Beiträge von etinarcadiameo

    Gegen Ende des Films gibt es einen Blick ins Innere:

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    Aber bitte bloß als Kopie oder Fotodruck.
    Die Bilder des Berlinpanorama haben eine Höhe von ca. 93 cm, würden also im Original völlig an den Wandflächen des Dachcafés verloren sein.
    Daß wechselhafte klimatische Bedingungen, wie sie beim Öffnen und Schließen der Terrassentüren zwangsläufig erfolgen, die Gemälde innert kürzester Zeit ruinieren dürften, ist gleichfalls evident, von Café-Besuchern, die mit den Schultern oder ihren Stuhllehnen daranstoßen oder ihre Getränke daranleeren ganz zu schweigen.
    Als stark vergößerter Fotodruck könnte das jedoch eine schöne und interessante Wanddekoration sein.

    Na, das nenn' ich mal prompten Service.
    Vielen Dank für die Bilder.

    Wenigstens liegt die Villa nicht gar so ungünstig (ca. 20 km bis Halle) wie manch andere Villen, Herrenhäuser und Schlösser in Ostdeutschland, die dermaßen im Abseits lokalisiert sind, daß sich kaum je ein Retter wird finden.
    Auch scheint die Bausubstanz so solide, daß das Gemäuer noch ein paar Jahre im aktuellen Zustand ohne weitere größere Schäden überstehen dürfte.

    Vielleicht gibt es daher langfristig eine Chance auf Rettung.

    Belvedere ist sicher einfacher zu definieren, als Begriffe wie Söller oder Altan, zumal letztere häufig synonym verwendet werden.

    Unter Belvedere versteht man üblicherweise – wie von Dir bereits aufgeführt – ein der schönen Aussicht dienendes Bauwerk oder ein separates, dem Hauptbau aufgesetztes Bauteil, das den gleichen Zweck erfüllt. Ersteres kann dann die riesenhaften Ausmaße des (Oberen, vom Unteren ist die Aussicht vermutlich nicht so gut) Wiener Belvedere haben, für die anderen, separaten Bauteile, gibt es ja oben einiges an Bildmaterial.

    Luther verwendet in der Deutschen Bibel das Wort Söller für die flachen Dächer der morgenländischen Bauart, worauf J.G. Krünitz in seiner Oekonomischen Encyclopädie hinweist, die ab 1773 erschien. Dort findet sich auch der Hinweis, daß in einigen Dialekten des Ober- wie Niederdeutschen Söller mit dem Dachboden gleichgesetzt ist. Ein Söller ist also, grob gesagt, dem oben abschließenden Bereich eines Gebäudes zuzuordnen.

    In der Literatur der Romantik findet sich häufiger das zum Klischee gewordene, von einem Söller sehnsuchtsvoll in die Landschaft hinausblickende und die Rückkehr des Geliebten erwartende Burgfräulein, das auch als Bildmotiv in dieser Zeit gegenwärtig ist. Hier ist dann in der Regel mit dem Söller ein balkonartiger Austritt am oder gar die obere Plattform eines Turmes gemeint; das Ausschauhalten in die Ferne macht ja auch nur ab einer gewissen Höhe und mit Rundumblick wirklich Sinn.

    Altan wird von Krünitz definiert als ein oben auf dem Hause befindlicher, unter freiem Himmel offener Platz, also ganz ähnlich wie Söller, wenn dieser eine Plattform auf einem Turm meint.

    Der wesentliche Unterschied zwischen hie Belvedere und dort Söller und Altan scheint mir bei letzteren die komplett offene, nur durch eine Brüstung oder ein Geländer sich abgrenzende Bauweise und bei ersterem das architektonische Umschließen eines Raumes zu sein, welcher oft einem Hauptgebäude zusätzlich aufgesetzt ist.

    Ist das Belvedere mit unverglasten Öffnungen gestaltet, verdient es wohl eher die Bezeichnung Loggia.

    Man hat sicher eine schöne Aussicht von da oben, aber das im letzten Beitrag gezeigte Beispiel würde ich eher als 'Söller' bezeichnen.
    Zitat Wikipedia: "...ein hölzerner oder steinerner Austritt am oberen Stockwerk. Der Söller ist bis zum Erdboden untermauert und mit einer Brüstung versehen."

    Ein bekanntes Beispiel aus deutschen Landen ist das Belvedere von Schloß Wörlitz:

    https://media.archinform.net/l/00012621.jpg

    Ein kleiner Einschub sei an dieser Stelle aber doch noch erlaubt: die Neue Staatsgalerie Stuttgart ist ein höchst origineller, dabei nutzungsfreundlicher Bau einer zeitlich abgeschlossenen Architekturepoche (Postmoderne), als deren qualitativ bester Vertreter in Deutschland sie gilt. Zudem ist sie, aber das nur nebenbei bemerkt, beim Publikum außerordentlich beliebt.

    Wie gut dieser Bau ist, zeigt vor allem der Vergleich mit dem Erweiterungsbau der Alten Staatsgalerie von 2002, der auch in seinem äußeren Erscheinungsbild vornehmlich funktional angelegt ist und gleichermaßen Firmensitz oder Produktionsstätte oder Fitnesstudio in einem Gewerbegebiet sein könnte. Bezeichnenderweise finden sich von diesem Erweiterungsbau kaum Bilder im Netz, während die Suche nach 'Neue Staatsgalerie' diese in Hülle und Fülle zeitigt.

    Die Unterschutzstellung als Denkmal ist also gerechtfertigt, und welchen Unterschied macht es denn, ob diese jetzt schon geschehen ist oder erst in 20 Jahren erfolgt wäre?

    Die Opern des gespielten Repertoire sind zwar zum wesentlichen Teil in der Vergangenheit entstanden, aber sie sind keine Werke der Vergangenheit, sondern besitzen – jenseits der oft verkrampften Bemühungen des Regietheaters – Relevanz für uns Heutige, und auch wenn viele den gediegenen Rahmen eines "alten" Opernhauses bevorzugen, heißt das nicht, daß Opern nicht in einem modernen Haus aufgeführt werden können. Was würden denn sonst die Länder machen, die keine klassische Opernhaustradition haben? Dürfen die dann keine Opern aufführen? Oder nur zeitgenössische? Und paßt eine Barockoper obiger Argumentation zufolge dann überhaupt in ein bürgerliches Opernhaus des Historismus, oder nur in ein aristokratisches Hoftheater des Ancien Régime?

    Eine neue Main-Philharmonie scheint mir zudem überflüssig. Hat Frankfurt denn nicht mit der Alten Oper einen entsprechenden Saal?

    Noch ein Gedanke: das Ornament in seiner Fülle wie materiellen und qualitativen Ausformung diente in der Menschheitsgeschichte stets auch der deutlichen Abgrenzung höhergestellter Schichten von den niedrigeren.

    Vielleicht haßten die Nazis den so reich ornamentierten Historismus gerade auch deshalb, weil sie eine nicht durch Schichten sich innerlich voneinander abgrenzende „Volksgemeinschaft“ kreieren wollten, die zwar von einer Führungselite geleitet, aber sonst aus „Gleichen“ bestehen sollte, die sich nach außen abgrenzten.

    Vielleicht wäre das Rekonstruieren von ornamentgeschmückten Bauten daher tatsächlich antifaschistisch???

    Die Pendelbewegung als Reaktion auf eine vorangegangene Epoche und Generation, von der Seinsheim schreibt, kann man durchaus für den Bereich der Kunstgeschichte konstatieren, etwa wenn auf die ostentative Geste des Barock der Rückzug ins Intime des Rokoko folgt, dessen kraus die Wände überwuchernde Ornamentik wiederum vom nüchternen Klassizismus abgelöst wird, dessen „dürre Armseligkeit“ (Georg Hirth) seinerseits in die Pracht des Historismus mündet.

    Allerdings wurde der Historismus von einem in seiner Ornamentik noch exzessiveren Stil abgelöst, nämlich dem Jugendstil, bevor das Pendel weiter ausschlug und sich tatsächlich die Abkehr vom Ornament durchzusetzen begann (wir alle kennen die Kritik eines Adolf Loos, die just in jenen Jahren vom Übergang des Historismus zum Jugendstil formuliert wurde und nicht erst in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg, als man quasi „reinen Tisch“ machen wollte, wie Seinsheim formuliert).

    Freilich gab es schon bedeutend früher kritische Stimmen, die jeweils aus ganz unterschiedlichen Gründen mit dem Historismus haderten: da waren gewisse Intellektuellen- und Künstlerzirkel, die die „Nachäffung“ vergangener Stile als unproduktiv und unkünstlerisch empfanden, Theoretiker und Praktiker (etwa William Morris) kritisierten den Niedergang des Kunsthandwerks durch die Industrialisierung – und der Historismus ist ja der erste Stil und die erste Epoche, in der breitesten Massen eine kultiviert erscheinende Häuslichkeit finanziell möglich wurde, auch um den Preis, daß viele der Produkte von ungenügender Qualität waren, weil das Design nicht den maschinellen Fertigungsmethoden angepaßt war, die eben ein ornamental reduziertes Design erfordert hätten.

    Daß der Historismus als Projektionsfläche für die jeweiligen Feindbilder herhalten muß (es wurden hierfür ja schon zahlreiche Beispiele aufgeführt) zeigt sich etwa auch darin, daß der oben schon genannte Georg Hirth in seiner Publikation „Das Deutsche Zimmer“ die deutsche Renaissance nicht nur als nationalen, sondern auch als „gesunden“ Stil zur Nachahmung empfahl , während man wenig später bereits (und dieses Urteil findet sich auch in der Ablehnung bei den Nazis wieder) die ganze Epoche als schwach, angekränkelt und überspannt empfand und zur Therapie auf Onkel Sigmunds Sopha empfahl.

    Pagentorns exzellentes Wort vom „Rückschnitt“ paßt an dieser Stelle gut, denn das ganze späte 19. Jh. wurde oft genug von den Zeitgenossen wie in der Nachschau durch die Treibhausmetapher charakterisiert und der bevorstehende, tatsächlich von vielen sogar herbeigesehnte Krieg sollte quasi als „reinigendes Gewitter“ wirken.

    Doch der Rückschnitt begann schon früher, und ein wichtiger Impuls hierzu geschah durch eine von vielen sicher nicht vermutete Schicht.

    Stile sind immer auch Moden, und Moden gingen durch die Zeitläufte hindurch fast immer von den kulturellen und wirtschaftlichen Eliten aus (der Hof, die Kirche, das Großbürgertum), erst im 20. Jh. hat sich das bis zu einem gewissen Maße verkehrt.Ich denke, daß das Ornament seinen Todesstoß empfing, als diese Eliten mitansehen mußten, wie jahrhundertelang ihnen vorbehaltene architektonische Würdeformen und Dekore aufgrund billigster Fertigungsmethoden im Zuge der Industrialisierung an Arbeitermietskasernen und deren Einrichtungsgegenständen auftauchten und quasi vulgarisiert wurden.

    Das Wort „Dekor“ hat seinen Ursprung im Lateinischen und meint das Schickliche, Angemessene, das sich Ziemende. Zahllose Architekturtheoretiker haben sich über die Jahrhunderte dazu geäußert, welche Dekore für welchen Stand angemessen sind (ein ähnliches Phänomen sind die Kleiderordnungen, die in manchen Gegenden noch bis ins 18. Jh. aufrechterhalten wurden), wie Raumfolgen zu gestalten sind, durch die man hindurchzuschreiten hat, bis man endlich vor dem Würdenträger steht.

    Und plötzlich war es möglich, diese Dekore und Würdeformen der Architektur wie des Interieurs dem Kleinbürger und Arbeiter zur Verfügung zu stellen, wenn auch nur in Ersatzmaterialien wie Fassadenstuck, Zinkspritzguß und Guttapercha-„Schnitzereien“.

    Darauf folgte die Hinwendung der Eliten zu einem noch exklusiveren Stil, dem Jugendstil, dessen bedeutendste Förderer Großindustrielle (wie Wärndorfer in Wien), Großherzöge (Hessen-Darmstadt) und Grafen (Harry Graf Kessler) waren. Allzubald hatte sich die Industrie freilich auch dessen Ornamenten bemächtigt und verbreitete diese an die Massen.

    Wer sich nun von diesen abgrenzen wollte, konnte dies eigentlich nur in einem weitgehenden Verzicht auf das Ornament tun - und stellte zu seiner Freude fest, daß ihm der nach (vermeintlich) Höherem strebende Kleinbürger und Arbeiter dorthin erstmal nicht folgen mochte, sondern weiterhin den gemütlichen Stil-Ohrensessel neben dem Gummibaum besitzen wollte.

    Die negative Einschätzung des Historismus, die letztlich in den größeren Zusammenhang der Ablehnung des Ornaments gesetzt werden muß, speist sich also, wie hier in den diversen Beiträgen deutlich wurde, aus sehr unterschiedlichen Quellen.

    Es gibt vermutlich jedoch auch einen ganz pragmatischen Grund, und dieser mag noch vor den ideologischen wie ästhetischen oder pekuniären Motiven dazu geführt haben, daß wir keine Rückkehr des Ornaments mehr erlebt haben: es gibt kein Personal mehr, daß die Samtportieren ausklopfen und die gedrechselten Möbel und den Nippes abstauben würde, und die Emanzipation und Berufstätigkeit der Frau führte dazu, daß der Haushalt, der so lange ihre auferlegte Pflicht war, heutzutage möglichst rasch erledigt sein will; da sind glatte Flächen und „buddhistisch“-karge Räume ein Vorteil.


    Was immer man dem Historismus auch vorwerfen mag – man sollte nie vergessen, daß genau in dieser Epoche erst die „moderne“ Stadt mit ihrer ganzen, im 20. Jh. kaum erweiterten Palette an Infrastruktur kreiert wurde, die das Modell Stadt zukunftsfähig gemacht hat.

    Ich darf zu dem von Pagentorn verlinkten Artikel über den Umgang mit dem historistisch veränderten Hechinger Rathaus während der NS-Zeit einen im gleichen 'Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg‘ erschienenen Artikel über den 1958 fertiggestellten Neubau hinzufügen:


    https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdp…File/15135/9017

    Ohne auf die wahre Motivation zum Umbau in den 30er-Jahren einzugehen, heißt es darin: „Zum Glück“ (!) „waren die Architekturteile aus Sandstein schon nach wenigen Jahrzehnten so schadhaft, daß man an eine durchgreifende Instandsetzung denken mußte.“

    Die Urteile, die der Autor – selbst Denkmalpfleger – für den historistischen Umbau findet, offenbaren jedoch eine Kontinuität im Denken, die man – unbeschadet von den jeweils herrschenden politischen Systemen – seit Anbeginn des 20. Jh. bei eigentlich allen als progressiv sich dünkenden Meinungseliten über den Historismus wiederfindet:

    „überreich gestaltet“, „protzige Architekturteile“, „blutleerer Historismus“; verräterischer dann die „landfremden Schieferplatten“ der Dachdeckung (wohlgemerkt in einem Artikel aus dem Jahr 1958).

    Der Umbau von 1934 hingegen wird beschrieben mit den Worten:

    „eindrucksvoller liebenswürdiger Bau“, „schlichte, anheimelnde Erscheinung“ – Worte, die wir nicht unbedingt mit Architektur der NS-Zeit assoziieren, und das reduzierte Erscheinungsbild wird unter Auslassung etwaiger ideologischer Motive schlicht mit den „knappen Mitteln“ begründet.


    Dies vermutlich, um den in der Nachkriegszeit wiederbeauftragten Architekten Schmitthenner aus einer nicht mehr opportunen Traditionslinie herauslösen zu können.

    Daß die Ablehnung des Historismus über Jahrzehnte in allen politischen Lagern beheimatet war, haben hier schon Philon und Heinzer herausgearbeitet und andere ergänzt. Allerdings hatte die Ablehnung des Historismus durch die Nazis noch einen ganz bestimmten perfiden Unterton, nämlich einen antisemitischen, der heutzutage, wo wir im Zusammenhang mit Nazis und Kunstablehnung vorrangig an „Entartete Kunst“, also die Ablehnung der Klassischen Moderne, denken, etwas vergessen ist. Letztere wurde nicht nur aus Unverständnis abgelehnt, sondern, wie wir alle wissen, vornehmlich aus rassistischen Gründen, weil zahlreiche Schöpfer, Auftraggeber und Sammler dieser Kunst Juden waren.

    Ähnlich galt den Nazis der Historismus als wenigstens jüdisch geprägt, weil zahlreiche seiner Prachtbauten – insbesondere die Großkaufhäuser - vom wirtschaftlichen Erfolg des emanzipierten jüdischen Bürgertums in der Kaiserzeit kündeten und es zahlreiche jüdische Architekten gab (in Berlin allein ca. 500).

    So erschien in den 30er Jahren in Freiburg eine Postkarte, die zwei „Juden“ (gezeichnete Karikaturen in Stürmer-Manier) vor der späthistoristischen Fassade des Kaufhaus Knopf in der heutigen Kaiser-Joseph-Str. zeigte. Zweifelsohne wollte man hiermit nicht nur das - angebliche - Geschäftsgebaren von Juden diskreditieren, sondern auch eine bestimmte Art der Architektur.

    Diesen Umstand der antisemitisch beeinflußten Ablehnung des Historismus durch die Nazis las ich einst in einem Beitrag des oben bereits erwähnten vierteljährlich erscheinenden 'Nachrichtenblattes der Denkmalpflege in Baden-Württemberg', finde ihn aber auf die Schnelle nicht (ich habe alle Ausgaben seit 1974…).

    Die in den Folgebeiträgen von Pagentorn und Kaorou aufgeführten Beispiele von „Entschandelungen“ oder gar Abrissen derartiger Kaufhausbauten nach ihrer „Arisierung“ dürfte dies bestätigen.


    Zu der Ansicht von Pagentorn, daß „die Geringschätzung des Historismus (…) ein kontinental-europäisches Phänomen“ sei und „seiner angelsächsischen Spielart, dem Viktorianismus (…) nie dermaßen mit zerstörerischen Verachtung begegnet worden“ sei, möchte ich sagen, daß diese leider nicht dem Abgleich mit der Realität standhält. Man mag die Briten für konservativer als den Rest Westeuropas halten und mit einer positiveren Einstellung zu ihrem Kaiserreich, aber auch dort manifestierte sich mit Beginn des 20. Jh. die Kritik am Historismus und ähnlich wie bei uns begann in den 20er Jahren eine erste Abrisswelle, die dann in den 50er bis 70er Jahren ein durchaus vergleichbares Ausmaß wie bei uns annahm.

    Hierzu bieten die Bücher von Gavin Stamp „Lost Victorian Britain: How the Twentieth Century destroyed the Ninetienth Century’s Architectural Masterpieces“ und das - was den Ursprung der aufgeführten Bauten und Stadtbilder betrifft - zeitlich breitgefächertere “Britain’s Lost Cities: A Chronicle of Architectural Destruction” reichlich und sattsam erschreckendes Anschauungsmaterial.


    Fruchtbar machen für eine Revision dieser Ansicht kann man sich auch die Internetseite lostheritage, die – auf Schlösser und Landsitze beschränkt – zahlreiche Beispiele von in den 50er bis 70er Jahren abgerissenen Historismusbauten bringt, auch wenn insgesamt der erfaßte Zeitrahmen größer ist (von 1800 bis heute), der architektonische Rahmen nahezu alle Stile seit dem Mittelalter umfaßt und die Gründe für den Verlust vielschichtiger sind: also nicht nur stilistische Ablehnung, sondern auch Verlust etwa durch Brand, Beschädigungen durch Requirierung während des Krieges, und natürlich sozio-ökonomische (hohe Erbschaftssteuern und Wegbrechen des Dienstbotenberufs, der für den Unterhalt eines großen Hauses unumgänglich notwendig ist).

    http://www.lostheritage.org.uk/

    Einige - leider nicht sonderlich konkrete - Hinweise finden sich auf dieser Internetseite:

    http://www.hohenzollerngruft.de/licht-und-farbe/

    Zitat: "Wie die Beleuchtung entspricht auch die jetzige steril weiße Farbe nicht dem Originalzustand der Hohenzollerngruft von 1905. Geplant ist hier, den Urzustand wieder herzustellen. Damals setzten unterschiedliche Farbtöne die einzelnen Architekturelemente wie Wände, Fenster, Decken und Säulen gegeneinander ab und gliederten den Raum spannungsvoll."

    Viele der hier vorgestellten Häuser wirken erstaunlich „modern“, so als seien sie erst vor wenigen Jahren in einer Vorortsiedlung neu erbaut worden.

    Leider ist das eine eher traurige Erkenntnis, bedeutet dies doch, daß in den letzten 90 und mehr Jahren kaum Entwicklung in der Architektur war. (Dies ist natürlich eine sehr pointierte Aussage)

    Manch einer der Weißenhof-Bauten gilt gar als „Ikone der Moderne“.
    Eine in ihrem versteckten Bedeutungsinhalt so nicht intendierte, aber mehr als treffende Bezeichnung, gibt es doch kaum eine Kunstgattung, die so wenig Individualität zuläßt und so sehr auf der Wiederholung des Immer-gleichen beruht, wie die Ikonenkunst.

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    Auf der Internetpräsenz des Werkbundes gibt es einen Zeitzeugenbericht des Stuttgarter Architekten Bodo Rasch, der an der Weißenhofsiedlung mitarbeitete (Zimmereinrichtung im Haus Mies). Ich verlinke den Bericht und zitiere abschnittsweise daraus (Hervorhebungen und Kommentare jeweils von mir), weil ich die darin geschilderten Umstände bemerkenswert finde. Im Prinzip haben sie nämlich nie mehr an Aktualität eingebüßt.

    „Die Genehmigung zum Bau der Weißenhofsiedlung durch den Gemeinderat im Frühjahr 1926 war ziemlich aufregend. (…) Den Gemeinderat hatte man dann rumgekriegt. Da war ein Architekt Behr, Stadtbaurat und Fraktionsführer der SPD, ein ehrgeiziger Architekt. Er wollte groß bauen auf der Weißenhofsiedlung. Er hat es dann geschafft. Man hat ihm gesagt: "Bau Du Deinen Schönblick dahin, so groß und mächtig, wie Du willst" Durch diese Konzession an die Politik war die Zustimmung der SPD-Fraktion gesichert.

    Bei den Deutsch-Nationalen war H. Fink Fraktionsführer, der in seiner Buchdruckerei dann die drei Weißenhofbücher druckte. Dessen Fraktion stimmte auch zu.

    Filz und die Berücksichtigung privater (wirtschaftlicher) Interessen befördern also politische Entscheidungen.

    In einem nächsten Schritt hat man dann die eher konservativen Architekten der ‚Stuttgarter Schule‘, wie etwa Paul Schmitthenner, ausgebootet. Dann erfolgte die Auswahl derer, die teilnehmen durften:

    Mies ging bei der Auswahl der Teilnehmer sehr sorgfältig vor. In erster Linie wurden Architekten aus dem 'Ring' beteiligt.

    Kontakte bestanden zu gleichgesinnten Architekten im Ausland, die sich auch an der Zeitschrift 'G' beteiligt hatten, von der Mies nur 3 Nummern herausbringen konnte.“

    Tja, so laufen doch auch heute noch Jury-Entscheidungen in Sachen Architekturwettbewerbe und Städtebau ab. Die Gremien sind homogen besetzt und man schanzt sich gegenseitig die Aufträge zu.

    „Die Ausstellung beschränkte sich nicht auf die Bauten, sie hieß "Die Wohnung". Die Inneneinrichtungen aus einfachen, vom "Gschnas", wie Josef Frank es nannte, befreiten Möbeln sollten der Bevölkerung zeigen, wie der moderne Mensch lebt.

    (…)

    Wir sahen unsere Aufgabe darin, durch solide gefertigte, den neuen Fabrikationsmethoden angepaßte Möbel auch dem einfachen Arbeiter ein Gebrauchsgerät zu schaffen, das allen Ansprüchen genügt - ihn von dem Ballast zu befreien, mit dem er sich durch das Schielen auf großbürgerliche Prestigeeinrichtungen immer wieder umgab.

    Diese Anregungen zur Einrichtung wurden von der Intellektuellen-Schicht aufgegriffen. Doch diejenigen, denen wir helfen wollten, blieben beim bekannten Alten, zu sehr eingebunden in die hergebrachten Verhaltensmuster.“

    Warum meinen manche Menschen, andere immer retten zu müssen (und sei es vor ästhetischen Mißgriffen), und das ganz ohne die Betroffenen zu fragen, ob sie überhaupt gerettet werden wollen?

    „Ähnliches zeigte sich beim Bezug der Wohnungen nach der Ausstellung. (Die Baukosten der Experimentalbauten und die daraus errechneten Mieten lagen etwa 30% über dem ortsüblichen ohnehin recht hohen Niveau). Eine fast homogene Gruppe geistig sehr aufgeschlossener Bürger zog in die Siedlung (…).“

    So viel zum Thema „günstigen, aber lebenswerten Wohnraum mit Luft und Sonne zu schaffen“, wie Booni im ersten Beitrag schreibt.

    Daß die Bauten auf dem Weißenhof gar nicht unbedingt für Arbeiter gedacht waren (obwohl das gerne so propagiert wurde und wird), verrät sich auch dadurch, daß die meisten Häuser und Wohnungen über ein Dienstmädchenzimmer verfügten, und dies selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich auch viele Vertreter der unteren Mittelschicht in der Zwischenkriegszeit wenigstens eine Zugehfrau leisten konnten.

    Natürlich kann man an dem einen oder anderen Bau Gefallen finden und die reformerischen Ansätze für lobenswert erachten.

    Was mich jedoch an den ganzen sog. Reformbewegungen der Moderne, die alle in der Zeit um 1900 wurzeln, erheblich stört, ist die Ideologie dahinter, nämlich der überall zu Tage tretende Wunsch, einen „neuen Menschen“ zu kreieren. Ich empfinde dies als einen totalitären Ansatz, und es fällt mir schwer, ihn bei Betrachten der Bauten einfach zu ignorieren.

    https://www.museumderdinge.de/institution/hi…edlung-entstand

    Unten der Link auf eine interessante Internetseite über Paladios Villa Forni Cerato. Die Villa gehört zum Frühwerk Palladios und zählt seit 1996 mit zum Unesco-Welterbe. Sie befindet sich bei Montecchio Precalcino, einem Örtchen in der Provinz Vicenza. Mehr als 20 Jahre war sie Vernachlässigung, Verfall und Vandalismus preisgegeben, was vor allem den undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen geschuldet war (letzter Besitzer war seit 1996 eine Holding-Gesellschaft mit Sitz in Dublin und Verbindungen nach Panama). Der Fall erinnert stark an den von Schloß Reinhardsbrunn in Thüringen. Seit wenigen Monaten hat die Villa einen neuen Besitzer, einen Geschäftsmann aus Vicenza, und nach den Aktivitäten zu urteilen, die man auf der Internetseite präsentiert bekommt, scheint dieser wirklich gewillt, die Villa und ihre Nebengebäude zu retten.

    http://www.villafornicerato.it/en/homepage-3/

    Hier noch ein - leider winziges - Foto, das zeigt, wie zugewachsen sich die Villa jahrelang präsentierte:

    http://kunstdirekt.net/FachgruppeKuns…mages/forni.jpg


    (Anmerkung der Moderation: Zu diesem Thema wurde ein neuer Strang eröffnet)

    Es soll ein "Festsaal mit Stuckmarmorwänden und dem Deckengemälde 'Herakles am Scheideweg' von Carlo Carlone" (Quelle) erhalten sein, aber ich habe ihn nicht gesehen und merkwürdigerweise finde ich auch keine Bilder im Internet.

    Hier zumindest ein kleiner Einblick:

    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.heimshe…dc8a2d3792.html

    und vergrößert:

    https://cdn1.stuttgarter-zeitung.de/media.media.52…riginal1024.jpg

    Nun, Machintosh gilt nicht nur als einer der international wichtigsten Vertreter des Jugendstils, sondern geradezu als einer seiner Väter.

    Die Glasgow School of Art wurde zwischen 1896 und 1909 errichtet, Baubeginn war also gut 30 Jahre vor jener Pariser Ausstellung ("Exposition internationale des Arts dékoratifs"), die dem Art-Deco-Stil zum Namen und Durchbruch verhalf.

    Zudem hat Mackintosh nach Ausbruch des 1. Weltkrieges bis an sein Lebensende kein einziges Bauwerk mehr realisieren können, war also zur Zeit des Art Deco überhaupt nicht mehr als Architekt aktiv.

    Viele denken bei Jugendstil vornehmlich an die 'florale' Variante, die uns die romanischen Länder beschert haben (Seerosen, Schwäne, Frauenköpfe mit wallendem Haar, die Peitschenhieb-Ornamentik etc.), nicht unbedingt aber an die 'geometrische' Variante, die gerade in Schottland, Deutschland und Österreich zu finden ist. Interessanterweise hatte Mackintosh einen nicht unbedeutenden Einfluß auf den deutschsprachigen Raum. Er war 1900 zur Wiener Secession eingeladen und inspirierte dort etwa Josef Maria Olbrich (Darmstadt Mathildenhöhe) oder Josef Hoffmann und die später gegründete Wiener Werkstätte. Z.B. finden sich bei Mackintosh an Stuhlehnen oder auch bei den Fenstereinteilungen kleine Quadrate, die als Module im vitruvschen / palladianischen Sinne die Gesamtmaße bestimmen, und diese Quadrate gibt es dann auch bei den Möbelentwürfen von Josef Hoffmann oder etwa den bekannten Metallkörben und –vasen der Wiener Werkstätte, die ab 1903 produzierte. Ebenso finden sich die stilisierten Rosen Mackintoshs (die eigentlich auf Entwürfen seiner Frau Margaret MacDonald beruhen) später wieder in ähnlichen Rosenornamenten von Koloman Moser, der gleichfalls für die Wiener Werkstätte entwarf.

    Daß viele der Erzeugnisse der Innendekoration des deutschsprachigen oder auch des schottischen Jugendstils an Art Deco erinnern (man muß sich nur mal ein paar Ausgaben der von Alexander Koch in Darmstadt herausgegebenen Zeitschrift für Innendekration zwischen 1900 und 1910 ansehen, wo etwa viele der vorgestellten Möbel geradezu 'Art Deco' rufen), hat letztlich damit zu tun, daß im Art Deco stilistische Tendenzen genau dieser – im Vergleich zum floralen Jugendstil – 'moderneren' Möbel und Dekorationsstücke wieder aufgegriffen wurden.Wären deutsche Aussteller zur Pariser Ausstellung von 1925 zugelassen gewesen, wären ihnen sicher viele der dort gezeigten Stücke wie ein alter Hut vorgekommen, den man schon 1908 abgelegt hat. Von daher muß einen auch nicht verwundern, daß bereits 1919 das Bauhaus gegründet wurde. Man war im deutschsprachigen Raum stilistisch einfach längst weiter, weil man die Art-Deco-Phase in gewisser Weise künstlerisch schon um 1905 durchlebt hatte.


    Kleines Update zum Brand der Glasgow School of Art: auch wenn sich schon am Tag nach dem Brand, als die Trümmer noch vor sich hinschwelten, vereinzelte warnende Stimmen erhoben (Tenor: „Wieviel Mackintosh steckt noch in einem dann weitgehend rekonstruierten Gebäude?“), scheint der Wille zum Wiederaufbau doch zu überwiegen. Das mag nicht nur daran liegen, daß das Gebäude für die „Glaswegians“ wie für Schottland insgesamt ein Identifikationsobjekt ist, sondern weil es 'Ikonen der Moderne' allemal leichter haben, rekonstruiert zu werden.

    Noch konnte das ausgebrannte Gebäude nicht von innen inspiziert werden, ein Giebel scheint sich zudem wohl zu neigen und müßte Stein für Stein abgetragen werden, aber überwiegend ist in den Presseberichten davon zu lesen, daß das Gebäude wieder aufgebaut werden soll.

    Möge es so kommen.

    https://www.theguardian.com/uk-news/2018/j…from-demolition