Quote from "Philon"Und unendlich traurig, wenn man bedenkt, daß Regensburg vor dem Bombenkrieg nur eine von vielen solcher erhaltener mittelalterlicher Großstädte in Deutschland war ... eine neben Frankfurt a.M., Köln, Braunschweig, Hannover, Mainz, Nürnberg und so vielen anderen.
Wie Recht du leider hast. Was Großstädte anbelangt, so hat Deutschland sein bauliches Erbe sehr weitgehend eingebüßt - Ausnahmen gibt es wenige. Wirklich vollständig rekonstruiert wurden ja bedauerlicherweise meist immer nur städtebauliche Leitbauten (Kirchen etc.), die heute oftmals Solitäre aus einer anderen Welt in einem Meer von modernen Nachkriegsbauten sind. Den ehedem massenhaft auftretenden profanen Wohnbau, der für die Ensemblewirkung entscheidend war, hat man hingegen eigentlich nirgends auch nur ansatzweise wiederhergestellt. Mit unseren zahllosen, schönen Klein- und Mittelstädten stehen wir allerdings noch heute zusammen mit Italien mehr oder weniger an der Spitze Europas.
Regensburg war schon immer anders als Städte wie Nürnberg oder Frankfurt (oder das trotz seines Status als Residenzstadt vor dem Krieg ebenso recht altertümlich wirkende Braunschweig). Wenn wir letztere "mittelalterlich" nennen, so müssen wir bedenken, dass die Masse der alten Bauten eher bereits aus der frühen Neuzeit herrührte. Köln, mit seinen romanischen Kirchen wohl einzigartig in Europa, hat sich im Verlauf der Jahrhunderte doch sehr weiterentwickelt, es blieb in ihm einfach nicht so sehr die Zeit stehen wie in Regensburg. Köln ist immer für deutsche Verhältnisse eine sehr große Stadt gewesen, es mag nicht die größte deutsche Stadt, die es im Mittelter war, geblieben sein, aber es ging viel mehr als Regensburg stets nach vorne, ging mit der Zeit, was entsprechende bauliche Veränderungen nach sich zog. Hans Karlinger, ein einmal recht bekannter bayerischer Kunsthistoriker, hat 1922 über Regensburg und Köln bemerkt: "Daß Regensburg ein archäologisches Unikum ist mit romanischen Bauten und sonstigen wichtigen Daten für Kunst und Geschichte, das wissen viele und das macht nichts aus, denn das findet man auch in Köln und Mainz und sonstwo. Aber daß hier noch der ganze Boden, aus dem diese Gipfel alter Kunst wuchsen, in vollem Saft steht, das kann nur der empfinden, der einmal mit Schmerzen die Kölner Gereonskirche in der trostlosen Öde ihrer Mietskasernen-Umbauung geschaut hat." Hannover hatte vor dem Krieg viel zu viel Renaissance und Klassizismus, um in seiner Gesamterscheinung als mittelalterlich zu gelten. Die großen ehemaligen deutschen Hauptresidenzen hatten generell kein wirklich altes Stadtbild - egal ob man hier München, Wien, gar Dresden und Berlin oder eben Hannover heranzieht, verglichen mit den ehemaligen freien Reichsstädten wirkten sie geradezu modern. Das alte Mainz kenne ich nicht wirklich, vermute jedoch, dass es überreichlich Barock in seinen Mauern beherbergte. Was Regensburg an Profanbauten, deren Bausubstanz im Wesentlichen etwa zwischen 1200 und 1500 entstand, heute noch aufweist, war schon vor dem Bombenkrieg einmalig. Nürnberg mag die meisten Besucher vor dem Krieg mehr begeistert haben als Regensburg, das ältere Stadtbild hatte jedoch bereits damals die Stadt an der Donau.