Beiträge von Apollo

    Naja, die Optimierung der eigenen "architektonischen Erzeugnisse" durch Fotobearbeitung ist ja hinlänglich bekannt. Da wird gebogen und gestreckt was das Zeug hält, mit Maßen wird relativ "kreativ" umgegangen, um den Entwurf wettbewerbsaffin zu machen.

    Den Höhepunkt dieser Entwicklung, sozusagen die Königsdisziplin, ist dann immer die Visualisierung bei Dämmerung oder Nacht. Nie sieht ein Gebäude so aus wie auf den Visus, aber egal, wenn es erst mal gebaut ist, reißt man es ja nicht wieder ab, Hauptsache der Wettbewerb wurde gewonnen.

    Amüsant ist auch immer, wie transparent Glas auf solchen Visus wirkt. Jeder weiß, dass das mit der Realität nix zu tun hat, gemacht wird es trotzdem seit 20 Jahren und keiner sagt was.

    Somit ist dieser bewusste Beschiss, oder sollte man es vielleicht lieber die kreative Optimierung der Entwürfe nenne, auch einer der Gründe, warum unsere Städe teils so mies aussehen, weil man durch geschickte Aufmachung Erwartungen in einen Entwurf legen kann, die er in Realität niemals erfüllen kann. Der Mensch ist aber eben ein visuelles Geschöpf und lässt sich durch eine gute Aufmachung nur zu gerne blenden. Und obwohl man es eigentlich weiß, fällt man immer wieder drauf rein.

    Man müsste hier eigentlich verbindliche Standards festlegen, die bei Abgabe eines Entwurfs zur Redlichkeit verpflichten. So wäre es schon ein Fortschritt, wenn ein Entwurf z.B. bei gutem und schlechtem Wetter gezeigt und wenn vergleichbare PC-Programme mit nachprüfbaren Komponenten verwendet werden müssten.

    Aber daran hat wohl niemand der Beteiligten ein Interesse, weil die Entwürfe dann bereits vor Verwirklichung als das erscheinen würden was sie sind. Und das will natürlich niemand. Es könnten sich womöglich Politker und der einfache Bürger gegen die strahlenden Bauten der Moderne wenden, also geht alles lieber so weiter wie bisher. Ich bin ehrlich, ich halte es für Beschiss!

    Ich muss in der Bewertung des Baus Stuegert recht geben, ich hatte die Bilder auch auf dem PC, weil ich öfters an dem Bau verbei komme, aber ich hatte nicht die Lust, diese einzustellen. An sich ist der Bau für ein Gebiet in Köln Deutz oder dergleichen durchaus eine Aufwertung, auf der anderen Seite muss man aber doch schauen, wo man hier baut und hier hat man wieder alle Chancen den Bach runter gekippt.

    Der Block ist viel zu monoton, viel zu massig, viel zu gleich gestaltet. Er erdrückt das gesamte Umfeld, denn was man in den Bildern nicht sieht, ist die Tatsache, dass auf der anderen Straßenseite noch einige Gründerzeitbauten erhalten sind und das Gebiet ansonsten sehr kleinteilig gegliedert ist. Dieser Großblock mit teils auch viel zu wenig Fensterflächen an den Seiten führt zu einer Verschattung und Dunkelheit in dem gesamten Areal, dass es einem gerade in Bahnhofsnähe jetzt schon mulmig wird.

    Und jetzt kommt der zweite große Problempunkt. Denn vorher war die ganze Situation ja eh schon extrem schwierig. Wer sich vor Ort etwas auskennt, der weiß, was das "Bonner Loch", wie die Gegend vor dem Hbf genannt wurde, für eine Ruf hatte. Ich hatte es in vorherigen Beiträgen schon angesprochen, es war und ist ein Tummelplatz von allerlei Gestalten, die man nur ungern im Stadtbild auf einem Fleck hat. Diese Gruppen haben sich jetzt zum gegenüberliegenden Busbahnhof verzogen. Das Problem wird aber absehbar in diesem Areal dadurch nicht gelöst, man hat es einfach nur verlagert.

    Bonn hat leider das unvergleichliche Talent, eine der am besten erhaltenen Großstädte in NRW völlig beschissen zu gestalten, weil man es geschafft hat, mit relativ wenigen städtebaulichen und architektonischen Eingriffen die Stadt extrem zu beeinträchtigen. Dabei sind eigentlich nur drei Areale richtig mies, eines davon ist der unmittelbare Bereich um den Hbf, dann das Gebiet rund um das Opernhaus bis zum Belderberg und als negativer Höhepunkt bleibt die Haupteinfallstraße über den Adenauerplatz, den Bertha-von-Suttner-Platz bis hin zum Stadthaus. Man hat eine völlig intakte Innenstadt durch diese ohne Not in die Innenstadt geschlagene Schneise völlig entstellt. Diese Straße ist so dominat und präsent, dass die dahinter liegenden Stadtteile - die für NRW-Verhältnisse fast perfekt erhaltenen Altstadtreste und die unglaublich gut erhaltene Südstadt - völlig untergehen.
    Man müsste !!!! in relativ geringem Umfang in Bonn Stadtreparatur betreiben, aber anstatt das anzugehen, macht man vieles immer noch schlimmer. Ich könnte das jetzt bildlich dokumentieren, da ich eine komplette Bonn-Galerie auf dem Rechner habe, bin aber im Monent zu demotiviert, weil mich die Stadt nur noch aufregt!

    Ihr könnt mich jetzt schlagen, wenn ich hier Wasser in den Wein gieße, aber so ganz glücklich bin ich mit dieser Art Bauten nicht mehr. Klar, es ist besser als dieser Rasterirrsinn am Hauptbahnhof oder die Ödnis am Leipziger Platz. Aber leider sehe ich auch nicht wirklich eine Fortentwicklung bei Nöfer und co.
    Bei Patzschke ist es sogar umgekehrt, grade was die optische Wertigkeit angeht, wird die bei Patzschke immer mieser, wenn man sieht, wie das Adlon noch aussah und welche Pappoptik die Bauten heute haben.
    Nöfer hat das mit den Proportionen zum Glück viel besser drauf, trotzdem kann ich diese aufgeklebten Riemchen auch langsam nicht mehr sehen. Aber gut, er ist satt im Geschäft, gefühlt wird jede Woche in Berlin ein solches Haus eröffnet. Also warum was ändern? Gerade weil der sonstige Standard derart niedrig angesiedelt ist, dass Nöfer und co ihre Bauten noch jedesmal als Palais verkaufen können. Irgendein Russe oder Araber wird die Eigentumswohnung schon kaufen.

    Ich bin ehrlich, mir ist das langsam zu uninspiriert und zu sehr von der Stange, auch wenn es vom Niveau her über vielem liegt, was sonst so in Deutschland gebaut wird. Aber ich wünsche mir so langsam mal den nächsten Schritt nach vorne. Gerade von Nöfer, weil ich glaube, dass er da noch viel mehr kann, wenn er denn will!

    Ich will mal ehrlich sein. Das erste Bild von Mantikor tut jedem der ein besonders Auge für Proportionen hat schon extrem weh. Der Bau wirkt an der Ostseite wie abgeschnitten. Er ist so westlastig, dass man fast befürchten muss, er kippt in die Spree.
    Bei allem was Stella gut gemacht hat, die Ostfassade und besonders der Übergang zu dieser ist das große Manko. Ich finde es um ehrlich zu sein ziemlich gruselig.
    Helfen können da nur Bäume oder irgendwann der Apothekerflügel. So kann es jedenfalls dauerhaft nicht bleiben!

    Ein super Artikel zur desaströsen Lage der deutschen Städte, gerade im DAF entdeckt!

    Der Artikel stammt von Rainer Haubrich und ist absolute Pflichtlektüre für alle APH-ler!!!

    Unter dem Titel: Menschenfeindlich, kalt, lieblos – die Misere der deutschen Stadt fasst er das ganze Dilemma der letzten 100 Jahre Städtebau in Deutschland zusammen.

    Zitat von Die Welt

    Warum aber bauen wir nichts gleichermaßen Attraktives mehr wie die Altbauquartiere in Berlin-Prenzlauer Berg, in Hamburg-Eppendorf, in München-Schwabing, in Kölns Belgischem Viertel und in vielen anderen deutschen Großstädten – seinerzeit allesamt Produkte von Bauspekulation, aber bis heute nicht nur schön und menschenfreundlich, sondern in ihrer Langlebigkeit und Dichte auch nachhaltig.Das liegt einerseits daran, dass es inzwischen unzählige Bauvorschriften gibt, etwa zu Abstandsflächen, Nutzung oder Lärmschutz, die eine Annäherung an die in Jahrhunderten erprobten Muster unmöglich machen.
    Der andere Grund ist, dass mit dem Beginn der Moderne nicht nur die Stadt an sich abgeschafft werden sollte, sondern auch das klassische Architekturvokabular. Bis heute lehnen es die meisten Baumeister ab, traditionelle Formen oder Ornament zu verwenden....

    Ganz besonders eindrücklich ist das Fazit, welches der Autor zieht, denn wie soll man aus der Misere heraus kommen?

    Zitat von Die Welt

    Das normale Haus! Hundert Jahre nach dem Beginn der Moderne, Jahrzehnte nach den Verwüstungen durch Krieg und zeitgenössische Stadtplanung klingt das nach einer vernünftigen Idee.

    Quelle: https://www.welt.de/kultur/kunst-u…chen-Stadt.html

    Ein Artikel, der alles auf den Punkt bringt, worüber wir in den letzten Jahren im APH gesprochen haben.

    Das Berliner Bundeskanzleramt bekommt eine Erweiterung jenseits der Spree im heutigen Kanzlergarten.

    Zitat von Berliner Morgenpost

    Der ein- bis zweigeschossige, bogenförmige Bau soll das sogenannte „Band des Bundes“ nach Westen hin städtebaulich abschließen. Der Entwurf stammt, wie auch das Kanzleramt selbst, von dem Berliner Architektenduo Axel Schultes und Charlotte Frank. In dem Gebäude werden rund 400 Büros sowie ein Veranstaltungssaal und weitere Funktionsräume Platz finden. Auffällig ist die freitragende Hubschrauberplattform.

    Quelle: https://www.morgenpost.de/bezirke/mitte/…-der-Spree.html

    Hier gibt es auch erste Entwürfe von Axel Schultes zu sehen, der ja auch einen Block zum Schinkelplatz beigesteuert hat. Ich finde es schade, dass man die Erweiterung hier baut und den Platzbedarf nicht nutzt, um das Band des Bundes in der Mitte zu vollenden, denn das Besucherzentrum wird wohl nie kommen. Daher verstehe ich die jetzige Entscheidung nicht so ganz.

    Was dann aber doch aufhorchen lässt, sind die immensen Kosten von jetzt schon 460 mio Euro eye:)
    Jeder weiß, dass es dabei nicht bleiben wird und wir am Ende bei 600 bis 700 mio landen werden und das für diese vergleichsweise kleine Erweiterung. Wenn man dann sieht, dass man für das gleiche Geld das Humboldtforum mit Fassadenschmuck bauen kann, dann verschlägt es einem schon etwas die Sprache. Mich macht es dann extrem traurig, dass man bei den Rekos um jeden Cent kämpfen muss und man wie hier beim Kanzleramt, dem BND-Bau oder den Abgeordnetenhäusern Millionen um Millionen raus haut und eine Kostensteigerung von 100 Mio hier schon keine Erwähnung mehr wert ist. Da wird einfach mit zweierlei Maß gemessen und das ist unredlich!

    Ich finde die Kommandantur ohne Balkon deutlich eleganter und begrüße daher die Entscheidung, dass man sich an der optisch besten Lösung orientiert.
    Schade finde ich, dass man der Kommandantur nicht den historischen Nachbar zur Seite gestellt hat. Die drei Füllbauten, die ja eigentlich fünf sind, sind dann in der Gesamtschau doch zu monoton geraten. Der Übergang mit einer Rekonstruktion des Nachbars wäre die bessere Entscheidung an dieser Schauseite gewesen.

    Wieder sehr gute Nachrichten aus Frankfurt. Im Bahnhofsviertel soll das 1915 erbaute ehemalige Hotel Excelsior in der Niddastraße 71 grundsaniert und als Hotel Hohenzollern wiedereröffnet werden.

    Eine Visualisierung gibt es im DAF: http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showpost…7&postcount=790

    Es geht echt voran im Bahnhofsviertel. Der nächste große Schritt wäre es, wenn die historischen Eckbauten am Bahnhofsvorplatz endlich ihre provisorischen Nachkiergsdächer verlieren und ihre historischen Originale zurückerhalten würden :daumenoben:

    @Stuegert

    ich verstehe was dein Schwager meint und kann seine "Kritik" in gewisser Hinsicht verstehen. Mir geht und ging es partiell ähnlich, wobei es deutliche Unterschiede gibt, was die Qualität der Rekos angeht, ich hatte darauf ja bereits hingewiesen.
    Woher kommt dieser leicht künstliche Eindruck?

    1. Zunächst einmal ist alles neu. Keine Altstadt sieht so perfekt und geleckt aus. Nicht mal wenn die Bauten saniert wurden, denn man würde ja nie einen ganzen Altstadtblock auf einmal sanieren, so fehlt jegliche Patina, was einem das Auge etwas übel nimmt, weil es das so eben nicht kennt, schon gar nicht in Deutschland.

    2. Man muss leider festhalten, dass es sich um Neubauten handelt. Und wenn man etwas Anhung hat, dann sieht man das leider auch. Das hat nichts damit zu tun, dass man sich seitens der Architekten etc. keine Mühe gegeben hat, aber bestimmte Dinge lassen heutige Baunormen einfach nicht mehr zu. Am krassesten fällt dies bei den Decken auf. Diese sind, weil es Betondecken sind, auch bei den Fachwerkbauten kerzengrade, wie mit dem Strich gezogen. Kein historisches Fachwerkhaus sieht so aus. Man muss nur zum Römer gehen und dort steht ja noch ein erhaltener Bau. Wenn man diese mit den Rekos vergleicht, dann wird offenkundig, woran es hapert. Es sind die kleinen schiefen Ecken, die durchhängenden Decken, das nicht perfekte Sichtfachwerk, etwas abblätternde Farbe und und und. So wirkt die Altstadt eben nicht nur wegen des aktuell noch perfekten Äußeren, sondern auch konstruktiv so perfekt, dass das Auge in der Summe einen zu cleanen Eindruck bekommt.

    3. Die Farben sind teils nicht besonders glücklich gewählt. Gerade am Rebstockhaus sind sie so speckig und unnatürlich satt, dass man fast den Eindruck bekommt, es ist kein Holz, sondern Plastik, was da im Sonnenschein glänzt. Gerade der Rebstock fällt bei den Rekos deutlich ab. Dazu diese völlig unnatürliche Brandschutzwand, eine völlig missglückte Idee!

    4. Letztlich ist alles vielleicht ein bisschen zu gut geraten, das Pflaster ist perfekt, der Brunnen neu, alles durchsaniert. Auch der Stadtraum an sich ist eben komplett neu und vollkommen einheitlich. Auch das trägt ein bisschen zum Filmseteindruck bei, weil auch sowas findet man in historischen Altstädten so nicht.

    Als Fazit muss man sagen, dass man dem Projekt etwas Zeit geben muss, einige der genannten Faktoren werden sich mit der Zeit abschwächen, die konstruktiv leider notwendigen Einschränkungen werden aber bleiben. Ich muss sagen, dass die Ostzeile am Römerberg wesentlich organischer wirkt. Und dies trotz gerade erfolgter Sanierung und obwohl fast alles Sichtfachwerk ist. Ob dies an den Alterungsprozessen liegt oder ob man beim Wiederaufbau etwas anders gemacht hat, das weiß ich nicht zu beurteilen, als Laie finde ich die Rekos am Römerberg in der Summer zum aktuellen Zeitpunkt aber gelungener.

    So ein leichtes Schmunzeln kann ich mir ja nicht verkneifen. Da wird der werte Herr Kulka nun also gezwungen (vermutlich gibt es diese Verträge mit ihm, die eine 100 Prozent Reko des Äußeren garantieren, wenn es Spenden gibt), diese aus seiner Sicht maximal mögliche Provokation hinnehmen zu müssen. Engel, und nein, nicht einer, es sind gleich neun ablachen:) , noch dazu in gold, glänzend und das in bester Lage :P Für Kulka muss es der maximale Schmerz sein, dass er das zu Lebzeiten noch ertragen muss. Sein Schloss, verunstaltet mit diesem Puttenkitsch :lachentuerkis: So wird er es zumindest sehen.
    Ach, es tut doch gut, das jeder das bekommt, was das Schicksal für ihn vorsieht. Das macht seinen Senckenbergtotalausfall nicht wieder gut, aber es wird für ihn genauso schmerzhaft werden wie für mich, wenn ich dieses verunstaltete Etwas in Frankfurt jedesmal aufs Neue ertragen muss :P

    Ich denke, man muss ein gewisses Verständnis für die Nachkriegsgeneration aufbringen. Bauen war zu jeder Zeit auch immer ein Instrument der Machtdarstellung und der eigenen Repräsentation. Bauen war nie ganz unpolitisch und wird es vermutlich auch nie sein, gerade wenn der Staat als Akteur selbst baut.
    Und ich kann die Intention der 50-er und 60-er Jahre sogar etwas verstehen, dass man in der direkten Nachkriegszeit auch baulich bewusst einen Kontrapunkt setzen wollte. Und dass man sich dann versucht maximal abzugrenzen von dem was war, ist menschlich total nachvollziehbar und ich mache das auch niemanden zur damaligen Zeit zum Vorwurf. Ich glaube wirklich, dass man das beste wollte.
    Aber unser liebes Mitglied suebicus hat es gestern in einem anderen Beitrag trefflich beschrieben, das Rebellische, die Auflehnung, die Abrechung mit allem, was war, ist über die Jahrzehnte selbst zur Ideologie geworden, man schreibt jetzt seit 75 Jahren in ständiger Wiederholung seine eigene Geschichte immerzu fort. Das, was einmal Rebellion und demokratischer Aufbruch war, ist zu einem reine Selbstzweck geworden. Das, was mal ein Symbol des Neuanfangs war, ist heute ein Anker des Stillstandes. In der moralischen Überhöhung hat man sich zur Geisel seines eigenen Konzepts gemacht.
    Indem man Bauten grundsätzlich Eigenschaften wie demokratisch und antidemokratisch zuschreibt, schafft man den Nährboden für eine immer fortwährende Verengung der Diskussion. Man wird Opfer des eigenen Narrativs. Und die Folgen sehen wir jetzt. Das, was mal als demokratisches Statement gedacht war, wird zum antidemokratischen Fanal. Man hat begrifflich, ideologisch, normativ so hohe Mauern in der Argumentation und Ideologie aufgebaut, dass man selbst kaum dahinter zurück kann. Man ist 75 Jahre im fachinternen Diskurs nur noch in eine Richtung gelaufen, hat überhaupt keine anderen Meinungen gedultet, weil man sich ja immer auf den demokratischen Ursprung der Bewegung berufen konnte.
    Nur fürchte ich, dass man genau mit dieser Herangehensweise letztlich den eigenen Untergang forcieren wird, weil man sich so derart weit vom Allgemeinempfinden entfernt hat, dass es irgendwann kein nebeneinander mehr geben kann, sondern es den harten Bruch gibt, auch das hat die Geschichte immer wieder gezeigt.
    Im Bezug auf das Pellerhaus gäbe es durchaus Lösungen, die beide Seiten in einem demokratischen Diskurs ausloten könnten. Dafür müsste an aber mal Abrüsten was Wortwahl und normativer Pathos angeht. Denn letztlich geht es hier "nur" um ein Gebäude. Nicht um unsere Demokratie, nicht um die Leistungen einer Generation, nicht um den Untergang des Abendlandes. Wenn wir mal dahin zurück gehen würden, was die eigentliche Fragestellung ist, nämlich wie sich ein Kompromiss finden lässt, denke ich, dass man hier zügig zu einer Einigung finden würde.
    Ich denke, dass ein Angebot nach einer Translation der aktuellen Fassade an einen anderen Ort in Nürnberg der Durchbruch sein könnte, wenn man es denn will. Das historische Pellerhaus war ein überragendes Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung. Das aktuelle Pellerhaus ist ein durchaus kreatives Denkmal der Wiederaufbauzeit. Anstatt immer über ein entweder-oder zu reden, sollten wir Lösungen suchen, die den Erhalt beider Bauten inkludieren. Eine Strategie, die ich mir z.B. damals auch in Berlin in der Diskussion um den Palast der Republik gewünscht hätte. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, nur muss an dafür aus seinem selbst auferlegten moralischen Überlegenheitswahn mal etwas runter kommen und Menschen mit anderen Meinungen nicht verspotten oder als dumm darstellen, sondern aktiv den demokratischen Dialog suchen. Und dann werden auch die Gebäude demokratisch, nicht wegen der Bautenan sich, sondern wegen der Menschen, die diese Tugend aktiv vorleben!!!

    Ich denke, eine der zentralen Aufgaben der Rekobewegung wird es in Zukunft sein, diesen völlig konstruierten Zusammenhang von Demokratie und Gebäuden endlich einmal aufzulösen!!!
    Kein Bauwerk ist an sich demokratisch oder undemokratisch, kein Materiel ist demokratischer als ein anderes. Das ist ja diese normative Überhöhung, die von bestimmten Kreisen immer wie eine Monstranz als letztes Schutzschild vor jedes Bauwerk geschoben wird, wenn es sonst keine anderen Argumente mehr gibt.
    Wenn man in Nordkorea eine Glasfassade baut, ist das Gebäude dann demokratisch? Wenn ich möglichst viel Stein einsetze, ist es dann ein Signal für autokratische Züge?
    Ist es mittlerweile nicht das genaue Gegenteil? Man schaue in den Nahen und Mittleren Osten. Da schmücken sich die Scheichs mit der ach so demokratischen Moderne und ziehen einen Glasturm nach dem anderen hoch. Hat das diese Staaten jetzt demokratischer gemacht?
    Nicht das Baumaterial, nicht der Baustil, nicht das architektonische Konzept machen ein Gebäude demokratisch. Es sind die Menschen selbst, die es entweder tun oder nicht tun. Meiner Meinung nach ist gerade dieses Spiel mit dem Demokratiebegriff von genau jenen Leuten, die eigentlich für den Demokratiebegriff eintreten wollen, das genaue Gegenteil, weil mit dieser Argumentationsweise jede Chance auf wahre Demokratie verspielt wird. Denn es gibt ja gar keine Chance auf eine pluralistische und wertfreie Diskussion im zusammenhang mit konkreten städtebaulichen Projekten. Mit der Anmaßung, dass alles, was nicht "modern" ist generell im Verdacht steht, undemokratisch zu sein, bedient man somit selbst die Klaviatur des Antidemokratischen!
    Es ist an der Zeit, dass man diese Leute damit nicht mehr durchkommen lässt! Denn Demokratie ist Vielfalt, offener Meinungsaustausch und die Kraft des Arguments! Und nicht der Sieg der Ideologie!