Aber, ich gebe zu bedenken, dass man sich Verzicht auch leisten können muss. Klingt zwar blöd, aber ist so. Verzicht macht erst dann "Spaß", wenn man auch verzichtet (also etwas nicht kauft/benutzt, das man kaufen oder benutzen könnte).
Ja, da hast du vollkommen Recht. Mir macht Verzicht Spaß, weil es eine bewusste Entscheidung dagegen ist, obwohl ich mir das leisten könnte. Armbanduhren, Smartphones, Spülmaschinen, Fernreisen, Luxusküchen, das alles interessiert mich nicht. Aber ist es nicht genau das, was die Forderung nach "Verzicht" beinhaltet? Diejenigen, die sich etwas leisten können dazu zu bewegen zu überlegen, ob sie es auch wirklich brauchen. Denn Verzicht muss ich niemandem predigen, der sich das eh nicht leisten kann.
Und ja, je mehr man sich leisten kann, desto weniger verlockend sind Statussymbole. Auch bei uns in der Arbeit kommen die Führungskräfte mit dem Rad und die Hausarbeiter mit dem BMW. Liegt aber vielleicht auch daran, dass sich die Führungskräfte die Wohnungen im Umfeld leisten können, und die Hausarbeiter was günstiges am Rand brauchen.
Für mich ist die "Verzichtsrhetorik" eigentlich eher eine Einstellung, die auffordert nachzudenken bevor man konsumiert. Und die richtet sich logischerweise umso mehr an jene, die finanziell potent sind. Und die verursachen ja auch die größere Umweltbelastung als jene, die arm und beengt leben.
In meinem Elternhaus gab es direkt nach der Wende eine Strömung "wir sind doch nicht bei armen Leuten"... wenn z.B. darüber diskutiert wurde ob man aus den alten Kartoffeln und Eiern noch was zubereiten könne oder nicht einfach was neues kaufen geht. Tatsächlich hat sich das "Resteverwerten" stark verringert, was mich wiederum als junger Mensch sehr geprägt hat.
Ebenso sind mir früher gelegentlich Kunsthochschüler begegnet, die sich für Umweltschutz ausgesprochen haben, aber bekundeten, ständig nach Afrika zu reisen, um dort Projekte zu machen oder Stoffe zu kaufen. Oder ich lese von dem jungen Filmemacher, der soeben einen Dokumentarfilm gedreht hat, für den er mehrfach mehrere Kontinente anflog. Und dann erzählt er in einem Interview, dass er heute aus Klimaschutzgründen eine solche Reise wohl nicht mehr machen würde.
Ja, das kenne ich. "Erleben ist das neue besitzen", sagen mir junge Leute, die sich in einem bescheidenen Lebensstil wähnen, allerdings unbedingt die ganze Welt sehen wollen. Für mich ist es das gleiche. Es reicht wohl nicht, sich Dokus und Fotos anzuschauen, oder jemanden zu kennen der einem alle Fragen dazu beantwortet, nein man muss die Wunder dieser Welt alle mit eigenen Augen gesehen haben. Das ist letztlich auch eine Form des Besitzens, in dem man unbedingt etwas selbst gesehen und angefasst haben muss. Ich selbst war noch nie in Spanien, Griechenland, der Türkei, Asien, Afrika oder so. Trotzdem habe ich aber schon viel gesehen und meine vier USA-Reisen sind ökologisch sicher auch nicht ohne gewesen. Hätte ich auf das verzichten können? Gewiss, aber ich hatte eine Ausrede. Ich halte fest: Verzichten kann man nur, wenn man gut genug verdient. Verzicht macht dann sogar Spaß. Aber wenn man richtig verzichten will, oder soll, dann wird das ganz schnell kritisch. Denn man verzichtet leider auch nur auf das gerne, worauf man eh nur wenig Bock hat.
Am leichtesten kann man auf das verzichten, was es garnicht gibt. Und der Gedanke, dass man als Millionär bald unbedingt einen Parabelflug gemacht haben muss, wie es sich ja gerade andeutet, muss ein Graus sein für alle, die sich um die Umwelt sorgen machen.