Beiträge von Brandmauer

    Kardinal
    Das Grundstück wird schon in städtischem Besitz sein, aber seine Nutzung als Grünanlage zwischen den denkmalgeschützten Stalinbauten deshalb auch unverrückbar feststehen. Die Stalinbauten stehen eine grossflächige Umnutzung des Geländes schon definitiv im Wege, und das neue Einkaufszentrum auch noch. Das Projekt kann sich auf diese Weise also nicht selbst finanzieren; die alte städtebauliche Situation ist definitiv verschwunden, und die neue ist ungefähr so unverrückbar und fest zubetoniert, wie der ehemalige Reaktorkern von Tschernobyl. Deshalb wird dieses Rekonstruktionsprojekt auch so schwierig sein.
    @uaoj36
    Und diese letztgenannte Situation gilt beinahe für die ganze ehemalige Altstadt und Innenstadt von Magdeburg. In anbetracht dessen muss ich Wissmut beipflichten, dass Hoffnung auf eine einigermassen normale und urbane, geschweige denn historisch ausgerichtete städtebauliche Entwicklung Magdeburgs am Ehesten noch auf die bisher unbebauten Flächen im Elbuferbereich zu suchen ist.
    Übrigens muss man dabei nicht aus dem Auge verlieren, dass Finanzierung und Nutzung im Baugeschehen immer ganz im Vordergrund stehen. Viele Platten im Innenstadtbereich dürften nur darum saniert worden sein, weil man einfach (noch) nicht auf den bestehenden Wohnraum in dieser Preisklasse und Grösse verzichten konnte. Andererseits ist auch völlig klar, dass der Wille und Mut zu einer ansprechenderen Stadtplanung gefehlt haben. Das wird wohl von den strukturell anwesenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Altlasten herrühren. Und daran wird sich auf absehbarer Zeit nichts ändern.

    Ich sehe die Initiative auch positiv, und ich glaube, eine Rekonstruktion kann niemals schaden, selbst nicht in Kiel oder Pforzheim :zwinkern:

    Ich glaube aber, dass die Umsetzung extrem schwierig werden wird bei den leeren Kassen und den leeren Kirchen, und dem Fortleben der frueheren Gesinnung dort.

    Im uebrigen ist es sehr wohl so, dass man Spuren des aelteren Magdeburgs zwischen denkmalgeschuetztem Stalinbarock, Plattenbauten und massstabslosem Investorenarchitektur heute wirklich suchen muss.

    Heimdall
    In Kassel wird es am schwierigsten sein, so eine Kehre zu verwirklichen, da diese Stadt die Moderne bewusst als ersatz-Identitaet angenommen hat und mit ihr wirbt. Fuer mich ist Kassel neben Kiel, Magdeburg und Pforzheim und einige staedte in NRW die verhunzeste Stadt in Deutschland. Was Kassel aber besonders schlimm macht, ist der Unterschied zum fast unglaublich schoenen Stadtbild von vor der Zerstoerung :weinen: .
    Booni
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Haube der Reinoldikirchturm keine genaue Rekonstruktion eines frueheren Zustandes ist, was man ihr auch leicht ansieht. Ich habe auch mal so was gelesen, aber ich weiss nicht mehr, wo genau.

    Kritik gibt es in diesem Forum nicht nur, wenn erhaltenswere Bausubstanz nicht geschützt wird, sondern vor allem auch, wenn der Denkmalschutz ein 50er-Jahre Gebäude von geringer Qualität schützt, das eine Rekonstruktion eines ausserordentlich wichtigen Gebäudes im Wege steht. Und da gibt es dann zahlreiche peinliche Beispiele, das Pfeilerhaus in Hildesheim, das Pellerhaus (vorderseite) in Nürnberg, das neue Rathaus in Nürnberg am Hauptmarkt, usw.usf. Oft geht es auch nicht um ganze Gebäude, sondern um Teile der Innenausstattung. So hatte der Denkmalschutz in Lübeck die Beschwerde gegen die Rekonstruktion der Domorgel, dass dadurch eine 50er-Jahre Raumlösung beeinträchtigt, und ein Kirchenfenster teilweise verdeckt würde, wie eben vor dem Krieg. Seitdem ist vom Projekt, unterstützt durch die Musikhochschule Göteborg (Schweden) nichts mehr vernommen.
    Oft sind solche Beschwerden seitens der Denkmalschutz nur vorsätzlich, und geht es in Wirklichkeit darum, dass die Kriegsschäden aus ideologischen Gründen konserviert werden müssen (die Wunden müssen sichtbar bleiben!)

    @ Leipziger

    So wie Du es beschreibst, wie es um die Nikolaikirche steht, gibt es daran entweder nichts zu rekonstruieren oder alles. Der ins Auge stechende aesthetische Defizit des Betonturmaufsatzes koennte aber auch ohne Rekonstruktion behoben werden, zum Beispiel durch sein Abbruch und Ersetzung durch einen aesthetisch ansprechenderen Turmbekroenung. Schlimm ist bei der heutigen Turmaufsatz der Betonteil, der eine misslungene Interpretation gotischen Stils und gotischer Fiale in Beton darstellt. Gelungen finde ich zB. den Turmhelm der Reinoldikirche in Dortmund, der ebenfalls ein Neubau ist.

    Sehr schade finde ich bei der doch noch ueberraschenden Erhaltungsgrad des alten Stadtbildes Bielefelds den Betonturmaufsatz der Nikolaikirche. Gaebe es einmal Bestrebungen zu einer Rekonstruktion in Bielefeld, was ich fuer sehr unwahrscheinlich halte, sollte eine Wiederherstellung des alten Zwiebelhaubens 1. Prioritaet sein.

    Von den 3 Leipzigern gehen die zwei klassischen gerade noch, obwohl zwischen ihnen und die Qualität Berliner Bauten des Historismus, Jugendstil Welten liegen, vom Formenreichtum und den Materialien her. Die "Townhouses" haben, wie der Name schon angibt, nichts Berlinisches, die besten unter ihnen würden gerade noch in einer Vorstadt von Atlanta oä. klassischen Stils passen, aber dazu sind sie dann doch wieder zu dünn. Und zum Heinrich-Böll-Haus.. Meine Güte, da muss einer wieder mal zeigen, wie ganz toll offen er ist.

    Alles in allem wird aber doch wieder bewusst, in der historischen Mitte, mit den Stilen und Traditionen des alten Berlins gebrochen.

    @ Daene

    Danke!

    zur restlichen Bebauung: dem ist zu hoffen. Wenn Du aber das Pfeilerhaus meint, nein, da wird sich nachher nichts mehr aendern, siehe z.B. das "Wedekindhaus" am Marktplatz. Auch der restliche Andreasplatz war aber von einer unvorstellbaren Qualitaet, siehe z.B. die Bilder im Bildindex. Vor allem das rechte Eckhaus zur Eckemeckerstrasse von der Andreaskirche aus gesehen. Da das Haus einen vieleckigen Grundriss hatte, und das heutige Betonhaus an dieser Stelle einen rechteckigen, koennte man dort auch keine Fassade aufkleben, sondern muesste das Haus als Ganzes rekonstruieren.

    Es ist besser als nichts, aber dennoch eine ziemlich "suboptimale" Lösung, wenn das Betonpfeilerhaus stehen bleibt, mit dem Zuckerhut an der Seite geklebt, und an der Vorderseite die rekonstruierten Brüstungsplatten des alten Fachwerkpfeilerhauses aufgedübelt. Ich halte diese Rekonstruktion nur als die Einheit von Zuckerhut und Pfeilerhaus für wirklich sinnvoll, die es vor der Zerstörung auch baulich war. Eine solche ganzheitliche Rekonstruktion ist auch deshalb die einzig nachvollziehbare Lösung, weil das Betonpfeilerhaus wertlos ist.