.
    Problematisch finde ich, daß da Blocks hinsollen, und man zu einer sinnvollen Parzellierung offenbar wieder mal zu faul ist. Rekonstruieren wird man vermutlich wenig können, weil der Straßenverlauf, wenn ich es richtig verstehe, ein anderer ist als früher jemals. Aber eine gewisse Kleinteiligkeit, wenn auch in modifizierter Form, würde mE auch schon eine enorme Verbesserung (hin zu einem lebhaften, innerstädtischen Quartier) bringen.