Dresden, Neumarkt - Quartier VI

  • @Bert Danke für die schönen Bilder! Vermutlich wurde das hier schon thematisiert, aber erst jetzt fällt mir auf, dass ein zusätzliches Geschoss aufgesetzt wurde und man bei diesem auch auf Fenstersprossen verzichtet hat. Ein weiterer Wermutstropfen neben der fehlenden linken Fensterachse, den modernen Dachgaupen und der unschönen Seitenwand zum Kulturpalast hin.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ja die abgeschnittene Fensterachse liegt jetzt oben drauf und die hätte sich besser einfügen können, wenn der Denkmalschutz nicht eine Unterscheidung zwischen alter Fassade und Zutat verlangt hätte.
    Grundsätzlich habe ich auch nichts gegen die Aufstockung, da es im Laufe der Zeit vermutlich auch ohne Zerstörung so gekommen wäre.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Das kann man doch so nicht sagen. Alle Häuser im Neumarktgebiet nutzen heute die maximal mögliche Höhe. Wäre die letzte Fensterachse erhalten geblieben, dann hätten sie das Haus bestimmt nicht niedriger gebaut. Das zusätzliche Geschoss ist eine moderne Zutat und hat deshalb die gleichen Fenster wie die Seitenfassade zur Galeriestraße erhalten. Ich finde, dass es so und mit dem Gesims ästhetisch gut gelöst ist. Das Chiapponische Haus, so wie es heute wieder steht, ist wahrlich nicht perfekt, aber mir irgendwie sympathisch. Der von Seinsheim präsentierte Fassadenaufriss zeigt den ursprünglichen Entwurf des Hauses. Vor der Zerstörung soll das Haus längst nicht mehr so ausgesehen haben. Was mir beim Chiapponi am wenigsten gefällt, sind die Loggien an der Galeriestraße. Beim angrenzenden Stellwerk-Bau (der am Jüdenhof an das Regimentshaus anschließt), stört mich am meisten die Tiefgaragenzufahrt. Die ist wirklich hässlich ausgefallen. Und am zweitmeisten auch hier wieder die Loggien.

    Zwischen Seinsheim und mir gibt es einen grundsätzlichen Unterschied im Herangehen an die gebaute Realität im Neumarktgebiet unserer Zeit. Seinsheim geht davon aus, wie es vor ganz ganz langer Zeit einmal aussah, und von der Theorie der barocken Baukunst, von den alten Plänen (wie oben) usw. Ihm fällt dann besonders ins Auge, was heute dem Ideal nicht entspricht. Ich hingegen gehe davon aus, wie es in den 80er Jahren in Dresden ausgesehen hat. Und dann freue ich mich, dass es wieder eine so schmale Gasse wie die Frauenstraße gibt, nachdem das DDR-Dresden von endloser Weite geprägt war. Ich freue mich, dass ich im Stadtraum wieder nachvollziehen kann, wo mein Lieblingsgoldschmied Johann Melchior Dinglinger einst gewohnt hat. Dass ich das bürgerliche Dresden der augusteischen Zeit in Grundzügen wieder orten kann.

    Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Für mich jedenfalls reicht es, um nicht zu verdursten. Der Rückbezug auf künstlerisch-historische Ideale ist aber wichtig. Denn sonst würde sich Beliebigkeit einstellen.

  • Zitat

    wenn der Denkmalschutz nicht eine Unterscheidung zwischen alter Fassade und Zutat verlangt hätte.

    Eigentlich ungeheuerlich - was geht das den Denkmalschutz an? Er wird ja auch sonst nie müde, zu betonen, das der Reko-Gedanke absolut denkmalschutzwidrig ist...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (26. März 2019 um 13:01)

  • Im Grunde sollte in solchen Fällen die Aufgabe der Denkmalschutzbehörden auf eine bauforschende und beratende Funktion beschränkt bleiben. Nach besten Wissen und Gewissen ein Rekoprojekt mit Archivalien, die die größtmögliche Annäherung an das Original belegen, zu versorgen und vergleichende kunsthistorische und auf die Ausführung bezogene bauhandwerkliche Fachkompetenz und Expertise zur Verfügung zu stellen. Das und nichts weiter und das ist schon sehr viel (zu tun!).

  • Rastrelli ist insofern Recht zu geben, als das Glas auch hätte leer sein können - wenn man bedenkt, was sonst hätte passieren können. Aber schade ist es eben doch, dass ein Bau, der 2011 noch als Leitfassade ausgewiesen war, diesen Status wieder verloren hat.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • ein alter Artikel, manneken!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Waren die Ornamente am Regimentshaus eigentlich immer so einfarbig gefasst? Ein paar Farbkleckse täten dem Bau wirklich gut.

    Die Farbgebung des Regimentshauses haben wir schon vor einiger Zeit diskutiert. Einfach ein wenig zurückblättern! Vor 1945 waren die Bereiche zwischen den Sandsteinportalen und der Dachtraufe farblich abgesetzt. Wir kamen zu dem Schluss, dass solche vertikalen Streifen die Fassade wohl optisch zu sehr zerschneiden würden. Wenn du hier im Strang bis zum 7. November 2018 zurückgehst, kannst du auf einem Baustellenfoto von Bert erahnen, wie das wirken könnte.

    Ich kam bei persönlicher Inaugenscheinnahme der Fassade zu dem Schluss, dass die Gestaltung in ihrer jetzigen Form gut ist. Sie wirkt nun allein durch die feine Reliefgestaltung. Beim gegenüberliegenden Johanneum ist das auch so. Als Gegenstück zu den Sandsteinportalen des Regimentshauses könnte man dort die Freitreppe ansehen. Durch die konkrete Farbwahl (die auf den Fotos gut wiedergegeben wird), erscheint mir das Regimentshaus zudem wie ein sehr altes Gebäude. Andererseits kam mir auch schon der Gedanke, einzelne Fassadenelemente farblich dezent abzusetzen.

    Hier noch das besagte Bertsche Baustellenfoto vom 7. November 2018.

    Frische Baubilder von heute... :)

    Das Regimentshaus erhält seine Stuckaturen:
    20181107_125048

  • Einfach überwältigend. Da steht mal wieder ein Besuch in Dresden an!!! :saint:

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • Danke Henry, das ist sooooo schöööön!

    Durch das Streichen der Sandsteinelemente gewinnt das Regimentshaus sehr. Ich denke, jetzt kann man die Farbdiskussion endgültig zu den Akten legen. So wie es jetzt ist, ist es genau richtig. Man sieht auf den Bildern auch, dass sich der Stellwerk-Bau daneben gut in das Ensemble einfügt. Natürlich sind die Stars des Jüdenhofs andere.

    Knobelsdorff, nach Dresden kann man gar nicht oft genug fahren. Diese Stadt hat für mich eine besondere Aura. Das war schon so, als ich zu tiefsten DDR-Zeiten das erste Mal da war. Am Jüdenhof standen damals nur das Johanneum und der Kulturpalast. Es fehlte noch so viel. Und doch - selbst das geschundene Nachkriegsdresden hatte für mich diese besondere Ausstrahlung.

  • Mir gefiel die Sandsteinsichtigkeit am Regimentshaus viel besser. Jetzt verschwimmt alles in einem Farbbrei, langweilig...
    Sanierungen sehen heute auch oft so monochrom aus, die Mehrfarbigkeit schwindet aus immer mehr Stadtbildern. Find ich Mist.


    Dann doch lieber gleich nach Italien, wo die Farbe gefeiert wird...


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cinq….JPG?uselang=de

  • @ erbse,

    das sehe ich ganz genauso. Aber auch in Bayern gibt es ja noch viele farbenfrohe Stadtbilder. Was nicht jedem zu gefallen scheint. - Als ich meine Zuneigung zum bunten Landshut zum Ausdruck brachte, hieß es nur, das seien kitschige Bonbon-Farben. Na, Geschmacksache.

    Doch gerade bei solchen Schmuckfassaden wie in Dresden, sollte ein gewisser Kontrast hergestellt werden.

  • Hat der Steinmetz am Regimentshaus nicht eigens darauf geachtet, dass die Maserung des Steins sich symmetrisch verhält? Das sieht man nun leider nicht mehr.
    Ich bin zwar prinzipiell ein Freund des Farbanstrichs, doch nur dann, wenn man anhand der Farbfassung unterschiedliche Strukturen herausarbeitet (so wie man hier die rustizierten Flächen von den glatten hätte abheben können). Nun ist das Erscheinungsbild in der Tat etwas monochrom.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

    Einmal editiert, zuletzt von Seinsheim (2. April 2019 um 06:35)

  • Die Dresdner Innenstadt ist jetzt schöner als so manch unzerstörte Stadt...... und das in einer Stadt, die 1945 fast vom Erdboden gefegt wurde.... Wenn das kein Erfolg ist!

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Einfach Wunderbar. Die Farben sind sehr angepasst und zurückhaltend. Also gut!!
    Weiter so Dresden und mal sehen ob es auuserhalb des beschränktes Gebiet der Neumarkt, auch wieder Schön aussehen darf.........bin gespannt!

  • Was für eine grandiose Platzsituation mit dem Jüdenhof wiederentstanden ist. Sogar unbelebt wirkt der Platz sehr lebendig. Die Überlegenheit der Farbgebung kann man gut am gegenüberliegenden Prisco-Quartier testen, wo eine barocke Farbenpracht bestenfalls persifliert wurde. Wie erhaben könnten doch die Eckbauten an der Frauenkirche wirken, ohne nie verblassendes Schweinchenrosa und Himmelblau. Farben im Barock waren ganz anders und patinierten zudem nach wenigen Jahren.