Posts by Amadeus

    Ich denke, da Stimmann die ganze Zeit gegen die Zersiedelung der Städte gewettert hat und einer "Stadtlandschaft" mehr als nur kritisch entgegenstand, können wir davon ausgehen, dass er die Blockrandbebauung als Typus empfindet, der einem innerstädtischen Raum am ehesten gerecht wird. Stimmann gab ja auch die viktorianischen Villen als Vorbild seiner planerischen Gedanken an: wenn sogar die modernen Architekten darin wohnen wollen, können die ja nicht verkehrt sein :D
    Besser jedenfalls, als die Strassenzüge durch großzügige Vorgärten und Freistreifen von den Gebäuden zu trennen, so dass man weniger das Gefühl hat, sich in einem städtischen Zentrum zu befinden.

    Ich muss schon sagen, dass es ein wirklich interessanter Vortrag war. Durch die anschaulichen Ausführungen bin ich nun in der Lage, die städtebauliche Geschichte Berlins nachzuvollziehen und das gegenwärtige Erscheinungsbild zu verstehen.
    Wichtig wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass Stimmann weder Rekonstruktionen noch hypermoderne Architektur als solche bevorzugt sondern dass sein Verständnis von Städtebau eher darauf abzielt, eine Stadt im kulturellen, historischen und politischen Kontext zu sehen. Das "Leitbild einer europäischen Stadt" basiert darauf, die Hintergründe einer Stadt zu erkennen und darauf aufbauend die Urbanität des Stadtbildes zu fördern. Die großen Plattenbau-Siedlungen gestand Stimmann enttäuscht als größten Planungsfehler der Baugeschichte ein. Erstmalig gebe eine Regierung Mittel dafür aus, eigens gebaute Objekte abzureissen, weil sie unbrauchbar, ja schädlich für das Stadtbild seien. Stimmann kritisierte solche "Siedlungen", die nichts mit der eigentlichen Stadt zu tun hätten...

    Ich gebe Oliver Recht, denn die Art der Architektur ist in der Tat alles Andere als zeitgemäß. Allerdings muss sich ein Planer damit auseinandersetzen, dass er, wenn er kostenkünstig bauen will ( und das ist schon immer unumgänglich gewesen ), auf Fertigteile und vorproduzierte Massenprodukte angewiesen sein wird. Von daher bestimmen die Materialhersteller durch ihre größtenteils recht unflexible Produktpalette maßgeblich die Möglichkeiten der Gestaltung. Die Kunst der Architektur findet sich so gesehen darin, solche Bausätze auf eine Art anzuwenden, dass funktionsfähige und zugleich interessante ( für Modernisten: ästhetische!!) Details entstehen.
    Ein Potential für die Wirtschaft und zugleich für die Architektur in unserem Land sehe ich allerdings darin, gewisse Normen im Baumaterial-Bereich zu lockern und sich von den Standard-Massenwaren weg zu bewegen. Seriengüter können in anderen Ländern wesentlich kostengünstiger hergestellt werden, also sollten wir dazu anregen, unseren Vorsprung an knowhow zu nutzen, um uns auf die flexible Produktion von bedarfs-angepassten Produkten zu verlegen.
    Qualität statt Quantität. Insbesondere in der Architektur...

    Vielleicht ist der moderne Mensch zu sehr auf den Verstand bezogen. Leben wir nun die Prinzipien der Aufklärung noch bis ins Extrem aus, dass der Gesellschaft der Hang zum Schönen und Harmonischen abhanden gekommen ist?
    Ich höre immer, man soll sich nicht in ausschweifenden Formen verlieren, sondern simpel, prägnant und schlüssig bauen. Glaubt man, andernfalls die simplen, reduzierten Gemüter zu überfordern?
    Ich höre immer, man soll spannend bauen, um Leben in Fassadenzüge und Räume zu bringen. Doch wie kann man entspannt leben, wenn sich das Umfeld in ewigen Kontrasten gegenseitig zerstört?
    Ich höre immer, dass die Moderne in allen Formen der Kunst das Wesentliche erfasst und zum Thema macht.
    Und ich frage mich: wenn wir nun in den vergangenen 100 Jahren das Wesentliche erfasst zu haben glauben, wieso sollen wir uns jetzt glauben machen lassen, dass die Entwicklung damit zuende sei? Im Gegenteil kann es nun, da wir die Basis der minimalistischen Essenz bis zum Exzess in die gestalterische Entwicklung haben einfließen lassen, endlich dazu kommen, dass wir die Erfahrung unserer Geschichte und (Baukunst-)Kultur aufnehmen und in das neue Jahrtausend einfließen lassen.
    Die Möglichkeiten, die sich uns bieten, sind angesichts höherer technischer Standards und Materialien unglaublich. Zwar haben sich die Anforderungen an Gebäude geändert, was Nutzung und Ausrüstung angeht, doch grade da setzt doch die Aufgabe des Architekten an: wie vereint man das Angenehme mit dem Nützlichen? Jeder Ingenieur kann Zweckbauten entwerfen. Aber die Verantwortung im ( Um- ) Bau eines Gebäudes geht wesentlich weiter.
    Ich hege ja die Hoffnung, dass sich, je mehr sich die alten Architekten- und Planergenerationen verjähren, das Gesicht unserer Städte zum Besseren wendet. Doch solange modernistische Fossile die neuen Generationen mit ihren Idealvorstellungen füttern, kann dabei keine große Entwicklung herumkommen.
    Ich bin leider gescheitert, mich in die Studentenvertreter-Liste des Fachbereichs-Rates wählen zu lassen, wo ich zumindest anteilig Anrecht auf Mitbestimmung gehabt hätte, was die Besetzung von Lehrstühlen am Fachbereich Architektur in Münster angeht. Naja, vielleicht nächstes Semester...

    Insbesondere die Verwendung von Beton als Werkstoff, sowohl konstruktiv als auch gestalterisch, hat laut Prof. Jürges in Deutschland eine derart starke Loge hinter sich, dass es für Planer schwer ist, dauerhaft alternative Konstruktionen umzusetzen.
    Beton erfüllt natürlich hervorragend alle brandschutz-technischen Anforderungen, und darum finden wir ihn auch in nahezu allen öffentlichen Bauten, doch die hohen Anforderungen an die Werkstoffe in unseren Normen haben wir laut Aussage des Professors eben jener "Loge" zu verdanken. In anderen Ländern klappts auch anders, oder, wenns in Beton sein soll, zumindest besser, ästhetischer, angenehmer als bei uns.

    Um auf den Baustoff einmal kurz einzugehen:
    eine Kommilitonin hat Prof. Mani eine Sitzbank gestaltet, die aus Naturstein und Holz zusammenwirkt. Mani's erster Vorschlag: warum nicht Beton?
    Antwort der Studentin: weil's kein natürlicher Baustoff ist...
    Mani hat dann fröhlich hergeleitet, dass Beton ja nichts anderes ist als Anmachwasser, Zement und Zuschläge, also Produkt natürlicher Materialien. Und dennoch kann mir keiner erzählen, dass Rohstoffe, die grob bearbeitet wurden, um anschließend in eine völlig unnatürliche ( weil rechtwinklige, glattflächige, etc. ) Form gegossen zu werden, vergleichbar sind mit Naturstein und Holz ( Zugeständnis: Holz wird auch bearbeitet, doch es ist deutlich erkennbar naturgewachsen ).
    Durch Mani's Drängen auf Beton hat der Entwurf der Studentin das eigentliche Thema eingebüßt, aber hey, dafür baut sie jetzt in Beton...
    Nebenbei: in meinem Entwurf nehme ich jeweils Betonklötze mit Edelstahl-Filigranteilen in die Zange. Möge Mani es symbolisch deuten.

    Ich habe mich noch mit einem Kommilitonen über Böhms Vortrag und seine Kommentare unterhalten. Er befand, dass der Zusammenhang zwischen Architektur und Gesellschaft wie die Frage wirkt: was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?
    Zumindest sehe ich einen Teufelskreis, in dem sich eine kaputte Gesellschaft kaputte Architektur schafft, die wiederum eine kaputte Gesellschaft hervor bringt, doch mir fallen direkt zwei Punkte an, um den Hebel zur Besserung anzusetzen: Medien und Lehranstalten.

    Hallo zusammen!

    Ich dachte, ich schreibe mal einen Beitrag über meine Erfahrungen im Studium der Architektur. Vielleicht interessierts manche, wie ein Student den Weg in die Welt der Architekten gewiesen bekommt...

    Ich studiere Architektur an der msa ( Münster, school of architecture; eigenständige Abteilung der FH Münster ), bin im 2. Semester des bachelor-Studienganges, und mein Vorlesungsplan weist neben den obligatorischen PC-Grafikprogramm- und Freihandzeichnen-Kursen die Fächer Tragwerkslehre, Vermessungslehre, Baustofftechnologie, Baukonstruktion und design basics ( ehemals unterteilt in "Gestalten" und "Entwerfen" ) auf.
    Das reicht, um die Woche voll zu bekommen.

    Ich studiere gemeinsam mit 115 Komolitonen ( wobei ich jemandem, der mir die korrekte Schreibweise dieses Wortes nennen kann, sehr dankbar wäre... ) in einem Gebäudekomplex, der ehemals eine alte Reiterkaserne darstellte. Um dort Platz für ein paar Studis zu schaffen, wurde der alte Bestand sorgsam entkernt und das Innere mit schönem grauen Sichtbeton zu einem Kastell aus Fluren und Seminarräumen, Büros und Räumlichkeiten für die einzelnen "departments" gestaltet.
    Abgesehen von der handwerklich miserablen Qualität ist das feedback gewöhnlich eher teilnahmslos. Es scheint meinen Kollegen recht egal, in welchem Umfeld sie studieren. Ich persönlich fühle mich jedoch in einem Hörsaal, der ringsum Betonwände ( mit hölzernem Schalungsmuster ) aufweist, recht beklemmt. Aber gut, so ist die Konzentration stets nach vorn gerichtet, gell?

    Aber ich will mich hier nicht über den ( zu Architekten unpassenden ) Campus auslassen. Viel interessanter scheinen mir die Themen zu sein, mit denen man in den ersten beiden Semestern konfrontiert wird:

    Prof. Jürges, ein drahtiger Ingenieur im besten Alter von etwa mitte 50 versteht es, den angehenden Planern den recht trockenen Stoff von Dimensionierung und Gebrauchstauglichkeitsnachweis bei Tragwerken mit großem Elan zu vermitteln. Man spürt, dass dieser Mann eine enorme Fachkenntnis hat, und zugleich ist er ab und an auf sympathische Art und Weise zerstreut, so dass ihm Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, welche aus der Studentenschaft stets begeistert diskutiert und korrigiert werden.
    Ich bin fast versucht, Jürges zu unterstellen, diese Fehler mit Absicht einzubauen, um unsere Beteiligung und Aufmerksamkeit auf die Probe zu stellen. Jedenfalls wirkt es.

    Prof. Fix, Dr.-Ing. des Bauingenieurwesens, bringt uns im Fach Baustofftechnologie die verschiedenen Baustoffe nahe, sowohl über sehr straff geführte Vorlesungen, als auch über praktischen Anschauungsunterricht in den Labors der Fachhochschule. So haben wir die Materialien, die wir später verplanen werden, auch einmal in der Hand gehabt. Fix ist dabei sehr souverän und locker, und er geht regelmäßig auf die Studenten zu, um auch sicherzustellen, dass die Inhalte seiner Vorlesungen auch jeden erreichen. Schließlich müssen sich seine eigentlichen Schüler, die Bauingenieure, ja später mit unseren Ausschweifungen auseinandersetzen. Da heisst es: vorbeugen.

    Prof. Mennemann bemüht sich ( größtenteils vergeblich ), uns recht antiquierte Formen der Gelände- und Gebäudevermessung beizubringen. Es liegt hoffentlich am Thema und nicht am Professor selbst, dass die Hauptkritik der Studenten sich in diesen Vorlesungen gegen die Sitzbänke des Hörsaals richtet, die zu unbequem zum Schlafen sind. In kommenden Semestern wird uns Mennemann in Baugeschichte unterrichten, was in mir große Erwartungen weckt.
    Unumgänglich wird das Fach dennoch dadurch, dass wir auch hier regelmäßig zu Feldübungen bestellt werden, wo uns die Tutoren erklären, wie man mit Fluchtstäben, Nivellier und Rollmaßband umgeht. Zumindest solche Übungen sind eher interessant als zeitraubend.

    Soweit habe ich die "Nebenfächer" aufgeführt. Die Kurse Baukonstruktion und design basics nehmen als "Hauptfächer" den Löwenanteil meiner Zeit ein.

    Ich darf mich glücklich schätzen, das erste Semester in design basics überstanden zu haben, nachdem mich das Verlosungsverfahren dem Kurs von Prof. Mer zugeteilt hatte. In seinen Seminaren lernte ich alles Mögliche über modern art, insbesondere die minimal art und Künstler wie Jenny Holzer, Eduardo Chillida und Rebecca Horn, jedoch kaum etwas brauchbares über Architekturgestaltung. Was kann man von einer Generation von Architekten erwarten, die als unbeschriebenes Blatt startet, und der zunächst Mondrian und Rem Koolhaas als das Maß aller Dinge vorgesetzt wird?
    Nun, ich bin froh, diesen Einstieg überwunden zu haben, und nun arrangiere ich mich mit Prof. Mani, einem Holländer, der jedoch seine Seminare auf Englisch hält.
    Mani ist ein lustiger Kerl mit einer sehr angenehmen und aufmerksamkeitsheischenden Art der Vortragsweise. er ist gut verständlich, doch auch seine ästhetischen Schwerpunkte sind gestalterisch stark reduziert. Im Ernst wollte er uns WBS 70-Bauten als traumhaft schöne Architektur verkaufen...
    Aber seine Arbeitsweise gefällt mir gut. Er leitet uns an, logisch und durchdacht an alle Aspekte einer Planung heranzugehen, zeigt uns Wege, beispielsweise über Ausschlußverfahren die Hauptthemen eines Arbeitsprozesses herauszufiltern, und untermauert solche Ausführungen stets mit Beispielen aus seinen eigenen Werken.
    Es ist bloß recht schwierig, in der Bearbeitung der Semesteraufgaben auf englisches Fachvokabular zurückgreifen zu müssen. Aber auch das schult für die Zukunft. Derzeit bin ich beschäftigt, eine "family of streetfurniture" zu entwerfen, bestehend aus Sitzbank, Mülleimer und Trinkbrunnen. Ich habe zwar meine eigenen Vorstellungen bezüglich eies designs, das an jeden Ort passen soll, aber angesichts der Vorlieben des Professors, der Schwierigkeit, filigrane Formen als Modell umzusetzen und wiederholt zu zeichnen, zeige ich mich für dieses Mal opportunistisch und entwerfe recht simple Beton-Geometrie. Wenn mein Dasein als Architekt nicht mehr von Mani's Urteil abhängig ist, kann ich immernoch etwas Schönes planen und umsetzen ( tja, manchmal muss man Kompromisse eingehen ).

    Ebenso bin ich sehr zufrieden mit dem zweiten Hauptfach: Baukonstruktion.
    Von Prof. Reichardt lernen wir die konstruktiven Zusammenhänge eines Gebäudes. Wie sieht der Aufbau eines Flachdaches aus? Welche Möglichkeiten gibt es, eine Wand zu dämmen? Wie entwirft man eine Treppe? All dies wird hier behandelt und im Rahmen einer Semesteraufgabe zusammengeführt. Im 1. Semester habe ich gemeinsam mit zwei Komolitonen ein Haus für eine Künstlerin auf einem Bunker in Münster entworfen. Wir entschieden uns für eine Ikebana-Künstlerin und richteten den Entwurf nach Feng Shui aus, was sich als unglaublich schwierig herausstellte. Künftig lasse ich die Finger von soetwas. Reichardt ( den ich als Architekten und Dozenten in hohem Maße respektiere ) gestand uns zur Endpräsentation zu, "gut gekämpft" zu haben...
    Naja, zumindest mit den Grundrißplänen war ich recht zufrieden.
    Inzwischen merkt man Prof. Reichardt an, dass er sehr gestresst ist, da er sich parallel um seinen Lehrstuhl, sein Büro in Essen und sein Partnerbüro in Bangalore kümmert. Aber er scheint mir der fähigste Architekt in unserem Fachbereich zu sein, und in den regelmäßigen Korrekturen der Aufgabenbearbeitung ist er sehr umgänglich und in seiner Fachkenntnis überzeugend.
    Derzeit sollen wir auf einem fiktiven Grundstück eine Snackbar und eine Studentenwohnung auf insgesamt zwei Geschossen entwerfen. Es geht recht schleppend voran, nachdem der von mir initiierte Entwurf sich offenbar zu stark an den Grundstücksgrenzen orientierte.

    Um den werdenden Architekten auch Inhalte nahezubringen, die zwar wichtig, aber nicht umfangreich genug für ein eigenes Fach sind, gibt es die "toolbox".
    Jeden Mittwoch referiert ein anderer Professor über Themen wie Lichtführung, Wasserarchitektur, japanische Architektur, konkrete Beispiele wie die Hamburger Hafenstadt...

    Heute hat Prof. Böhm, in dessen design-Kurs ich seit dem 1. Semester hineinwählen möchte, einen Vortrag über Wohnbauten gehalten.
    Ich habe jedes Wort aufmerksam verfolgt, und je länger ich lauschte, umso verständnisloser wurde ich.
    Sollte dieser Professor, von dessen Vortragsweise und Architekturverständnis ich so beeindruckt war, doch nicht anders sein als die übrigen Professoren?

    Böhm eröffnete mit einigen Bildern von 08/15-Bauten in ländlicher Umgebung, die sich jedoch mit deutschen Tannen umgaben oder völlig von der Natur abgewandt waren.
    Böhm kritisierte das mangelnde Verständnis der Architekten, Bezüge zwischen Gebäude und Umgebung herzustellen. Ich frohlockte. Endlich jemand, der Gebäude nicht als isolierte Objekte, sondern übergreifend erfasste!
    Es folgte eine Darstellung der Villa Rotonda von Palladio, wo eine Aufnahme der Umwelt im Gebäude gemeistert worden sei. Alle Himmelsrichtungen vereinten sich im Zentrum des ( augenscheinlich ) völlig symmetrischen Gebäudes und stellten so in Palladios Augen den Mittelpunkt der Welt dar.
    Grübelnd saß ich in meiner engen Bank und fragte mich, ob Böhm noch ein passenderes Beispiel finden würde, da die Villa Rotonda zwar das Panorama der Umgebung in ihrem Inneren gestalterisch aufwerte, je nach Blickpunkt, doch eine echte Wechselwirkung zwischen Gebäude und Umgebung konnte ich nur darin erkennen, dass sich das Gebäude dem Panorama öffnet. Wie sollte soetwas in einer bebauten Umgebung aussehen?
    Böhm zog in der Folge ein paar Bilder vom Kaiserpalast in Japan heran. Anhand von etlichen Ansichten verdeutlichte er das seiner Meinung nach verloren gegangene Verständnis der japanischen Baumeister, ihre Bauten nicht als Zentrum der Herrschaft über die Natur zu sehen, sondern sich der Natur zu unterwerfen. So sei der Kaiserpalast ein hervorragendes Beispiel für die stets verschwimmenden Verhältnisse zwischen Innen und Aussen, als sei es höchstes Ziel der Architektur, permanente Raumübergänge harmonisch zu gestalten. Meiner Meinung nach kann dies höchstens ein Stilmittel bei der Verfolgung einer höheren Zielsetzung sein.
    Aber was Böhm zu erklären versuchte, hatte ich verstanden:
    ein Gebäude hat immer, immer!, eine Umgebung, zu der es im Bezug steht. Böhm bediente sich bisher bloß stets der Natur als Beispiel. Ich beschloss, auf weitere Beispiele zu warten.
    Was dann auf der Leinwand erschien, war Mies' Barcelona-Pavillon.
    Begeistert ließ sich Böhm über die scheibenartige Bauweise aus, erklärte kurz, dass dieser Pavillon an der Flanke eines großen Platzes stünde, und ich versuchte krampfhaft, dieses Platten-Geschöpf mit neutralen Augen zu betrachten.
    Was die Bauweise anging, gelang es mir sogar: das Gebäude hat wirklich schöne Ansichten, sehr simpel gehalten und von präziser Nüchternheit im Umgang mit dem Material geprägt. Auch das Ausgestalten der Wände als Scheiben, die man in ihrer Gänze, nicht bloß als Oberfläche erfassen konnte, gefiel mir als planerisches Stilmittel. Wohnen wollte ich in solch einem Gebilde trotzdem nicht...
    Worüber ich jedoch nicht hinwegsehen konnte, war die Widersprüchlichkeit in Böhm's Vortrag, die in diesem Beispiel ins Extrem ging.
    Ich sprach den Professor nach der Vorlesung darauf an, dass sein Vergleich nicht schlüssig sei, zunächst von mangelnden Bezügen aktueller Wohnbauten zu ihrer Umgebung zu sprechen, nur um dann Mies' 90 Jahre alte Architektur als das Nonplusultra der derzeitigen Architektur hinzustellen. Und dann als Krönung noch den Barcelona-Pavillion aufzuführen, der in seiner Bauweise absolut zur Umgebung im Kontrast steht, das Nordende des anliegenden Platzes gleich einer versetzten Mauer zu einem "dead end" verkommen lässt und sich sogar weigert, in der Gebäudeerschließung auf die Umgebung einzugehen. Statt nämlich eine dem Platz zugewandte Treppe aufzuweisen, gelangt man über eine seitlich zugängliche Basis in das Innere des Pavillons, um von den Wandscheiben in jeweils von Mauern isolierte Gebäudeenden geleitet zu werden.
    Und das, so sprach Böhm, sei eine Architektur, die für uns als Architekten maßgeblich sei, die nicht zu übertreffen sei, und die auch nicht in absehbarer Zeit zu toppen sei. Meine Anmerkung beantwortete er mit den Worten: "Das Gebäude wirkt wie ein Katalysator für den Platz. Stell mal einen massiven Klotz auf 'ne Wiese und dann ein paar versetzte Scheiben. Dann siehst du den Unterschied."

    Ich werde also jetzt rausgehen und ein paar Scheiben aufstellen. Ich will mir ja nicht nachsagen lassen, meine Haltung zur Architektur ohne sie zu hinterfragen ausgeprägt zu haben.

    Selbiges befürchte ich eher bei meinen Komolitonen, denn was soll aus ihnen werden, wenn solche Professoren von Le Corbusier und Mies predigen? Erwartet uns tatsächlich dann 90 Jahre alte Architektur, einzig neu aufgelegt durch neue Materialmöglichkeiten? Ich weigere mich, das zu glauben.
    Vielleicht sollte man sich bemühen, die künftigen Architekten-Generationen zu retten, indem man nicht ausschließlich gegenwärtig praktizierende Architekten wie Gehry und Foster kritisiert, sondern vor allem dem Nachwuchs gute Lehrer vorsetzt.
    Ich danke an dieser Stelle meinem Vater, der mich gegen die üblen Einflüsse manches fanatischen Modernisten gewappnet hat, und verabschiede mich in der Hoffnung, euch, den Akteuren dieses Forums, einen kleinen Einblick in das Hochschulleben eines angehenden Architekten verschafft zu haben.

    Ich glaube, so allmählich kommen wir auf einen gemeinsamen Nenner:

    es ist nicht schlimm, dass das Gebäude wieder hergerichtet ist. Die Auswahl der Farbe, der Fassadenelemente, etc. hätte aber deutlich mehr Respekt vor dem historischen Gehalt des Gebäudes haben können/sollen.

    Danke für die Aufklärung über die Geschichte des Hauses.

    Ich unterscheide noch immer in Hinsicht auf solcherlei Bauwerke nach dem kulturellen Stellenwert, aber ich denke doch, dass unser beider Ansichten sich in einem entscheidenden Punkt decken: besser erst sein Augenmerk auf den ( geschichtlichen / traditionellen / kulturellen ) Hintergrund eines Bauwerks richten, ehe man sich für eine Baumaßnahme entscheidet.

    Ich bin noch immer froh, dass nicht der Abrissbagger gewütet hat...

    Bleibt die Frage: warum?

    @ Stefan: kannst du mir den geschichtlichen Hintergrund des Gebäudes erläutern, da er sich mir aus den Fotos nicht erschließt.

    Wäre wichtig, zu erfahren, da ich sonst der Denkmalschutzbehörde eine gewisse Auswahlschwäche nicht absprechen könnte...

    In diesem Fall sehe ich eine Weiterentwicklung des Gebäudes. Das gezeigte Haus ist für mich keine Ikone, die, in der Zeit stillstehend, Werte, auf denen der Bau basiert, über die Jahre hinweg transportiert.
    Es erscheint mir wie der Werdegang eines üblichen Hauses. Gebäude durchlaufen in ihrem Dasein nunmal, wie die Menschen, die es prägen, Entwicklungen, Anpassungen.
    Sicher gibt es hinsichtlich der Art, wie diese Weiterentwicklung auszusehen hat, Kritikpunkte ästetischer Art ( wie auch ich sie äußerte ), doch letztlich: muss denn nun jedes Gebäude aus altem Bestand unbedingt erhalten werden? Muss es nicht am gesellschaftlichen Wert eines Bauwerks bemessen werden, ob wir es in die Kulisse unserer Gegenwart und der Zukunft einbauen, oder ob man Platz für Neues schafft? Treiben wir es ins Extrem: dieses Haus hat keinesfalls den Stellenwert einer Frauenkirche, und ich persönlich bin noch sehr zufrieden damit, dass es umgebaut, und nicht abgerissen wurde, was vermutlich langfristig wirtschaftlicher gewesen wäre. Lasst es eine traditionelle Architektur gewesen sein, nach Aussen hin befinde ich die Wirkung, ob alt oder neu, im Endeffekt für gleichwertig. Es macht(e) wenig her und kam meines Erachtens nicht einmal in die Nähe einer Diskussion über "Erhaltenswert oder nicht".

    Um zur Hülle zu kommen: die EnEV 2006 hat da ganz markannte Auflagen für Nutzung und Veräußerung von Gebäuden. Daher ist das Erhalten historischer Baumasse auch dadurch beeinträchtigt, dass die Einhaltung von Dämmung und Energieeffizienz gewährleistet sein muss ( womit ich keinem hier etwas Neues erzähle ). Aber solche Aufrüstungen greifen natürlich in die Substanz des Gebäudes ein. Ich meine keineswegs nur das auf den ersten Blick Offensichtliche, wenn ich von einer Gebäudehülle spreche.

    Alles in Allem meine Sichtweise:

    sprechen wir hier von einem Kulturdenkmal im konkreten Fall? Nein!

    Verliert das Haus an ökonomischem Wert? Nein!

    Verliert das Haus an Schönheit? Geschmackssache. Anders heisst nicht gleich häßlich.

    Ist das diskutierte Prinzip akzeptabel? Ja! Gebäude mit kulturellem Wert müssen erhalten und dabei mit Vorsicht angepackt werden.

    Also: schlechtes Beispiel im Bezug auf dieses Gebäude.

    Richtig ist: Gebäude aus dem Altbestand werden entweder weiterentwickelt oder entfernt. Oft, ohne auf historischen Wert zu achten.
    Ist ein historischer Wert allerdings gegeben, würde ich abwägen, in welcher Weise das Gebäude behandelt wird: bei Kulturdenkmälern bin auch ich dafür, eine hohe Authentizität anzustreben. Andererseits kann man bei Gebäuden, die in dieser Hinsicht untergeordnete Stellenwerte haben, auch toleranter sein. Es geht hierbei um traditionelle Werte, die vermittelt werden müssen. Gelingt dies, ist das Ziel der Maßpnahme erreicht.

    Nüchtern betrachtet stören mich hauptsächlich die großen Fenster-"Löcher" an der Giebelseite und die unpassende Ausführung des Balkon-Anbaus.
    Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass diese Modernisierung ( denn es ist ja definitiv keine Rekonstruktion ) dem Gebäude nicht so sehr geschadet hat, wie hier beklagt wird. In einer frischen Hülle ist es nun bereit, auch in der Gegenwart genutzt zu werden.
    Ich bin, entgegen schwarzseherischer Meinung, eher froh, dass man sich nicht entschieden hat, das Gebäude komplett abzureissen und einen Klotz anstelle dessen zu errichten. Das neue Gewand fügt sich in seiner geschichtlich verbliebenen Form ( abgesehen von Giebel-Fenstern und Balkon ) in eine Bau-Kulisse ein, die wesentlich wertentfremdeter ist als das, was uns diese Bilder aufzeigen, und so sollten wir hier den Aspekt sehen, dass zumindest ein gringer Teil unserer Forderungen in die aktuelle Bauplanung einfließt.

    Hallo zusammen!

    Zu modernistischen Gebäuden in historischem Umfeld kann ich nur das Bild der Stadbücherei in Münster hinzufügen. Wenn ich daran denke, dass ich Vorlesungen bei der Dame habe, die diesen Beton- und BlechKRAMPF geschaffen hat, wird mir schlecht!

    http://www.muenster.de/stadt/tourismus/pics/t-stadtbuecherei.jpg\r
    http://www.muenster.de/stadt/tourismus/ ... cherei.jpg

    Gestern durfte ich Prof. Bolles-Wilson auf eine Bau-Begehung begleiten, und ich habe selten soviel Beton auf einem Haufen gesehen. Leider habe ich noch keine Bilder zur Veranschaulichung, aber Hafenweg 16, Münster wäre ein hoffnungsvoller Kandidat für den Titel...