Beiträge von Georg Friedrich

    Das ist eigentlich ein Luxusproblem angesichts des gewaltigen Bausündenreichtums im Altstadtbereich. Von einer wirklichen Sensibilisierung der Bevölkerung für baukulturelle Belange würde ich anhand dieses Vorfalls nicht ausgehen. Geht von den Leuten, die hier - natürlich richtigerweise - Kritik erheben, auch die Forderung nach traditionellem Bauen oder Rekonstruktionen aus? Der Fall hat sogar eine bittere Ironie, wenn man bedenkt, mit welchem Wiederaufbauschrott man die äußerlich vorbildlich wiederhergestellten romanischen Kirchen einst vielfach umstellt hat - und jetzt regt man sich über eine Aufstockung auf, wo man sich doch eigentlich wegen großer Teile des gesamten baulichen Umfelds aufregen müsste...

    Der abgerissene Gasthof zum Sigl (Hauptplatz 18) war übrigens ein eingetragenes Einzeldenkmal. Für den Bortenschlager (Hauptplatz 39) galt zumindest der Ensembleschutz des Hauptplatzes (Hauptplatz 1-43). Siehe: Liste der Baudenkmäler in Pfaffenhofen an der Ilm
    Wenn freilich enthemmte Modernisierer und "Stadtentwickler" ohne jedes Verständnis für das bauliche Erbe der eigenen Stadt politisch an der Macht sind, haben solche Schutzbestimmungen natürlich schnell nichts mehr zu bedeuten...

    In meinen Augen handelt es sich in beiden Fällen um in der Nachkriegszeit entstuckte Gründerzeitler. Zwei erfreuliche Sanierungen - hoffentlich gewinnt diese Entwicklung an Fahrt. Leipziger Verhältnisse sind dennoch leider noch lange nicht erreicht. Die ehemals sicherlich vorhandenen Fenstergesimse fehlen weiterhin.

    Zu einigen ungünstigen Neubauten kommt vielfach ein liebloser, zu sorglos alles durchmodernisierender Umgang mit der Altbausubstanz hinzu. An einigen Häusern scheint die Fachwerkfassade nur noch vorgeblendet zu sein.

    Wie so oft in der Provinz ließe sich in den kommenden Jahrzehnten bei allfälligen Sanierungen durch einfache Mittel vieles wieder aus- und verbessern, wenn nur der Wille und ein entsprechendes Bewusstsein da sein werden.

    Das Investitionsvolumen dürfte in diesem Fall nicht groß genug sein, um traurige Gestalten wie Zaha Hadid oder David Chipperfield anzulocken, ich unterstelle jedoch, dass derjenige der auf Internationalität setzt, die Wiedergewinnung deutscher Kultur nicht im Sinn hat. Ich mag ein klischeehaftes Bild von Köln haben, vermute jedoch, dass die Erfolgsaussichten für Rekonstruktionen dort denkbar schlecht sind.


    Zitat von "Zeno"

    Meine Worte. Ortsfremde, überregional agierende Architekturbüros haben oft kein Bewusstsein für den Ort und nichts für die örtliche Bautradition übrig.


    Wobei ortsfremde Privatpersonen nicht selten mehr Sinn für den Wert des Alten haben als die Eingeborenen, die "Schandflecken" entsorgen möchten.

    Es handelt sich also um das Grundstück Roncallipatz 2. Früher befand sich dort das Offizialat der Thomaskirche, welches 1860 zum Diözesanmuseum umgebaut wurde. Hat jemand ein Bild von diesem Gebäude?

    Der jetzige Bau, der abgerissen werden soll, stammt aus dem Jahr 1972. Für den Neubau wird bereits ein internationaler Architekturwettbewerb vorbereitet, was eher ungünstig ist, wenn nicht strengste Vorgaben in Richtung traditionelles Bauen bzw. äußere Rekonstruktion gemacht werden. "International", hierzulande aus geschichtlichen Gründen von vorneherein quasi automatisch als Positivum betrachtet, bedeutet leider immer, dass Leute von weit her, ohne viel Ahnung von der Geschichte des Ortes mitgestalten können.

    Zitat von "ursus carpaticus"

    Was den von Markus erwähnten europäischen Kontext betrifft, würde ich Augsburg in eine Liga mit Gent, Erfurt oder Krakau stellen.


    Wo stünde dann erst ein unzerstörtes Augsburg mit völlig intaktem Rathaus- und Metzgplatz, Kessel- und Obstmarkt, einer tatsächlich durchgehend vollkommenen Maximilianstraße, sämtlichen alten Häusern an der Karolinen- und Jakoberstraße, störungsfrei in den Bereichen Grottenau und Hafnerberg...

    Hast du viele vorzeigbare Bilder auf deiner Schwabenreise gemacht?

    Gerhard Polt hat sich ja mit diesem Thema schon 1984 beschäftigt: Gerhard Polt: Die Wegbeschreibung ablachen:)

    Viel verhindern konnte er wohl nicht... Grundsätzlich sehe ich Gewerbegebiete als zweischneidiges Schwert. Natürlich verschandeln sie die Landschaft. Doch sie schaffen - wie der Film zeigt - auch in abgelegenen Gemeinden außerhalb des Einflussbereichs einer Großstadt Arbeitsplätze und verhindern so das völlige demographische Ausbluten vieler Dörfer, die bereits unter Abwanderung leiden. Gewerbegebiete befinden sich zudem außerhalb der wertvollen Ortskerne, stellen also keine direkte Bedrohung für die Altbausubstanz dar. Sicherlich sind Einzelhandel und Betriebe innerhalb des Dorfkerns immer vorzuziehen, wenn sie alte Gebäude einer neuen Nutzung zuführen - das ist die ideale Lösung. Jedoch besteht beim Konzept "Arbeiten und Einkaufen im Dorfkern" immer sofort die gefährliche Alternative des Abrisses ganzer Altbauquartiere, um große Centergebäude innerhalb der Ortskerne hochzuziehen. Ein viel größeres Problem für die Dorfkerne als die Gewerbegebiete sind in meinen Augen die Neubausiedlungen, die die Wohnfunktion abdecken, die ein Dorf unbedingt erfüllen muss, um keine größeren Probleme mit Gebäudeleerständen zu bekommen. Die Gewerbegebiete sehen hässlich aus, schaffen jedoch Arbeitsplätze; neue Wohnsiedlungen sehen hässlich aus, schaffen keine Arbeitsplätze und saugen den Ortskern aus, wo so immer mehr Häuser leer stehen. Zukunft besteht für die Dorfkerne nur dann, wenn sie als attraktiver Wohnraum wiederentdeckt werden.

    Vielen Dank für das Update über die Sanierungsfortschritte in Halle, Gregor! Welche "Seitengebäude" werden denn in der Bärgasse abgerissen? Die Gebäude, die man auf dem 2. und 3. Bild sieht?

    Tut sich etwas an den Fachwerkhäusern an der Großen Klausstraße/Graseweg?

    Es gab eine Zeit, da hielt ich den Fosterschen Umbau für eine halbwegs gelungene Lösung. Je genauer ich mir Bilder vom alten Reichstagsgebäude anschaue, desto mehr schwindet bei mir dieser Glaube. Bei ehrlicher Betrachtung ist der heutige Reichstag ein geschändeter Bau, der einzig von seiner älteren Substanz zehrt. Die ursprünglich intendierte imperiale Geste ist einem unvollständigen Torso gewichen.

    Das Palais Redern wurde von Karl Friedrich Schinkel zwischen 1830 und 1833 unter Einbeziehung von älteren Teilen des Vorgängerbaus (Palais Kameke) errichtet. Es befand sich an der Südseite des Pariser Platzes (Unter den Linden 1). Obwohl das Redernsche Palais unter Denkmalschutz stand, wurde es 1906 unter öffentlichem Protest abgerissen, um dem Hotel Adlon Platz zu machen.


    Palais Redern um 1900
    Quelle: Wikimedia Commons - "Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist."

    Im Artikel wird jedoch auch der unbefriedigende Wiederaufbau in Städten wie Würzburg und Münster lobend hervorgehoben. Das ganze klingt stark nach süddeutscher Selbstzufriedenheit. "Seht her, was für tolle Kerle wir doch sind. Unmittelbar nach dem Krieg haben wir alles richtig gemacht. Andere Regionen mit weniger klugen Bevölkerungsteilen holen jetzt nach, was wir damals getan haben. Selbstverständlich gibt es bei uns nichts mehr zu verbessern und jede Forderung nach Rekonstruktionen ist demnach völlig deplatziert..."

    Die ECE wird wahrscheinlich das Ludwigsforum bauen. Leider habe ich irgendwo gelesen, dass die ICE einen Glas-Stahl Bau plant... Die SPD scheint andere Vorstellungen zu haben, vor allem wird der Bau Ludwigsplatz 1 als "Leitbau" bezeichnet. Dieser Begriff ist jetzt in Westdeutschland angekommen!:

    http://www.spd-mainz-altstadt.de/pdf/Altstadtzeitung2011-2.pdf

    Hoffentlich ist die SPD damit erfolgreich.


    Ich lese von Gutenbergplatz 1 als Leitbau. Gutenbergplatz 1 ist ein ansatzweise wiederhergestelltes Gebäude. Im Text heißt es: "Neue Gebäude am Gutenbergplatz sollen sich an den historischen Planungen orientieren und sie zeitgemäß interpretieren. Hierzu eignet sich hervorragend der „Leitbau" Gutenbergplatz 1." Der Begriff "Leitbau" wird hier also im Sinne eines Gebäudes gebraucht, an dem man sich orientieren sollte. Das Wort "zeitgemäß" signalisiert selbstverständlich wie immer Gefahr.

    An anderer Stelle wird gefordert: "Auf der neuen Gebäudefront am Bischofsplatz ist zeichenhaft an das früher dort stehende Bischöfliche Palais zu erinnern. Das Portal ist hierin zu integrieren." Von einer Rekonstruktion ist nicht die Rede. Es soll nur "zeichenhaft" an etwas erinnert werden. Tut mir leid, aber das ist zu wenig. Was ist denn bitte so schwer, wenigstens hier explizit eine äußere Rekonstruktion zu verlangen? Von einer Partei, die unreflektiert mit (modernistischen [Kampf])Begriffen wie "zeitgemäß" und "zeichenhaft" um sich wirft, erwarte ich nichts.

    Zitat

    Für Kritiker des Projekts, zu denen unter anderem der Ellwanger Architekt Josef Brenner gehört, eine grauenhafte Vorstellung. In einem Brief an unsere Zeitung macht er seinem Unmut über die Bauplanungen Luft: „Dies wird unser historisches Stadtbild entlang der Straße An der Mauer, was bei jeder Stadtführung gezeigt wird, gravierend und einschneidend verändern“, mahnt Brenner.
    Er weist drauf hin, dass das Gebäude in der Amtsgasse bereits im Jahre 1747 als „herrschaftliches Gebäude“ bezeichnet wurde und vom Landesdenkmalamt zumindest als „erhaltenswert“ eingestuft wird. Von der Verwaltung fordert er insgesamt einen verantwortungsvolleren Umgang mit dem „bedeutenden Kapital Altstadt“. So schreibt Brenner: „Bei allem Verständnis für stadtkernnahes Wohnen sollte hier doch städtebaulich verantwortungsvoller umgegangen werden, durch eine unser historischen Altstadt angemessenen Lösung und nicht durch einen Komplex, der in jeder beliebigen Neubau-Siedllung stehen könnte.“


    Quelle: http://www.schwaebische-post.de/563610

    Wenn selbst die Kritiker vor Ort nicht offensiv gegen einen Abriss vorgehen, sondern zwischen den Zeilen lediglich einen angenehmeren Neubau einfordern, kann nichts Gutes rauskommen. Die Freunde der Altstädte haben seit Jahrzehnten viel zu viel "Verständnis" und Kompromissbereitschaft für heutzutage vermeintlich erforderliche Veränderungen gezeigt, mit dem Ergebnis, dass selbst kriegsverschonte Altstädte progressiv in Neubaugebiete umgewandelt werden. Zwar nicht mit der Geschwindigkeit wie in 60er und 70er Jahren, aber die Dynamik ist nie ganz ausgebremst worden und könnte wieder an Fahrt gewinnen (Stichwort: Energiesparen/Wärmedämmung, barrierefreies Wohnen etc.).

    Hinzukommt das Nicht-Wollen und die Unfähigkeit der Baubranche, bestehende Gebäude zu sanieren und für neue Zwecke umzubauen. Die beteiligten Unternehmen haben ihre großen Fertigbaupläne, die sie ohne Abweichung überall umzusetzen gedenken, egal ob auf der grünen Wiese oder mitten in einem Altstadtbereich. Deutsche Politiker zeigen kaum Interesse für Fragen des Denkmalschutzes, betrachten ihn vielmehr als Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung und kommen dementsprechend mit immer neuen Ideen, die auf Kosten bestehender Altbauten umgesetzt werden sollen. Ein Gefühl des schmerzlichen Verlusts gibt es unter unseren politischen Eliten weder bei heute fallenden Altbauten noch bezüglich der Zerstörungen des Bombenkriegs. In der eigenen Kleingeistigkeit gefangen will man v. a. modern, weltoffen, wirtschaftlich erfolgreich und dem jeweils vorherrschenden hegemonialen Diskurs nahe sein, komme, was da wolle. Die weitgehende nationale Selbstaufgabe des deutschen Bürgertums nach dem 2. Weltkrieg, die angeblich notwendig war, um ein Teil des Westens zu werden, bedingt, dass für eine kulturelle Selbstvergewisserung in der Architektur kein Platz ist; den Rest erledigt ökonomiezentriertes Gewinnstreben. Es wäre zu wünschen, dass eines Tages die typisch deutsche ideologiegetriebene Politik, die sich jetzt bei Fragen wie der Wärmedämmung von Gebäuden oder dem Atomausstieg zeigt und die zu riesigen Fördermittellawinen und einer Flut von neuen Gesetzen führt, eines Tages in unserem Sinne arbeiten würde...

    Mit der nächsten Sanierung Sprossenfenster und Fensterläden dran und es könnte ein äußerlich recht gemütliches Haus entstehen. Schlimm wie diese geschundene Stadt ihre vorhandenen Potentiale nicht nutzt und solche unnötig sterilisierten Stadtbilder einfach hinnimmt. Als wären die gewaltigen Kriegsverluste nicht schon genug, versaut man auch noch einigermaßen gut eingefügte Wiederaufbauarchitektur.