Das Argument der Wohnungsnot verklärt in der Tat den "Wiederaufbau". Wenn es den Planern um die Wohnungsnot gegangen wäre, dann hätten diese die Innenstädte verdichtet aufgebaut und hätten keine erhaltens- und bewohnbaren Häuser mit abgeräumt. Stattdessen finden wir aufgelockerte Siedlungen mit großen Leerräumen, Grünflächen und Autoschneisen. Diese Pläne lagen schon vor Kriegsbeginn in den Schubladen der Stadtplaner, wären aber natürlich nie so radikal umgesetzt geworden, wenn nicht die Städte in Trümmern gelegen hätten.
Im Zuge dieser ausgelebten Selbstverwirklichungs-Utopien der Stadtplaner wurden auf massive Art und Weise auch die Bedürfnisse und Initiativen vieler Bürger der zerstörten Städte übergangen. Ein Beispiel ist Ulm: Dort wurde es vielen Hausbesitzern untersagt, ihre identitätstiftenden, hochgiebeligen Gebäude in historischer Form wieder aufzubauen und dass obwohl der geschaffene Wohnraum nicht geringer gewesen wäre als bei den austauschbaren modernen Bauten, die die Planer ohne Rücksicht durchsetzen. Wer diese Nachkriegs-Bauten sieht, der weiß nicht ob er sich gerade in der Ulmer, Bochumer oder Bielefelder Innenstadt befindet. Statt wie eigentlich von den Planern gewünscht, die zurückliegende "Gleichschaltung" des Nationalismus mit Modernität aufzubrechen wurde so faktisch eine gleichförmige, den Menschen unmaßstäbliche Architektursprache aufgezwungen.