Beiträge von Mulle

    Was die Bauten der 50er in Dessau in der Nähe des Bahnhofes und in der nördlichen Kavalierstaße betrifft, so war das m.M.n. ein guter Ansatz, wie man das Zentrum wieder traditionell hätte aufbauen können. Leider war der Baustil für die DDR zu teuer. Es wurde später mehr und mehr auf Beton- bzw. Plattenbauweise umgestellt.

    Den Verlust der Bausubstanz Dessau nach dem 2.WK und den Verlust, den die Genossen der SED verursacht haben, kann man nicht hoch genug einschätzen. Einen groben Überblick über die Bausubstanz vor dem Krieg gibt das Buch "Dessau, ein verlorenes Stadtbild" aus dem Wartberg-Verlag. Über 50 der einstmals etwa 100 Baudenkmale der Dessauer Innenstadt waren nach dem Krieg teilweise ruinös, wären aber bei Interesse der zuständigen Behörden noch zu retten gewesen. Beispiele: Südflügel des Stadtschlosses, Pavillons "Elbe" und "Mulde" im ehem. Lustgarten (Architekt Erdmannsdorff- Wörlitzer Park), Portal des Friedrichstheaters (Erdmannsdorff), herzogliche Hofkammer am Schlossplatz, Altes Theater (Erdmannsdorff), Messelhaus (beide Kavalierstaße), Behördenhaus 1 (Steine wurden zum Bau des Roten Rathauses Berlin abtransportiert), Esiko-Freimauerloge, um nur einige zu nennen. Alle Gebäude mussten weichen. Ihre Baukörper wurden zum Verfüllen der Fließgräben im Tiergarten und zum Bau des Damms der Nord-Ausfallstraße verwendet. An ihre Stelle kamen Neubauten.

    Als Dessauer bin ich der Meinung, dass es eines neu gebauten "Kulturpalastes" (was anderes ist dem Projekt nicht zu entnehmen) nicht bedarf. Eh Herr Burger (Fa. infraplan, Bauträger des ersten Bauabschnitts der Hirtenhau-Siedlung) ausgeschlafen hat, hat Führer sich bereits ein komplettes Veranstaltungszentrum samt Golfpark und großem Saal unter Einhaltung des Denkmalschutzes in einer ehem. Junkers-Industrieanlage hingesetzt. Ein weiteres Veranstaltungszentrum wäre definitiv zu groß für diese schrumpfende Stadt. Schon jetzt ist das neue Alte Theater kaum ausgelastet. Die denkmalgerechte Sanierung der Erdmannsdorff-Fassade des ehem. Palais Brancony (Kristallpalast) steht da auf einem ganz anderen Stern. Hier ein ärztliches Versorgungszentrum zu errichten ist m.M.n. ein guter Ansatz. Ich hoffe nur, dass das auch durchgesetzt wird. Das medizinische Versorgungszentrum neben dem Klinikum in Dessau-Alten ist dort fehl am Platz, es gehört eigentlich in die Innenstadt.

    Ich wäre bei diesem Verein auf alle Fälle dabei. Mehr idealistisch als finanzkräftig... Werde mich demnächst telefonisch bei Dir melden.

    Was den "Wallenstein-Gasthof" betrifft, so meinst du (Vegoh) sicher den Gasthof "Zum Alten Dessauer" bis 07.03.45? Hier hat die Gespielin des alten Dessauers, die Apothekertochter Föhse gewohnt, deswegen Gasthof "Zum Alten Dessauer". Am Großen Markt genau gegenüber befand sich der Gasthof "Drei Kronen", unter NS-Zeiten der Gasthof "Münchner Hofbräu". Von hier aus soll Ferdinand von Schill in die Befreiungskriege gezogen sein.

    Ich habe zufällig den Beitrag von Vegoh gelesen. Ja, der Große Markt mit angrenzendem Schlossplatz und Lustgarten war wohl das schönste Refugium dieser geschundenen Stadt. Krieg und hirnrissige Planung für eine sozialistischen Großstadt haben daraus ein armseliges und nunmehr abseitiges städtebauliches Nichts gemacht. Dank Umdenkens der Verantwortlichen nach der Wende und damals fließender Fördermittel konnten Marienkirche und Johannbau äußerlich wieder wunderschön hergerichtet werden. Dieser damalige Enthusiasmus fehlt heute leider. Bauhausdirektor Oswald möchte am heutigen Schlossplatz gern eine Pilgerstätte unter dem Motto "Bauhaus meets Aufklärung" einrichten, z.Zt. als Kulturzentrum deklariert. Meiner Meinung kann das funktionieren, aber nur, wenn Lustgarten mit den angrenzenden Erdmannsdorffschen Bauten (Hauptwache, Orangerie und Pavillons "Elbe" und "Mulde"), die neben dem Wörlitzer Schloss einzigartig für den Dessauer Frühklassizismus stehen, wieder entstehen. Dann könnte man meiner Meinung nach auf darauf auf die Renaissance-Bauten am Ost- und Nordrand des Großen Marktes (ehem. Gaststätte "Zum Alten Dessauer", sowie die Häuser Schlossstr. 2 und 3 sowie die Buden) verzichten. Der Lustgarten war Ausgangspunkt zur Wallfahrt ins Gartenreich. Er ist gleichzeitig mit seiner hippodromähnlichen Anlage einer der schönsten Gärten in Anhalt-Dessau gewesen.
    Wenn dieser Garten mit seinen Bauten wieder entstehen würde. Ich wäre als Dessauer sehr froh darüber.

    Vom Residenzschloss in Dessau existiert nur noch der Westflügel, der sogenannte Johannbau. Dieser wurde nach der Wende aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Mittel- und Ostflügel wurden durch die damaligen Machthaber gesprengt. Man muss dazu sagen, dass die Innenstadt Dessaus durch englische Bomber 5 nach 12 am 07.03.1945 zu 85% zerstört wurde. Um die Wohnungsnot einigermaßen zu lindern wurden in den 50er Jahren Bauten im klassizistischen look Erdmannsdorfs errichtet, die in den 60er Jahren durch Betonblöcke abgelöst wurden. Die roten Ziegel des Behördenhauses wurden zum Bau des Roten Rathauses in Berlin verwendet. Der Gründerzeitbau aus wilhelminischer Zeit wurde komplett abgerissen.

    Ich möchte hier mal die Aufmerksamkeit auf das obige Thema lenken. Ist eigentlich bekannt, dass Fürst Franz, der anhaltische Aufklärerfürst und sein Baumeister Erdmannsdorf die frühklassizistischen Einflüsse in Deutschland eingeführt haben? Auf ihren Reisen nach Italien und England brachten sie ihre Ideen mit. So vollzogen sie den Wandel vom holländischen Städtebau-Einfluss zur Neogotik und zum Frühklassizismus. Das Schloss Wörlitz war damals der erste klassizistische Schlossneubau in Deutschland vor Weimar und Berlin. Franz verwandelte sein Fürstentum in einen blühenden Garten und fügte die meißtens kleinteilige, niemals pompöse Architektur getreu dem Motto "zum Nützlichen das Schöne" in die mannigfaltige Landschaft ein. Viel ist davon noch heute zu sehen. Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitzer Gartenreich und die Stadt Dessau (letztere zuständig für das Georgium und den Beckerbruch im Stadtgebiet Dessau)kümmern sich leidenschaftlich um die Restaurierung der Objekte und um die Wiederherstellung der Natur (berühmt sind die Sichtachsen). Das Gartenreich gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO, somit ist Dessau gleich dreimal auf der Liste der UNESCO mit Bauhaus, Biosphärenreservat Mittelelbe und Gartenreich.