Posts by HelgeK

    Das ist auf jeden Fall anzuerkennen.


    Trotzdem eine Frage dazu: Könnte es vielleicht auch etwas mit der Gebäudeversicherung zu tun haben? Versicherungen zahlen nach Schäden Reparaturen ja nur, wenn der vorherige Zustand wiederhergestellt wird. Etwaige Veränderungen, Modernisierungen muss der Eigentümer selbst tragen. Hat das vielleicht hier auch eine Rolle gespielt?

    Nehmen Versicherungen auf die Gestaltung Einfluss?


    Der Punkt ist meines Wissens, dass der Schadensersatz nach dem Grundsatz kalkuliert wird, was es kosten würde, das Gebäude in gleicher Form wieder aufzubauen. Ob dies dann auch geschieht, oder ob gestalterisch etwas ganz anderes dabei herauskommt, ist der Versicherung egal.

    Alsooo ..


    Ehrlich gesagt finde ich, dass die Dämmung hier gar nicht das große Problem ist. Die weiße Putzfassade ist, bezogen auf dieses spezielle 20er Jahre-Haus zwar ahistorisch, für Travemünde IMHO aber nicht unpassend. Bis zum ersten Weltkrieg überwogen dort, soweit ich weiß, helle Putzfassaden.


    Der unbefriedigende Gesamteindruck entsteht meinem Empfinden nach vor allem durch die ortsuntypischen schwarzen Dachpfannen, hier auch noch in der besonders auffälligen stark profilierten Hochglanzvariante. Mit roten Dachpfannen analog zum Zustand vor der "Sanierung" wäre ein zwar einfaches, aber ansehnliches Häuschen dabei herausgekommen. Die neuen Fenster scheinen immerhin zweigeteilt zu sein - eine Verbesserung gegenüber dem Vorzustand. Das halbrunde, geteilte Fenster im Giebel ist offenbar sogar eine Sonderanfertigung. Positiv anzumerken wäre auch, dass der unpassende Vorbau vorm Eingang ersatzlos entfernt wurde.

    Wenn der Bauherr sich noch zu echten Sprossenfenstern, evtl. farblich abgesetzt und einer passenden Haustür durchgerungen hätte, wäre hier trotz der Fassendendämmung ein kleines Schmuckstück entstanden.


    Leider ist sieht man oft, dass Altbauten sozugen in die - das meine ich jetzt nicht böse - "falschen Hände" geraten. Das sind Leute, die eigentlich von einem "traditionellen" Haus von der Stange im Neubaugebiet träumen. Häufig dürften diese Menschen unserem Anliegen hier nahestehen, aber eben selber kein wirkliches Gespür für historisch passende Gestaltung haben. Wie auch in einer Zeit, in der dies selbst den meisten Architekten abhanden gekommen ist.


    Last but not least: Die Lösung, die hier mit großem Aufwand entstanden ist, ist dabei wohl noch nicht einmal zukunfsträchtig. Geheizt wird offenbar auch im renovierten Zustand nach wie vor mit Gas (s. das Abgasrohr im Schornstein auf beiden Bildern), Solarmodule gibt es keine. Sprich, das Ergebnis ist nicht nur gestalterisch, sondern auch energetisch ein unbefriedigender Kompromiss.

    Der wesentliche Schwachpunkt scheint mir die Weiterentwicklung des schienengebundenen ÖPNV zu sein. Wenn es wirklich sein sollte, dass wir statt konkreter Weiterentwicklung der Straßenbahn nur noch U-Bahnplanspiele zu sehen bekommen, die erst nach Jahrzehnten - oder wohl eher NIE - realisiert werden, wäre das bitter.


    Als Hamburger bin ich diesbezüglich ein "gebranntes Kind".

    Für 2 der 3 der Standorte in Hamburg gibt es Entscheidungen bzw. sogar schon den Beginn der Umsetzung:


    Innenstadt: Der große, "moderne" Karstadt-Anbau in der Kleinen Rosenstraße wird bis auf das Stahlbetonskelett abgetragen, ein Lichthof hineingeschnitten, die Brücke zum Gebäude in der Mönckebergstraße abgerissen. In die unteren Geschosse werden Einzelhandel und Büros einziehen, die oberen Geschosse werden abgerissen und durch Wohnungen ersetzt.

    Das (- leider stark überformte) Vorkriegs-Kaufhaus in der Mönckebergstraße bleibt in seiner Funktion als Kaufhaus bestehen.

    Bauherr: SIGNA.


    Wandsbek: Abriss der modernen Gebäude, erhalten bleibt lediglich der relativ kleine Vorkriegs-Gebäudeteil, stattdessen Neuschaffung einer "Markthalle", Flächen für Einzelhandel, Wohnungen und Büros.

    Bauherr: UNION INVESTENT.


    Bericht Norddeutscher Rundfunk (Hamburg Journal).


    Insgesamt macht die Hamburger Entwicklung Mut. Man hat offenbar weitgehend begriffen, dass die bestehende Architektur der Gebäude ein Teil der Problems ist und geht mit der notwendigen Entschlossenheit vor. Für den Standort Harburg gehe ich davon aus, dass der Vorschlag der CDU nicht das letzte Wort, sondern der Beginn der Debatte ist, und dass eine bessere Lösung gefunden wird.

    Ich habe keinerlei Insights bezüglich Berliner Lokalpolitik. Pushen SPD und CDU pro Forma die U-Bahn, um den Ausbau der Straßenbahn zu verhindern? Oder wollen sie den ÖPNV wirklich voranbringen? Ich kann es wirklich nicht beurteilen.

    Das Reinschneiden von Lichthöfen käme vom Aufwand her einem vollständigen Neubau in etwa gleich oder würden diesen sogar übertreffen. Es bliebe vom Bestand dann ja nichts weiter erhalten als das Stahlbetonskelett in den Außenbereichen, zusätzlich würden Maßnahmen zur statischen Stabilsierung notwendig werden.


    Wir werden es sehen, was passiert. Ich bin der Überzeugung, dass für mutloses Durchwurschteln letztlich ein hoher Preis gezahlt werden muss. Eben weil die Gebäude so zentral und bedeutend sind, dass sie nicht isoliert betrachtet werden können. Eine extensive Nutzung wird nach und nach das ganze Umfeld mit nach unten ziehen, und damit den "Marktwert" der Innenstadtlagen selbst beeinflußen.

    Ich weiß nicht, wie ich mich noch verständlicher ausdrücken soll: Ein Investor möchte den maximal möglichen Profit erzielen. Bei den Gebäuden, um die es hier geht, ist eben dieser - da bin ich mir sehr sicher - in vielen Fällen durch Abriss und Neubau eher zu erzielen, als mit einer extensiven Nachnutzung (ein bisschen Event, Kultur, Gastro, Penthouse-Wohnungen), für die diese Flächen nie konzipiert wurden.


    Und ja, bei den Horten-gekachelten Eiermannschen Klötzen sind die Fassaden nicht das Problem. Die könnte man mit wenig Aufwand tauschen, fenster einsetzen etc.. Das Problem sind, wie weiter oben bereits dargelegt, die vergleichsweise riesigen Geschossflächen bei gleichzeitig niedrigen Deckenhöhen. Bei einer Wohnnutzung sollte das nächste Fenster nie weiter als ein paar Meter weg sein, sonst wird es zu düster. Büronutzungen sind da etwas toleranter, aber auch für diese sind große Anteile der Flächen deutlich zu weit von den Außenwänden entfernt.

    Majorhantines :


    Mir ist durchhaus bewusst, dass die Gebäude häufig (im Regelfall, immer (?)) nicht Galeria Kaufhof gehören, sondern längst verkauft und rückgemietet wurden. Daran geknüpft sind Renditeerwartungen der Investoren, die nur mit einer intensiven, renditeträchtigen Nutzung der kompletten Flächen zu vereinbaren sind. Und genau hierin liegt doch eine Chance, denn mit ein paar Klein-Events wie Kunstaustellungen, Lesungen, aber auch Billig-Vermietungen wie an "Kick" o.ä. sind die einst üppig kalkulierten Mieten nicht ansatzweise zu erzielen.


    Da es sich gleichzeitig um 1a-Innenstadtlagen handelt, kann ich mir gut vorstellen, dass es gerade die Investoren sind, die mit (Verkauf), Abriss und Neubau einverstanden sein werden. Einfach, weil sie genau wissen, dass sie anderes nie wieder an ihr Geld kommen werden.


    Und ja, natürlich mag es unter den Häusern auch einige - speziell unter den Kleineren oder den Vorkriegshäusern - geben, die umnutzungsfähig sind. Aber gerade bei dem hier unbeliebten Typ der "Eiermann-Kiste" dürften das nur wenige sein.

    Ein Nachtrag noch:


    Die typische Kaufhausarchitektur ist in architektonischer Hinsicht für die Nutzung im Rahmen größerer Events ungeeignet. Dafür passt das Verhältnis Deckenhöhe zu Grundfläche nicht, und die Raumhöhen sind viel zu niedrig, um Veranstaltungsbühnen einzubauen zu können.


    Für mich ist neben der Nutzung als Kaufhaus keine sinnvolle alternative Verwendung vorstellbar, die ohne einen kompletten Umbau (Entkernung) auskommen würde. Die mindere gestalterische Qualität der Fassaden wiederum lässt eine aufwändige Entkernung und anschließenden Neuaufbau für anderen Nutzungen IMHO als absurd erscheinen.

    Das Argument "Ökologie" nehme ich dem Mann nicht ab. Wenn das Teil abgerissen und durch stadtbildkompatible Architektur ersetzt wird, kann diese über Jahrhunderte Bestand haben. Ich vermute hier eher, dass das wahre Motiv, wie so oft, der Erhalt vermeintlich fortschrittlicher Architektur ist.


    Die skizzierten Ideen für die Folgenutzung hingegen werden verlässlich für immerwiederkehrende Leerstände und Verfall sorgen, und damit das Umfeld gleich mit herunterziehen: Für Gastronomie sind diese Gebäude völlig überdimensioniert, und "Events" die derartige Volumina benötigen, finden zu selten statt, um das Umfeld beleben zu können. Weiterhin benötigen sie bessere Erreichbarkeit für massenhaft mit dem Auto anreisende Teilnehmer (- nicht umsonst baut man Mehrzweckhallen am Autobahnzubringer). Für eine Umwandlung in Büros / Wohnungen / Altenheime wiederum fehlt das Tageslicht, denn auch wenn man Fenster einbaut, ist die Grundfläche und damit der Abstand zu den Außenwänden viel zu groß.


    Genau diese Diskussion wird sich nun in zig-Städten in ähnlicher Form wiederholen. Die Riesenkisten passen einfach nicht in eine lebendige europäische Stadtkultur. Gewinnen werden die Standorte, die den Mut für echten einen Neubeginn aufbringen.

    Ich hoffe, ich darf das hier posten. Wenn nicht, einfach löschen.


    Ein Tipp für Flensburg-Besucher: In der Norderstraße 9 (- zentrale Lage neben St. Marien) befindet sich eine dänische Bäckerei. Typischer Dänischer Kuchen ("Wienerbröd") ist mega-lecker, und hat in Deutschland keine Entsprechung. Sehr zu empfehlen zum Kalorien-Nachtanken.


    Die in der Großen Straße 73 verwendeten Farbtöne sind für Dänemark und die deutsche Grenzregion zu Dänemark ortstypisch (- wahlweise neben Blau- und Grautönen auch gerne Gelb oder Rot).

    Ähnliches gilt für den fehlenden Bauschmuck. Sichtbares Fachwerk fand in dieser Region nur bei einfachen Wirtschaftgebäuden Verwendung und blieb weitgehend oder komplett schmucklos. Die repräsentativen Fassaden zu den großen Straßen hin wurden schon seit den Zeiten der Hanse massiv gemauert - ganz anders als 150km weiter südlich in Niedersachsen.


    Flensburg ist in der Tat einer der "heimlichen Champions" unter den Klein- und Mittelstädten Deutschlands, von denen überregional kaum etwas bekannt ist.