Ohne den prinzipiellen Anspruch der Objektivierbarkeit von Ästhetik kann man das Forum hier auch gleich auf eines für Politik, Geschichte und Bauhandwerk reduzieren. Im systematisierenden abendländischen Denken ist Schönheit ja oft als Einheit aufgefaßt worden, in der Thomasischen Aristotelesrezeption etwa als Einheit von Stoff- und Formursache, die sich in der Einheit des Künstlers als causa efficiens und seines künstlerischen Willens als causa finalis widerspiegelt oder bei Hegel als Einheit von Idee und Erscheinung (der absolute Geist in der Form subjektiver Anschauung) bis hin zum pragmatistischen form follows function, das in der vorherrschenden utilitaristischen Interpretation den Menschen allerdings aufs Materiell-Konsumistische reduziert.
Zur Definition der Schönheit bedarf es kategoriellen Denkens, wonach sich das Was der Einheit bestimmt. Nun ist mit der Einführung von Kategorien aber immer schon eine bestimmte ideologische Prädisposition gegeben, der kulturwissenschaftliche Mainstream folgt aber, wie richtig bemerkt worden ist, einem Nihilismus. Das Problem dieser Art des skeptizistischen Dekonstruktivismus (geistesgeschichtlich ein uralter Hut, der als der letzte Schrei verkauft wird; gab's schon bei den Sophisten und systematisiert bei Pyrrhon und der mittleren Akademie) ist, daß er seine eigenen Prinzipien nicht auf sich selbst anwenden kann. Wenn es ohnehin keine Objektivität gibt, warum dann die bekämpfen, die diese für sich in Anspruch nehmen? Der Dekonstruktivismus, der sich in Schüttelfenstern, gesprengten Sehgewohnheiten, Disproportionen äußert, erhält nur als Gegenstück zum Affirmativ-Identitären des in der Geschichte durch Anverwandlung der Umwelt Gewachsenen Gewicht; er ist der Geist, der verneint. Wenn die Kunsttheorie aber nun dies zur Norm für gute Architektur erheben will, nimmt sie dann nicht selbst einen doktrinären Standpunkt ein, und wenn alle Meinungen gleichwertig sind, warum nimmt sie dann nicht den rein quantitativen Standpunkt ein, daß gebaut wird, was allg. gefällt?
Was zudem ggü. dem Schönen immer etwas zu kurz kommt, ist mM die Empfindung des Erhabenen, des einzelnen sub specia aeternitatis, das romantische Unendlichkeitsempfinden, das vom einzelnen entgrenzend fortweist, der sich aber gerade darin aufgehoben fühlt. Das ist die Einbindung des einzelnen in übergeordnete Ganzheiten und Geschichtlichkeit als Individuationsprinzip des Absoluten. Die Aufhebung von geschichtlicher Einbettung und Streben nach heimatlicher Anverwandlung der Welt führt zu der Art geistiger Leere, die die moderne Architektur ausstrahlt. Sie als unschön anzusehen, entspricht nicht nur repräsentativen Umfragen, sondern auch dem inneren Anspruch ihrer ideenlosen Schöpfer, die ja gerade in der Leugnung der objektiven Möglichkeit des Schönen das Schöne von vornherein verbannen.
Würde Musik denselben Mechanismen unterliegen wie Architektur, würden die Herren Professoren und Politiker einen zwingen, nur noch Zwölftonmusik und Karl-Heinz Stockhausen zu hören, und erzählen, dies sei die einzig zulässige moderne Ausdrucksweise.