Beiträge von Himmelsrichtungen

    @ Saxonia,

    na ja,
    für die Mehrheit der einen scheint das nach 40 Jahren Einsicht in die blanke und pure Notwendigkeit immer noch dekadent zu sein, sie glauben, dass Geselligkeit nur so, sprich: an genau diesem Ort bei genau diesem Lampenlicht hätte stattfinden können ...

    ... für die Mehrheit der anderen liegt das immer noch im falschen Teil von Berlin, infolgedessen die Mitte nicht die Mitte, sondern trotz Wende immer noch "der Osten" ist.

    Irgendwie scheint mir da eine Verwechslung vorzuliegen zwischen Demokratie und einem ausgesprochenem Demokratismus von inflationär in Auftrag gegebenen Umfragen, die allenfalls Tagesstimmungen widerspiegeln.

    ;-

    Wäre seinerzeitigen Mehrheiten in Dresden stattgegeben worden (10 % dafür, 90 % nicht dafür), so hätte Dresden heutzutage keine Frauenkirche und so ist es eben an vielen anderen Orten. Nicht dafür zu sein heißt allerdings noch lange nicht, ausdrücklich und mit Vehemenz dagegen zu sein. So in dieser Gleichsetzung wird es aber rübergebracht.

    Das Einzige, worum es also geht, ist es, eine Vehemenz geschlossenen Dagegen-Seins gar nicht erst entstehen und mit jedem gemauerten Stein, mit jedem gesetzten Schmuck-Stück die Zustimmung wachsen zu lassen.

    Nahezu alles, was Sie schrieben, Herr Müller bzw. Lampe, teile ich so.

    Allerdings wäre es m. E. ein Fehler, die weitgehend nicht vorhandene Liebe für´s Detail, aus der heraus erst eine wirkliche Liebe zur Stadt erwachsen kann, NUR 40 Jahren DDR anzulasten. Das schreibe ich als Nicht-DDR-Bürger.

    Es gab eine systemübergreifende Modernitätsvorstellung, die mit voller Wucht nach dem Krieg praktiziert wurde und gewiss gibt es in anderer Hinsicht wiederum Unterschiede entlang der Systemgrenzen, was Kirchen und was Bauten angeht, die mit Herrschaft verbunden waren. Insofern handelt es sich mit Geld ausstaffierte Machbarkeitsvorstellungen, nachdem derartige Vorstellungen zu Weimarer Zeiten weitgehend Papier blieben. Soweit der Staatssozialismus mit mehrfacher Wucht den Letzgenannten - Kirchen und mit Herrschaft verbundenen Bauwerken - zu Leibe rückte und dies der GEMACHTEN Gleichheit und dem Atheismus entsprach, um so vergleichsweise größer war die Wucht des freiheitlicheren "westlichen" Systems, was die Vernichtung von Profanbauten angeht.

    Potsdam als mit Herrschaft verbundener Stadt hat mehr zu leiden gehabt als vglw. Dresden. Das liegt an der Berlin-Nähe und an den zahllosen staatsnahen Einrichtungen zu DDR-Zeiten und dass ca. die Hälfte der Potsdamer Einwohner in den selbst ernannten Segnungen des sozialistischen Wohnungsbaus ihre Unterkunft fanden, die bis heute in ihrer Bewohnerschaft bemerkenswert stabil blieben. Dementsprechend sehen dann auch die Wahlergebnisse aus, die dort, wo Altbaugebiete und Neubaugebiete direkt handtuchbreit aneinander angrenzen, die Straße dazwischen zur Scheidelinie zwischen verschiedenen Welten macht.

    Das ist der Nachhang, aus dem das Folgende m. E. nicht unbedingt verstanden werden kann. Deshalb möchte ich um Nachsicht bitten, auch wenn es zunächst ausschweifend klingen mag.

    Wie ich das mitbekomme, hat sich das instrumentelle Stadtbild, sprich: dass die Stadt zuallererst eine funktionierende Stadt wäre mit einem möglichst reibungslosen Ablauf des Auto-, des Bahn- und neuerdings eben des Radverkehrs, weit stärker in den Köpfen festgesetzt als der Gedankengang, dass die Stadt im Innern anders aussehen muss als außen. Dies deshalb, weil sie von innen nach außen entstanden ist, sie sich also von innen nach außen entwickelt hat. Das haben die Protagonisten der Wende in Potsdam sehr wohl verstanden - Stichwort: Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss, nach all den Jahrzehnten, der Stadt förmlich VON AUSSEN den Stempel aufzudrücken -, doch mittlerweile steht ein Großteil, wenn nicht sogar der Großteil der Wende-Protagonisten eher am Rand. Das liegt m. E. daran, dass von den maßgeblich in der Stadt Entscheidenden so gut wie keiner mit Herzblut und Vision zu Werke geht, eher schon sich entlang des Kompromisses des Kompromisses des Kompromisses sich über Wasser hält.

    Was wäre all das, was Sie hier weitestgehend zu Recht benennen und was auch ich so sehe, was wäre das ohne eben diese empfundene Liebe zur Stadt, die den Investoren gleichgültig ist und die die maßgeblich Verantwortlichen der Stadt als Romantisiererei, als antiquiertes Beiwerk mehr oder minder von sich weisen?

    Der Umgang mit diesem städtbaulichen Monstrum namens Mercure will ich als Musterbeispiel herausgreifen, weil sich darin vieles konzentriert.

    Von seiner Form her und von seinem Standort her ist es in vielem gleich, was diesseits und jenseits von Systemgrenzen gebaut worden ist, in Hamburg wurde das Ding Ost-West-Straße genannt, heute Ludwig-Erhard-Straße und Willy-Brandt-Straße, ...

    ... als Gebäude dem Stadtschloss die kalte Schulter zeigend, ein Torso, weil eine ganze Reihe von derartigen Hochhäusern an der seinerzeit so genannten sozialistischen Magistrale Dr.-Wilhelm-Külz-Straße hätten stehen sollen und schon zu DDR-Zeiten der Denkmalschutz zu einer Umplanung veranlasste. Deshalb steht das alles jetzt - ersatzweise - an der Neustädter Havelbucht, an der West-Verlängerung der Breiten Straße ...

    Die Kreuzung zu Füßen des Hotels: Ein Musterbeispiel der Verhunzung der Stadt in ihrem wesentlichen Kern. Wenn die Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss irgendwo seinen trefflichen Kristallisiationspunkt fand, dann hier ...

    ... die Zerstückelung des hier vormals vorhandenen Lustgartens zu einer simplen Restgrün- und Abstandsfläche zu eben dieser Kreuzung, zu eben diesem Hochhaus und zum benachbarten seinerzeitigen Stadion, nach vorheriger Abtrennung durch das Militär und der Höherlegung des Bahndamms vor gut 100 Jahren ...

    ... NACH DER WENDE ist dies alles wieder in den Sinn gekommen UND zur Veröffentlichung.

    Wer die Stadt in ihrem Kern anders will als sie jahrzehntelang mehr geschunden als tatsächlich gebaut worden ist, der kommt um eine Änderung des eigenen Verkehrsverhaltens nicht drum herum. Mehr als andere Städte betrifft dies Potsdam, weil eine Agglomeration von mittlerweile über 150.000 Einwohner dasjenige zum Zentrum hat, was für ursprünglich gut 10.000 Einwohner gedacht war. Ansonsten statt des brutalen Zerschneidens der Stadt infolge von Umgehungsstraßen ein Zerschneiden der Potsdam-Berliner Kulturlandschaft die Folge wäre, wo es doch selbst die Nazis waren, die ihre Autobahn A 10 mit einer "großen Beule" um die Berlin-Potsdamer-Kulturlandschaft herumführten. Da war es der DDR vorbehalten, mit ihrem Sputnik - der Umkreisung West-Berlins - einen großen Teil der Kulturlandschaft zu zerschneiden.

    Mehr als auf den Radverkehr und damit auf die umweltfreundlichere Variante des Individualverkehrs zu setzen, ginge dies mit einer deutlichen Aufwertung der Straßenbahn als dem stadtverträglichsten aller Verkehrsmittel. Wo die Stärke des Radverkehrs in der Streuung liegt, liegt die Stärke der Straßenbahn wiederum gerade in der Bündelung. Das geht dann über die bloße Mitnahme von Fördergeldern hinaus. In diesem Sinne sind die Potsdamer Straßenbahnwagen noch zu günstig und sollten weit mehr hermachen, wofür es sehr viele Beispiele mit exzellentem Design - sowohl von den Fahrzeugen als auch von den Tram-Anlagen - in unserem Nachbarland Frankreich gibt. Ein Fahrtakt von 1 1/2 - 2 Minuten in der Innenstadt, ausschließlich bewätligt von Straßenbahnen, wäre m. E. nicht unrealistisch. Was in diesem Zusammenhang gar nicht geht, ist die Diskussion über eben jene liebe- und kunstvollen Details an Stadtschlossfassade und Ringerkolonnade (die ich von Herzen übrigens teile) und der städtische Verkehrsbetrieb stellt dann monströse Fahrleitungsmasten incl. Hochkette (Doppelfahrleitung) hin, so, als hätte die Deutsche Bahn AG eine ICE-Trasse durch den Potsdamer Stadtkern geschossen.

    Selbstverständlich muss nicht alles erhalten werden, vor allem dann, wenn sich ein Erhalt angesichts einer hohen Frequenz der Strecke als widersinnig erweist. Das ist jedoch weder hier noch in zahllosen Fällen der Fall. Bei den Bahnhöfen haben nach der massenhaften Abrisspolitik der 1960er und 1970er Jahre wieder Restaurierungen und darin enthalten dann Modernisierungen stattgefunden und nichts spräche dagegen, dass mit bestimmten Streckenteilen - vor allem ästhetisch ansprechenden Brücken - nicht auch zu praktizieren.

    In Lissabon wird sogar ein wichtiger Teil des innerstädtischen Nahverkehrs in alten Straßenbahn-Wagenkästen, angetrieben von modernster Technik vollbracht.

    Manchmal denke ich, die Bahn muss immer wieder zu ihrem Glück hingetragen werden, doch sie sträubt sich mit Händen und Füßen dagegen, sie entflieht eher ihrer Unternehmensgeschichte, als dass sie sie als Bestandteil ihrer Unternehmenskultur begreifen würde.

    Analoges findet sich übrigens im modernen Straßenbau, infolgedessen Altwege zurückreichend bis ins Mittelalter dann nicht nur verfallen, sondern auch gnadenlos überbaut und zerstückelt werden. Dergleichen dann auch in Torgau, was die jüngste Geschichte angeht: Ein einsamer Ratsherr war es, der versuchte, neben der neuen Bundesstraßenbrücke diejenige zu retten, auf der im 2. Weltkrieg der Handschlag der sowjetischen und US-amerikanischen Truppen vollzogen wurde.

    Langsam ist es zum resignieren. Die ach-so-toll-globalisierte-versocialnetworkte-modern-hippe-möchtegern-ökologisch-grün-verantwortungsvoll-konsumierende Gesellschaft hat wirklich jeden Bezug zu ihrer Umwelt verloren. Wie kann man solche Allerweltsklötzchen in eine der wertvollsten Städte Deutschlands setzen und eine "kritische" Reko oder zumindest entsprechende Baumaterialen nicht mal in Betracht ziehen?

    Vielleicht lässt sich das auch als gewiss gut proportioniertes, doch wiederum beliebiges und langweiliges Füllmaterial bezeichnen.
    Das grenzt schon an Verleugnung reichhaltiger Geschichte, einen anspruchslosen, doch ortstypisch verklinkerten Bau durch éinen nur geringfügig ansprechenderen, doch völlig ortsUNtypischen Bau zu ersetzen.

    @ Frank,

    grundsätzlich stimme ich Ihnen / Dir zu mit dem Übergehen statischer Empfindung. Auch früher gab es das schon und die Gotik ist da ein sehr gutes Beispiel. Für das damalige Verständnis war es was sehr Ungeheures.

    Ich persönlich glaube, dass die empfindungsreiche, ansprechende, schöne Form es war und ist, die die möglicherweise eintretenden Ängste ganz bewusst überspielt hat. Das macht vielleicht den Unterschied zur heutigen Zeit aus, dass viele Konstruktionen unserem statischem Gefühl diametral widersprechen und in Form oftmaliger Nüchternheit uns dann allerdings mit unserer Empfindung alleine lassen. (Das ist beim Hans-Otto-Theater so aber nicht der Fall).

    Wer auf einem 3 cm dünnen Kunststoffsteg, dem seine statische Festigkeit nicht anzusehen ist, freitragend über einen 20 Meter tief hinuntergehenden Lichtschacht geht, muss da schon - die Empfindung nicht übergangen - schon einiges aushalten. So geht es mir auch bei diesen modisch gewordenen Bahnhofsschild-Aufhängungen am Bahnsteig, bei denen zwei Drittel zur einen Seite und ein Drittel der Länge zur anderen Seite gehen.

    @ Arstempano,

    Hallo Andreas,

    dem Dank der Anderen schließe ich mich selbstverständlich an.

    Wie die Architektur des neuen Hans-Otto-Theaters gefällt?

    Ich finde, als Theaterbau und spezifisch an dieser Stelle, die mehr von Grün und Wasser umgeben ist als rundum von Bauten, hat das Theater sehr wohl den Anspruch, zeichengebend zu sein. Das Stichwort des Solitärs, was hier genannt ist, ist unter diesem Aspekt richtig. Allerdings wird dieser Anspruch nur zur Wasserseite hin erfüllt.

    Schwierigkeiten habe ich auf der Empfindungsebene mit der Farbgebung, wie bei anderen Gebäuden analog mit dem unpassenden Material. Das scheint mir in diesem Fall ebenso danebengegangen zu sein wie bei der modernen Variante der nahe gelegenen Heilig-Geist-Kirche. Im Holzmodell sah das Altersheim / sah die Kirchenkubatur noch ganz ansehnlich aus, mit seinen groben, sehr metallisch wirkenden Materialien hat es sich nicht zu Unrecht einschlägige Begriffe eingefangen.

    Das Hans-Otto-Theater ist zwar von derart spitzen Bemerkungen allgemein verschont geblieben, jedoch habe ich auch wiederum keine Begeisterung für die Knalle-Balle-rote-Farbgebung entdecken können,ehr schon "artige Zustimmung". Im Vergleich zur zuallererst geplanten Farbtrilogie: Rot - Terracotta - Orange fällt sie nach meiner Empfindung schon recht grob ab. Das will ich farbliche Überzeichung nennen, die mit negativer Wucht daherkommt, die sich auch im Innern wiederfindet. Nicht umsonst haben sich bspw. Sehbehinderte beschwert, dass die rot-anthrazite Farbgebung im Innern über Treppen UND Wände quer zur Funktion hinweggehen.

    Da hing die Stadt Potsdam offenbar zu sehr an den Lippen des Architekten Böhm. War er es doch, der schlicht und einfach die jetzige Farbgebung damit erklärte, seine Frau (!) hätte bei einem Empfang mal so eine Farbkombination von Abendkleid und Handtasche getragen und danach habe er sie einfach auf den Bau übertragen.

    @ Kralle @ Luftpost,

    unter die oben bezeichnete Überschrift will ich es kurzerhand stellen, was mein Gedanke dazu ist.
    All zu häufig scheint die Potsdamer "Szenerie" darunter zu leiden, spezifisch auf die DDR etwas abladen zu wollen, was ein systemübergreifendes Phänomen war und die Verkünder und Statthalter des Neuen Deutschland waren es in dieser Hinsicht "nur", die es ideologisch in Form gossen und überhöhten.

    Die drei Betontürme des Technischen Rathauses in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] und der hohle Zahn (wie es Volkmar Schlöndorff zu recht bezeichnete) in Form des Interhotel Stadt Potsdam fußten auf der gleichen Denkrichtung, was Stadt zu sein habe und das kann auch genau so benannt werden, finde ich. Unter diesen Vorzeichen fällt es dann auch leichter, dass dem wohlverstandenen Abriss in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] auf absehbare Zeit der Abriss in Potsdam folgen kann. Die Baumbestandenheit (vielleicht sogar irgendwann die Eintunnelung) der Ost-West- bzw. der Ludwig-Ehrhard- und Willy-Brandt-Straße in Hamburg entspricht die Stellung von Bäumen und die Verengung des Fahrbahnprofils in der Breiten Straße.

    Unterschieden davon ist freilich der Abriss der Kirchen. Während die Hamburger Axt im Innenstadtraum haarscharf am Michel vorbei schlug, ist die Garnisonkirche in Potsdam Opfer jener Stadtplanung geworden, die ideologisch überhöht von gewaltigen Straßen und gewaltigen Plätzen redete, für Aufmärsche, Gedenkkundgebungen und Militärparaden.

    Geehrter Bernd Ludwig,

    die angedeuteten Damen und Herren, die ihre höchste Stufe der Gegnerschaft dadurch erreichen würden, dass sie sich selbst Gegner wären, die sind da - so glaube ich - weit mehr auf´s Äußere verlegt, als dass sie um diese fehlende Ausmalung in der Konche im Inneren der Nikolaikirche wüssten. Meines Wissens ist sie fest geplant und es ist allein eine Frage des Geldes, bis die Apsis wieder vervollständigt wird.

    Ich will neben den bereits genannten Aspekten, die jahrzehntelang zu Verhinderungen von Rekonstruktionen geführt haben, einen weiteren Aspekt einbringen, von dem ich glaube, dass er bislang unterschätzt wird: Man schaue sich beispielsweise den Band zur Welt in 100 Jahren an, erschienen 1912: Die verkehrstechnische Zurichtung der Stadt war kein geistiges Kind der Jahrzehnte nach dem 1. Weltkrieg, sie begann schon zur Kaiserzeit, mustergültig exerziert im Durchbruch durch den Berliner Lustgarten und weiter östlich in die heutige Karl-Liebknecht-Straße hinein, wo vorher noch eine schmale Straße war.

    Zu Fuß gehende Menschen und so etwas Simples wie Fahrräder sind auf den Bildern nicht zu sehen, dafür ein Gewirr von Schnellbahnen, die aus Hausfassaden herausschießen und in andere, gegenüberliegende himmelhohe Hausfassaden wieder eintauchen. Später dann genannt Metropolis. Die städtebauliche Utopie der 1960er und 1970er Jahre war dann nur die schmucklose Variante davon. Jedes hervor stehende Gebäude kann gemäß dieser Logik den Verkehr nur hindern. Die Weigerung nach Rekonstruktion stadtbildprägender und somit oft eben hervor()ragender Gebäude ist m. E. ganz maßgeblich die Weigerung, dem verkehrstechnischen Ablaufdenken etwas im Wege zu stellen, was somit über die Straße als rein verkehrstechnische Einrichtung hinaus wächst.

    Die Frage nach Rekonstruktion stadtbildprägender Gebäude ist daher untrennbar verbunden mit dem Gedanken der Einbettung des städtischen Verkehrs, nicht aber, dass er eine herausgehobene Bedeutung erlangen könnte, dass er maßgeblich für die Stadtgestalt wäre. Kein Zufall, dass die städtebauliche Utopie des Neuen Deutschland, dort, wo das Geld auf irgendeine Weise aufzutreiben war, diese Gedanken bruchloser umsetzte als es woanders geschah, wenngleich auch das Paradox verbleibt, dass letztlich mangelns Finanzierung mehr Profanbau-Altbausubstanz gerade dort stehenblieb als im anderen, der persönlichen Freiheit stärker zugetanem Deutschland, das mit größerer finanzieller Ausstattung flächenmäßige größere Zerstörungen betrieb, als der Krieg selber sie angerichtet hatte.

    Das Weiterwalten der NS-Architekten verstehe ich als Walten in ein- und derselben Denkrichtung, nur eben ohne entsprechend einschlägige Wucht. Man schaue sich nur die Zerstörung der Prachtstraße des Kaiserdamms an, eine ästhetische Zerstörung, die im Nachkriegs-West-Berlin ebenso voll und ganz erhalten blieb, wie die Verunstaltung der Charlottenburger Chausee / Straße des 17. Juni, disproportioniert zum Brandenburger Tor. Bis zum heutigen Tage. Aus der filigranen Komposition des Kaiserdamms, die der Avenida der Republica und der Avenida de Libertade in Lissabon und den Prachtstraßen in Paris in nichts nachstand, ist faktisch eine ausgeräumte "Schießbahn" geworden, nach dem Krieg im Fahrbahn-Mittelraum nur eben mit Parkplätzen verstellt.

    @ Benni,

    mein Beitrag war eher in die Richtung gemünzt, dass Bedeutung und numerische Größe zunächst vollkommen unabhängig voneinander sind, d. h. die Bedeutung von Quedlinburg liegt nicht unterhalb der von Bochum, die Bedeutung von Wismar oder von Brandenburg/Havel liegt nicht unterhalb derjenigen des doppelt bzw. viermal so großen Gelsenkirchen.

    Ist Braunschweig bedeutender als Schwedt?
    Ist Hannover bedeutender als Görlitz (was allerdings kein Schloss hat)?
    Ist Merseburg unbedeutender als Halle, was geschichtlich doch "nur" der Marktort des Bistums und des Klosters war?

    Selbstverständlich rückt eine Stadt, die sowohl numerisch als auch bedeutend ist, eher in den Blickpunkt, gar keine Frage.

    @ Däne

    natürlich fehlen in einigen kleineren Städten noch kleinere Schlösser. In den Großstädten sind die wichtigsten Stadtschlösser mit der Vollendung des Berliner Stadtschlosses aber wiederhergestellt. Wer hätte dies noch vor 15 Jahren gedacht?

    Auch wenn es sicher seine Berechtigung hat, zwischen größeren und kleineren Städten zu unterscheiden und hier ganz gewiss von einem Erfolg gesprochen werden muss. so wäre ich doch dafür, die Trennlinie nicht all zu deftig ausfallen zu lassen. Im Zweifelsfall liegen zwischen Dessau und Potsdam 50.000 Einwohner.

    Rekonstruktionsbemühungen sind überall dort, wo aufgrund der Ausgefeilheit und des Sinnesreichtums eines Gebäudes bzw. der Komposition eines gesamten Ensembles sich Menschen zusammenfinden, noch nie aber habe ich von Rekonstruktionsbemühungen gelesen, bei denen es lediglich um die Darstellung eines nur zeitgeschichtlich Exemplarischen ging, was an dem Schönheitssinn vorbei ging.

    Denkmalpuristen sträuben sich bei solch einer Formulierung gewiss die Haare, ebenso wie jenen, die meinen, Ge-Schicht-e wären vor allem dadurch Geschichte, dass sie weit mehr gezeigte Brüche als wohlverstandene Anreicherungen aufweisen müsse. Dass nach Auschwitz keine Deutschtümelei mehr zu sein habe, ist nichts anderes als ein Gebot der Humanität, dass nie wieder ein schöner Bau aus vergangenen Zeitperioden in den Städten wiedererstehen darf, wo er Herzen und Sinnen erfüllte, identitätsstifend war, ist eine ausgesprochene Gefühlskälte, ein Intellektualismus und eine Inhumanität.

    Kaum eine Stadt außer Berlin hat so viel Schwierigkeiten, ihre eigene Mitte zu finden, wo in einer schnellebigen Zeit, Langsameres, Werterhaltendes und wirklich Be-Deutendes an die Wand gedrückt wird, vier, gar fünf "Standorte" um eben diese Mitte effekthaschend konkurrieren. Wo eine unterirdische Entrauchungsanlage und 500 Änderungen im Laufe des Bauens jeden Bauleiter schlichtweg um den Verstand bringen muss und den Bau terminlich an die Wand fährt, wo 7 Jahre nach Fertigstellung einer Strecke diese wieder gesperrt werden muss, weil die Schrauben locker sitzen und nicht halten, wo eine Brücke nicht zur anderen passt, da braucht diese Stadt zeitübergreifende ingenieurtechnische Solidität, da braucht sie architektonische Bedeutung anstelle hysterischer Schnellelbigkeit.

    In dieser etwas längeren und hoffentlich nicht kompliziert wirkenden Überschrift will ich es fassen.

    Das betrifft nicht nur eine Stadt bzw. deren Vertreter, das betrifft auch die Entscheidung jedes Einzelnen in seinem Privatbereich. Andernfalls hockten wir alle noch auf Apfelsinenkisten oder auf dem zusammengesuchten Sperrmüllmobiliar der ersten Studentenzeit bzw. der ersten Lehrjahre.

    Das Schöne mit dem Nützlichen tatsächlich zu verbinden, war eine Fähigkeit, die die Altvorderen offenbar besser beherrschen als wir zurzeit. Der zurzeit auf dem Baugrund der Garnisonkirche vorhandene Platz ist nicht nur nicht schön, weshalb sich dorthin keiner verirrt, der dort nicht unbedingt und zwangsläufig vorbei muss, er ist noch nicht einmal zweckmäßig oder nützlich im Sinne eines Verkehrsablaufs: Eine überbreite Straßenverkehrsschneise, die angesichts ihrer Breite und Ungeordnetheit sich faktisch selber im Wege steht: Statt einer sauberen Ausfädelungsspur, die erst dort beginnt, wo sie tatsächlich gebraucht wird, eine überlange und aus dem seinerzeitigen Verkehrsverständnis herrührende Abbiegespur, die so manchen Ortsunkundigen und selbst so manchen -kundigen auf die falsche Fährte führt, weshalb der dann "kurz vor Toresschluss" wieder zurück will.

    Statt Ungestalt im wahrsten Wortsinn künftig also Gestalt.
    1. Aufgrund eines stadtbildprägenden und damit hervorragenden Bauwerks, das den Älteren gewiss Identifikation ist und denjenigen, die zu Visionen fähig sind, schon einmal eine Ahnung einer Struktur gibt ...

    2. Gestalt aufgrund einer in den Straßenraum HERVOR ragenden räumlichen Situation, die damit den Straßenraum gliedert, anstatt ihn heute ungegliedert der bloßen Vorbeifahrt zu überlassen. Damit wird also die Situation Fahrbahn + x zu einer wirklichen Straße verändert, welche allesamt allen eine Bewegung bietet und diese Bewegung für Fußgänger und Radfahrer attraktiv macht, weil Bäume zwischen Fahrbahn und Fuß- und Radwegen sich befinden.

    Gewiss gibt es gute und ernstzunehmende Argumente, die Garnisonkirche nicht zu bauen, die zu respektieren sind und deren Urheber auch den Dialog darüber nicht verweigern. Die hier zitierte Szilleweit-Truppe hat sich in ihrem Geschichtsfundamentalismus, d. h. in ihrem Versuch, die einzig denkbare Geschichtsauffassung unter´s Volk zu bringen und in Angesicht ihrer erklärten Gegner diese niederzubrüllen, dem Dialog entzogen.

    So richtig logisch und durchdacht scheint mir der FAZ-Artikel bezüglich der Abschaffung von Fußgängerzonen nicht zu sein. Ansonsten dürfte er bei den verkaufsgängig gestalteten Räumen der Einkaufszentren keineswegs aufhören und müsste folgerichtig die Forderung erheben, dass auch dort per PKW bis zur Ladentür gefahren werden darf. Nach dieser Logik eigentlich verwunderlich werden dort zur Bewältigung von Einkaufstouren gemeinhin mehrere Kilometer zu Fuß zurückgelegt.

    Ich selber empfinde und praktiziere es hingegen umgekehrt: Dort, wo ich unter freiem Himmel bin und der Sonne und dem Wetter nicht entzogen, dort, wo ich angeregt durch eine einmalige Architektur bin, lege ich gemeinhin mühelos längere Wegstrecken zurück als dort, wo die Wege recht verkaufsgängig weitgehend vorherbestimmt sind.

    Der FAZ-Artikel hat seine argumentative Schwäche durch die Gleichsetzung von Straße und Fahrbahn und diese Gleichsetzung und Nichtdifferenzierung scheint mir ein allgemeines Problem zu sein. Um es wirklich zu differenzieren: Überall da, wo eine Fahrbahn ist, ist gewiss auch eine Straße, doch nicht überall da, wo eine Straße ist, muss auch eine Fahrbahn sein. Zweitgenanntes mag sich jeder durch Straßentheater, Straßenmusik und Straßenleben im eigentlichen Sinne versinnbildlichen, wobei alles drei Genannte dort stattfindet, wo rein zahlenmäßig am wenigsten technische Fortbewegungen stattfinden, die gemeinhin immer mit einer gewissen Unruhe einhergehen. Die also reine Fußgängerbereiche sind oder in Form des einzigen technischen Fortbewegungsmittels durchquert werden, dessen Bewegungszahl gering und dessen Fahrweg durch Schienen und Oberleitung anschaulich vorherbestimmt ist: der Staßenbahn.

    Mit anderen Worten: AufentHALTsqualität ist gemeinhin dort, wo die Zahl technischer Fortbewegungen vergleichsweise gering ist oder wo sie gar nicht stattfinden, wo die sich AufHALTenden nicht zum Störenfried per Definition werden. Viele Straßenbreiten gemessen von Hauswand zu Hauswand, schließen schon aufgrund der beschriebenen AufentHALTsqualität Fahrbewegungen mit dem platzbeanspruchendsten Verkehrsmittel Auto schlichtweg aus.

    Um es konkret zu machen, ist der Durchgang durch das Brandenburger Tor in Berlin das trefflichste Beispiel dafür. Seitdem das dort so ist, kann dieses stadtbildprägende Bauwerk zu jeder Zeit an jedem seiner Durchgänge ganz spontan durch bloßes Anhalten zu Fuß in Beschau genommen werden, als dass einer der Durchgänge zur bloßen Durchfahrt herabgewürdigt, diese Möglichkeit nicht mehr böte. Gewiss kein Zufall ist es, dass nicht nur Touristenführungen, sondern auch die Erkundungen in der eigenen Stadt, was die Filigranität der Baukultur angeht und die damit einhergehenden Wertschätzung der Altstädte und wenn das nicht nur ein flüchtiges touristisches Vorbeistreifen darstellen soll, dieses selbstverständlich eben zu Fuß stattfindet. Wer Bauten entziifern will, nähert sich ihnen gemeinhin mit Fußgängergeschwindigkeit, derjenigen Geschwindigkeit also, die der Geschwindigkeit zu unebener Erde seinerzeit mit Pferd und Wagen gewiss am Ähnlichsten ist. Abgesehen davon, dass wer Auto oder auch nur Fahrrad fährt, sich auf anderes, also auf die Verkehrslage und nicht etwa auf Bauten konzentriert, wäre die Vorbeifahrt per Auto oder auch nur per Fahrrad hierfür viel zu schnell.

    Wer schauen will, der braucht Ruhe zum Schauen, ohne dabei befürchten zu müssen, umgefahren zu werden. In engen Straßenverläufen und in Straßenverläufen, bei denen keine technische Fortbewegung unabdingbar stattfinden muss, kann dies nur zu Fuß geschehen.

    Wir können das bedauern und es scheint ein Fakt zu sein: Menschen mit Vision, mit Herzblut und mit Liebe zur Stadt und zum Detail lassen sich in der Potsdamer Verwaltung, lassen sich in den beschließenden und maßgeblich entscheidenden Positionen offenbar nur mit der Lupe suchen. Dasselbe bei der übergroßen Mehrheit der Investoren und - mit Verlaub - auch der Geschäftstätigen.

    Der ins Bild gebrachte Bahnhof Griebnitzsee, jahrzehntelang Unterschlupf der Grenztruppen und seinerzeit von Mauern nahezu hermetisch umhaust, wurde nach 1989 eher notdürftig als filigran und schön restauriert. Viel zu breite Fensterrahmen, die mit den filigraneren Vorgängerfenstern nur die Gliederung gemein haben, haben den Bau ebenso vergröbert wie der Bahnhof durch die Süddrehung hin zur Universitätsstadt verwaist ist, wo es zudem offensichtlich keinen Spaß mehr macht, für einige verbliebene Meter unten den Weg ans Wasser zu suchen. Mit Glück kommt Leben im Sommer auf die im Norden befindliche MItteinsel. Der abgebildete Flügel ist allerdings noch nie dem Bauwerk gemäß genutzt worden, vielmehr nur im Sinne einer Billigbude, die hier, da oder auch ganz woanders hätte sein können.

    Der Denkmalschutz in Potsdam erweist sich - bei allen Verdiensten ansonsten zweifellos, die hier nicht in Abrede gestellt werden sollen - als zahnloser Tiger, der sich auf dreifach verdrehte Gitter stürzt, die nur die Bewohner des Hauses selbst in Augenschein nehmen können und auf Oberlichter, die - trotz originalgetreuer Gestaltung - keine Klappe haben dürfen, weil genau dies ein ungeheurer Eingriff in die Denkmalwürdigkeit des Hauses sei. Demgegenüber sind metergroße, schreiende und dauerhaft angebrachte Cutman-Figuren, weil nicht baulich untrennbar mit der denkmalgeschützten Barockfassade verbunden, mit dem Denkmalschutz ebenso kompatibel wie jene große Zahl von Auslegern an jedem zweiten Geschäft in der Brandenburger Straße, die sich zu 90 % NICHT auf die jeweilige Fassade beziehen, sondern genauso daherkommen wie ihre Brüder und Schwestern in Einkaufszentren und an Neubauten. Das Gleiche auch - weil ebenfalls keine BAULICHE Veränderung - bei den Fenstern in der 1. Etage der Barockhäuser, die oftmals zu nichts anderem taugen als dafür, verglaste Hintergrundfläche für schreiende, aufdringliche Werbung zu sein.

    Das nenne ich ebenso amtsverwalteten Denkmalschutz rein nach Paragraphen und völlig entgegen der menschlichen Anschauung, wie der hier angesprochene Abriss des Hauses Dietz, treffender: die Weigerung, das Haus weiterhin unter Schutz gestellt zu haben. Dass mit dem Neuaufbau des Hauses und der kreativen, bemerkenswerten Veränderung der Eingangssituation der Denkmalwert des Hauses abhanden gekommen sei, dies halte ich für genauso "stimmig" wie etwa dem Quedlinburger Schlossberg oder der Wartburg in Eisenach aufgrund späterer Umbauten - das Letztere, wie sie weder Elisabeth, noch die Sänger noch Luther gesehen haben - deren Denkmalwert absprechen zu wollen.

    Solche rassistischen Sprüche helfen mir nicht und lassen das Forum auch in einem schlechten Licht dastehen. Das Problem mit den radikalen Islamisten wird sich mittelfristig von alleine lösen. Allerspätestens dann, wenn eine Alternative zum Erdöl aus dem Nahen Osten gefunden wurde...

    ... allerspätetestens dann, wenn wir Kultur und auch Sprache wieder so wertschätzen, dass andere und auch Zugezogene tatsächlich wissen, wovon wir reden.

    Wie sollen denn andere die hiesige Kultur achten, wenn hier Geborene sie sehr sehr oft selbst nicht achten, aus einem Missverständnis heraus, das alles wäre an Nationalismus grenzende Engstirnigkeit? Selten war ich betretener, als Exil-Chilenen zur Gitarre griffen und mit Herzblut ihre Volkslieder sangen, meine Generation aber stumm blieb, weil unsere seinerzeit in die Unbekanntheit gefallen waren.

    Ist Stadtbild Deutschland nicht eine verhaltene und hoffentlich auch selbstbewusste Besinnung darauf, jenseits des zum Krieg hin führenden Traras, infolgedessen es in den 1970ern fast schon als schwarzbraun galt, den Namen dieses Landes überhaupt in den Mund zu nehmen?

    @ Volker,

    das Foto markiert denn schon die Metamorphose des Berliner Alex, beginnend vom gut gestalteten Grund und dann dem Aufbauen darauf bis hin zum heutigen oder künftigen -pardon- Missverständnis, den Menschen mit einem Vogel zu verwechseln oder dass wir den Umstand vollbringen müssen, die Architektur immer nur aus gehöriger Ferne zu betrachten.

    Wer die Entrücktheit nicht will und die eigene Blickperspektive nicht mit derjenigen eines Vogels verwechselt, kann nach meiner Empfindung eigentlich nur erschlagen sein.

    Im Grunde genommen wird am Alex der Grundkonflikt zwischen dem US-amerikanischen Städtebau und dem europäischen Städtebau ausgetragen, dem klassischen Sinnbild der europäischen Stadt, wie wir es von den Zentren in Prag, Rom und Lissabon, von Budapest, Köln und Hamburg, von Wien und München her kennen. Kein Hochhaus darf höher sein als die Münchner Frauenkirche, so wurde für mich recht weise in München seinerzeit entschieden, Hamburg tat gut daran, seine wenigen in der Innenstadt stehenden Hochhäuser nicht in Sichtkonkurrenz zu den stadtildprägenden Kirchen und zum Rathaus treten zu lassen und den Kölnern wurde es erst seitens der UNESCO beschieden, dass der Kölner Dom nicht nur zu sehen sein muss, sondern auch rundherum sein Wirkungsfeld braucht. D. h. bis hin nach Deutz.

    Für mich ist das beileibe nicht nur eine Frage der empfunden ansprechenden oder der anspruchslosen Ästhetik, mit gleicher Berechtigung geht es auch um grundsätzliche Bauhöhen und die in Aussicht gestellte Massivität, die sich daraus ergibt. Die Vorstellung, dass es erst einmal eine Ansammlung von Höhenkonkurrenten braucht, damit Aufmerksamkeit und Erfolg sich einstellt, halte ich für genauso verfehlt, wie dass erst einmal ein Kracher (!) bei Manager- und Fußballprofi-Entgelten da sein muss, um das Entsprechende dauerhaft in den Schlagzeilen zu halten. Außer Gebäuden, die sich über sich selbst erheben, außer dass Mäntel, die eh schon zu groß sind, künftig noch weiter über Kopf und Kragen gehen, wird da nichts rauskommen. Mit der dahingeschiedenen 5 Millionen-Einwohner-Vision sollte auch die Ehrlichkeit da sein, dass Manhattan kein nachahmenswertes, eher schon ein bedauernswertes Beispiel des menschlichen Städtebaus ist. Um so fataler ist es m. E., wenn in Berlin gerade einmal 700 Meter vom neu erbauten [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] (/Humboldtforum) eine ganze Batterie Hochhäuser das Kerngebiet der Stadt nach Osten hin faktisch abriegelt.


    Was den Kernbereich der Stadt angeht, werde ich überzeugter klassischer Europäer bleiben. Nicht zuletzt geht es auch um die Achtung der 1969 in die Höhe gebrachten Dominante ...

    - mit der zeugnisgebenden Aussage, dass sie und ihr Lager die Ersten waren, die mit dem Sputnik "da oben" waren, heute unpolitischeres Sinnbild des "i" in einschlägigen Berlin-Magazinen -

    ... auch wenn die DDR selbst es war, die meinte, einen Steinwurf vom Fuße noch eine Höhenkonkurrenz hinstellen zu müssen

    Im Fall Stefan Kramer muss wohl angemerkt werden, dass er sich nicht auf den Marktplatz gestellt hat und keineswegs gefordert hat, dass die Garnisonkirche nicht gebaut werden soll, vielmehr war das ja ein zurückhaltend vorgebrachter Punkt in einer Stellungnahme, in der es um das städtische Gedenkkonzept ging. Erfrischender hat sich da schon Walter Homolka geäußert, Leiter des Abraham-Geiger-Kollegs, der von Berührungsängsten nun überhaupt nichts hält.

    Aufschlussreich in anderer Hinsicht ist übrigens eine Stellungnahme von Martin Vogel, wenngleich auch als Mitglied durchaus parteiisch, was allerdings die Klarheit keineswegs trübt: Er sprach von doppelter Religionsfreiheit, die wir gemeinhin ja auch aus anderen Zusammenhängen kennen. Niemand darf zur Religion gezwungen werden -in diesem Sinn also frei von Religion- und es besteht die Freiheit zur Religion, die folglich auch unter spezifischem Schutz stehe. Übersetzt auf den Bau der Garnisonkirche: 1. Niemand werde zukünftig gezwungen sein, Gottesdienste zu besuchen und sich Orgelkonzerte anzuhören oder vom Turm aus die Stadt zu beschauen. 2. Die Freiheit zur Religion weist nun die Kirche als Bauherr ihrer Kirche aus und damit auch ihrer inneren und äußeren Gestaltung.

    Nicht nur ein formales Argument. Wäre es nicht ein glattes Missverständnis von Demokratie, dass die augenblicklich im Lokal anwesenden Gäste per Mehrheitsentscheid bestimmen, dass für den heutigen Abend nur Bier getrunken werden dürfe, per TED-Umfrage entschieden wird, ob der per N 24 sichtbare Delinquent nun wegen seines guten Eindrucks laufengelassen oder aber im Knast verschimmeln soll?