Hm - Stadtmauer, Festung... Das sind ja völlig verschiedene Dinge. Wenn man von mittelalterlichen Stadtmauern und Türmen ausgeht, wie beispielsweise in Rothenburg ob der Tauber, kann man davon ausgehen, dass sie während des 16. Jh. gegenüber einer anrückenden Heeresmacht mit moderner Artillerie nicht mehr zu verteidigen war. Dass dennoch große Teile der Stadtmauer erhalten blieben, hat in erster Linie mit dem Mangel an Geld und einer stagnierenden Entwicklung seit dem Dreißigjährigen Krieg bis weit in das 19. Jh. zu tun. Desweiteren waren die veralteten Anlagen immer noch stark genug, Diebesgesindel und kleinere Heerscharen von der Stadt fernzuhalten. Dass man die Stadtmauern noch als Akzisemauern nutzen konnte, war ein weiterer angenehmer Nebeneffekt. Mit dem Wegfall der Akzise an den Stadtgrenzen fielen die meisten mittelalterlichwen Stadtmauern dem Abbruch zum Opfer, so ausreichend Geld vorhanden war. Man darf den Geldbedarf zum Abbruch der Stadtmauern nicht unterschätzen! Städte wie Nürnberg wurden um 1500 und danach noch einmal mit Geschütztürmen für Artillerie verstärkt. Diese schützten die Stadt zwar noch im Dreißigjährigen Krieg, waren aber eigentlich im 17. Jh. schon veraltet. Spätestens im 18. Jh. waren sie hoffnungslos veraltet und hätten die Stadt bei einem Angriff mit Artillerie nicht mehr schützen können, da man die hochaufragenden Batterrietürme und Basteien zusammengeschossen hätte. Hier gilt allerdings erst recht, dass ein Rückbau dieser Basteien und Türme für das mittlerweile veramte Nünberg nicht zu leisten war. Als man dann in der Gründerzeit über die nötigen Mittel verfügte, hatten große Teile der Stadtbefestigung einen solch hohen historischen Wert, dass man vieles erhalten wollte. Dresden verfügte als erste deutsche Stadt über eine komplette Bastionärsbestigung. Diese konnte mit ihren für die Artillerie der damaligen Zeit unzerstörbaren Wällen eine Stadt bis Anfang des 18. Jh. zuverlässig schützen. Einziges Mittel war das unterminieren und sprengen, wie es die Türken vor Wien versuchten (glücklicherweise erfolglos). Wenig später waren die Geschütze so weitreichend, dass es eines zweiten äußeren Befestigungsringes bedurfte, der die feindlichen Geschützstellungen in großem Abstand hielt. Fehlte er, wurde die Bebauung der Stadt gnadenlos zusammengeschossen. Dies war in Dresden 1760 der Fall. Die Festung hielt stand, aber Dresden war zur Hälfte ein rauchender Trümmerhaufen. Zittau mit seiner mittelalterlichen Befestigung hatte 1757 nicht die geringste Chance, wurde in Brand geschossen und eingenommen. Voraussetzung war natürlich, dass der Gegner über entsprechend zahlreiche Truppen und Kanonen verfügte. Trotzdem standen die Wälle und Mauern oft noch bis in das 19. Jahrhundert. Zum einen, weil sie wie gesagt bei kleineren Heerscharen immer noch einen leidlichen Schutz boten und zum anderen, weil schier die Finanzen für solche Großvorhaben fehlten. Eine beispielhafte Entwicklung nimmt hier wiederum Dresden ein. Die Festung hatte eigentlich bereits seit etwa 1740 keine militärische Bedeutung mehr, da sie die Stadt nicht mehr zuverlässig schützen konnte. Daher die Gartenanlagen auf den Wällen. Die Brühlsche Terrasse war nur eine von vielen. Das Risiko war, dass im Kriegsfalle die Festung wieder reaktivierbar war... So geschehen 1756. Allerdings ging es den Besatzern (erst Preußen, dann der Reichsarmee) bei der Reaktivierung nicht darum, die Stadt zu schützen, sondern den Platz zu besetzen und zu halten. So hat wohl der Kommandant der Österreicher gerufen:" Die Festung wird gehalten, auch wenn Euch die Fußsohlen glühen!" (Es gab mehrere Brände). Anschließend wollten die Wettiner von der Festung nichts mehr wissen... das Geld fehlte aber hinten und vorn. Die Abbrucharbeiten wurden wieder eingestellt und die Festung blieb noch bis 1809 in Betrieb, auch wenn sie sehr ruinös wirkte. Militärische Bedeutung hatte sie kaum noch. Mitten in den Abbrucharbeiten wurden diese 1812/13 wiederum gestoppt und die Werke provisorisch instand gesetzt. Wenn, wäre es wiederum nur um die Sicherung des Ortes, keinesfalls um den Schutz der Stadt gegangen. Bei der Schlacht von Dresden konnten die Gegner von den Franzosen von der Stadt weit genug weg gehalten werden. Wäre es zu einer Belagerung mit Beschuss gekommen, wäre die Stadt wiederum nur ein rauchender Trümmerhaufen gewesen. Bei der anschließenden Blockade der Stadt von Oktober bis November 1813 verzichtete man auf einen Beschuss, da man davon ausging, dass durch den Untergang Napoleons die Stadt ohnehin früher oder später von den Franzosen geräumt werden würde. Im sich dynamisch entwickelnden Berlin war man da wohl etwas schlauer. Ein erweiterter Festungsring wäre viel zu groß geworden und so ebnete man um 1740 die Festung ein. Man hatte die entsprechenden Finanzen und zudem handelte es sich wohl größtenteils um Erdwälle und wenig Mauerwerk. So kam es bis bis zum 2.WK zu keinem Beschuss der Stadt bei Kriegshandlungen. Wenn der Feind anrückte, wie im Siebenjährigen Krieg, wurde die Stadt halt von diesem besetzt. Das hielt die Berliner allerdings nicht davon ab, eine großen Teil ihrere Bebauung des 17. und 18. Jh. in der Gründerzeit zu ersetzen. Das die Stadtbefestigung in Leipzig bis etwa 1780/90 erhalten blieb, hatte wohl in erster Linie mit der Funktion als Akzisemauer und Schutz vor Diebsgesindel zu tun. Weiterhin waren die reichen Leipziger wohl auch nicht bereit für den Abbruch zu zahlen... Im Kriegsfalle öffnete man einfach die Tore... Bis auf die Pleissenburg hatte die Bastionärsbefestigung in Leipzig ohnehin keinen großen Wert, den bereits im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt mehrfach eingenommen. Vermutlich waren die Befestigungen so schwach und die Bevölkerung so zahlreich, dass niemand das Risiko einer ernsthaften Besetzung das Ortes eingehen wollte. Anders in Wittenberg - die Stadt wurde trotz ihrer Bastionärsbefestigung im Siebenjährigen Krieg und 1812/13 belagert, beschossen und eingenommen - mit den entsprechenden Schäden. Das Wittenberger Schloß mit seiner Schloßkirche zählt leider dazu. Das Schloss ist heute kaum noch als solches zu erkennen und die Kirche größtenteils ein Werk des 19. Jh.. Die im 18. und 19. Jh. noch modernisierten Stadtfestungen, wie Magdeburg, hatten also den Zweck, den Ort zu halten, die Festung zu halten. Dies hier zum Schutz des preußischen Staates. Bei einer ernsthaften Belagerung spielte es dabei keine Rolle, wenn die oberirdische Bebauung dem Erdboden gleich gemacht worden wäre. Die Besatzungen dieser Festungen wartete das Bombardement in den Kasematten einfach ab... Diese Festungen des Deutschen Bundes verloren erst um 1900 ihre Bedeutung und wurden anschließend abgebrochen, soweit es aus Städtebaulichen Gründen notwendig und finanzierbar war. Insofern kann die gestellte Frage nur sehr differenziert beantwortet werden, da es sich wie dargelegt um Befestigungen aus 400 Jahren Militärgeschichte handelte.