Beiträge von Wolfsheim_Jena

    Mein Eindruck ist, hier wird manchmal die Nostalgiebrille etwas sehr schnell aufgesetzt.

    Da werden die Gründerzeit und die Vorkriegszeit anhand jeder Fensterolive und jedem halbwegs zweiklassigen Bau verklärt, bisweilen romantisiert. Darüber geht der nötige Realismus verloren, und äußert sich in einem fast weinerlichen Festhalten und weltschmerzenden Aussagen über das sog. "alte, schöne Deutschland".

    Ich gebe dir vollkommen recht haussmann, wenn Du sagst, daß Bauen vom Gesellschaftlichen nicht zu trennen ist! Jede Zeit hat Ihren Stil! Habt ihr Euch vielleicht mal überlegt, was die Ursachen für die schlimmen Bausünden der Moderne der 1950er-1960er waren? Man wollte raus aus dem Gründerzeit-Muff. Raus aus den dunklen Hinterhöfen, den Klos auf der halben Treppe und den 2-Zimmer-Wohnungen und engen Gassen. Denn in denselben Häusern, die für uns heute so anziehend sind, wurden zwischen Plüschsofa und Röhrenradio über dumpfeste Gedanken nachgesonnen!

    Ein Wille nach einem radikalen Schnitt ist da nur verständlich. Und so kam es eben zu einem kubischen Bauen mit "modernem" Beton, schmucklosen Fassaden und "abstrakten" Formen, weil man das Stuckgeklitsche einfach satt hatte. Aber wie das so ist mit radikalen Schnitten, meistens fransen sie dann doch aus und es kommt zur Rückbesinnung auf Altes, wie wir es hier im Forum ja pflegen. Aber bitte dabei kritisch bleiben! Das weinerliche Klagen über jedes Haus ist doch einfach lächerlich. Die gegenwärtigen modernen Formen haben für mich mit Sicherheit ihre Reize, von romantischer Kulissenarchitektur halte ich überhaupt nichts. es gilt zu bewahren, wo es zweckmäßig, angebracht und wirtschaftlich ist, nicht nur um der Bewahrung willen, denn dann leben wir bald in einer Kulissenlandschaft, wo wir uns eine angeblich heil gewesene Welt von früher vorgaukeln, die es nie gegeben hat.

    Richtig, denn bei Licht besehen, ist ein Stadion dieser Ausführung heillos überflüssig in der Stadt. Daß der DFB nun zu seinem Engagement steht, finde ich nur recht und billig. Aber der Fußball in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] bietet doch wirklich ein Trauerspiel.
    Dabei kann das doch gar nicht mehr an fehlenden Sponsoren liegen. Erzgebirge Aue spielt in einer Stadt mit 10.000 Einwohnern in der 2. Bundesliga. Die haben ihre Sponsoren, obwohl dort das wirtschaftliche Umfeld beileibe nicht besser aussieht als in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]!

    Erinnere Dich an Deine Aussage, daß der Wohlstand vor dem Kriege nie wieder erreicht würde. Nun ruderst du doch zurück.
    Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Klar, wenn man DD nur als Weißen Hirsch, Loschwitz und Barockgepränge betrachtet, mag die Aussage stimmen. Aber wie eben festgestellt, lebte ein riesiger Teil der Bevölkerung in absolut prekären Verhältnissen. Und das genau in denselben Mietskasernen, die heute in diesem Forum bis zur letzten Fensterolive verteidigt werden.
    Eine etwas stark nostalgische Sicht, meine ich. Da sollte mehr mit ökonomischen Fakten argumentiert werden, weniger mit einer romantisierenden unrealistischen Sicht auf die ganz und gar nicht romantischen sozialen Verhältnisse vor dem Kriege.

    An diesem Standpunkt ist sogar was dran:
    Man kann den Welterbestatus auch als strukturpolitisches Instrument einsetzen. Hier gibt es in der Tat in der Oberlausitz genug Schützenswertes.

    Zum Argument der Bevölkerungsstagnation:
    Das statistische Landesamt Sachsens veröffentlicht Dresdner Einwohnerzahlen auch auf der Stadtseite http://www.dresden.de">http://www.dresden.de.
    Laut den Angaben dort, es sind offizielle, hat die Einwohnerzahl in den letzten Jahren kontiniuierlich zugenommen. M.E. wird das aufgrund der sich gut entwickelnden Wirtschaft fortsetzen. Deswegen ziehen die Leute in die Stadt, nicht wegen des sog. Welterbes. Da müsste Stuttgart ja entvölkert sein!

    Wie gesagt, ich halte nichts davon, sich von irgendwelchen Kommissionen was vorschreiben zu lassen.

    Die Pariser Banlieue ist ein menschenverachtend gestalteter Wohnsiloring um Paris. Wenn die UNESCO derart feingeistig und schönheitsverliebt ist, dann braucht sie nicht erst bis DD zu fahren, um sich der Weltverbesserung anzunehmen.

    Der Welterbetitel wurde beantragt, als die Brückenplanungen mitsamt der Gestaltung bereits in Planung waren. Das heißt man braucht nicht so zu tun, als würde man völlig von der Stadt Dresden mit den Planungen überrumpelt.

    Daher wurde auch die Klage Dresdens akzeptiert, die für den Fall, daß die UNESCO den Titel aberkennen lassen will, angestrengt werden soll.
    Dann hätte sie den Titel nicht vergeben dürfen, wenn ihr die Planungen im Weg sind.

    Aber mein Kernstandpunkt ist, das es nicht angehen kann, sich von weit entfernt tagenden Kommissionen Auflagen machen zu lassen, deren Mitglieder nicht in der Stadt leben und so nur aus zweiter und dritter Hand die Notwendigkeit für die Brücke beurteilen können. Das geht mir zu weit.
    Und im übrigen finde ich, daß man da hart bleiben sollte, die Brücke wird gebaut. Punctum. Davon geht die Welt nicht unter, es handelt sich hier um ein Luxusproblem allererster Ordnung.

    Recht sach- und realitätsfremde Diskussion.
    Die Brücke wird gebraucht und gebaut. Dessen bin ich mir sicher. Es gibt zwar schönere Varianten, aber die Carolabrücke fällt auch nicht grade unter die Kategorie Ästhetische Brücke.

    Wie bereits mehrmals gesagt, es handelt sich bei Dresden um eine real wachsende Stadt. Zudem steigen die Einkommen, das heißt in Kürze wird es eine stärkere Nachfrage nach suburbanem Wohnen, bzw. Wohnen in besseren Lagen geben. Diese liegen in DD fast sämtlich rechtselbisch, die Innenstadt aber linkselbisch.
    Das wird Verkehrsbedarf erzeugen. Ich würde als Stadt Dresden einen Teufel tun und auf solche Altherrenkomitees hören, die von Paris aus bestimmen, was in Dresden gebaut wird! Diese Leute können gleich mit der Beurteilung der menschenfeindlichen Pariser Banlieue anfangen, auf diese Argumentation bin ich nun wirklich gespannt!
    Zudem wird mit zweierlei Maß gemessen: Köln hat UNESCO-Status. Es hat zwar den Dom, aber rundherum sieht es schaurig aus. Die Bahnhofsgegend ist nicht besser als in Eisenhüttenstadt! Ansonsten bestehen große Teile der Innenstadt aus Nachkriegsschrott.

    Das ist ne unendliche Geschichte bei uns in Mitteldeutschland. Wir haben viel zu viele Bäder. Eigentlich waren vorher auch mehr als genug da. Nur hat man dann gedacht, amn muß diese immergleichen Spaßbäder jeder mittelgroßen Provinzkaschemme vor die Tühr setzen.
    Allein um Jena gibt es fünf dieser Dinger, in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] alleine auch drei. Dabei ist fraglich, ob man das zusätzliche Bad wirklich braucht.

    Ich würde das bei einem privaten Investor auf einen Versuch ankommen lassen, aber der Bedarf ist bereits anderweitig gedeckt.

    Richtig, das ist nicht versucht worden.
    Aber schau mal, an welchen Projekten das gemacht wird! Zum Beispiel an großen Objekten wie Kaufhäusern in der Innenstadt (Karstadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon]) oder bei alten Hotels. Dazu ist Wandsbek eben nicht schick und teuer genug, um sowas zu finanzieren. Es handelt sich nun einmal "nur" um ein recht kleines Miethaus in einer Hamburger Wohnstraße. Das wäre wieder nur l'art pour l'art und sowas kann sich kein Investor, der ja nun mal gebraucht wird, erlauben!

    Wenn ich der Investor wäre, hätte ich es doch nicht anders gemacht! Da muß man mal vernünftig werden. Solche Fassadenrekos sind sündhaft teuer und lohnen den Aufwand leider nur bei Innenstadtprojekten oder in teuren Wohngegenden wie München-Schwabing, Charlottenburg oder im Leipziger Waldstraßenviertel. Sonst würde das viel öfter gemacht werden. Denn so dumm sind die Leute auch nicht, daß sie nicht erkennten, dass gute Gründerzeitsubstanz auch "gute" Mieter anzieht. Geht es aber nicht, dann reißt man das Gebäude eben ab.

    Im übrigen ist das höhere der beiden Gebäude nun nicht so unersetzlich, das kleinere war wertvoller, weil es Palaischaraker hat. Das zweite war zur Bauzeit (1880 rum denke ich mal) solide Massenware.

    ob da auch "echte" architektur herauskäme, wenn man nur den ganzen stuck wieder dranklebt, wage ich zu bezweifeln! bloß ein paar gründerzeitkopisten dran rumwerkeln zu lassen ist in diesem falle einfach zu wenig.
    mit dem glaskeil kann ich persönlich gut leben, der entwurf hat so eine gewisse kühnheit.
    daneben bleibt die historische struktur aber erhalten. als kompromiss finde ich ihn gut - es gibt schlimmeres, etwa am kasseler schloss.

    Ja finde ich auch!
    Glaubt doch nicht, daß es in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ein neues Stadion dieses Kalibers und eine neue Jahnallee geben würde. Es sei nur an die Stadienzustände in Magdeburg, Dresden und Chemnitz erinnert - da kann man sich das anschauen.

    Das beste was man machen kann!
    Am besten entwertet und entmythifiziert man diese Bauten, indem der ganz normale Mensch dort einzieht.
    BurgerKing passt da wie die Faust aufs Auge.

    Wüßte man nicht um die haarsträubende Geschichte des Baues, wirkt das alles sehr einladend mediterran!

    Ja, es ist wirklich schade um dieses wunderschöne Bürgerhaus!
    So schöne symmetrische Formen findet man noch selten.

    Dennoch möchte ich allen schon an Auswanderung Denkenden und Schwarzsehern dick ins Stammbuch schreiben:

    Dieses Gebäude ist nicht an öffentlicher Schlamperei zugrunde gegangen, sondern an mangelndem bürgerschaftlichen Engagement! Den womöglich öffentlichen Abreißern Architekturfeindlichkeit zu unterstellen ginge zu weit, da wird Ursache und Wirkung verwechselt.
    Wer heute über den Verlust klagt, hätte sich gestern engagieren müssen. Etwa mit Bürgerinitiativen usw., wie es vielerorts, auch im vielgeziehenen [lexicon='Leipzig'][/lexicon] geschieht.
    Die Erhaltung der Altbausubstanz ist zwar gesellschaftlich wünschenswert, aber das obliegt den Bürgern selber! Darüber hinaus gibt es auch eine Schmerzgrenze, ab wann eine Sanierung/Reko um jeden Preis einfach nicht mehr lohnt. Sanierung um der Sanierung willen darf es nicht geben, denn dann wird die sanierte Substanz zu teuer und läßt sich nicht mehr vermarkten. Dann steht eine neu sanierte Immobilie leer herum. Leerstand ist für jedes Haus, egal in welchem Zustand, das Schlimmste.
    Das Haus ist in seinem letzten Zustand ein verfallener, durchgeweichter Schwammkasten gewesen an dem ewig nichts gemacht wurde(so traurig das ist - siehe Bild). Nach der Größe der Bäume in der Dachrinne zu urteilen auch schon sehr lange. Wie gesagt, es hat an der geehrten Bürgerschaft gelegen, das Gebäude zu retten...das hat sie nicht getan, also wird es irgendwann abgerissen.
    Da gibt es nichts zu klagen.