campus solis: ich habe einen großen Teil meines Leben im Meininger Land verbracht. Mich hat immer schon die Geschichte der Stadt Coburg interessiert, hier auch der Abriss des Hotel am Bahnhofsplatz, das für einen Neubau der HUK Coburg weichen musste.
Wie war denn der Online-Vortrag? Gab es alte und neue Bilder? Konntest du neue Erkenntnisse gewinnen, nachdem du online an dem Vortrag teilgenommen hast?
Hallo Meister Lampe! Der Vortrag des Kunsthistorikers Robert Schäfer war sehr interessant. Der Umgang mit dem baulichen Erbe wurde u.a. am Beispiel des Kaufhofes in der Mohrenstr. (für den die gründerzeitliche Bebauung geopfert wurde), an einer Villa am Rosengarten (die zugunsten einer nicht verwirklichten Verkehrsplanung abgerissen wurde), an der Jugendstil-Schwimmhalle des Ernst-Alexandrienen-Volksbades (die ebenfalls für eine nicht verwirklichte Verkehrsplanung abgerissen wurde) und des Stadttores an der St. Augustin-Kirche erläutert.
Letzteres war schon mehrere hundert Jahre alt; erhielt aber sein letztes Aussehen im 19. Jahrhundert; woraufhin es als nicht erhaltenswert eingestuft wurde. Als Abrissgrund wurde genannt, dass dieses zu klein für die Busse wäre, die die Touristen auf die Veste Coburg bringen sollten. Der Weg von der Innenstadt zur Veste sollte möglichst kurz sein; eine längere Anfahrt der Busse über Löbelstein wollte man den Touris nicht zumuten. So beschloss der Stadtrat am Abend (das Datum hab ich mir nicht gemerkt) den Abriss der Tores; schon am nächsten Tag im Morgengrauen rückten die Abrissbagger zur Beseitigung des "Verkehrshindernisses" an. Eine unglaubliche Geschichte - ob da alles mit rechten Dingen zuging ist zu bezweifeln... So zwei Jahrzehnte später erkannte man dann aber doch, dass die Anfahrt der Busse über die steilen und engen Straßen des Festungsberges doch nicht so ideal sind (am oberen Ende gibt es sogar nur eine Fahrspur für beide Richtungen mit Ampelregelung) und beschloss, dass die Busse künftig den längeren Weg über Löbelstein nehmen sollten...
Dabei blieb Coburg auch einiges erspart; beispielsweise war eine 4spurige Stadtautobahn über dem Schlossplatz (einen der schönsten Plätze Deutschlands) geplant:

Auch skurrile - zum Glück nicht verwirklichte - Planungen wurden vorgestellt: die Mohrenstraße sollte auf Höhe des 1. Stockes der Bebauung eine "2. Ebene" erhalten. Auf Bodenniveau sollte der Autoverkehr unbehindert fließen und eine Etage höher sollten die Fußgänger über eine Brückenkonstruktion flanieren können...

Wären alle Verkehrsprojekte der 60er und 70er Jahre verwirklicht worden, wäre die Coburger Altstadt nur noch in Fragmenten erhalten, da man den Großteil der Bebauung als nicht erhaltenswürdig einstufte und der autogerechten Stadt opfern wollte...
Obwohl der Kunsthistoriker Robert Schäfer den Abriss der Bauten verurteilte, ist dieser gegen eine Rekonstruktion. Er ist auch der Meinung, wenn man z.B. den Kaufhof zugunsten einer stadtbildverträglicheren Bebauung austauschen würde, wäre man auch nicht anders als die Stadtplaner der damaligen Zeit. Damals hätte man die Gründerzeit nicht geschätzt und zum Abriss frei gegeben; Heute würde man die Architektur der 60er und 70er Jahre nicht schätzen und ebenfalls zum Abriss frei geben...