Beiträge von Maxileen

    Als angehender Archäologe und Denkmalpfleger will ich auch mal meinen Senf zu dem Thema abgeben:

    Es stimmt, dass sich die Denkmalpflege vor allem auf schützenswerte Bauten aus der Zeit bis zu Historismus, Jugendstil und Bauhaus konzentrieren sollte, die noch immer viel zu oft verunstaltet oder gleich ganz abgerissen werden. Nachkriegsbauten sollten nur in besonderen Fällen (unverändert erhaltene, für die Epoche prägende oder einmalige Bauten) unter Schutz gestellt werden, denn immerhin gehen dafür auch öffentliche Gelder drauf (auch wenn die Fördermittel für die Sanierung von Baudenkmälern inzwischen ein Witz sind).

    Was die Rekonstruktion historischer Bauten angeht, muss man das von Fall zu Fall entscheiden. Auf jeden Fall sollte dies nur geschehen, wenn der Originalbauplatz frei ist bzw. keine denkmalwürdige Substanz enthält, denn theoretisch kann man an neuen Standorten beliebig viele Kopien eines Bauwerks errichten, am Originalstandort aber nur eine einzige. Zudem war der Ursprungsbau durch seine Größe (Parzellenbreite) und sein Aussehen (Stil, Fassadenschmuck der Nachbarbebauung, zum Beispiel Kopie von Rathausfassaden o.ä.) mit dem Originalstandort eng verbunden. So etwas wie die nachgebaute Fassade des Leibnizhauses in Hannover an einem anderen Standort finde ich zum Beispiel ziemlich daneben - zumal sie an ihrem jetzigen Standort in der ebenso großen Nachbarbebauung nicht sonderlich dominierend wirkt.

    Was die Rückführung eines Bauwerks in einen älteren Zustand angeht, muss man das auch wieder differenziert betrachten. Nehmen wir zum Beispiel St. Michael in Hildesheim. Die Kirche wurde im Krieg extrem stark beschädigt und sollte beim Wiederaufbau in den Ursprungszustand des 11. Jh. zurückversetzt werden. Das Problem war, dass man diesen nicht kannte. Man verwendete eine Zeichnung des 17. Jh. als Vorlage, die allerdings einen idealisierten Zustand der ursprünglichen Erscheinung darstellte. Das heißt, die wieder aufgebaute Kirche ist mehr oder weniger ein Phantasieprodukt, und noch dazu recht uneinheitlich, da die gotischen Fenster des 15. und die Holzdecke des 13. Jahrhunderts erhalten blieben, obwohl man die Kirche des 11. Jahrhunderts zeigen wollte.

    Von daher sollte man ein Gebäude, egal ob Kirche oder Bürgerhaus, nur dann rekonstruieren oder ergänzen, wenn man den Zustand, in den man das Gebäude zurückführen will, möglichst genau kennt - und wenn die Umgestaltungen das Gebäude mehr schädigen als bereichern. So wird heute wohl keiner mehr bezweifeln, dass die barocke oder selbst die historistische Umgestaltung eines Bauwerks erhaltungswürdig ist, zumal sie einen wichtigen Aspekt der Geschichte des Gebäudes darstellt.

    Das Problem beim Wiederaufbau zerstörter Gebäude nach dem Krieg ist, dass viele der Bauten, wenn sie nicht originalgetreu rekonstruiert wurden, in zeitgenössischen Formen wiederhergestellt wurden (Pellerhaus in Nürnberg, Salzhaus in Frankfurt etc.). Und da ist nun die Frage, inwieweit diese Zustände erhaltenswert sind. Es war ja eigentlich schon immer so, dass zerstörte Gebäude im Stil der Zeit wiederaufgebaut wurden (der Historismus mag da eine Ausnahme sein, mit den ganzen Domvollendungen etc.). Die Dresdner Kreuzkirche beispielsweise wurde im 18. Jahrhundert nach einem Brand im Barockstil wieder aufgebaut, nach einem erneuten Brand um 1900 in Jugendstilformen (obwohl man den barocken Zustand hätte rekonstruieren können) und nach dem Krieg im Stil der 50er Jahre, obwohl die Veränderungen des Jugendstils (Stuck etc.) nicht so stark zerstört waren, wie es jetzt den Anschein hat.

    Die Debatte, Gebäude wieder in einen alten Zustand zurückzuführen oder zu rekonstruieren, ist erst in den letzten 20, 30 Jahren richtig entflammt, und seitdem wurden viele Gebäude rekonstruiert oder veränderte Wiederaufbauten (z.B. Frauenkirche in München) in eine Totalrekonstruktion umgewandelt. Die Frage ist, ob man nach 50 Jahren überhaupt schon sagen kann, ob ein veränderter Wiederaufbau nicht doch genügend Qualitäten besitzt, um ihn mit all seinen Veränderungen, die ja auch Spuren seiner Geschichte sind, zu erhalten.

    Interessanterweise ist es ja so, dass die nachfolgende Generation immer den Stil der vorherigen Zeit verschmäht. Im frühen 19. Jahrhundert konnte man nichts mit dem Barock anfangen, im späten 19. Jahrhundert mochte man den geradlinigen und strengen Klassizismus nicht. Schon in den 1920ern war der Historismus verpönt, was sich bis in die 70er Jahre hinein hielt, und heute finden die meisten den Stil der 50er und 60er potthässlich. Von daher finde ich es ganz gut, wenn über manche bedeutende Fünfziger-Jahre-Bauten (oder Fünfziger-Jahre-Wiederaufbauten) die Denkmalpfleger ihre schützende Hand legen, bevor sie alle umgestaltet oder abgerissen werden. Nur wie gesagt, man muss da Prioritäten setzen (ältere Bauten haben Vorrang vor Nachkriegsbauten, schützenswert sind auch nur besonders auffällige, ursprünglich erhaltene Bauten der 50er und 60er).

    Natürlich ist das alles Geschmacks- und Auslegungssache, und ich glaube, das ist auch ein großes Problem innerhalb der Denkmalpfleger, dass es da von Person zu Person ziemlich divergierende Ansichten gibt, was sich natürlich in den praktischen denkmalpflegerischen Maßnahmen jedes Bundeslandes oder gar jedes Ortes unterschiedlich zeigt.

    Das Thema Wiederaufbau von Danzig kam zufällig gerade letzte Woche in der Vorlesung in Denkmalpflege (ich studiere an der Uni Bamberg) dran. Der Prof hat zwar einerseits das Engagement der Stadt gelobt, einige Straßenzüge im alten Stil und auf altem Straßengrundriss wieder aufzubauen, aber er hatte auch reichlich Kritikpunkte:
    - Es handelt sich wirklich fast nur um Fassadenrekonstruktionen, im Inneren sind immer zwei bis drei Häuser zusammengefasst, teils befindet sich eine Wohnung hinter zwei Fassaden
    - Die Häuser wurden verkürzt aufgebaut, um größere, begrünte Innenhöfe zu haben. Das mit den grünen Innenhöfen mag eine gute Idee sein, in der Praxis sieht das aber so aus, dass sie vor allem als Parkplätze und Müllplatz dienen und sich keiner wirklich dafür zuständig fühlt
    - Manche Straßen wurden nur einseitig wieder aufgebaut, um mehr Licht in die ehemals engen Gassen zu bringen. Auf der Nordseite dieser Straßen finden sich selbst heute noch die Reste der zerstörten Kriegsruinen
    - Es wurde nur ein sehr kleiner Teil der Stadt rekonstruiert, der meiste Teil der Altstadt ist Nachkriegsplattenbau
    - Im Gegensatz zu Warschau wurde kein historischer Zustand rekonstruiert, sondern der unmittelbare Vorkriegszustand (außer bei manchen historistischen Bauten, die beim Neuaufbau an die Umgebung angepasst wurden), und dieser Vorkriegszustand war in den 1930ern stark von den Nazis überformt worden, um den polnischen Nachbarn zu zeigen, wie eine "deutsche Stadt" aussieht. Da mutet es fast grotesk an, dass die Polen gerade dieses verunklärte Stadtbild wieder aufgebaut haben.

    Als Fazit (zumindest nach dem, was der Professor so erzählt und auch in Fotos gezeigt hat) kann ich da bloß sagen: Schöne Fassaden und nix dahinter. Natürlich immer noch besser als die Stadt völlig neu aufzubauen, aber eine wirklich gute Lösung ist das trotzdem nicht.

    Ich glaube, da hatten sich die Bürger auch mit Händen und Füßen gegen gewehrt. War wohl eines der wenigen Male, wo eine Bürgerinitiative auch Erfolg zeigte.

    Vom Schloss hatte ich ursprünglich noch ein zweites Bild gemacht, aber das habe ich wohl wieder gelöscht, weil ich den Platz auf der Kamera-Speicherkarte für die Häuser, die nicht in jedem Touristenführer drinstehen, brauchte :)

    Nach dem Rundgang durch Lemgo und durch Bielefeld kommt nun die nächste ostwestfälische Stadt dran. Obwohl Detmold heute 70.000 Einwohner hat, ist die Altstadt winzig. Ein Viertel davon wird vom Schloss und dem Schlosspark eingenommen, der im Sommer zur größten öffentlichen Liegewiese der Stadt mutiert. Außerhalb der Altstadt gibt es große gründerzeitliche Villenviertel und historistische Mietshausbauten, die fast großstädtisch wirken. Bei meinem Rundgang habe ich mich aber fast ausschließlich auf die Altsadt konzentriert, die trotz ihrer geringen Größe erstaunlich viel zu bieten hat.

    Das klassizistische Rathaus wurde 1829 gebaut. Offenbar hielt man den Vorgängerbau im Stil der Weserrenaissance nicht würdig für eine Residenzstadt (Lippe war damals Fürstentum). Wie dem auch sei, dieses Rathaus ist jedenfalls ziemlich beeindruckend und beherrscht den (recht kleinen) Marktplatz:

    Fast schon dörflich mutet dagegen die Stadtpfarrkirche direkt daneben an. Sie stammt meines Wissens trotz ihrer spätgotischen Formen erst aus dem frühen 16. Jahrhundert:

    Dieses Haus versteckt sich hinter dem klotzigen Sparkassenneubau. Dabei hat es gar keinen Grund dazu, sich zu verstecken:

    Die Lange Straße ist die Hauptgeschäftsstraße und greift über den historischen Stadtkern hinaus in die Stadterweiterung des späten 19./frühen 20. Jh. über. Ähnlich wie in Lemgo sollte man bei fast allen Gebäuden die Erdgeschosse lieber nicht anschauen - obwohl es auch bei den Schaufenstereinbauten Qualitätsunterschiede gibt:



    Bei dem Haus fragt man sich, ob da überhaupt noch was historisch ist:


    Ob unter diesem "Überraschungsei" noch ein Schatz steckt?

    Der Detmolder Hof an der Kreuzung Lange Straße / Krumme Straße. Einer von zwei erhaltenen Steinbauten aus dem 16. Jahrhundert (zumindest steckt der da irgendwo noch drin):


    Der zweite Renaissance-Steinbau steht fast gegenüber:





    Ein ansehnlicher historistischer Bau lenkt den Blick auf sich, ohne aber das Sparkassen-Monstrum nebenan völlig verdrängen zu können:

    Historismus mit Lokalkolorit (Fächerrosetten):

    Die Detmolder Stadtmauer ist trotz relativ vieler Straßendurchbrüche noch erstaunlich intakt. Zwar stehen keine Türme und Tore mehr, aber ich schätze, etwa die Hälfte der Mauer ist noch vorhanden, oftmals von Fachwerkhäusern als Rückwand genutzt:



    Dieses haus sieht aus, als hätte es sich verlaufen:

    Das Sterbehaus des Dichters Dietrich Grabbe. Ob das Haus durch seine Fachwerkfreilegung auch gestorben ist, ist sicher diskussionswürdig :) :

    Nun kommen Bilder aus der Bruchstraße dran. Bei diesem malerisch gelegenen Haus am Schlossgraben kann man dank des leerstehenden Ladens das völlig ausgeräumte Erdgeschoss bewundern:

    Das Grabbe-Geburtshaus war früher mal Gefängnis (als die Stadt noch keine 70.000 Einwohner hatte, versteht sich). Jedenfalls eine interessante Stilmischung, die sich irgendwie nirgends so recht einordnen lässt.

    Nun kommen wir zur schönsten Straße der Altstadt, der Krummen Straße. Momentan dank Totalbaustelle verkehrsberuhigte Zone, da Kanalisation und im Anschluss daran der Straßenbelag erneuert werden. Erstaunlich viele Häuser stammen noch aus dem 16./17. Jahrhundert, und was sie nicht an Größe haben, scheinen sie durch ihren Reichtum an Schnitzereien wettmachen zu wollen:











    Auch dieses Haus war mal mit Fächerrosetten verziert, wie man an den Resten auf den Ständern erkennen kann. Muss einen imposanten Eindruck gemacht haben:



    Bei diesem Haus gegenüber vom Detmolder Hof scheint jemand sehr kreativ gewesen zu sein:






    Die Adolfstraße ist eine der Mauerstraßen. Die Tagelöhnerhäuser sitzen alle auf der Stadtmauer. Leider ist die Hälfte von ihnen nicht mehr echt, sondern wurde in den 1960ern abgerissen und "rekonstruiert":



    Ein Haus am Wall:

    Zum Abschluss noch ein Blick aufs Schloss, das Wahrzeichen der Stadt (nach dem Hermannsdenkmal, versteht sich):

    Die Sparkasse hat gar kein Flachdach, sondern ein echtes Satteldach - jedenfalls das Hauptgebäude. Wegen der großen Dachgauben sieht man's nur nicht. Und die große maßstabssprengende Hofbebauung mit Parkplatz und Tiefgarage... Na ja, da sage ich lieber gar nichts zu:
    http://www.voigtmann-online.de/arne/bilder/fo…o/sparkasse.jpg
    Interessant ist vielleicht auch mal der Blick von oben. Da kann man deutlich das Sparkassengebäude und das Karstadtgebäude ausmachen. Ansonsten wirkt nur die Parkpalette und der vierstöckige Flachdachbau des Gymnasiums am Westrand der Altstadt (auf dme Bild unten zu sehen) störend.
    Besonders schön finde ich, dass besonders im Bereich der Neustadt noch viele Grundtücke große Gärten haben, aber auch rund um die Mittelstraße in vielen Innenhöfen noch grün zu sehen ist.
    Auch der Wallring ist gut erkennbar, lediglich durch die auf den Bahnhof zuführende Engelbert-Kämpfer-Straße im Westen (hier wieder unten) unterbrochen. Diese Straße soll jedoch noch dieses Jahr umgestaltet und mit einer Baumallee bepflanzt werden, um die Lücke wieder zu schließen:
    http://www.voigtmann-online.de/arne/bilder/fo…go/luftbild.jpg

    Wohl kaum einer würde als Tourist nach Bielefeld fahren, da die Stadt wohl den Ruf hat, eine der hässlichsten deutschen Großstädte zu sein. Wenn man die Augen aufhält, kann man aber doch noch das eine oder andere historische Gebäude dort finden. Sogar zwei Fachwerkhäuser haben den Zweiten Weltkrieg überstanden.

    Das neue Rathaus wurde um 1900 in pompösen Neurenaissanceformen erbaut und trotz Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg erhalten. Rechts daneben steht das neubarocke Theater, was leider gerade renoviert wurde und verhangen war, als ich die Stadt besucht habe:


    Das alte Rathaus am Markt war ein klassizistischer Bau, der das spätgotische Rathaus um 1830 ersetzte. Leider wurde es im Krieg zerstört. Der Neubau aus den 1950ern erinnert mit der Freitreppe, seinen Proportionen und dem Walmdach an den Altbau:

    Haus am Markt mit einem Renaissancegiebel von 1593, der jahrzehntelang eingelagert war (das Haus war ausgebrannt und hätte wiederhergestellt werden können, wurde aber wie die meisten zerstörten Bauten abgerissen - nur der Giebel wurde gesichert):

    "Crüwell"-Haus am Markt, das einzige erhaltene gotische Gebäude der Stadt. Es war im Krieg ausgebrannt, wurde aber glücklicherweise wieder aufgebaut - was mit mindestens einem Dutzend ebenfalls ausgebrannter Steinbauten (Vor allem in der Breiten Straße) leider nicht geschah. Offenbar wurde der Giebel erst kürzlich saniert, wie man an den "Flicken" erkennt:

    Dem Haus Obernstraße 36 wurde 1975 der Giebel des 1606 entstandenen und ebenfalls ausgebrannten Hauses Obernstraße 9 aufgesetzt. Vor dem Krieg waren derartige Giebelhäuser typisch für Bielefeld:

    Der "Meinders Hof", Obernstraße 40, besitzt ein barockes Portal von 1669, im Inneren befinden sich Reste von Stuckdecken und ein Kamin von 1670:


    Das älteste bekannte Haus der Stadt stammt im Kern von 1485, wurde aber mehrfach verändert. Im 19. Jahrhundert war hier eine Bäckerei, in welcher der Apotheker Dr. August Oetker seine Backexperimente durchführte:

    Der Grest'sche Hof am vierspurig ausgebauten Wallring besteht im Kern noch aus dem 16. Jahrhundert, allerdings mit starken historistischen Überformungen:


    Ein wenig Klassizismus am Wall (ich frage mich nur, was dieser Vogelkäfig im Vordergrund soll):

    Der Waldhof wurde im Krieg stark zerstört und vereinfacht wiederaufgebaut, doch die Hofmauer mit der spitzbogigen (gotischen?) Einfahrt steht noch:

    Im unzerstörten Teil der Altstadt zeigen sich noch einige schlichte, aber dennoch schöne Häuser:

    Der Wörmannshof am Klosterplatz stammt von 1640, also aus der Spätphase der Renaissance. Wie man auf dem zweiten Bild sieht, fehlt dem Gebäude aber eine Hälfte:



    Die einzige noch erhaltene Mauerstraße der Altstadt, gut erkennbar am geschwungenen Verlauf. Von der Stadtmauer selber konnte ich aber keine Reste mehr entdecken. Dafür diesen interessanten Bogen, der die Straße überspannt (keine Ahnung, was es mit dem auf sich hat):

    Die Nikolaikirche, Pfarrkirche der Altstadt, wurde bis auf den Turm im Krieg zerstört - und dieser hat heute einen "modernen" Betonaufsatz.

    Abermals pompöse Neorenaissance, diesmal an der Kreuzstraße:


    Der Spiegelshof in der Kreuzstraße (heute vierspurig plus zwei Straßenbahnschienen) wurde 1540 erbaut und besitzt Welsche Giebel (heute Naturkundemuseum):

    Direkt daneben befindet sich die zweitürmige Marienkirche, die den Krieg glücklicherweise relativ unbeschadet überstanden hat (die Dächer brannten ab, die Gewölbe hielten jedoch):

    Und dann haben wir noch das Wahrzeichen der Stadt, die Sparrenburg (eigentlich Burg Sparrenberg), die hoch oben über der Stadt auf den Höhen des Teutoburger Waldes thront (oder zumindest da, wo mal Wald war, denn die Stadt zieht sich über die Hügelkette hinweg). Die Burg ist mit Ausnahme der Bastionen ein Kunstprodukt der Burgernromantik aus dem 19. Jahrhundert. Vor allem der markante Bergfried besteht nur noch im unteren Bereich aus historischem Mauerwerk. Die malerischen Ruinen, die auf dem Burghügel herumstehen stammen von den Resten der historistischen Palas-Bauten, die im Krieg zerstört wurden:

    Nachdem ich all dies gesehen hatte, war ich doch positiv überrascht von Bielefeld. So hässlich wie ihr Ruf ist diese Stadt gar nicht. Natürlich habe ich jetzt nur die schönsten Ecken der Innenstadt herausgesucht (und das waren jetzt auch schon fast alle schönen Ecken im Zentrum), aber rundherum gibt es noch einige schöne gründerzeitliche Villenviertel, die ich mir aus Zeitmangel nicht mehr angeschaut habe. Zum Abschluss des Rundgangs noch ein paar Fotos, die ich oben auf dem Bergfried gemacht habe und die zeigen, dass Bielefeld im Großen und Ganzen vielleicht doch nicht so schön ist wie die Bilder jetzt vorgetäuscht haben. Besonders die unmaßstäblichen Hochhausbauten stören das Gesamtbild:


    Bei Interesse kann ich übrigens auch noch Fotoserien von den lippischen Städten Detmold, Bad Salzuflen, Blomberg, Barntrup und Horn zeigen (besonders die beiden ersteren haben viele schöne Fachwerkhäuser aus der Weserrenaissance).

    Das Haus Mittelstraße 18 war vorher verputzt gewesen und angeblich wäre das Fachwerk des Giebels nicht mehr zu retten gewesen.

    Eleganter hat man das Haus Mittelstraße 22 "entkleidet". Auf den ersten Blick fällt gar nicht auf, dass am Giebel kaum noch Originalteile vorhanden sind. Und die bemalten Brüstungsbretter, deren Fächerschnitzereien man mangels Originalbefund nicht wiederherstellen konnte, sind meiner Meinung nach eine ganz gute Kompromisslösung (vielleicht besser als "schöpferische Denkmalpflege" zu betreiben und sich selbst neue Fächerschnitzereien auszudenken):

    Zur Marktplatz-Westseite: Ursprünglich waren das insgesamt vier Bauten. Die beiden mittleren (zwei später verunstaltete historistische Bauten) wurden abgerissen und durch die Neubauten ersetzt, die beiden Kopfbauten wurden saniert, wobei bei dem anderen (das stammt aus dem 16. Jahrhundert) am Ende nur der Giebel und der Keller erhalten blieben, während der Rest neu aufgemauert bzw. das Fachwerk der Seitenwände und der Dachstuhl erneuert wurden:

    Oliver: Nein, in Lemgo hat es so gut wie keine Zerstörungen gegeben. Soweit ich weiß wurde lediglich ein Haus außerhalb der Innenstadt zerstört, als ein abgeschossener britischer Bomber darauf stürzte und der Bahnhof wurde einmal beschossen, jedoch ohne größeren Schaden zu nehmen.
    Die Dächer dürften also größtenteils noch ihre ursprüngliche Dachneigung haben (kann natürlich in Einzelfällen durch Umbauten anders sein).

    Die unteren Teile der Fassaden der Häuser Breite Straße 45 und 47 wurden nicht verputzt, sondern massiv erneuert - was aber wohl bei beiden Häusern wieder mehr dem Ursprungszustand entspricht, denn das Fachwerk, das sie bis etwa 1945 im Unterbau hatten, war rein konstruktiv. Sonderlich geschmackvoll sind die Schaufenster im unteren Bereich der massiv erneuerten Teile natürlich nicht. Übrigens ist das Haus Breite Straße 43 links daneben ein klassizistisches Haus, das nach dem Krieg ebenfalls verunstaltet wurde (bei dem historischen Foto sieht man noch den Quaderputz).

    Das Rathaus sieht zumindest von außen noch in etwa genauso aus (hab seltsamerweise kein einziges Foto finden können - und leider wohne ich auch nicht mehr in Lemgo, sodass ich nicht mal eben rausgehen und das Foto nachholen könnte), lediglich die Arkaden hat man in den 1930ern wieder geöffnet.

    Leider wurde das Innere in einer mehrjährigen Aktion Mitte der 60er fast völlig entkernt, teilweise wurden sogar die Außenmauern aufgerissen und neu aufgemauert, sodass es innen jetzt aussieht wie in jedem 08/15-verwaltungsbau der 60er. Nur der Gewölbekeller und ein Ratssaal mit Renaissancevertäfelung sind erhalten.

    Antiquitus: Wegen Mittelstraße 81: Das Haus wurde um 1900 völlig verunstaltet, indem man die beiden Untergeschosse und das erste Dachgeschoss zu zwei Geschossen zusammengelegt und die völlig aus der Achse verschobenen Fenster eingebaut hat, die halb in den Giebel hineinreichen. Dass es besser geht, zeigt das Haus Mittelstraße 56, wo zwar auch drei Geschosse zu zweien zusammengefasst wurden, aber dafür wenigstens im ehemals dritten (nun zweiten) Geschoss die Fenster erhalten blieben, wenn auch vergrößert.

    Weil es hier erstaunlicherweise noch keine Bilder zu meiner Heimatstadt Lemgo (Kreis Lippe, Ostwestfalen) gibt, will ich diesen Missstand doch gleich in meinem ersten Beitrag hier mal begleichen.

    Das Stadtbild von Lemgo zeichnet sich durch einen vom Zweiten Weltkrieg verschonten historischen Stadtkern aus und ist eine typische Doppelstadt: An die um 1190 gegründete Altstadt wurde 50 Jahre später südlich die Neustadt angebaut, die im Vergleich zur Altstadt nur noch relativ wenig historische Bausubstanz aufweist, da besonders die Neustadt im Dreißigjährigen Krieg stark gelitten hat.

    Im Gegensatz zu vielen anderen Städten mit zahllosen kleinen verwinkelten Gassen zeichnet sich Lemgo durch eher breite, relativ gerade Straßen aus (Mittelstraße, breite Straße), die kleinen Nebenstraßen, die früher vor allem der Erschließung der größeren Grundstücke an den Hauptstraßen dienten, sind meist erst im 19. und 20. Jahrhundert mehr oder weniger geschlossen bebaut worden. Um einen Großteil der Stadt (außer im Westen) ziehen sich noch die zu Grünanlagen umgestalteten ehemaligen Wallanlagen, von der Stadtmauer sind jedoch nur noch spärliche Reste und ein Turm erhalten geblieben.

    St. Nikolai, die Pfarrkirche der Altstadt:

    Unterer Teil der Mittelstraße, hier stand bis 1863 das etwa 30 m hohe Ostertor:

    Mittelstraße 13, Fassade von 1591, steinerner Unterbau noch spätgotisch, der Unterbau der Fassade wurde Ende der 1970er rekonstruiert (leider ohne die Verzierungen an den Fensterrahmen), dafür wurde das Innere bis auf den Dachstuhl entkernt:

    Mittelstraße 17, "Haus Alt Lemgo" mit dem reichsten Schnitzgiebel der Stadt (von 1587):

    Mittelstraße 18: Obwohl man es dem Haus nicht ansieht (die Fassade wurde in den 1960ern erneuert) stammt es aus dem 17. Jahrhundert, das Hinterhaus sogar aus dem 16.:

    Eines der wenigen Häuser des Historismus (dieses hier von 1901), das nach dem Zweiten Weltkrieg nicht purifiziert wurde:

    Ein Paradies für Bauforscher, der Flickenteppich der rechten Traufwand von Mittelstraße 22:

    Mittelstraße 24, "Haus Sonnenuhr", im Kern spätgotisch, Fassade von 1540, 1973 bis auf eben diese für den Karstadt-Neubau abgerissen, die barocke Stuckdecke wurde im Neubau wieder angebracht:

    Manche Häuser sehen auch von hinten schön aus - spätgotischer Rückgiebel von Mittelstraße 29:

    Mittelstraße 36, "Planetenhaus", erbaut um 1580, besonders bemerkenswert die Darstellung der Planetengötter an den Ständern des ersten Dachgeschosses, das leider auch der einzige Teil der Fassade ist, der noch ursprünglich erhalten ist (der Unterbau wurde vom 18. bis 20. Jahrhundert mehrfach umgebaut, die oberen Giebelgeschosse um 1900 abgetragen):

    Mittlerer Teil der Mittelstraße, rechts Haus Nr. 40 von 1574/75, der Erker war ehemals eine zweigeschossige, auf dem Boden stehende Auslucht:

    Westseite des Marktplatzes, mit damals hochgelobten Neubauten von 1976 neben einem ziemlich genau 200 Jahre älteren Fachwerkbau:

    Das Haus Mittelstraße 56 dominiert die Nordseite des Marktplatzes, es wurde 1556 von Bürgermeister Koch erbaut, der ehemals dreigeschossige Unterbau der Fassade wurde 1898 relativ behutsam zweigeschossig umgebaut (der in den 1950ern zugunsten von Schaufenstern entfernte Torbogen ist rekonstruiert) - kurioses Detail am Rande, bis 1945 gab es am Marienplatz in Paderborn ein identisch aussehendes Haus von 1557, das ebenfalls von einem Bürgermeister Koch erbaut wurde:

    Der mittlere Teil der Mittelstraße mit Blick nach Osten, rechts das Rathaus, links Mittelstraße 56, 54 und 52, allesamt im Kern spätgotische Kaufmannshäuser mit nur unwesentlich jüngeren Fassaden:

    Mittelstraße 73-79 (rechts), Sparkassenneubau von 1997-2002, der sich natürlich an die Gestaltungssatzungen des Stadtkerns (Giebelständigkeit, Einhalten der Baufluchten) hält:

    Mittelstraße 81, erbaut um 1580, Negativbeispiel für "Denkmalpflege" um 1900:

    Mittelstraße 104, erbaut um 1500, links daneben (Nr. 106) stand bis Anfang der 1950er ein ähnliches Haus aus dem späten 15. Jahrhundert, das wegen "Baufälligkeit" durch einen Neubau ersetzt wurde (mit annähernd den gleichen Proportionen):

    Mittelstraße 136, Wulffenhof, erbaut um 1580, größter historischer Profanbau (knapp 30 m lang), einer Fenstervergrößerung im 18. Jahrhundert fielen leider alle Brüstungsbretter im Fachwerkobergeschoss zum Opfer - Reste der Fächerrosetten kann man noch auf den Ständern erkennen):

    Oberer Teil der Mittelstraße, vorwiegend mit Bauten des 20. Jahrhunderts, links neben dem Busbahnhof wieder der Wulffenhof:

    Lippehof im Rampendal, einziger barocker Bau der Stadt, um 1700 begonnen, nach langem Baustopp erst 1734 vollendet, heute Gymnasium (leider im Inneren in den 1950ern stark umgestaltet):

    Breite Straße 19, sog. "Hexenbürgermeisterhaus" von 1568/71, in den letzten Jahren sehr substanzschonend saniert, wird als Heimatmuseum genutzt:

    Breite Straße 45 und 47, die so genannten "Neustädter Zwillinge" (auch wenn's keine eineiigen sind), wohl um 1580 erbaut:

    Unterer Teil der Breiten Straße, der Hauptstraße der Neustadt, rechts hinter dem Baum die Alte Abtei (erbaut 1568, Rokoko-Umgestaltung mit Stuckdecken 1776):

    Kramerstraße 5, "Wippermannsches Haus", obwohl erst 1576 erbaut noch mit spätgotischem Giebel:

    So, ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick geben, warum ich meine Heimatstadt (trotz aller fragwürdigen Umbauten in der Hauptgeschäftsstraße) so mag - sonst kann ich noch Dutzende weiterer Fotos liefern :).

    P.S.: Die Fotos stammen natürlich alle von mir selber.