Dresden, Neumarkt - Quartier VI

  • Das ist nicht patiniert.
    Das ist einfach nicht fertig. Das kommt noch ne volle Putzschicht drauf, bis sich die Bossierung plastisch abhebt. Und dann erst die Farbe (wie sie ja auch an den Sandsteinen oben noch fehlt).

  • Gut, ich meinte damit auch, dass ich Gebrauchs- und Witterungsspuren nicht schlecht finde, da vieles auch nach 15 Jahren noch sehr geleckt aussieht (klar, ist Geschmackssache). Aber Sie haben recht, es ist nur angepinselt, da fehlt noch die Plastizität.

    Schade übrigens, dass die Fassade des Chiappone-Hauses wie angeklebt wirkt. Das hätte man schöner lösen können, ganz einfach dadurch, dass man die Farbgestaltung in der Galeriestraße angepasst hätte und damit eine ‚Nahtlosigkeit‘ hätte erreichen können. Solche Entscheidungen begreife ich nicht, da es die wunderbare Gestaltung der Chiappone-Fassade bewusst konterkariert. Nachdem man bereits eine Fensterachse zuungunsten der Symmetrie opfern musste, kann ich solche Schritte einfach nicht mehr nachvollziehen und es scheint so, als wolle man sich bei den Reko-Gegnern „anbiedern“, indem man ihnen das Disneyland-Argument frei Haus liefert (wie mit dem saudämlichen Satz am Potsdamer Schloss „ceci n‘est pas un château“).

  • Das hätte man schöner lösen können, ganz einfach dadurch, dass man die Farbgestaltung in der Galeriestraße angepasst hätte und damit eine ‚Nahtlosigkeit‘ hätte erreichen können.

    Hm. Ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst. Was hätte man denn dort wem anpassen sollen?

  • Ich störe mich nicht am Bruch, sondern daran, dass die Chiappo-Fassade wie eine billig aufgeklebte Attrappe erscheint, es fehlt m.E. der Übergang: die aufwändige Fassade wird abgewertet, ohne dass der moderne Teil dadurch eine Aufwertung erfährt. Ich sehe den Sinn dahinter nicht, außer dem, dass man das Chiapponische Haus „demaskieren“ möchte- aber eben, für diesen trivialen „Zweck“ der Reko-Gegner könnte man auch eine gute Lösung finden.

  • Man will den Bruch, man will zeigen, dass alles nur Kulisse ist. Als ich die Bilder heute gesehen habe, dachte ich mir gleich: Ahja, direkt hier am Kulturpalast, den scheußlichen, modernen Rückfassaden des Neumarkts und dem brutalen Bruch am Chiapponischen Haus werden dann in Zukunft die Touristenführer halt machen, um zu zeigen, dass alles nur fake ist. Anstatt Gästen die eigene Stadt von ihrer Schokolodadenseite zu präsentieren, und anstatt stolz auf den überwiegend gelungenen Wiederaufbau zu sein, wird man sich mal wieder selbst geißeln wüssen.

  • Das Gute ist, es wird denen nix nützen. Die Leute nehmen den Wiederaufbau trotz gewollter Verballhornung überwiegend positiv auf.. Ähnliches ist auch beim Dom-Römer-Projekt beabsichtigt und auch umgesetzt worden. Dennoch sind fast alle Passanten glücklich und dankbar, einen Teil des alten Frankfurts wieder erleben zu dürfen.

    Einmal editiert, zuletzt von HalleLuja (22. Januar 2019 um 07:45)

  • Ich kann es kaum erwarten, bis das Regimentshaus fertig ist. Das wird ein ganz wunderbarer kleiner Platz. Ist schon bekannt, was dort ins Erdgeschoss einziehen wird?

  • Man kann am Chiapponischen Haus aber auch umgekehrt zeigen, wie erbärmlich die derzeitige zeitgenössische Stadtarchitektur ist, wie wenig sie ihren eigenen Ansprüchen genügt, dem Alten Ebenbürtiges gegenüberszustellen bzw. es durch Ebenbürtiges zu ersetzen. Der Offenbarungseid der zeitgenössischen Architektur könnte nicht drastischer ausfallen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Was ist jetzt eigentlich mit den Brunnen im Dinglingerhaus? Kommt der zurück und wenn ja als Reko oder werden Teile des Originals verwendet?

    APH - am Puls der Zeit

  • Man kann am Chiapponischen Haus aber auch umgekehrt zeigen, wie erbärmlich die derzeitige zeitgenössische Stadtarchitektur ist.

    Exakt.

    Derselbe Effekt wie bei der Stella-Fassade des Berliner Schlosses - die Moderne führt sich selber vor.

  • Man will den Bruch, man will zeigen, dass alles nur Kulisse ist. Als ich die Bilder heute gesehen habe, dachte ich mir gleich: Ahja, direkt hier am Kulturpalast, den scheußlichen, modernen Rückfassaden des Neumarkts und dem brutalen Bruch am Chiapponischen Haus werden dann in Zukunft die Touristenführer halt machen, um zu zeigen, dass alles nur fake ist. Anstatt Gästen die eigene Stadt von ihrer Schokolodadenseite zu präsentieren, und anstatt stolz auf den überwiegend gelungenen Wiederaufbau zu sein, wird man sich mal wieder selbst geißeln wüssen.


    Ja, so ist das gewollt. Aber ich denke, der Schuss wird nach hinten losgehen. Mir könnte ein Fremdenführer viel erzählen wie ich zu empfinden habe, und dass das Hässliche das "gute" und das Schöne das "böse" sei. Die Menschen werden ihre Augen aufmachen und selber entscheiden.

    Touristen sehen die Gebäude nicht primär als Rekonstruktion, sondern als "altes Haus". (Das tue ja selbst ich, obwohl ich genau weiss, welches Haus in Dresden eine Reko ist , und bei einigen sogar noch welche nicht korrekt sind . Dennoch sehe selbst ich die Gebäude nicht ständig als Rekos - manchmal vielleicht - sondern einfach als....hervorragende Baukunst?).

    Der Bruch, eigentlich ein fliessender Übergang, wird von der Mehrheit kaum als Beweis einer bösen Micky-Mouse Verschwörung aus Disneyland , sondern eher als eine "je moderner es wird, desto hässlicher wird es"-Situation wahrgenommen werden, oder: "Schau nur, hier kommt ein 60er Jahre Parkhaus, lass uns umkehren, Schatz".

    Auch wenn ich mir jetzt Feinde mache: Aber ich finde diese Ecke nicht so schlimm. Im Gegenteil, ich finde es wunderschön wie der Hänschbau (nix "Palast") immer mehr umstellt wird von der Rückkehr der wunderschönen Dresdner Altstadt. Und dadurch immer mehr seine wahre Identität als Parkhaus der 60er Jahre zum Vorscheine kommt.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

    2 Mal editiert, zuletzt von Petersburg (25. Januar 2019 um 23:17) aus folgendem Grund: Generell gilt bei mir: Immer nur kurze Verbesserungen /Ergänzungen. mfG

  • Der Bruch, eigentlich ein fliessender Übergang, wird von der Mehrheit kaum als Beweis einer bösen Micky-Mouse Verschwörung aus Disneyland , sondern eher als eine "je moderner es wird, desto hässlicher wird es"-Situation wahrgenommen werden, oder: "Schau nur, hier kommt ein 60er Jahre Parkhaus, lass uns umkehren, Schatz".

    ablachen:)cclap:):lachentuerkis:

  • Da ich am Donnerstag in Dresden war, möchte ich kurz ein aktuelles Bild vom Jüdenhof beisteuern. Leider war ich auf dem Weg und unter Zeitdruck, deshalb nur dieses eine Bild. Die Wirkung des Ensembles fand ich sehr gut und insgesamt eine passende Ergänzung zum Neumarkt . . .

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Je deutlicher das Regimentshaus seiner Vollendung entgegen geht, desto dürftiger wirkt der Bau rechts daneben.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Der Füllbau rechts neben dem Regimentshaus wirkt tatsächlich etwas schwach. Der gleiche Gedanke kam mir bereits gestern in den Sinn beim Betrachten des Areals.
    Wobei das nicht an fehlender historischer Formensprache liegt. Es gibt inzwischen eine Menge Füllbauten am Neumarkt, die ganz klar moderne Architektursprache benutzen, extrem schlicht sind aber sich dennoch phantastisch in die Neumarkt einfügen.

    Dieser hier rechts vom R.Haus überzeugt nicht. Seh ich genau so.

    PS - phantastische Bilder!! Vielen Dank.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Auf dem letzten Bild von Henry sieht man auf dem Portalbogen eine starke Maserung/Marmorierung des Sandsteins. Der Steinmetz hat hier darauf geachtet, die beiden Bogensegmente mit den Spiegelflächen aus ein und denselben Block zu sägen und so auszuarbeiten, daß im eingebauten Zustand die Maserung einigermaßen spiegelbildlich zur Geltung kommt. Da hat der Steinmetz was dabei gedacht!
    Das wünschten wir uns am Berliner Schloß auch (siehe die Diskussion dort!)! Wenn schon starke gelb/graue Marmorierung, dann symmetrisch harmonisch angeordnet. Wo doch der Barock so viel Wert auf Symmetrie legt, tsss ... ! :lehrer::thumbup:

  • Schon nach dem ersten Satz, lieber @SchortschiBähr, wusste ich, worauf Du hinauswillst. Prinzipiell stimme ich Dir vollkommen zu. Und in der Tat handelt es sich am Regimentshaus um eine ganz vorbildliche Arbeit.

    Bei den Unmengen an Sandsteinblöcken und v.a. auch bei der Größe der Blöcke war das in Berlin natürlich etwas schwieriger. Bei Steininkrustationen ist es ja ähnlich wie beim Holzfurnier. Je dünner die Scheiben, desto analoger die Maserung, desto symmetrischer kann man diese anordnen (z.B. auch bei der Onyx-Wand im Barcelonapavillon von Mies). Bei Säulentrommeln oder gar Sandsteinblöcken von 1 m Tiefe geht das fast nicht mehr. In Dresden war es möglich, weil ein Teil der Platten nur appliziert ist.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.