Der Denkmalschutz hat offensichtlich mindestens zwei Dimensionen, die die Fachleute bewegen: Schönheit und künstlerischer Wert sowie geschichtlicher und dokumentarischer Wert. Denkmalschützer behaupten immer, dass das ja nichts mit Schönheit und Ästhetik zu tun habe. Das überzeugt mich aber nicht, denn in der Praxis erkennt man dann doch, dass wunderschön erhaltene Gebäude denkmalgeschützt sind, und ein spiegelbildliches Nachbarhaus eben nicht, weil es nicht so schön ist, obwohl es ja dieselbe Bedeutung haben müsste. Der Schutz wurde hier aber versagt, weil es verändert wurde. In der Dimension "Schönheit und Künstlerischer Wert" bedeutet das, dass Ding ist verändert und hässlich und wird deshalb nicht geschützt. In Nürnberg gibst da verschiedene Beispiele. Andersherum verhält es sich beim Kaufhof nun: Hier greift ausschließlich die Dimension "geschichtlicher und dokumentarischer Wert", denn das Haus ist weder schön noch original erhalten.
Mit alledem könnte man leben, wenn das eine nicht immer wieder gegen das andere ausgespielt würde: Die Hauptpost am Nürnberger Hauptbahnhof wurde auf Antrag auch auf Denkmaleigenschaft geprüft, Ergebnis hier: Zu oft verändert. Das heisst, nicht schön, aber häufig verändert! Aber die Veränderungen erhöhten den Denkmalwert nicht, sondern sie haben ihn verringert. Ebenso die Martin-Richter-Straße 19 (schön, aber häufig verändert), das Fränkische Überlandwerk usw. usf. Erstaunlich, oder? Beim Kaufhof dagegen hiess es, nicht schön, aber häufig verändert und dadurch wertvoll. Das ist mehr als überraschend, wenn man sich die Denkmalpraxis über die Jahre ansieht.
Der einzige rote Faden, den ich erkenne, sind die jeweiligen wirtschaftlichen Hintergründe: Wenn ein Eigentümer politischen Einfluss geltend macht, dann gilt das Argument "häufig verändert" als k.o.-Kritierum. Wenn der Eigentümer jedoch politisch irrelevant ist oder keine Absichten hat, gilt dies nicht und der Denkmalschutz greift zu. Das "häufig oder stark verändert"-Argument ist also nur ein Hilfskritierum, welches eine negative Entscheidung zugunsten eines abrisswilligen Eigentümer ermöglicht, ohne das die Behörden sich hier unangenehmen Diskussionen aussetzen müssten. Denn wie das Kaufhofbeispiel entlarvend zeigt, hätte es o.g. Abrisse nie geben dürfen, weil der Denkmalschutz gegriffen hätte. Für die Stadtpolitik wäre das aber ein Desaster, wenn Investoren daraufhin abziehen und der Kommune maroden Leerstand hinterlassen.
Das Problem ist also, dass rein formal betrachtet jede Veränderung einen dokumentatorischen Wert haben muss. Wenn man diese Veränderungen als Wert jedoch nicht anerkennt, oder negiert, dann fällt man offensichtlich in die "Schönheitsfalle". Zutiefst menschlich, aber unwissenschaftlich. Wenn man diesen Wert zwar sieht, aber als solchen nicht anerkennen darf sondern als Vehikel nutzen muss, um den Denkmalschutz zu verwehren um einer gewollten Stadtentwicklungspolitik Platz zu machen, dann bekommt der Denkmalschutz das Glaubwürdigkeitsproblem das er heute hat.
Zu lösen wäre das nur, indem man dem Denkmalamt nicht das "letzte Wort" zugesteht, wie die Presse immer wieder so schön beschreibt, sondern das "erste Wort", wie es faktisch auch läuft. Denn dadurch werden die Denkmalschützer immer wieder dazu gezwungen, gegen ihre eigenen Prinzipien zu vergutachten, deren Vorhandensein ich grundsätzlich unterstelle, damit andere ihr Gesicht wahren können. Das bedeutet, dass eine andere öffentliche Stelle ein Denkmalgutachten eigentlich beiseite wischen können dürfte ohne dass der Zwang entsteht, ein in die Pläne passendes Gutachten zu formulieren.
Die Auswirkungen auf den bestand wären aber verheerend: Wenn ich ein denkmalgeschütztes Gebäude abreissen möchte, dann hätte ich nun Präzedenzfälle die belegen, dass der Denkmalschutz nicht das letzte Wort hat.
Vielleicht wäre die sauberste Lösung, wenn z.B. im Falle der Hauptpost ein positives Denkmalgutachten einem Abriss dennoch nicht im Wege gestanden hätte, wenn der Investor hierfür eine gewisse Entschädigung im Stadtbild hätte leisten müssen, z.B. indem er sich finanziell beteiligt bei der Erhaltung städtischer Sorgenkinder im Denkmalschutz oder so.
Wie dem auch so, sorry für meine noch unsortierten Gedanken, mich treibt das aber durchaus um. Ich muss mir immer wieder anhören dass der Denkmalschutz nach wissenschaftlichen Maßstäben arbeitet, und womöglich ist die Kaufhofentscheidung eine Glanzleistung dessen, und dass Schönheit eben nicht ausschlaggebend ist, und Rekonstruktionen sogar abgelehnt werden. Ich erlebe aber in der Praxis durchaus Verzückung bei Denkmalschützern, wenn sie z.B. bei den Altstadtfreunden vollständig rekonstruierte Elemente sehen. Das ist schon seltsam. Und wenn man sich mal auf das Argument des dokumentationswert einlässt, wie bei der Hauptpost, der Umladehalle, oder der Bärenschanzkaserne, dann gilt das plötzlich trotzdem nicht. So könnte ich nicht arbeiten und würd meinen Chef mal um ein klärendes Gespräch bitten.