Beiträge von Oberbaumbrücke

    Danke @ Spreetunnel für die Ergänzung...
    So, wie es noch 1992 am Hackeschen Markt aussah, habe ich immer erleben müssen, wenn ich über den Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße kam, um dann mit der S-Bahn zum Ostbahnhof zu fahren, wenn ich Oma und Opa in der Andreasstraße besuchte. Damals kannte ich zum Glück noch nicht die Bilder aus der Zeit vor dem Krieg. Aber da ich mir vorstellen konnte, was für ein lebendiger Ort das mal gewesen war, hätte ich jedes Mal trotzdem beinahe losgeheult angesichts der Tristesse.

    Hier noch ein bisher nicht gezeigtes Bild von einem der Einkaufstempel: Wertheim in der Königsstraße /Ecke Neue Friedrichstraße:

    http://ts2.mm.bing.net/th?id=HN.608040156729378358&pid=1.7

    Das Bild ließ sich leider nicht direkt einbinden...

    @ Spreetunnel.... ein kleiner Hinweis zum 2. Bild in Deiner wundervollen Reihe... das kann nicht von 1900 sein, da in Berlin die ersten Automobilomnibusse erst 1905 auf die Straßen kamen. Die Busse, die darauf zu sehen sein, sind auch bestimmt nicht aus den Anfangsjahren, sondern erst später gebaut worden, das sieht man an der "Schnauze", auf jeden Fall der Bus links neben der Straßenbahn mit der "Creme Mouson"-Werbung an der Frontseite. Der Bus, der die Leipziger nach links quert, ist da schon eher einer, der zu den ersten Motorfahrzeugen, er hat ein offenes Oberdeck.

    Mir war vor ein paar Tagen schon einmal ein Foto aufgefallen, auf denen das genannte Datum aus technischen Gründen nicht zum Foto passen konnte, hatte aber nicht gesagt. Jetzt wollte ich aber mal diesen kleinen Hinweis loswerden, bzw. noch einmal daran erinnern.
    Fotos mit elektrischen Straßenbahnen müssen nach 1895, Fotos mit motorisierten Autobussen nach 1905 entstanden sein... :wink:

    ich möchte das Thema jetzt nicht weiter vertiefen, es paßt nicht hier in dieses Forum. Im Grundsatz sind wir uns ja einig, daß niemand von uns in solchen (un-)sozialen Verhältnissen leben möchte. Ich wollte ja auch nur zum Ausdruck bringen, daß die "Kulissen" von damals eben mehr meinen Geschmack treffen als das, was heutzutage an Architektur und Stadtbild geboten wird.
    Und das bringt mich einfach auf die Frage, warum in unserer "demokratischen" Gesellschaft den Menschen zum Teil eine wirklich grauenhafte, menschenverachtende Architektur aus dem Bauklötzchenvorrat eines Dreijährigen aufgedrückt wird. Beispiele dafür werden ja hier immer wieder präsentiert. Und das, was angenehm fürs Auge ist und als die neue Berliner Architektur gefeiert wird, ist nicht gerade sozialer Wohnungsbau sondern auch wieder eher etwas für die Leute mit sehr gutem bis überdurchschnittlichem Einkommen, wobei wir wieder bei den "privilegierten Klassen" wären.... :wink:

    Du hast da eine sehr romantische Vorstellung von "der Guten Alten Zeit". Die wenigsten konnten sich das Einkaufserlebnis damals gönnen und es wurde aus reiner Not für den langen Gebrauch gekauft. Man hatte in der Regel ein paar Schuhe für sonntags und für werktags. Ein Großteil der Bevölkerung war bettelarm. Die Klamotten wurden über Kindergenerationen vererbt, ob sie passten oder nicht. Berlin war auch in den 20ern und 30ern keine Traumstadt, wie sonst auch keine deutsche Großstadt, sondern ein Moloch mit einer Riesen-Kluft zwischen arm und reich, wie wir es uns heute garnicht oder noch nicht mal vorstellen können. Auch waren die hier immer wieder so hochgelobten properen Grünanlagen und der verfeinertste Lebensstil der "Herrschaften" nur auf dem Rücken eines Heeres billiger Arbeitssklaven zu erhalten. Man kann der alten Schönheit der Städte nachtrauern aber bitte nicht die "alten Zeiten" immer verklären. Ich lebe dann doch lieber in der "hässlichen" Heute-Welt.

    Als jemand, der (auch) die Geschichte Berlins und nicht nur hinsichtlich der Gebäude, sondern auch in Bezug auf die sozialen Umstände beruflich vermittelt, muß man mir das nicht erklären, daß (und so habe ich es ja auch geschrieben) nur die besser gestellten Berliner es sich leisten konnten, die damaligen Einkaufspaläste aufzusuchen. Wie groß der Anteil der wirklich "bettelarmen" Bevölkerung sei in dem Zusammenhang mal außen vor.
    Aber wie groß ist denn der Unterschied zu heute wirklich, wo die "armen" Berliner bei KiK, Primark, Woolworth und anderen Billigketten die Kleidung kaufen und nicht in den Edelboutiquen rund um Ku'damm und Friedrichstraße.
    Der Lebensstandard der breiten Massen ist selbstverständlich viel besser als vor 100 Jahren und noch vor 60 Jahren... und ich glaube kaum, daß jemand von denen, die sich über die Kaufhausarchitektur von damals begeistern, wirklich in allen Konsequenzen die "guten alten Zeiten" wiederhaben wollen. Beileibe nicht!!!
    Aber es wird doch wohl gestattet sein, den heutigen Lebensstil zu kritisieren, der gerade im Konsumbereich in dem Kampf um Kunden aufdringlich und niveaulos daherkommt, aber das ist natürlich Geschmackssache.
    Um wieviel schöner, vor allem gepflegter unsere Grünanlagen (die du mit ins Spiel gebracht hast) und nicht nur die, sondern das gesamte öffentlich Stadtbild (Wände, Bahnhhöfe, Haltestellen usw.) aussehen könnten, wenn die heutige Respektlosigkeit gegenüber fremden Eigentums nicht so selbstverständlich hingenommen würde, ist wohl keine Frage des guten Geschmacks, sondern guter Erziehung.
    Und wie sieht es heute aus mit dem Heer "billiger Arbeitssklaven", die du so klassenkämpferisch ins Spiel gebracht hast? Darüber sollten wir doch wohl im Zeitalter der von Kanzler Schröder (SPD!!!!) eingeführten Minijobs, 1-Euro-Jobs, 400-Euro-Stellen u.ä, lieber den Mantel des Schweigens legen.
    Ich lebe gern heute, negiere aber nicht rundweg die positiven Seiten alter Zeiten. Als jemand der auf die 60 zugeht und damit noch ein kleines Stück der Nachkriegszeit in (West)Berlin im damaligen Bezirk der kleinen Leute Kreuzberg miterlebt hat, kann ich guten Gewissens bescheinigen, daß ich bescheidene Lebensverhältnisse mit viel Sparen kenne, die kein Leben im Luxus, aber in einer Gesellschaft, die kein ständiges "Geiz ist geil" und "ich muß unbedingt alles haben und deswegen kaufe ich billigen Mist" propagierte...
    Wie vor 100 Jahren sollten die Menschen vielleicht eher daran denken, daß wer billig kauft, doppelt und dreifach kauft... Aber in einer Welt, in der die Reparatur einer Ware teurer ist als ein Neukauf, dann stimmt sowieso etwas nicht....
    Aber das ist nur meine völlig private Meinung, die niemand zu teilen braucht. Genauso wenig erwarte ich, daß jeder andere die alten Einkaufsstätten, die Eleganz und Gediegenheit ausstrahlten besser findet als die heutigen Shopping Center mit den ewig gleichen Handelsketten, die übrigens nur so billig sein können, weil sie auf ein Heer billiger Arbeitssklaven zurückgreifen können.....

    Mir gefällt's auch... überhaupt muß ich beim Betrachten der Bilder feststellen, daß das eine ganz andere Einkaufsatmosphäre gewesen sein muß als heute. Natürlich bin ich mir bewußt, daß damals in den Einkaufspalästen viele Leute nicht einkaufen konnten. Aber auch für diese Menschen gab es Möglichkeiten, die weit über dem stehen, was der Einheitsbrei aus den ewig gleichen Ladenketten in den ewig gleichen Einkaufscentren heutzutage bieten.
    Damals kaufte man für langen Gebrauch und Nutzen, heutzutage ist die Billigware oft Einwegware...
    Damals wurden die Waren auch ansprechend präsentiert. Heutzutage regieren die Plakate mit SALE, FINAL SALE, SUPER SALE und WOW SALE und % % %.
    Da fühle ich mich als Kunde nicht umworben sondern bedrängt und genötigt.

    Leider hat es gerade auch durch die großen Bausünden, die bis heute immer wieder begangen werden, schon so viele Brüche gegeben, daß der Patient kaum je wieder richtig gehen wird. Wäre Berlin ein Pferd, hätte man ihm schon längst den Gnadenschuß gegeben. Aber so lange es immer wieder Leute gibt, die diese architektonischen Totalfehlgriffe tolerieren oder gar anerkennen, werden es die Lüschers dieser Welt leicht haben, eine behutsame Stadt(bild)reparatur unmöglich zu machen. :kopfwand:
    Über Geschmack kann man natürlich streiten oder auch nicht. Aber wenn unangepasste Architektur entsteht, die alte gewachsenene Strukturen ignoriert, und den Bürgern nach dem Motto "Freßt Scheiße, Millionen Fliegen können nicht irren!" schmackhaft gemacht werden soll, dann wird mir einfach nur schlecht. :kotz:

    Leider ist die Friedrichstraße in ihrem Kreuzberger Abschnitt ja alles andere als nobel. Da besteht für viele keine Notwendigkeit zu tiefgreifenden Maßnahmen zur Umgestaltung am Halleschen Tor, von einer Annährung an die historischen Dimensionen gar nicht zu reden. :augenrollen:

    Natürlich ist alles immer Geschmackssache, aber als besonders abschreckendes Beispiel zeitgenössischer Wohnhausarchitektur ist ja wohl dieser Neubau in der Manteuffelstraße Ecke Hindenburgdamm in Lichterfelde, vor allem für diejenigen, die auf das Haus schauen müssen. :kopfschuetteln: :kopfwand:

    Das muss ziemlich neu sein. Wirkt ziemlich überflüssig. Oder könnte der Betrachter vergessen, dass er sich gerade nicht in Berlin befindet?

    idea:)


    Also das ist doch jetzt nicht wirklich schlimm, oder? In Düsseldorf steht schließlich auch "Deutsche Oper am Rhein" an der Fassade, obwohl ziemlich klar sein dürfte, daß Düsseldorf am selbigen Fluß liegt.... und wenn am Reichstag steht "Dem deutschen Volke", ist es ja wohl auch ohne diese Widmung klar, daß es sich nicht um das englische oder französische Parlament handelt... Doch genug der Haarspaltereien! :wink:

    @ Spreetunnel....

    ich glaube eher, daß Volker ein kleines Wortspiel anbringen wollte, daß meines Wissens aus der direkten Nachkriegszeit stammt als Bezeichnung für ein Ruinengrundstück. "Da war ein Haus und da war ein Haus" oder uff jut berlinisch "Da war e(e)n Haus und da war e(e)n Haus ....."
    Aber ich kann mich natürlich auch irren :biggrin:

    Das ist natürlich richtig, noch geht es so gut wie gar nicht über ein drittes Stcokwerk drüber hinaus, aber trotz allem ist es schon die Grundlage für die hochherrschaftlichen Häuser der Kaiserzeit, zumal man davon ausgehen kann, daß ja nicht alle Häuser aus der Zeit vor 1871 abgerissen und durch Neubauten ersetzt wurden. Gerade das, was wir als verwinkelte Altstadt heutzutage vermissen müssen, blieb ja auch danach weit bis ins 20. Jahrhundert stehen.

    Allerdings, und darin herrscht ja hier im Forum ja auch Klarheit, daß Berlin sich auch ohne den 2. Weltkrieg und seine verheerenden Folgen gewandelt hätte. Nur wäre dies nicht durch so einen radikalen Bruch geschehen, sondern Stück für Stück. Dadurch wäre es für den Zeitgenossen nicht so augenfällig geworden.

    Ja, auf diesen alten Bildern sieht man wieder einmal ganz deutlich, wieviel Lebendigkeit, Abwechslung und Urbanität durch die ganz verschiedenen Dachformen und -höhen entsteht, die Verwinkelungen der Fassaden und auch der Straßenzüge.
    Das Auge kann sich gar nicht sattsehen und wie ich schon an anderer Stelle früher einmal schrieb, wirken selbst diese verblichenen Schwarz-Weiß-Fotos aus dem 19. Jahrhundert sehr farbig in dem Sinne, daß man erkennt, daß es eben keine triste Ansammlung von Bauklötzchen ist, sondern Architektur, die gewachsen ist, lebt und atmet.
    Wie langweilig wäre doch eine heutige Fotografie vom selben Standort aus! :kopfwand: