Posts by Philon

    Ich nehme an, wenn Du so schreibst, dann war die Stadt für die komplette Nahversorgung zuständig?

    Richtig.

    Auch zählt natürlich rein dabei, wie direkt eine solche Verbindung ist. Wenn ich bei einer täglichen einfachen Fahrt von einer Stunde auch noch mehr als einmal umsteigen muss, dann macht das wohl in der Praxis kaum einer.

    Zweimal umsteigen und dann kam man noch in einer Ecke der Stadt raus, die ca. 1,5 Kilometer außerhalb des Zentrums lag. Bis zum Zentrum also nochmal mindestens 20 Minuten mit dem Bus oder 30 min. zu Fuß.

    Bei einem jungen bis mittelalten Durchschnittarbeitnehmer würde ich pro Tag Gesamtfahrtzeiten bis maximal 2 Stunden ansetzen für alle Erledigungen.

    Das geht halt nur, wenn du feste Arbeitszeiten hast. Wenn du Überstunden machen musst, als Selbständiger tätig bist oder - wie in meinem damals Fall - unter massivem Druck stehst, zu publizieren und Drittmittel einzuwerben, um deinen Job nicht zu verlieren (den ich dann doch aus politischen Gründen verloren habe, wie du dich erinnern wirst), dann kannst du dir zwei Stunden pro Tag für Erledigungen, Pendeln etc. schlicht nicht leisten.


    Ihr redet halt alle aus sehr aus ökonomisch und sozial sehr privilegierten Positionen heraus. Denkt halt einfach mal darüber nach, wie sich diese Diskussionen für Leute anhören, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht.

    Wenn alles andere versagt, würde ein dreirädriges Fahrrad helfen.

    Ja, die kosten halt nur 2000 bis 3000 €. Wovon soll ich mir das als unbezahlter (also de facto arbeitsloser, wenngleich mit Lehrverpflichtungen bedachter) außerplanmäßiger Professor leisten? Das ist wieder nur was für die Privilegierten.

    Übrigens ist das nicht nur irgendeine Idiosynkrasie von meiner Seite. Ich meine mich daran zu erinnern, einmal in einer Studie gelesen zu haben, dass 60% derjenigen, die das Auto für innerstädtische Strecken bevorzugen, nur deshalb nicht das Rad benutzen, weil sie Angst vor dem Radfahren haben.

    Da hilft eine bessere Ökobilanz des Fahrrads gar nichts.

    Übrigens hatte ich die Angst vor Radfahren auch schon vor dem Unfall; der hat sie nur verstärkt.

    Für mich ist die Idee, auf einem Gefährt zu sitzen, das nur dann nicht umfällt, wenn es sich bewegt, völlig kontraintuitiv und deshalb eben angsteinflössend. Das war immer schon. Vielleicht, weil ich immer schon so einen schlechten Gleichgewichtssinn hatte.

    Ich bin als Kind auch mal heftig mit dem Fahrrad gestürzt und hab mir einen Zahn ausgeschlagen, fühle mich deshalb heute aber nicht unsicher auf dem Rad.

    Schön für Sie, aber auf so etwas reagiert halt jeder anders, je nach Charakterdisposition.

    Philon Mal unabhängig vom Fahrradfahren: wurden die Gründe für den schlechten Gleichgewichtssinn mediznisch abgeklärt? Ansonsten kann man den auch trainieren.

    Wie soll ich den trainieren, wenn ich bei jeder Radfahrt Angstzustände bekomme und das Radfahren deshalb, wo immer es geht, vermeide?

    Zumindest, wenn man für diese echte Freiheit kämpft, überall mit irgendeinem sauberen Verkehrsmittel zu angemessenen Kosten und Aufwand zu kommen.

    Wer definiert, was "angemessene Kosten und Aufwand" sind? Ich habe längere Zeit in einer ländlichen Gegend in Bayern gelebt; da hätte ich zur nächstgelegenen Stadt knapp zwei Stunden gebraucht, wenn ich den Bus benutzt hätte. Fahrrad fiel aus den im vorigen Beitrag genannten Gründen weg. Im Auto habe ich 15 Minuten gebraucht.

    weil es nämlich verdammt viele Gründe FÜR und verdammt wenig Gründe GEGEN Fahrradfahren gibt als Alltagsfortbewegungsmittel.

    Ich habe einen ganz schlechten Gleichgewichtssinn, bin als Kind mal mit dem Fahrrad richtig auf die Nase geflogen und fühle mich auf dem Fahrrad extrem unsicher, zumal im Stadtverkehr, aber nicht nur dort. Radfahren ist für mich jedes mal mit regelrechten Angstzuständen verbunden.
    Das ist für mich ein verdammt guter Grund GEGEN Radfahren. Ich reagiere dementsprechend auch ziemlich allergisch, wenn mir jemand das Radfahren aufdrängen will.

    Das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche äußert sich wohlwollend zum Kompromissvorschlag. Rathauschef Schubert stellt klar: Kein städtisches Geld für Wiederaufbau der Garnisonkirche.

    Ich verstehe immer noch nicht, was daran ein "Kompromiss" sein soll. Die Gegner der Rekonstruktion haben sich auf ganzer Linie durchgesetzt und verkaufen das nun als Kompromiss? Lächerliches Framing.
    Das ist so, als würde die Gewerkschaft bei Tarifverhandlungen 5% mehr Lohn fordern und die Arbeitgeber 0,5% anbieten und am Ende stimmt die Gewerkschaft dann den 0,5% zu, weil die Arbeitgeber am längeren Hebel sitzen - und dann verkaufen die Arbeitgeber das als gelungenen "Kompromiss".

    Wer lässt sich durch so ein durchsichtiges Manöver eigentlich ins Bockshorn jagen?

    Langsam reicht es wirklich. Trüby behauptet allen Ernstes, das Schloss sei mit Einnahmen aus dem Sklavenhandel in Groß-Friedrichsburg finanziert worden. Das ist völlig absurd. Die brandenburgischen Einnahmen aus dem kolonialen Abenteuer von Groß-Friedrichsburg haben nie mehr als einen verschwindend geringen Teil der Einnahmen Brandenburgs ausgemacht. Damit kann man kein Schloss finanzieren.

    Ebenso wenig gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass die Einnahmen aus der Kolonie gezielt für den Schlossbau verwendet worden wären. Wäre auch gar nicht gegangen, denn ab allerspätestens 1700, wahrscheinlich schon einige Jahre früher, war die Kolonie defizitär, ein Verlustgeschäft. Der barocke Neubau des Schlosses begann aber erst 1699. Und mit einem Verlustgeschäft kann man nun wirklich keinen Schlossbau finanzieren.

    Was Herr Trüby da verbreitet, ist nicht mal mehr Geschichtsklitterung, das sind einfach nur noch gezielte Unwahrheiten.

    Die russische Kirche will heilen und versöhnen. Der Gedanke, Wunden offen zu halten, ist aus ihrer Sicht widersinnig. Sie strebt vielmehr nach Harmonie, auch nach einer harmonischen Verbindung mit den Vorfahren. Selbst ein völlig neu geschaffener Kirchenraum sieht daher immer aus wie eine russische Kirche.

    Das ist in der Tat ein fundamentaler Unterschied zwischen dem Protestantismus und der Orthodoxie (die Katholische Kirche steht irgendwo dazwischen).

    Das hat ganz tiefe Wurzeln in der europäischen Geistesgeschichte, genauer gesagt in der Frage nach Sündenfall und Erbsünde und damit nach der Soteriologie: Das Denken der Westkirchen hat seit Augustinus (der ja Luthers eigentlicher Lehrmeister war) den Tod Christi als Erlösung von einer tatsächlich von Individuum zu Individuum weitervererbten Ursünde Adams und Evas verstanden. (Augustinus - der m.E. nach in seinem tiefsten Inneren immer Manichäer geblieben ist - ging ja in seinen spätesten Schriften sogar so weit, eine Reinkarnationslehre anzunehmen, um begründen zu können, wie man eine individuelle Schuld sollte denken können, die nicht durch das eigene Handeln, sondern durch Vererbung entsteht).

    Der Kreuzestod Christi erscheint damit als eine paradoxe Selbstbestrafung Gottes zur Tilgung der vermeintlichen Schuld der Menschen. Das hat in den Westkirchen insgesamt, aber vor allem im Protestantismus, zu einer ungesunden Obsession mit der Schuld und einer geradezu pathologischen Fixierung auf Leid und Tod Christi geführt.

    Das Fortwirken dieses Denkens in säkularisierter Form erklärt dann m.E. auch die ganze gedankliche Pathologie um Rekonstruktionen, mit der wir hierzulande konfrontiert sind.

    Im Denken der Ostkirchen wurde die Erbsünde dagegen nicht als individuelle Schuld der Nachgeborenen, sondern einfach als Grund und Ursache von Tod, Leid und Schlechtigkeit in der Welt gesehen. Der Kreuzestod Christi wird damit nicht als eine stellvertretende Selbstbestrafung Gottes für die Sünden anderer verstanden, sondern einfach als Überwindung der Folgen der Erbsünde in Form von Leid, Tod und Schlechtigkeit gesehen.

    Deshalb ist die Orthodoxie auch nicht auf Schuld, Leid, Tod und Sünde fixiert, sondern auf den Sieg Christi über den Tod und das Böse: Die zentrale Ikonographie der Orthodoxie ist nicht die Darstellung von Christus am Kreuz, sondern Christus Pantokrator.

    Daher sind orthodoxe Länder auch deutlich weniger auf "Sünden der Vergangenheit" fixiert und wollen nicht um jeden Preis irgendwelche "Wunden offenhalten".

    Ich halte Augustinus tatsächlich für die Nemesis des Westens. Wenn wir es nicht schaffen, uns von den Nachwirkungen seiner unseligen (und philosophisch wie theologisch auch unsinnigen) Erbsündenlehre und Soteriologie zu befreien, ist der Westen verloren. Augustinus hat den Keim all dessen in das westliche Christentum eingepflanzt und Luther und Calvin haben nochmal ordentlich nachgelegt.

    Ich hab doch geschrieben, dass es von SirMocs Link stammt.

    Das genügt aber nicht. Man kann eine Urheberrechtsverletzung nicht durch eine Quellenangabe vermeiden, es sei denn, der Inhaber des Urheberrechts hätte der Verbreitung seiner Werke unter der Bedingung zugestimmt, dass eine Quellenangabe erfolgt (wie das bei wiki commons der Fall ist).
    Wenn der Urheber der Verbreitung seiner Werke nicht zugestimmt hat, ist und bleibt es eine Urheberrechtsverletzung, auch wenn eine Quellenangabe erfolgt.

    Außerdem wurde in dem Beitrag auch Bildmaterial von Google Earth verwendet und da ist rechtlich im Moment einfach noch zu viel unklar. Google hat zwar eine "fair use"-Politik, aber ob die deutschem Recht entspricht, ist nicht sicher.

    Ist es nicht so, dass der entsprechende Fotograf 70 Jahre tot sein muss, damit es gemeinfrei ist?

    Ja. Vom bloßen Aufnahmedatum der Fotos her kann man deshalb nicht auf ein Erlöschen des Urheberrechts schließen. Man muss das Sterbedatum des Fotografen kennen.

    Der Beitrag von VonSalza musste leider wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen gelöscht werden. Leute, wenn ihr nicht selbst das Urheberrecht an einem Foto habt, dann bettet es nur ein oder verlinkt darauf. Bitte! Der Verein stand wegen so einer Geschichte schon mal kurz vor dem Bankrott. Nochmal so was und Stadtbild Deutschland e.V. ist Geschichte.

    Ich meine, es ging doch auch anders. Ich habe in meiner Studentenzeit in ganz wunderbaren alten Häusern in den Altstädten von Heidelberg und Tübingen gewohnt. Alle saniert, aber so behutsam, dass die ganze Struktur des barocken oder mittelalterlichen Hauses mit seinen schiefen Treppen, Durchgängen, abenteuerlichen Stiegen, Fachwerkkonstruktionen erhalten war.

    In einem um 1340 gebauten Haus in der Tübinger Altstadt, in dem ich öfter zu Besuch war, fehlten am Ende der obersten Stiege 30 cm und man musste auf die Diele gegenüber springen! Die Wohnung dahinter war dann ganz wunderbar behutsam saniert. Herrlich.

    Möglichenfalls sind das ja Spätfolgen des damaligen Stadtumbaus...

    Definitiv. Ich habe heute zufällig diesen Artikel über die "Sanierung" (sprich: den Abriss) der Altstadt von Bad Godesberg in den 70ger Jahren gefunden: https://www.sueddeutsche.de/leben/deutschl…stadt-1.2577752

    Sehr lesenswert. Zitat:

    "Es war einmal eine Altstadt. Nicht die Bomber der Royal Air Force haben Bad Godesberg zerstört wie so viele andere Orte, nicht die heftigen Kämpfe um das Rheinland im Frühjahr 1945, vor denen es wundersam verschont blieb. Es waren die Stadtplaner. Jahrzehnt um Jahrzehnt, seit 1960, haben sie ihre Innenstadt verhunzt im Namen des Fortschritts und der Moderne. Wer heute durch die City wandert, gewinnt den Eindruck, diese sei eine Art Strafkolonie für die unbegabtesten Architekten der Nachkriegszeit gewesen."

    Du meine Güte, ich lese gerade auf dieser wunderbaren Website von Dr. Dr. Kallenbach einiges über das Schicksal von Häusern der Koblenzer Altstadt: https://www.dr-dr-reinhard-kallenbach.de/koblenzer-alts…%C3%A4userbuch/

    Das ist wirklich und wahrhaftig erschütternd, was man da teilweise zu lesen bekommt. Offenbar hat es in der Koblenzer Altstadt in den 1970ger und frühen 1980ger Jahren noch einmal eine brutale Abrisswelle gegeben. Bei jedem zweiten oder dritten Haus lese ich etwas wie "Das Haus xy stammte im Kern aus dem Mittelalter [wahlweise: dem 17. Jahrhundert]. Im 19. Jahrhundert historistischer Umbau der Fassade. 1979 im Zuge der Altstadtsanierung Abriss und Neubau des Hauses unter Erhalt der Fassade."

    Sprich: Aus im Kern mittelalterlichen oder barocken Häusern wurden Häuser des späten 20. Jahrhunderts mit Fassaden des 19. Jahrhunderts; vom Mittelalter nichts mehr übrig außer ein paar Kellergewölbe.

    Das ist doch nicht zu fassen: Da wird eine Stadt 1945 zu 87% zerstört und das bisschen, was vom Mittelalter und der Frühen Neuzeit übrig geblieben ist, reißen sie dann 30 Jahre später auch noch ab. Da wurden offenbar zwischen 1975 und 1980 ganze Häuserblocks in der Altstadt abgerissen und das Ganze mit ein bisschen Fassadenerhaltung oder durch historisierende Fassaden im Laubsägearbeiten-Stil beschönigt.

    Was sind das für Leute, die so etwas tun? Ich verstehe diese Menschen schlicht nicht. Was ist damals in die Deutschen gefahren? In Italien oder Frankreich wäre so etwas doch absolut undenkbar.

    Ich sehe das grundsätzlich so ähnlich wie Majorhantines, habe mit dem Bau aber inzwischen auch meinen Frieden gemacht.

    Ich sehe die Rekonstruktion inzwischen als einen Vertreter einer Art von nostalgischem "Retrofuturismus", der uns zeigt, wie man sich in den späten 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts die Zukunft vorgestellt hat (https://de.wikipedia.org/wiki/Retro-Futurismus).

    Als solchen finde ich das Gebäude dann auch in Ordnung.