Beiträge von nothor

    Aber der alte Grundriss wurde beibehalten, damit bleibt die Altstadt als solche erlebbar.

    :D

    Ja, sensationell, dieser Anspruch. Man stelle sich mal vor man ist beim Zahnarzt wegen Zahnersatz, und fragt ihn wie das wohl aussehen wird, und er sagt dann genau das. :P

    Das offizielle Nürnberg ist leider devot, anspruchslos, folgsam und uninspiriert.

    Majorhantines Ich bleibe dabei, ich kann da nicht zustimmen. Es ist nunmal so dass in den Innenstädten oft noch herrschaftliche Gründerzeitwohnungen mit hohen Räumen, großer Fläche und eben guter Lage existieren, dass die dann eben in eine gewerbliche Nutzung gehen und nicht an die Großfamilie vermietet werden, ist nachvollziehbar. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich auch sagen, dass sich Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten auch in anderen Büroräumen niederlassen. Vielleicht bin ich naiv, aber wenn ich eine Liegenschaft für meine Firma/Büro suche, dann ist Lage/Fläche/Preis/Stellplätze sicherlich interessanter als das Baujahr und der Erhaltungsgrad des Gebäudes.

    ursus carpaticus Das Wort "Kopie" ist zumindest bezogen auf den Neptunbrunnen im Stadtpark korrekt, denn das Original befindet sich in St. Petersburg. Dasselbe gilt für den "Schönen Erker" am Sebalder Platz, das Original befindet sich im GNM. Da gibt es noch weitere Details, die ich jetzt nicht alle aufzählen kann. Ich verstehe zwar deinen Punkt, aber sehe es eben genau umgekehrt: Die Rekonstruktionen sind schon deshalb weil es kein "Original" mehr gibt selbst ein Original. Ich persönlich erkenne auch keinen Unterschied zwischen einer Rekonstruktion und einem Original.

    Die Argumentation, die immer wieder kommt, dass eine Reko nie so gut sein kann wie das Original läuft m.E. ins Leere, denn alle Originale werden durch ständiges Instandhalten und Anpassen an aktuelle Bedürfnisse soweit verändert, dass es sie von einem Ursprungszustand ebenso weit entfernt sind wie es ein saniertes "Original" wäre. Mein Satz "Lieber ein hässliches, ungeliebtes Original, als eine leuchtend schöne Kopie." trifft das, wie ich die Pellerhausdiskussion betrachte, sehr genau. Die Rekonstruktion wäre sicherlich nicht weiter weg vom damaligen Original wie ein sanierter Mayerbau, bei dem die Decken durchbrochen, ein Treppenhaus eingestemmt, die Dachlandschaft mit Technik vollgestellt und sonstige Veränderungen vorzunehmen wären. Aber da drücken die Denkmalpfleger immer ein Auge zu, Hauptsache die Fassade bleibt stehen und man hat gewonnen.

    Nachdem nun die Denkmalpflege auch Gebäude der 70'er Jahre in den Fokus nimmt, könnte man dann nicht sagen das alles was aus den 1970'ern und älter ist, auch historisch ist? tegula Du hast bei deinem Einwand völlig Recht, die Gründe für die Residenz können vielfältig sein, z.B. Verfügbarkeit und Preis. Ich halte auch nichts davon Architekten zu unterstellen, sie bauen hässlich und modern, residieren aber lieber in Gründerzeithäusern: Sowohl das eine, die Unterstellung man sichere sich den "Platz an der Sonne" und baue für die Menschen nur Unorte, als auch das Andere, dass man Gründerzeitbauten ja eigentlich liebe, es nur nicht laut sagen dürfe, ist daneben. Tatsächlich setzen sich die Personen, die sich in "Pro Pellerhaus" engagieren auch massiv für Gründerzeitsubstanz ein. Nur dazu braucht es keinen extra Club, denn hier besteht meistens breiter Konsens.

    Vielmehr ist es so, dass man die Denkmaleigenschaft verteidigt, weil es nunmal ein Denkmal ist, und entweder daraus folgend, oder auch grundsätzlich Rekonstruktionen ablehnt. Wenn man so will kann man es so auf die Spitze treiben: Lieber ein hässliches, ungeliebtes Original, als eine leuchtend schöne Kopie.

    Das interessante daran ist nur dass diese Personen auch Kopien sehr schätzen, wenn sie denn erstmal da sind. Niemand zweifelt heute die Bedeutung von Burg, Stadtmauer, Neptunbrunnen (eine 100%ige Kopie) und sonstigen wiederaufgebauten Wahrzeichen an. Bei den Projekten der Altstadtfreunde herrscht ebenso wiederkehrendes Staunen. Das ist m.E. die eigentliche Sünde, die ich diesen Leuten vorwerfe. Die Kopie zu verteufeln und sie gleichzeitig zu bewundern.

    ^

    Wie gesagt, eine Gruppe aus Denkmalpflegern und 50'er-Jahrefans, die kurzerhand eine Initiative gründen mussten um den Altstadtfreunden etwas entgegen zu setzen. Bis dahin waren die Altstadtfreunde die einzige Stimme aus der Bürgerschaft, natürlich für einen Abriss. Da musste halt etwas her das außerhalb der Verwaltungsstukturen und der etablierten Denkmalkreise steht. So muss man das sehen. Es sind aber die selben handvoll Personen.

    Die Altstadtfreunde hatten nichts dagegeben, aber die Bürgerinitiative "Pro Pellerhaus".

    Die Gruppe "Pro Pellerhaus" als Bürgerinitiative zu bezeichnen, im selben Satz mit den Altstadtfreunden, das ist zu viel der Ehre würde ich sagen. Die Gruppe setzt sich v.a. aus studierten Architekturtheoretikern zusammen, die auch in anderen Gremien wie der lokalen Denkmalpflege wirken und überwiegend den Stadtratsparteien Grün und Rot zuzuordnen sind. Dahinter stehen aber sicherlich nicht tausende Mitglieder, schon garnicht solche die Mitgliedsbeiträge zahlen. Die gesamte Argumentation von Pro Pellerhaus ist weithin deckungsgleich mit dem Denkmalgutachten und stellt auf eine Einzigartigkeit des Wiederaufbaus und der Wiederaufbauarchitektur in Nürnberg ab, die hier gewiss nicht unumstritten ist. Dasselbe Lager hat auch den Denkmalstatus für den Kaufhof zu verantworten, und der schmerzt nun wirklich und diskreditiert irgendwie auch das Pellerhaus. Gottseidank ist es nach wie vor so, die 50'ger Jahre Bauten sind nahezu immer problematisch und eine Weiternutzung bedarf enormer Investitionen und dazu meist noch massive Eingriffe in die Substanz. Beim Pellerhaus sind es die zu geringen Deckenhöhen, Dämmung, Fluchtwege, die zuletzt eine Sanierung für 35 Mio auf den Tisch brachten. Davon spricht nun mittlerweile niemand mehr. Beim kaufhof hat sich der MP für einen Abriss ausgesprochen, und hier ist der Nutzungdruck noch viel größer, sogar Denkmalpfleger sprechen schon davon, dass man im Innern ja das eine oder andere wird anpassen müssen.

    Wie dem auch sei. Ich habe meine Zweifel ob künftige Generationen diese Häuser mehr zu schätzen wissen als wir heute, auch wenn das immer wieder prophezeit wird. Anders als jene, die das Pellerhaus noch als Bibliothek aus ihrer Jugend kennen und es deshalb heute verklären kenne ich es nur als leerstehendes Sanierungsobjekt, das einem Renaissancejuwel im Weg steht. Ich wünsche den Altstadtfreunden den deutlich längeren Atem.

    Ich kann mit dem Chipperfield-Konzept gut leben. Denn das eigentliche Problem ist der Südbau von Sep Ruf, der das ehemalige Ensemble "GNM" stilistisch zerstört hat. Allerdings ist die Kiste mittlerweile auch historisch, und wenn man mal drinnen war muss man schon anerkennen, dass das ganz ausgezeichnete Ausstellungsräume sind. Durch die riesige Fensterfront steht man fast im Freien, im Tageslicht, und das hat was wenn man aus den anderen Trakten des Museums kommt. Die eigentliche Aufgabe wird durch Chipperfield gut gelöst: Reparatur des Ensembles aus ehemaligen Einzelgebäuden, Wiederherstellung der Wege und Beseitigen von Sackgassen sowie die Komplettierung des Klosterhofes.

    Richtig was rausholen könnte man, wenn man den gründerzeitlichen Südwestbau wieder in den Ursprungszustand zurück versetzen würde, so wie jemand es im DAF hier visualisiert hat. Das wäre ein lohnendes Projekt, zumal der Ruf-Bau als Nachbar ja ebenfalls in Bestzustand erhalten wird, wieso soll sein westliches Pendant also nur als Stumpf erhalten bleiben?

    Beide Mieten waren bzw. sind sehr angemessen. Ich verstehe allerdings nicht, was das mit den Heizkosten zu tun haben soll.

    Es gibt eine Korrelation zwischen a) Geringe Heizkosten mit hoher Miete und b) hohe Heizkosten mit geringer Miete. Geringe Heizkosten bei geringer Miete gibt es eigentlich nicht. Nach meiner Erfahrung werden geringe Heizkosten mit einem hohen technischen Aufwand in Bau und Sanierung sowie technischer Anlagen realisiert, und das muss halt mit der Miete wieder reinkommen. Selbst wenn man in einem alten Haus die Heizung garnicht anfasst und nur die Fenster austauscht ergibt sich eine massive Heizkostensenkung, aber das passiert i.d.R. nicht während ein Mieter drin wohnt, sondern meist nur vor der Neuvermietung, und wird entsprechend umgelegt. Also für mich ist dieser Zusammenhang quasi ein Naturgesetz: Keine Wohnung wartet nach einer energetischen Sanierung mit niedrigerer Warmmiete. Sowas hab ich noch nie gehört. Die meisten Menschen haben sich nur angewöhnt beides getrennt voneinander zu rechnen.

    ^

    Ich verstehe, aber das muss ja auch so sein. Selbst wenn das Haus, in das du 2019 gezogen bist nach den Maßstäben von 1995 neu gebaut wurde, wäre es vermutlich sparsamer gewesen. Wir haben auf einer Seite Fenster mit Zweifachverglasung von 1994 und auf der anderen Seite Zweifachverglasung von 2014, und die unterscheiden sich um ganze Dimensionen voneinander! Das Problem entsteht durch die Alterung von Materialien und Anlagen, und hinterfragen musst du aber unbedingt, ob deine Erfahrungen auf den sich beklagenden Ottonormalbewohner übertragbar sind. Wenn man Geld hat kann man immer problemlos schön leben und nimmt halt die Heizkosten dafür in Kauf, oder man lebt Heizkostensparend in dem man sich technische Anlagen zulegt. Einen Tod stirbt man immer, nur viele können sich diesen nicht leisten. Sie wollen günstig wohnen und auch keine Heizkosten bezahlen. Wenn ich aber als Vermieter in Dämmung, neue Fenster und Türen, PV, Wärmepumpe und alles neu investiere, mit all dem Unterhalt den das auch verursacht, werde ich wohl keine Wohnung am unteren Ende des Mietspiegels anbieten können. Manchmal hab ich das Gefühl dass das nicht verstanden wird oder einfach auf Wunder gehofft wird.

    ^

    Dass wir aber wieder darüber diskutieren, ob bei Bränden die Fassade eine Mitschuld tragen kann ist allein schon bitter genug. Hat man nicht schon im Mittelalter erkannt, dass eine steinerne Fassade entsprechende Vorteile hat? Heutzutage, wo moderne Fassaden Brände nicht mehr so widerstehen können wie noch vor 100 Jahren, gepaart mit zunehmender Brandlast an den Fassadensockeln durch E-Fahrzeuge und zunehmendem Müll sehe den Finger in der Wunde durchaus gerechtfertigt.

    Dass die Wärmedämmerei ein fast religiös zelebriertes Dogma ist, dass sich die Politik zueigen gemacht hat, um nebenbei die Bauwirtschaft anzukurbeln - denn das hat es in den Neunziger und Nullerjahren durchaus gebraucht - wobei für die Bewohner dafür oft nichts bei rumkommt ist doch längst Allgemeinwissen: Heizkosten lassen sich besser einsparen als Mietkosten. Es ist unklug, die dynamischen, kontrollierbaren individuellen Heizkosten einzutauschen gegen eine feste, vom Vermieter festgelegte Miete, die immer hoch ist egal wie mild ein Winter wird und egal wieviel individuellen Wärmebedarf man hat. Ich lese das aber immernoch fast täglich in der Zeitung, die Klagen von Verbänden und Mietern über zugige Wohnungen und schlechte Dämmung, wo man doch kaum Geld hätte zum heizen. Da steht aber nicht, ob die Leute das Geld für eine höhere Miete in einem gedämmten Gebäude ausgeben wollen, denn das wollen sie auch nicht. Entsprechende Zeitungsartikel reden der Industrie das Wort, und sind eben nicht im Interesse der Bewohner.

    Wenn man den Leuten den Eindruck vermitteln will, dass sich nichts ändert, alles so bleibt wie es war und sich jeder wieder beruhigt hinlegen soll, dann baut man auch unverändert so wie vor Jahrhunderten. Niemand muss sich an eine neue Optik gewöhnen. Das passt sicherlich in die gewünschte Botschaft der russischen Kirche.

    Ist ja nicht so, dass in Russland allerorts historisch gebaut wird. Die Russen protzen ebenso gerne mit Glashochhäusern wie die Araber und Chinesen, höher, weiter, schneller, niemand ist davor gefeit. Der Kirche ist aber die Aufgabe zugewiesen worden für alle, die Angst haben vor Veränderungen einen Raum zu bieten. Das macht man am Besten wenn man den Menschen die Konfrontation mit Neuem erspart.

    ^

    Das Pellerhaus ist ein Einzeldenkmal, und damit jede Türklinke und der Fensterkitt. Alles. Der Wiederaufbau des Hofes erfolgte sowohl unter Zustimmung des Denkmalamtes als auch unter Abstimmung mit ihm. Also ich wüsste nicht dass es hier eine behördliche Unterscheidung zwischen den einzelnen Elementen gibt. Eine Unterscheidung gibt es sicherlich aus bauhistorischer Sicht, wonach z.B. beim Fensterkitt sicher mehr Kompromissbereitschaft hinsichtlich des Fitmachens für die Zukunft besteht als beim Treppenturm, aber das hat erstmal nichts mit dem bestehenden gesetzlichen Schutz zu tun.

    Oder anders herum, die Wiederherstellung des Hofes ist ganz selbstverständlich Teil des Denkmals, da es den Wiederaufbauwillen der Bevölkerung selbst 80 Jahre nach Kriegsende zeigt. Inwiefern soll das weniger Denkmalwert haben als der orts- und traditionsfremde Mayerbau von 1957? Das ist ja das Problem, man kann ziemlich beliebig definieren, was warum ein Denkmal ist. Welche Version von wann weswegen.

    ^

    Ich kann den Denkmalschutz hier nachvollziehen, der Bau hat etwas ikonografisches, ich finde ihn stadtbildprägend und würde ihn wohl vermissen.

    Was ich an der Sache aber problematisch finde ist die Vorgehensweise, wie das Unterschutzstellen passiert, oder zumindest wie es der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Denn man bekommt absolut den Eindruck als seien das alles Entscheidungen aus dem Elfenbeinturm, von denen immer alle völlig überrascht sind. So war das schon beim Kaufhof und ich kenne weitere Beispiele, wo einfach der Bescheid im Briefkasten liegt und Ende der Durchsage. Dabei ist der Denkmalschutz in jedem Falle eine staatliche Institution und muss demokratisch legitimiert sein. Ich vermisse in diesem Sinne doch Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Sicher kann man argumentieren, dass Denkmalpflege wissenschaftlichen Maßstäben folgt und deshalb für Laien oft nicht nachvollziehbar arbeitet. Nun ist Denkmalpflege aber doch keine Mathematik oder Physik, die haben nämlich immer Recht. Sondern es ist schlicht Verwaltungstätigkeit, die Sachzwängen folgen muss und oft politisch arbeitet. Beweis dafür sind unzählige Denkmalabrisse, bei denen der Schutz dann "plötzlich aberkannt" oder aufgehoben wird. So als wären 2 + 2 dann doch nicht 4 sondern 3 gewesen. Oder der ganze weiter oben von mir angerissene Zwiespalt.

    Faktisch ist der behördliche Denkmalschutz nur eine von vielen Dimensionen der kommunalen Stadtentwicklung, und mehr ist es nicht. Der eigentliche Denkmalschutz, die Forschung und Pflege ist das, was die Altstadtfreunde tun: Bewahren und auch durch aktives Rekonstruieren erforschen. Der behördliche Denkmalschutz ist nur Sammlerei. Nichts wert ohne Menschen wie die Altstadtfreunde.

    Der Denkmalschutz hat offensichtlich mindestens zwei Dimensionen, die die Fachleute bewegen: Schönheit und künstlerischer Wert sowie geschichtlicher und dokumentarischer Wert. Denkmalschützer behaupten immer, dass das ja nichts mit Schönheit und Ästhetik zu tun habe. Das überzeugt mich aber nicht, denn in der Praxis erkennt man dann doch, dass wunderschön erhaltene Gebäude denkmalgeschützt sind, und ein spiegelbildliches Nachbarhaus eben nicht, weil es nicht so schön ist, obwohl es ja dieselbe Bedeutung haben müsste. Der Schutz wurde hier aber versagt, weil es verändert wurde. In der Dimension "Schönheit und Künstlerischer Wert" bedeutet das, dass Ding ist verändert und hässlich und wird deshalb nicht geschützt. In Nürnberg gibst da verschiedene Beispiele. Andersherum verhält es sich beim Kaufhof nun: Hier greift ausschließlich die Dimension "geschichtlicher und dokumentarischer Wert", denn das Haus ist weder schön noch original erhalten.

    Mit alledem könnte man leben, wenn das eine nicht immer wieder gegen das andere ausgespielt würde: Die Hauptpost am Nürnberger Hauptbahnhof wurde auf Antrag auch auf Denkmaleigenschaft geprüft, Ergebnis hier: Zu oft verändert. Das heisst, nicht schön, aber häufig verändert! Aber die Veränderungen erhöhten den Denkmalwert nicht, sondern sie haben ihn verringert. Ebenso die Martin-Richter-Straße 19 (schön, aber häufig verändert), das Fränkische Überlandwerk usw. usf. Erstaunlich, oder? Beim Kaufhof dagegen hiess es, nicht schön, aber häufig verändert und dadurch wertvoll. Das ist mehr als überraschend, wenn man sich die Denkmalpraxis über die Jahre ansieht.

    Der einzige rote Faden, den ich erkenne, sind die jeweiligen wirtschaftlichen Hintergründe: Wenn ein Eigentümer politischen Einfluss geltend macht, dann gilt das Argument "häufig verändert" als k.o.-Kritierum. Wenn der Eigentümer jedoch politisch irrelevant ist oder keine Absichten hat, gilt dies nicht und der Denkmalschutz greift zu. Das "häufig oder stark verändert"-Argument ist also nur ein Hilfskritierum, welches eine negative Entscheidung zugunsten eines abrisswilligen Eigentümer ermöglicht, ohne das die Behörden sich hier unangenehmen Diskussionen aussetzen müssten. Denn wie das Kaufhofbeispiel entlarvend zeigt, hätte es o.g. Abrisse nie geben dürfen, weil der Denkmalschutz gegriffen hätte. Für die Stadtpolitik wäre das aber ein Desaster, wenn Investoren daraufhin abziehen und der Kommune maroden Leerstand hinterlassen.

    Das Problem ist also, dass rein formal betrachtet jede Veränderung einen dokumentatorischen Wert haben muss. Wenn man diese Veränderungen als Wert jedoch nicht anerkennt, oder negiert, dann fällt man offensichtlich in die "Schönheitsfalle". Zutiefst menschlich, aber unwissenschaftlich. Wenn man diesen Wert zwar sieht, aber als solchen nicht anerkennen darf sondern als Vehikel nutzen muss, um den Denkmalschutz zu verwehren um einer gewollten Stadtentwicklungspolitik Platz zu machen, dann bekommt der Denkmalschutz das Glaubwürdigkeitsproblem das er heute hat.

    Zu lösen wäre das nur, indem man dem Denkmalamt nicht das "letzte Wort" zugesteht, wie die Presse immer wieder so schön beschreibt, sondern das "erste Wort", wie es faktisch auch läuft. Denn dadurch werden die Denkmalschützer immer wieder dazu gezwungen, gegen ihre eigenen Prinzipien zu vergutachten, deren Vorhandensein ich grundsätzlich unterstelle, damit andere ihr Gesicht wahren können. Das bedeutet, dass eine andere öffentliche Stelle ein Denkmalgutachten eigentlich beiseite wischen können dürfte ohne dass der Zwang entsteht, ein in die Pläne passendes Gutachten zu formulieren.

    Die Auswirkungen auf den bestand wären aber verheerend: Wenn ich ein denkmalgeschütztes Gebäude abreissen möchte, dann hätte ich nun Präzedenzfälle die belegen, dass der Denkmalschutz nicht das letzte Wort hat.

    Vielleicht wäre die sauberste Lösung, wenn z.B. im Falle der Hauptpost ein positives Denkmalgutachten einem Abriss dennoch nicht im Wege gestanden hätte, wenn der Investor hierfür eine gewisse Entschädigung im Stadtbild hätte leisten müssen, z.B. indem er sich finanziell beteiligt bei der Erhaltung städtischer Sorgenkinder im Denkmalschutz oder so.

    Wie dem auch so, sorry für meine noch unsortierten Gedanken, mich treibt das aber durchaus um. Ich muss mir immer wieder anhören dass der Denkmalschutz nach wissenschaftlichen Maßstäben arbeitet, und womöglich ist die Kaufhofentscheidung eine Glanzleistung dessen, und dass Schönheit eben nicht ausschlaggebend ist, und Rekonstruktionen sogar abgelehnt werden. Ich erlebe aber in der Praxis durchaus Verzückung bei Denkmalschützern, wenn sie z.B. bei den Altstadtfreunden vollständig rekonstruierte Elemente sehen. Das ist schon seltsam. Und wenn man sich mal auf das Argument des dokumentationswert einlässt, wie bei der Hauptpost, der Umladehalle, oder der Bärenschanzkaserne, dann gilt das plötzlich trotzdem nicht. So könnte ich nicht arbeiten und würd meinen Chef mal um ein klärendes Gespräch bitten.

    Abwarten, der Kasten muss ja erstmal verkauft werden. Ich glaube nicht, dass wenn das Ding vor dem Zusammenbruch steht, die Stadt Nürnberg einspringt und es als irgendwas nutzt. Es ist ja ein Kaufhaus und lässt sich auch nur als solches nutzen. Ob man darin auch ein Ämtergebäude unterbringen könnte, k.a. aber das verbietet sich schon aufgrund der Lage. Hotel, Lagerhaus... ich hab eher das Gefühl dass sich die Denkmalschutzbehörde hier vergalopiert hat. Diese Aktion beschädigt den Denkmalschutz als Institution leider erheblich.

    Mich erschrecken die Bilder des Bodens auch, das sieht aus wie eine 90'er Jahre Standard-Badezimmerrenovierung und strahlt nichts historisches aus, oder wenigstens etwas bei dem man den Eindruck bekommt, dass es jemand bewusst schon gestalten wollte. Einen billigeren Look hätte man garnicht hinkriegen können. Warum hat man nicht stattdessen einen Terrazzoboden erstellt, oder irgend eine Form von "Edelasphalt"? Naja wie dem auch sei.

    Ich muss mir das echt mal in Natura ansehen, denn ich kann mir nicht vorstellen dass man hier so daneben gelangt hat, während die Altstadtfreunde sonst überall übersorgfältig restaurieren und ein halbes Duzend Probeflächen zur Bemusterung erstellen.

    Das ist in der Tat eine eher ernüchternde, um nicht zu sagen enttäuschende Meldung.

    Da gibt es auf der einen Seite Bemühungen der Stadtgesellschaft, Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, z.B. die ehem. Hauptpost oder den Güterbahnhof Süd, was kategorisch abgeblockt wurde, und nun das. Ein Haus das niemand mag, niemand braucht und nun der positiven Stadtentwicklung im Wege steht, bekommt es nun, den Denkmalschutz.

    Was mich daran besonders enttäuscht ist, dass das Haus 1959 stark verändert wurde, trotzdem - oder deswegen? - gibt es den Denkmalschutz. Bei der Hauptpost war es das Hauptargument derselben Denkmalschützer aus Nürnberg und München, weswegen der Schutz hier nicht möglich sei. Das wirkt unterm Strich nicht nachvollziehbar und sogar willkürlich.

    Aus meiner Sicht hätte man vielmehr den Karstadt unter Schutz stellen sollen, denn der ist das bessere Beispiel für Kaufhausarchitektur und hat mit seiner Einbettung in die kleinteilige Altstadt, den gestalterischen Bezug zur Lorenzkirche und dem gotischen Stadtbild sowie der Integration in die U-Bahn-Infrastruktur die wesentlich höhere Qualität. Um die Architektur des Karstadt wurde seinerzeit sehr gerungen um dann gemeinsam mit der Bürgerschaft den Ist-Zustand zu erarbeiten, das hat m.E. demokratische Qualität. Außerdem funktioniert der Karstadt noch, was ihn ebenfalls als gelungenere Architektur auszeichnet ggü. dem Kaufhof. Und er ist noch weitgehend original. Aber hierzu hört man vom Denkmalschutz garnichts. Warum? Weil er wohl auch nicht darf, denn der Denkmalschutz wurde die Weiterentwicklung des Karstadt verhindern, falls der Eigentümer etwas investieren will. Beim Kaufhof ist das ja egal, für dieses Haus hat aktuell niemand einen Plan.

    Aber ich hab grundsätzlich ein Problem mit dem Denkmalschutz, der sich meist im Gewand der Wissenschaftlichkeit kleidet, aber dessen Arbeit und Wirken eher willkürlich daherkommt. Es sind wenig Bemühungen erkennbar, sich der Öffentlichkeit zu erklären und hier für den Standpunkt zu werben und zu vermitteln. Außerdem muss er sich dauernd anderen politischen Überlegungen unterordnen, was ebenfalls den wissenschaftlichen Anspruch unterminiert.