Die überkreuzten Kopf- und Fußstreben ohne Anblattungen würde ich sehr wohl als mittelalterlich werten. Zum einen gibt es vergleichbare Befunde von rechtsrheinischer Seite, aus dem Kraichgau (Eppingen) und dem unteren Neckartal (Hirschhorn und Neckargemünd). In Eppingen und Hirschhorn finden sich überkreuzte Streben ohne jegliche Anblattungen (Eppingen Bild 1, Bild 2; Hirschhorn) in Kombination mit teils angeblatteten Steigbändern , desweiteren eine reduzierte Form in Neckargemünd, hier ebenfalls mit angeblatteten Steigbändern und einem Freigespärre (Bild), außerdem ein Beispiel aus Hirschhorn mit derselben Reduktionsform. Letztere reduzierte Form findet sich an gleicher Weise mit angeblatteten Steigbändern an einem Haus in Hunawihr (Link). Auffällig ist hier außerdem, dass in allen drei Fällen die Steigbänder nur oben angeblattet sind.
Diese Kombination spricht in meinen Augen dafür, dass diese Strebenformen den letzten Jahren des spätmittelalterlichen Fachwerkbaus in der Region (wohl um 1500 und kurz danach) zuzuordnen sind. Ein weiteres Beispiel aus Hirschhorn legt desweiteren nahe, dass es sich dabei um Übergangsformen zwischen dem südhessischen und dem alemannischen Fachwerk handelt.
Wenn man nun bedenkt, dass die entsprechenden Fachwerkformen gerade im südhessischen Raum bis weit ins 16. Jahrhundert in Gebrauch blieben, und andererseits die erstaunlich späte Datierung des archaisch anmutenden Bauernhauses aus Artolsheim (Bild) ins Jahr 1561 betrachtet, so könnte man annehmen, dass im Elsass manche mittelalterlichen Fachwerkformen auch später im 16. Jahrhundert noch Anwendung fanden. Dies könnte etwa auf das oben genannte Haus in Hunawihr zutreffen. Auch ein Gebäude in Weißenburg (Bild) mit einem Datierungsstein mit der Jahreszahl 1582 am Kamin (Bild) könnte demnach evtl erst zu diesem Zeitpunkt gebaut worden sein. Zur Klärung bräuchte man nun allerdings dendrochrononlogische Datierungen.