Das würde ja auch auf Diebe zutreffen, die einen Apfel aus dem Garten klauen, oder jemanden, der unberechtigt auf deinem Anwohnerparkplatz steht.
Bei den beiden Fällen greift die sogenannte "sozialethische Einschränkung der Notwehr", die die Anwendung von Gewalt bei extrem geringfügigen Rechtsgütern untersagt. In der Literatur wird da je nach Autor ein Grenzwert von zwischen 20 und 50 € angesetzt.
D.h. den Apfeldieb dürfte ich nicht erschießen, weil ein Apfel unter 20 oder 50 € wert ist, wohl z.B. aber einen Auto- oder Juwelendieb. Aber wie gesagt: immer vorausgesetzt, mir steht kein milderes Mittel zur Verhinderung des Diebstahls zur Verfügung als das Erschießen, was i.d.R. natürlich nicht der Fall sein dürfte, d.h. es wird mir höchstwahrscheinlich in beiden Fällen irgendein milderes Mittel zur Verfügung stehen, so dass die Erforderlichkeit eines tödlichen Schusses zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffs nicht gegeben ist. Erforderlichkeit hat aber nichts mit Güterabwägung zu tun (was oft falsch verstanden wird).
Beim Schusswaffengebrauch hat sich in ständiger Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass jemandem, der im Besitz einer Schusswaffe ist, bei Eigentumsdelikten grundsätzlich immer der Warnschuss als gleichwirksames, aber milderes Mittel zur Verfügung steht. Auf die Weise versucht man, den Schusswaffengebrauch im Rahmen des Notwehrrechts sozusagen "durch die Hintertür" über das Erforderlichkeitskriterium einzudämmen.
Ob das mit dem Warnschuss als "gleichwirksames" Mittel wirklich so grundsätzlich stimmt, ist natürlich fraglich und eigentlich von den empirischen Umständen abhängig.
Ungeachtet dessen zeigt diese Argumentationsfigur aber gerade, dass es eben nicht um Verhältnismäßigkeiten oder Güterabwägungen geht, sondern einzig um die Frage der Erforderlichkeit. Sonst müssten die Gerichte ja eben nicht diesen merkwürdigen Umweg über die Möglichkeit des Warnschusses gehen.
P.S.: Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass nach ständiger Rechtsprechung das Erschießen des Auto- oder Juwelendiebes als Notwehrmaßnahme gegen den rechtswidrigen Angriff auf das Rechtsgut des Eigentums zulässig ist, wenn der Warnschuss ohne Erfolg bleibt und auch kein sonstiges milderes Mittel zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffs zur Verfügung steht.