Beiträge von Maßwerk

    Vielen Dank für diese Serie, Mattielli. Es ist interessant zu sehen, wie man versucht hat aus verschwommenen Fotos die Statuen nachzuerschaffen. Mir kommt oft der Ausdruck der modernen Fassung aufrechter, wissender vor und die Originale demütiger und verklärter -- worin sich das veränderte Menschen- und Heiligenbild über die Jahrhunderte widerspiegelt.

    Für mich war das Haus eindeutig ziegelsichtig. Wenn man das sw-Bild vergrößert, kann man die Ziegelstruktur erkennen, einschließlich einzelner herausgebrochener Ziegel. Wäre doch auch ortstypisch. Das ist wohl nur zwischenzeitlich überstrichen gewesen.

    Was ich allerdings an der Diskussion nicht ganz verstehe: Am Schinkelplatz kann ich keine Intentionen erkennen, einen irgendwie gearteten Bruch herzustellen -- außer dass man versucht hat, in den Details mit zeitgenössischen Details zu arbeiten. Am Gebäude ganz rechts findet sich ja sogar eine Art Ornamentik. Sie bleibt freilich im heute üblichen Abstrakten. Somit kann man sich fragen, ob die Integration in den Stadtraum gelungen ist oder nicht so sehr-- aber intendiert war sie grundsätzlich schon, abgesehen von der modernen Formensprache.

    was sagt es über unsere Zeit aus, wenn wir solche Probleme mit den Designprodukten unserer Zeit haben?

    Natürlich haben nicht alle Probleme damit, und die meisten hier werden auch nicht mit allen Designprodukten von heute ihre Probleme haben.

    Zunächst einmal geht es doch darum, dass einige Menschen auch die Designprodukte von früher für schön und relevant genug halten, dass sie sich eine Wiederherstellung einiger herausragender Kunstwerke wünschen. Denn durch überlieferte Fotos und Zeichnungen wird so ein Kunstwerk nicht lebendig. Das ist dann so, als dürfe man eine Beethovensinfonie nur noch auf dem Papier studieren, weil die heutigen Orchester das nicht mehr 100% so wie zu Beethovens Zeiten spielen können.

    Zum anderen gibt es aus nachvollziehbaren Gründen Menschen, die Sichtbetonwürfel, ungegliederte Glasfassaden, wild gestapelte "Module" etc. in bestimmten Kontexten für nicht angemessen halten.

    Trotzdem ist eine originale Neuschöpfung wohl völlig unstrittig authentischer als eine Kopie

    Gut, das mag sein. Aber auch nur bezogen auf die Substanz, und auch das nur teilweise. Denn was ist denn nach 200 Jahren Verwitterung oder Renovierung noch wirklich im strengen Sinne original? Der Verlust an Authentizität in diesem Sinne durch die Zeitläufte ist also zwangsläufig. Demnach könnte also nur das frisch neu entworfene und erstellte authentisch sein? Halte ich für fragwürdig. Es gibt ja schließlich auch noch andere Aspekte.

    Um ein Beispiel zu nennen: Wie authentisch ist der Kölner Dom? Die Hülle besteht grob geschätzt aus einem Drittel mittelalterlicher Substanz, verwittert, verschmutzt etc., einem Drittel aus dem 19. Jahrhundert nach mittelalterlichen Plänen, und einem Drittel neuerer Substanz, wo Teile ausgetauscht wurden. Die Authentizität bezogen auf Substanz aus der Entwurfszeit ist also ziemlich gering. Am meisten natürlich noch beim ersten Drittel. Die Authentizität bezogen auf den Entwurf ist immer noch ziemlich hoch, da die Substanz weitgehend den Entwurf widerspiegelt. Das ist doch das entscheidende, um dieses Gebäude als weitgehend authentisch mittelalterlich zu empfinden.

    Und da wo dies nicht gilt, ist es doch stattdessen ein authentisches Zeugnis des 19. Jahrhunderts und seiner Auffassung des Mittelalters, oder ein authentisches Zeugnis des zeitgenössischen Umgangs mit verwitterten oder zerstörten Teilen, oder nicht?

    Die Definition von authentisch ist nicht ganz so simpel, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Ich hab selbst mit meinen Sätzen oben nur an der Oberfläche gekratzt. Was ist denn z.B. mit dem kulturellen Kontext, der im Lauf der Zeit oder je nach Individuum eine Entwurfsidee anders interpretieren lässt? Wie authentisch kommt das, was ausgedrückt werden sollte, beim Rezipienten an?

    Das hat ja auch eine gewisse innere Logik: Die Gestaltungskommissionen vertreten die "gute Gestaltung". Und das ist aus ihrer Sicht das, was in den Architekturfakultäten als gut beigebracht wird: Klare Linien, Reduktion auf das "Wesentliche", Transparenz, "Ehrlichkeit", Eindeutigkeit, Fokussierung auf das funktional notwendige, "less is more", mit den Eigenschaften des Materials arbeiten usw. So hab ich das zumindest mal gelernt. Und auch, dass der Architekt da einen Erziehungsauftrag habe.

    Die Leute, die solche Gedanken heute propagieren sind auch nicht der unmittelbaren Kriegsgeneration entsprungen, sondern der 68er Generation und jünger

    Ich deute das so: Das Trauma besteht darin, nicht verstehen zu können, wie der deutschen Demokratie trotz hoher Kultur und Bildung das passieren konnte. Und obwohl die eigenen Eltern/Großeltern (oder im Fall von SPD/KPD-Anhängern deren Nachbarn) in der deutschen Hochkultur aufgewachsen und eigentlich nette Menschen sind, sind sie doch auf Hitler reingefallen.

    Es wäre mal eine interessante empirische und psychologische Untersuchung wert, woher die Reflexe bei fast jeder Rekonstruktion kommen.

    Die tiefliegenden Ängste der Wortführer sind möglicherweise genau so, wie sie formuliert werden:

    1. Die Nazizeit darf sich nicht wiederholen, daher muss man aus Sicht der Gegner die resultierende Zerstörungskraft immer sichtbar halten, als abschreckendes Beispiel. Und zwar, da die Gefahr so heimtückisch aus der Demokratie erwachsen kann, je mehr und je offensichtlicher, je besser. D.h. da ist eine reale Angst, dass die Nazis oder was vergleichbares wiederkommt, und dass die Konservativen das einfach nicht merken.
    2. Außerdem vermute ich da eine Angst, irgendwas historisches zu übersehen, was zwar nicht rational, aber emotional zum Hochkommen der Nazis beigetragen hat. Also die Angst, sich auf irgendwas einzulassen, was im Inneren ein Nazi-Samenkorn in sich tragen könnte. Solche Ängste werden dann bekämpft, indem man jeglichen emotionalen Kontakt zu Dingen vor der NS-Zeit vermeidet, außer sie sind eindeutig antifaschistisch.
    3. Es ist vielleicht auch zu schmerzhaft, so wie eben Dinge schmerzhaft sind, die an traumatische Ereignisse erinnern, auch wenn sie der Sache nach nur zufällig zeitlich damit verbunden sind. Offensichtlich empfinden die Gegner die NS-Geschichte Deutschlands als besonders traumatisch.
    4. Und man möchte unbedingt fortschrittlich sein, ohne auf Mittel der Vergangenheit zurückzugreifen. Denn diese haben ja zum NS-Regime geführt und sind für Deutsche daher ungeeignet (was man natürlich als eine Form des Rassismus ansehen könnte, aber da es negativ und selbstbezüglich ist, also von der Gegenseite nicht als aggressiv beurteilt wird, wird das so hingenommen.)

    Von innen ist das Bonner Haus sehr schön, von außen etwas zu glatt. Bis auf die Rundbögen könnte die Fassade fast aus den 50er Jahren stammen. Trotzdem, ein interessanter Kandidat.

    München gefällt mir. Ich finde, man sollte gerade auch mal solche außerhalb des Standards stehenden, innovativen Ansätze auszeichnen. Der Bezug zum alten ist da, es gibt Bauschmuck, und die Sgrafitti-Technik ist sehr münchnerisch, finde ich.

    Gleichrangig oben steht bei mir Leipzig, da auch dies eines der wenigen neuen Gebäude ist, das aus dem Korsett des abstrakten ausbricht und echten Bauschmuck, ja sogar Skulpturen verwendet. Auch wenn die konkrete Auswahl der Persönlichkeiten nicht jedem gefallen mag.