Posts by Roverandom

    Quote from "ursus carpaticus"

    Jede Stadt spiegelt die Präferenzen ihrer Bewohner wi(e)der.
    Wien hat sich einen Dreck um seine Bahnhöfe gekümmert. Dafür hat es die allerschönsten Friedhöfe.


    Da ist (leider) was dran!


    Die alten Bahnhöfe waren allesamt Prachtstücke, aber den Höhepunkt stellt mMn der "verspielte" Nordbahnhof dar. Umso erschreckender, wenn man weiß, was heute dort steht - primitivste Wohn-Schuhschachteln aus den 60ern (hab jetzt leider kein Bild zur Hand). Aber wer weiß, die schauen so aus, als ob sie bald Sanierungsfälle würden - vielleicht ist dann auch in Wien die Zeit reif, eine Rekonstruktion ins Spiel zu bringen...

    Zuerst mal hallo nach längerer Abwesenheit... finde es schön, daß es mal wieder ein Wiener Thema ins Aph-Forum geschafft hat. Und die Bahnhofsprojekte (West- und Südbahnhof, aber auch Meidling und Praterstern) sind wohl das aktuellste und prägendste Stadtentwicklungsthema derzeit in Wien.
    Rekos oder auch nur Bauen in historisierenden Formen sind in Wien leider Tabu und nicht vorhanden. Die ÖBB haben damit schon gar nichts am Hut, im Gegenteil, die fahren eine knallharte Modernisierungspolitik: In Meidling wurde ein Bahnhof, der im Kern noch aus der ersten Bauphase der Südbahn stammt (um 1860) abgerissen, genauso dessen alte gußeiserne Bahnsteigdächer. Am Westbahnhof bleibt die wirklich schöne großzügige Halle aus den 50er Jahren, die unter DEnkmalschutz steht, zwar erhalten, wird aber zur Einkaufsmeile umgebaut, der ich sehr skeptisch gegenüberstehe. Ähnlich beim neuen Zentralbahnhof. Kritiker sprechen vom "Einkaufszentrum mit Gleisanschluss", weil möglichst viel Fläche gewinnbringend vermietet werden soll. Für großzügige Raumkonzepte, wie wir sie von den alten Gründerzeitbahnhöfen kennen, bleibt da nichts übrig. Trotzdem trauer ich dem 60er Jahre Südbahnhof nicht nach, der nichts von der Eleganz des Westbahnhofs hat und schon die längste Zeit düster und versandelt ist. Nur um den schönen Terazzo-Boden ists schade :)

    RMA Stimmt schon, Rekonstruktionen sind keine vordingliche Notwendigkeit in Wien - viel wichtiger ist es, bestehende historische Gebäude vor Umbauten und Veränderungen zu schützen, denn diese erfolgen zur Zeit fast ausschließlich in absichtsvollem modernen Kontrast - mit z.T. verheerenden Folgen - siehe Albertina. Wien war glücklicherweise vom Bombenkrieg weniger betroffen, und der Wiederaufbau erfolgte in schlichten, angepassten Formen, aber einige Sünden wurden sehr wohl begangen. Nicht wenige Gebäude wurden - obwohl nur wenig beschädigt - abgerissen, darunter einige wirklich wertvolle: der Heinrichshof, der Nordbahnhof, das Palais Rothschild. Und die wünsch ich mir halt manchmal wieder - träumen darf man ja noch...

    In Wien steht ein solcher Wehrmann aus Eisen - im öffentlichen Freiraum. Zwar nicht an besonders prominenter Stelle, aber immerhin am Nachbarhaus des Rathauses in der Nähe der Ringstraße.


    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/b/b7/GuentherZ_2005-08-20_2272_Wien_Wehrmann.jpg\r
    upload.wikimedia.org/wikipedia/d ... hrmann.jpg


    Die "vernagelte" Statue eines Ritters wird aber wenig wahrgenommen; Sinn und Zweck des Wehrmannes sind den meisten Zeitgenossen fremd.

    Ein bissl verspätet möcht ich mich auch einreihen in den Reigen jener, die sich über die Entwicklung in Potsdam freuen. Hab mich jetzt erst richtig in das Thema eingelesen und freu mich vor allem für die Potsdamer, die ihr Stadtzentrum wiederbekommen und alle Welt, für die bald wieder ein barockes Meisterwerk erlebbar wird! Klar gehen die Debatten weiter, offenbar wird die Nutzungsfrage jetzt neu gestellt, aber der gerade erlebte Durchbruch ist phänomenal! Und das sag ich, der ich in einer reko-freien Zone (Wien) lebe :(:(

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    Es wäre übrigens wirklich einmal interessant herauszuarbeiten, wann und vor allem warum die Trennung zwischen der offiziell anerkannten und in Fachkreisen gerühmten Kunst (und Architektur) und dem ästhetischen Empfinden der allermeisten Menschen stattgefunden hat.


    Sehr berechtigte Frage! MMn hängt das mit der "Deutungshoheit" zusammen, die die Moderne spätestens nach 1945 erlangt hat, zusammen (siehe den verlinkten Artikel "Zweifel an der Moderne" aus der Welt in dem Thread zur Moderne). Die Abkehr vom Ornament, das rein rationale Bauen hat sich auch deshalb durchgesetzt, weil es massenhaftes Bauen (Siedlungsbau) erschwinglich machte. Ökonomische Gründe sind immer zwingender als ästhetische. Dem beugte sich die Mehrheit, wenn auch tw. mit Unbehagen. Die Moderne ist Ausdruck einer prosaischen Massengesellschaft, aber wie ich hoffe, nicht ihr zwingender Ausdruck!

    Von auswärts betrachtet kann ich solche Initiativen nur bewundern und viel Glück wünschen!


    Bei der Gelegenheit würde mich interessieren, wie eigentlich die "Grüne Zitadelle" von Hundertwasser in Magdeburg ankommt. (Nicht nur, aber auch) deretwegen würde ich die Stadt schon gerne mal besuchen...

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    Graf Dracula ist dort geboren ? Hast Du auch Bilder von der Burg, wo der Graf residierte ?


    Ja, Vlad Tepes, das historische Vorbild für Dracula, ist dort geboren. Die Burg, die du meinst, ist Schloß Bran bzw. Törzburg und liegt weiter weg in der Nähe von Kronstadt. Da war ich leider nicht :( Die Burg hat aber mit Dracula wenig zu tun (er hat dort sv. ich weiß nur ein paar Mal übernachtet), und wird nur wegen ihres malerischen Aussehens als Draculaschloß vermarktet...


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    Wahrscheinlich steht dem ländlichen Rumänien in den nächsten Jahrzehnten eine sehr große Abrisswelle bevor, die das Wirtschaftswachstum nach sich ziehen wird.


    Ja, das ist wohl leider unvermeidlich. Man würde sich wünschen, daß man behutsam vorgeht und einige Fehler vermeidet, die im Westen passiert sind. Eine Organisation, die sich dafür einsetzt und ziemlich sympathisch wirkt, ist der Mihai Eminescu Trust - benannt nach dem rumänischen Nationaldichter (http://www.mihaieminescutrust.org)





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    Der Baubestand legt nahe, dass Schäßburg im späten 18. Jahrhundert einen Aufschwung genommen hat. Die barocken Häuser ähneln häufig vergleichbaren Bauten aus dem östlichen Österreich.


    Wann hat die Stadt ihre deutsche Mehrheit verloren?


    Hab da leider keine Zahlen, aber ich schätze erst im 20. Jh. Da vollzog sich die Auflösung der deutschen Gemeinde schubweise (nach 1918 Romanisierungspolitik; nach 1945 sowjetische Verschleppungen; nach 1989 massive Auswanderungswelle)


    Die Häuser in der Burgstadt sind im Kern alle älter als 18. Jh; aber dann waren auch österr. Architekten in Schässburg tätig (die Zwiebelhelme des Stundturmes!)

    Danke für die Adresse; dann werd ich mir das Schuckstück bei Gelegenheit mal anschauen - auch wenn die Bestuckung natürlich nicht exakt dem historischen Vorbild folgt, begrüßenswert und förderungswürdig... aber ich schätze, daß so etwas heute nur mehr als Privatinitiative möglich ist...

    @ Brandmauer


    Interessant, daß du den böhmischen Einfluss erwähnst - das empfand ich nämlich auch so. Mir ist Schässburg manchmal wie ein Prag im Kleinformat erschienen, auch durch die mit Hradschin und Kleinseite vergleichbare Lage von Bergstadt und unterer Stadt. Typisch rumänische Viertel findet man eher an den Ausfallstraßen - in der Bergstadt selbst durften ja bis ins 19. Jh. nur Deutsche siedeln.


    Neben den Städten fand ich die Dörfer genauso sehenswert, und zwar wegen der erhaltenen Dorfstrukturen - man muß sich vorstellen: in Österreich/Deutschland würde man solche Straßenzüge als Museumsdörfer ansehen. Wenn man durch die Gegend wandert, ist man hin- und hergerissen zwischen Empfindungen von "Rückständigkeit" und "Idylle" - sehr ambivalent also!! Bilder folgen!


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    BTW: ich habe mir vorgenommen dorthin mal eine Riese zu machen. Wie war es denn so in Sachen Infrastruktur, Übernachtung und Verständigung?


    Also, wenn man keine überhöhten Ansprüche an Komfort stellt, ist es in den größeren Städten kein Problem, ein Hotel zu finden. Gerade in Schässburg ist der Tourismus im Kommen. Sogar Mitte Oktober waren keine Ströme aber Grüppchen in der Altstadt unterwegs. Das zeigt sich auch an den Souvenirstandln, die sich im Zentrum breit machen - und an diesem Herrn:



    Der ist nämlich (angeblich) hier geboren...


    Am Land gibts einfache Pensionen oder die evangelischen Gästehäuser. Infos dazu und auch enerell über das deutsche Kulturerbe in Siebenbürgen auf der Seite der Siebenbürger Landmannschaft (http://www.siebenbuerger.de">http://www.siebenbuerger.de)


    Verständigung ist nicht immer einfach, die Fremdsprachenkenntnisse der Rumänen sind begrenzt; aber mit einer Mischung aus Deutsch, Englisch und ein paar angelernten Brocken Rumänisch bin ich ganz gut durchgekommen. Und natürlich trifft man früher oder später auf den einen oder anderen Deutschen (Sachsen) - nicht nur vor den Kirchen und Pfarrhäusern (Von dort gehen die Initiativen zum Kulturerhalt und Kulturdialog aus) Und die Angesprochenen sind dann meistens wirklich erfreut und erzählen stolz, daß ihre Mutter eine Sächsin war usw.


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    Dorthin wollte ich immer schon! Toll, dass Du es gewagt(?) hast! Kann man auch mit dem eigenen Auto nach Siebenbürgen fahren ?(Oh, Gott ich komme mir gerade vor wie ein Ami, der mich fragt, ob es in Österreich auch Autos gibt?! gruenes Grinsen )


    Warst Du auch in Hermannstadt und Kronstadt? Gibt es eigentlich noch hauptsächlich deutsch bewohnte Ortschaften dort?


    Letzte Frage zuerst: Nein, meines Wissens nicht - ich war in Birthälm/Biertan (auch wegen der dortigen mächtigen Kirchenburg), der Ort hat ca. 1500 Einwohner, davon 80 Sachsen - hat man mir am Dorfplatz erzählt. Dieser Prozentsatz ist denk ich repräsentativ - und abei liegt Biertan im sächsischen "Stammgebiet" sozusagen.


    In Hermannstadt war ich, in Kronstadt leider nicht. War ohne Auto unterwegs, das man aber für Fahrten ins Land (z.B. zu den über 200 Kirchenburgen!) brauchen würde... Wie risikoreich es mit dem eigenen Auto ist, kann ich nicht genau sagen; die Überlandstraßen, die ich kennengelernt hab, waren alle in Ordnung, Nebenstraßen sind mitunter schon schlaglochübersät - und natürlich sind (noch) zahlreiche Pferdefuhrwerke unterwegs und ein paar Kühe oder eine Schafherde kreuzen ab und zu den Weg!


    Ja, habs gewagt und nicht bereut :) War echt spannend; gerade weil nicht so 100% erschlossen wie er Westen.

    Habe vor zwei Wochen ein lange gehegtes Vorhaben in die Tat umgesetzt und Siebenbürgen besucht. Davon präsentiere ich euch nun ein paar Ansichten von Schässburg (Sighisoara), eine der alten sächsischen Städte, die in ihrem Zentrum natürlich völlig deutsch geprägt ist. Das besondere an Schässburg ist seine Lage als Burgstadt auf einem langgestreckten Hügel mit vollständig erhaltener Stadtmauer und Bebauung (in der Hauptsache 14.-16. Jh.; Fassaden z,T. in schlichtem Barock, dazu singulär Gründerzeit). Schässburg gehört zum UNESCO Weltkulturerbe.


    Zur Zeit sind groß angelegte Sanierungsarbeiten in der Stadt im Gange, die noch holprigen Straßen werden vermutlich alle neu gepflastert.



    Panorama der Stadt mit Bergkirche, Stundtturm und dem auffälligen Rathaus im Neorenaissancestil:





    Ohne Kommentar:





    Blick zum Stundturm, dem Wahrzeichen der Stadt mit seinem wunderschönen filigranen Dach:




    Der Ausblick von oben:





    In der Burgstadt, links das Haus zum Hirschen:




    Das zum Teil sehr schadhafte Mauerwerk (rechts):




    Erklärung im Bild:




    Der Schneiderturm, eines der Stadttore:




    Blick zum Stundtturm:




    Der Eingang zur hölzernen Schülertreppe, die zu Bergkirche und Bergschule führt:




    Die spätgotische Bergkirche, wie alle siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen wuchtig und schwer:




    Bergkirche und -schule aus der Ferne:


    So etwasl nenne ich Barbarei; und das hätte ich eigentlich nur in diktatorischen Systemen für möglich gehalten (vgl. den Fall der Stadt Brüx in Tschechien oder - im gigantischen Maßstab - den Dreischluchtendamm in China). Die Energie-Lobby scheint wirklich mächtig zu sein!

    Philon; baukunst nbg


    Vielen Dank für Eure Stellungnahmen zu dem Beitrag von Juan Martillo. Vieles davon sehe ich genauso.


    Besonders der Passus "Entscheidungen (...) dürfen niemals dem Bürger überlassen werden" stieß mir auf! Im Gegensatz zu den zweckfreien Künsten ist zumindest Mitsprache in architektonischen und städtebaulichen Fragen geradezu ein Grundrecht!


    Außerdem kann man den "Rekonstruktionstrend" wohl kaum mit der Entwicklung von Stilen vergleichen. Das sind zwei Paar Schuhe, und ich denke, Original-Rekonstruktionen hat es auch schon immer gegeben. Mir fällt als Beispiel jetzt nur der Glockenturm von St. Markus in Venedig ein. Ein "Retrostil", der sich in die Linie Renaissance - Historismus einfügen ließe war die vielgeschmähte Postmoderne, die mMn vielerorts zu überzeugenden Lösungen geführt hat... leider wurde sie viel zu schnell vom Dekonstruktivismus abgelöst...

    Ich war noch nie im Wuppertal; aber was ich mit dem Ort verbinde sind Friedrich Engels und die Schwebebahn! Wenn ich jetzt lese, daß die Stationen abrißgefährdet sind, wird auch mir übel!


    In Wien waren in den 60er- und 70er Jahren die meisten Stadtbahnstationen von Otto Wagner abrißgefährdet. Zum Glück fand sich genügend Engagement, um die meisten von ihnen zu retten. Würd ich mir für Wuppertal auch wünschen!

    Die beiden Türme werden die mißglückte Planung der "Donau-City" auf der Platte auch nicht mehr retten können: Die Idee mit den korrespondierenden Fassaden ist ja ganz nett; allein die schiere Höhe ist ein Unding und in Form und Material setzen sie den abweisenden Charakter dieses neuen Stadtviertels fort: glatt, kalt, klotzig. In der Visualisierung stehen die Türme so schön in der Sonne und werfen so beeindruckende Schatten: Wie diese "Plaza" bei bewölktem Wetter und bei den an der Donau herrschenden Windböen ausschaut, ist eine andere Sache...


    Zur Info vgl.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Donaucity\r
    de.wikipedia.org/wiki/Donaucity

    Das Projekt wirkt gut auf den ersten Blick. Zur Situation in Karlsruhe muß man aber sagen, daß das gegenüberliegende Gebäude miteinbezogen werden müßte. An dieser Stelle der Karlsruher "Via triumphalis" ist ja Symmetrie entscheidend. Der Abschnitt zwischen Marktplatz und Schloss ist auf alle Fälle verbesserungswürdig, er gehört verbreitert und idealerweise müßten die Gebäude hier spiegelbildlich gleich aussehen!


    In Ermangelung eines besseren Fotos hier ein Blick vom Schloßturm auf die zentrale Achse: