Posts by santiago

    Wie alt waren denn die Dachstühle? Auf Wikipedia ist zu lesen:

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    Im Jahr 1817 brannte die Burg nach einem Blitzschlag nieder, wurde aber schnell wiederaufgebaut. Allerdings handelte es sich nur um notwendige Wiederaufbauarbeiten und bis in die 1960er Jahren blieb eine komplette Instandsetzung aus (...) in den Jahren 1903 bis 1905 wurde das Anwesen renoviert


    Wenn die Burg 1817 schon einmal niederbrannte, dann werden die Dachstühle ja kaum aus dem Mittelalter stammen, oder?

    Architektonisch ist Ladenburg tatsächlich recht hübsch, aber leider macht die Stadt einen unheimlich verschlafenen Eindruck. Von der Mentalität her fühlt man sich wie in einer ostdeutschen Kleinstadt mit Nachkriegs-Architektur - da nützen auch die schönsten Fachwerkhäuser nichts. Ist aber nur meine Meinung.

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    Das ist ja gerade das Fatale an heutiger deutscher Denkmalpflege, dass sie das "Historische" von dem (bloß) Ästhetischen abgrenzt. (...) Die Geistigkeit, die dem denkmalpflegerischen Urteilen zugrunde liegt, hat schon etwas Infantiles, das dem Reliquienkult des traditionellen Katholizismus verwandt ist. Wir brauchen eine Denkmalpflege, für welche die Gestalt eines Bauwerks und die dadurch vermittelte Geistigkeit einer vergangenen Epoche zählt. Für eine solche Denkmalpflege steht natürlich das Ästhetische an erster Stelle und nicht der eingebildete Wert "alter" Steine. Eine solche Denkmalpflege wird auch Rekonstruktionen wertschätzen.

    Das hat weder etwas mit "erbärmlich" noch mit "Reliquienkult" zu tun, sondern mit Geschmack. Deine Wertschätzung des "Ästhetischen" ist gegenüber der Präferenz des "Historischen" nicht besser oder rationaler, sondern lediglich eine andere Schwerpunktsetzung. Das Normative kann ohnehin nie letztbegründet werden (Humes Gesetz). Wenn die Denkmalpflege also meint, dass ein Gebäude wertvoller sein, wenn seine Bausubstanz original ist, dann ist das eine normative Schwerpunktsetzung, die Ausdruck ihres Zeitgeistes ist - etwas anderes zu behaupten wäre albern. Auf jede andere Schwerpunktsetzung träfe das aber ebenfalls zu!
    Wenn man das Ganze auf Prämissen aufbaut, dann kann man natürlich auch rationalistisch argumentieren. Wenn wir also die "Dokumentation des historischen Erbes" als Prämisse akzeptieren, dann sollte die Forderung nach Authentizät eine logische Folgerung sein. Und diese Authentizität ist am besten durch historische Substanz zu erreichen, denn eine Rekonstruktion ist immer nur bestenfalls eine gute Annäherung an einen früheren Zustand. Die Frage ist also, ob wir den Denkmalschutz zu einem Instrment ephemeren ästhetischen Empfindens machen wollen oder ob wir die Bewahrung des baulichen Erbes als Paradigma akzeptieren. Ich für meinen Teil tue das, auch wenn mir Rekonstruktionen besser gefallen als brutalistische Betonklötze.

    Ich kenne nur das DSchG für BW im Detail, aber es werden gerne auch Bauten unter Schutz gestellt, die besonderes Zeugnis einer künstlerischen oder handwerklichen Entwicklung sind. Zum Uni-Klinikum Aachen steht bei Wikipedia:

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    Durch die sichtbare Gebäudetechnik, in Verbindung mit der ebenfalls sichtbaren Struktur einer Stahlbetonskelettbauweise, ist das Aachener Klinikum zu einem der wenigen und großen Vertreter der sogenannten „technischen Moderne“ zu zählen


    Ich finde das Ding auch hässlich. Aber beim Denkmalschutz geht es nicht darum, was der Bevölkerung gefällt, sondern darum, unser bauliches Erbe am Original zu dokumentieren. Wir alle sollten wissen, dass es problematisch wäre, den Denkmalschutz auf ästhetische Aspekte zu reduzieren, denn erstens ist das ästhetische Empfinden der Menschen unterschiedlich und zweitens wandelt es sich im Laufe der Zeit ("Barock" war auch mal ein Schimpfwort). Der Denkmalschutz tut also gut daran, sich auf die Dokumentation von Besonderheiten zu beschränken. Natürlich würde ich mir auch wünschen, dass die Bürger bei städtebaulichen Fragen mehr Mitsprachemöglichkeit hätten. Dazu bräuchten wir aber mehr direktdemokratische Interventionsmöglichkeiten wie in der Schweiz - die Politik ist hier in der Pflicht, nicht die Denkmalpflege.

    Was soll denn der Herr Wilhelm eurer Meinung nach machen? Gesetz ist Gesetz. Als Landeskonservator hat er sich an das DSchG zu halten, und da stehen nunmal eindeutige Kriterien für die Unterschutzstellung drin. In keinem Bundesland gelten Rekonstruktionen als Denkmäler, weil sie ganz einfach keinen historischen, sondern bestenfalls ästhetischen Wert haben. Und dafür ist die Denkmalpflege nicht zuständig.

    Wesentlich schlimmer für die Stadt als rote Hausfassaden ist das geplante, monströse Gewerbegebiet zwischen Lämmlisgrund und Nordstetten:

    Neues Gewerbegebiet vor Startschuss | SÜDKURIER Online

    Aus Feldern wird Gewerbegebiet | SÜDKURIER Online

    Nordstetten hat bis heute seinen historischen Dorfcharakter bewahrt. Das wird sich bald ändern. Zu Villingens und Schwenningens Identität gehört in hohem Maße ihre Landschaft, und die wird nach und nach den Wirtschafts- und Großstadtfantasien der regierenden Partei geopfert. Die Bewohner am östlichen Ende von Villingen werden ihre Heimat in ein paar Jahren nicht mehr wiedererkennen. Und keinen interessierts.

    Ehrlich gesagt sehe ich für Rottweil eher große Vorteile darin, dass den Fußgängern nun mehr Raum zugeräumt wird... wie man an Städten wie Gengenbach sehen kann, bringt es auch nichts, wenn man eine hübsche Altstadt hat und dann permanent den Autos ausweichen muss.

    Der bereits verlinkte Artikel auf suedkurier.de wurde leicht verändert. Hier zwei neue Absätze:

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    Franziska Alleborn ist mit den bisherigen Überlegungen zufrieden. Sie spricht von einer ehrlichen Fassade: „Wir finden es gut gestaltet.“ Sie und ihre Schwester verstehen nicht, warum nur wenige Wochen nach dem verheerenden Brand einzelne Stadträte und Bürger schon ein der modernen Zeit angepasstes Gebäude gefordert haben – ohne die Familie zu fragen. Johannes Hartwich kennt als FDP-Stadtrat das politische Geschäft und hat die Debatten erwartet: „Die Diskussion wird kommen, ich hoffe, sie wird fair.“

    Dennoch glaubt Katharina Armbruster, die beste Lösung gefunden zu haben: „Warum soll man etwas verändern, was gut war?“ Warum solle man eine moderne Formensprache wählen, wo doch alle nach dem Brand das alte Haus als hochwertig bezeichnet haben? „Wir wollen ein Bild schaffen, dass sich in diese Lücke einfügt.

    Ich war heute in Konstanz und konnte mir selbst ein Bild von der Brandruine machen. Wirklich tragisch, das Gebäude befand sich mitten im Herzen der Altstadt. Die Nebenbauten sehen aber noch recht stabil aus und werden bereits renoviert, Glück im Unglück sozusagen. Bei Interesse stelle ich noch ein paar Fotos ein.

    Zudem erschien heute auf Südkurier.de folgender Artikel, in dem über die Wiederaufbaupläne gesprochen wird:

    [url=http://www.suedkurier.de/region/kreis-k…t372448,4722144]Nach Großbrand: Familie setzt auf alte Fassade[/url]

    Von welcher "Verbindung", die in "modernen Formensprache" ausgeführt werden soll, ist denn hier die Rede? Kann mir das jemand erklären? :?:

    Stadt setzt auf historische Fassade

    "Oberbürgermeister Horst Frank kündigte an, der Neubau werde eine Fassade nach historischem Vorbild bekommen. Es gebe Debatten, ob ein moderner Kontrapunkt als Eckhaus sinnvoll sei. Dies sei aber nicht Ziel der Stadt."

    http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Stadt-setzt-auf-historische-Fassade;art372448,4697303\r
    http://www.suedkurier.de/region/kreis-k ... 48,4697303

    "Moderner Kontrapunkt"... das schaffen wirklich nur Architekten, Stilbrüche so zu beschreiben, dass sie richtig intelligent klingen.

    In der Konstanzer Althaus hat ein Großbrand vier mittelalterliche Häuser beschädigt, zwei davon sind komplett ausgebrannt. Der Schaden beläuft sich auf mindestens fünf Millionen Euro.

    SWR: Millionenschaden durch Brand in Konstanzer Altstadt
    [url=http://www.suedkurier.de/region/kreis-k…t372448,4643888]Südkurier: Mindestens fünf Millionen Euro Schaden bei Großbrand in Altstadt[/url]

    Die Bauten stammten aus dem 15. Jahrhundert. Nach dem grässlichen Karstadt-Klotz ist das der zweite schwere Schlag für die Altstadt innerhalb weniger Jahre. :weinen: