Dresden, Neumarkt - Quartier VI

  • Ich muss generell nochmal sagen, dass am Dresdner Neumarkt ein zentrales Problem deutlich wird, was so in Zukunft nicht mehr passieren darf. Und dies sind nicht in erster Linie eine einzelne Gauben, die Frage nach der richtigen Hausfarbe oder wie der Füllbau nun im Detail aussieht, sondern es ist eher etwas ganz Grundsätzliches.

    Ich hatte heute die Gelegenheit, mit einer verantwortlichen Stadtplanerin einer deutschen Großstadt zu sprechen und manchmal kann auch ich da noch etwas lernen bzw. es werden einem Dinge bewusster, die man so zwar wusste, aber die für unsere Bewegung durchaus einer reflektierten Nachbetrachtung bedürfen.
    Ich habe sie nämlich gefragt, warum sich insbesondere die Stadtplanung mit Rekonstrktionen so schwer tun und zumindst hier war es so, dass es nicht mal um eine generelle Abehnung gegenüber Rekonstruktionen ging, sondern das einigen vom "Fach" die Umsetzung besonders in Dresden negativ aufstößt. Auch wenn ich die Absolutheit der Ablehneung nicht teile, so bin ich nach dem Gespräch aber zunehmend der Meinung, dass sich eins nicht wiederholen darf, nämlich die Verblendung von Großstrukturen mit vorgehängten Fassaden.
    Wir reden oft über Details beim Neumarkt, ab diese oder jene Fassade gelungen ist, ob der Stuck nun exakt korrekt ist oder nicht, aber rührt der grundlegende Schwachpunkt nicht viel eher in der Veräußerung ganzer Quartiere an einen Investor? Man hat nicht nur den Wettbewerb der Ideen und der Einzellösungen ausgeschaltet, man hat ganze Quartiere in die Hände oft nur eines Architekten gegeben, so ergibt sich eine Uniformität im Quartiersstil. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Großstrukturen hinter den einzellnen Fassaden auch zu einem Authentizitätsproblem führen.
    Ich bin daher extrem glücklich, dass man in Potsdam und Frankfurt aus dieser grundsätzlichen Fehlentscheidung in Dresden gelernt hat und unabhängige und eigenständige Gebäude in den jeweiligen historischen Parzellen plant.
    So ist meiner Meinung nach diese Quartiersvergabe in Dresden das Defizit, mit dem man langfristig am meisten zu kämpfen haben wird, weil man einzelne Fassaden beliebt verändern kann, die Strukturen dahinter aber ungleich schwieriger.
    Und dies ist jetzt nicht negativ gemeint, sondern soll einfach verdeutlichen, dass es meiner Meinung nach in Bezug auf das Neumarktprojekt auf die Dauer gesehen gravierender Grundprobleme gibt als es aktuell vordergründig den Anschein hat.

    APH - am Puls der Zeit

    Einmal editiert, zuletzt von Apollo (26. Februar 2018 um 21:57)

  • Was ist jetzt aber daran neu? Haben wir dieses grundsätzliche Problem nicht schon vor und seit zehn Jahren hier diskutiert? Über Details wie falsch platzierte Regenabflussrohre, Hausfarben, Dachgauben, Materialwahl diskutieren wir doch auch in Frankfurt, Lübeck und Potsdam. Aber bei letzteren drei Städten haben wir schon immer hervorgehoben, dass die Abgabe der Grundstücke an verschiedene Bauherren und die Auftragserteilung resp. Wettbewerbseinladung an verschiedene Architekten besser gelaufen ist als in Dresden. Und auch, dass in dieser Hinsicht Dresden nichts gelernt hat.

  • Wer sich noch nicht satt gesehen hat an den wunderbaren fotografischen Beiträgen der herzlich willkommenen "alten Hasen", kann sich gern auch bei StadtbilDD auf der website einige weitere Eindrücke zu Gemüte führen. ;)

  • aber rührt der grundlegende Schwachpunkt nicht viel eher in der Veräußerung ganzer Quartiere an einen Investor?

    Was aber hat das mit dem vorher von "Oktavian" und "bilderbuch" besprochenen Problem zu tun? Die "Blobel-Bude" und der Rest der Platzfront hatten doch unterschiedliche Bauherren und Architekten, so ich das alles richtig verstanden habe. Trotzdem sind diese Ungereimtheiten entstanden.

    Etwas anderes:
    Könnte vielleicht mal jemand ein Foto des Ursprungszustands vor der Zerstörung und der jetzt umgesetzten Gestaltung neben- oder untereinander posten? Ich würde das gerne mal im direkten Vergleich betrachten. Danke.

  • Doch, es hat etwas damit zu tun. Die beiden Bauherren sind eben "Investoren" und nicht "Bauherren" im gewöhnlichen Sinn. In Frankfurt und Lübeck kommen keine Investoren zum Zug. Und in Potsdam wird man sich mit sozialen Wohnbaugenossenschaften herumschlagen müssen.

  • Das sind jetzt sehr feinsinnige Unterscheidungen, die in erster Linie etwas mit der mentalen Haltung zu einem Bau zu tun haben. Natürlich wird der Bauherr immer mehr zum "Investor", je größer das betreffende Haus ist, das er errichten lässt. In Frankfurt und Lübeck handelt es sich großenteils um 1- oder 2-Familienhäuser bzw. kleine Mehrfamilienhäuser, in Dresden sind die Dimensionen der Gebäude zum Teil einfach größer (zumindest auf das hier angesprochene Problem bezogen). Potsdam wiederum ist ein Spezialfall aufgrund der dortigen politischen Verhältnisse.

    Das alles hat aber, ich wiederhole mich, strukturell nichts mit dem von "Oktavian" und "bilderbuch" beschriebenen konkreten Problem zu tun.

  • Gerade im Sonnenschein, der Neumarkt auf dem Webcambild: Mit der entrüsteten Fassade des USD-Baus zeigt sich die Unmaßstäblichkeit neben dem Blobelbau deutlichst. Oder sind es beide, die unmaßstäblich geworden sind. Links wie Spur 1, rechts wie Spur HO, aus verschiedenen Welten ... ! :augenrollen:nono:)
    Der eine streckt, der andere staucht! Die hätten mal besser vorher mehr ughug:) und aufmerksam die :zeitung: Gestaltungssatzung lesen sollen, tja, wen huh:) zuckt's, äh juckt's !?

  • Der eine streckt, der andere staucht!

    Tja, in dem Zusammenhang muss ich doch gerade an Goethe denken:

    "Im Atemholen sind zweierlei Gnaden
    Die Luft einziehn, sich ihrer entladen.
    Jenes bedrängt, dieses erfrischt;
    So wunderbar ist das Leben gemischt.
    Du danke Gott wenn er dich preßt,
    Und dank' ihm, wenn er dich wieder entläßt"
    (West-Östlicher Divan, Bd. 2)

  • Erstmal ein herzlichen Gruß ins Forum.


    Ich war heute mal fleißig den aktuellen Baufortschritt fotografieren. Trotz der vielen Kritiken, die dieses Quartier schon einstecken musste, ist die Gesamtwirkung mit seinen neuen Blickbeziehungen auf dem Neumarkt prächtig. Der Platz wirkt endlich geschlossen und der störende Kulturpalast ist aus dem Blickfeld verschwunden. Die modernen Gauben im Mittelbau sind aber wirklich völlig daneben. Das zusätzliche Geschoss der USD und die gestreckte "Blobel Bude" sind mir vor Ort garnicht so schlecht aufgefallen. Viel mehr stört mich das zusätzliche Dach beim Blobel Bau. Der Kontrast Blobel/USD ist im Moment noch durch den fehlenden Anstrich bei Blobel deutlich bemerkbar. Wird sich aber hoffentlich mit dem geplanten Anstrich sensibilisieren. Die Bauausführung an sich macht soweit ein ordentlichen Eindruck. Beim Blobel Bau scheinen wohl die Arbeiten im Moment zu ruhen. Hoffentlich geht´s dort zügig weiter.


    weitere Fotos von heute https://stadtbildd.de/baureport-quar…rkt-27-02-2018/

    Einmal editiert, zuletzt von Benjamin89 (28. Februar 2018 um 16:08)

  • @Benjamin

    Erst mal herzlich Willkommen im Forum und vielen Dank für die tollen Bilder. Ist ja ein Bilder-Service wie früher :thumbup:

    Werden beim Mittelbau keine Spiegel mehr aufgetragen?

    Und was hat man sich nur bei den Gauben gedacht? Ich verstehe es einfach nicht :wuetenspringen:

    APH - am Puls der Zeit

  • Beim Eckbau sollten die Speigel laut Visualisierung eigentlich nur aus einem hellen Rahmen bestehen und beim Mittelbau ein Mix aus diesen und den voll ausgemalten, welche nun am Eckbau verwendeten wurden.

    So wie es nun ist, finde ich den Mittelbau etwas "nacksch" und den Eckbau etwas überladen. Mal schauen, ob da noch was passiert.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Willkommen in Forum, Benjamin, und vielen Dank für die Bilder. :)

    Bin überhaupt nicht überzeugt von dem was hier enthüllt wurde. Sieht alles billig, grob, steril und mit wenig Auge/Liebe fürs Detail aus.
    Die hässlichen, modernen Dachgauben und Schornsteine des Mittelbaus, die hässlichen Bleche an den Gauben des Eckbaus, der Sims am Knickpunkt des Mansarddachs auch nur Blech, die groben Putzspiegel und gar keine Putzspiegel am mittleren Bau, der sie echt nötig hätte, um etwas mehr Abwechslung in die eintönige, lange Fassade zu bringen. Dazu kommt ja noch, dass die Sempersche Ladenfront ebenfalls getrichen wurde. Eines der unüberzeugendsten Quartiere am Neumarkt, schade.

  • Ach, da stimmt so vieles nicht, daß es mir keine Freude machen will, außer daß ein nicht modernistischer Baukörper nun endlich den Neumarkt begrenzt!
    Allein das Zinkblech ist so inflationär und auffällig installiert, daß es die Fassadenwirkung stört. Z.B. an den Gauben: sind die zuoberst wirklich nur mit einem ungeformten, flachen Blech verkleidet gewesen? Kommt mir alles wie reine kostensparende Fantasie vor. Und am Mansarddach, der Übergang zum oberen Dachteil, einfach ein hell scheinendes Blech reingesetzt, mannomann, da sind doch bei originalen Barockmansarden reich profilierte Holzgesimse angesagt. Boah, sowas von billig!!! :Sdisgust:)
    Hoffe mal, daß das bald nachdunkelt.
    Und schaut mal, man hat die Schaufensterbauten begonnen. Mit 0815 Winkelblechprofilen, als ob es ein schnöder Messebau oder die Schaufensterffront einer Kaufhauskette wäre. Und die beiden Kamine, werden die noch verkleidet, oder bleiben die so. Auf der Visu sieht es anders aus. So sind die ja auch ein Witz.
    Nee, wenn ich da die Bilder der neuen Frankfurter Altstadt sehe, ist erlösendes Aufatmen dran. Es geht auch anders!
    Hier haben Investor und Stadtplanungsamt ihr übles Fanal abgeliefert. 6, setzen. 6, weil hier eine ignorante Einstellung durch und durch dem historischen Ort gegenüber offenbar wird und kein Wille zur behutsamen Stadtreparatur mit Liebe zum Detail sichtbar ist. Es ist hipp pseudobarock zu bauen, aber eigentlich hat man es nicht verstanden und ist geil auf die Rendite, weil man jetzt sich unter den Rekos einreihen darf. Nein, darfst Du nicht, bist keine Reko, USD-Bude, sondern eine Bude, zu der ich geneigt bin erstmals am Neumarkt das Unwort, das wir alle scheuen, anzuwenden und das mit D beginnt und mit einem solchen Buchstaben endet! :daumenunten:
    Am Blobelbau fehlen ja noch die Gesimse und Eckpilaster und Lisenenzeugs. Da kommt noch kein Endanstrich!

    Und das alles, obschon es lange Zeit bereits einen Investor mit Neumarkterfahrung gab, der originaler rekonsturiert hätte. Aber Geldgeilheit hat entschieden. Ein anderer wurde bevorzugt. Der böse Bube ist also ... .
    Die USDler können ihren Firmennamen abschaffen, das passt schon länger nimmer!

    Je öfters ich auf die Bilder schaue, umso mehr ko... mich diese Chimäre von einem Pseudobarockbau an, nee ich laß das jetzt und widme mich aufbauenderen Themen.
    Gute Nacht allerseits!

    (EDIT: ah, Treverer war schneller, mit ähnlichen Argumenten)

  • Lirum larum - so langsam langweilt es mich, alle Pups lang die gleiche Litanei zu lesen, wie schlecht das doch alles sei. Wenn etwas schlecht ist, dann scheu ich mich das auch nicht zu sagen, aber hier scheinen einige wirklich die Relationen aus den Augen zu verlieren. Angesichts dessen, was am Neumarkt schon gebaut wurde, zählt das hier bei aller Liebe nicht zum Schlechtesten.
    Ich bin im Gegenteil sehr angetan vom Neubau. Gestaucht oder gequetscht wirkt da gar nix auf mich. Alles in allem ein gelungenes Gebäude und ein schöner westlicher Abschluss für den Neumarkt, der, abgesehen von den Gauben, zu den ich mich ja schon geäußert habe, ohne modernistische Tiefschläge und Effekthascherei auskommt.

  • Man muss es sicher mal fertig in natura sehen, doch ich denke auch, das ist im Vergleich grundsolide. Im qualitativen Mittelfeld. Fehler wie die Gauben sind sprichwörtlich nicht in Stein gemeißelt. am meisten freut mich erstmal, dass der Platz nun endlich abgeschlossen und bis auf das Hotel Stadt Rom vollständig umbaut ist.

  • Da stört aber auch wieder, dass das oberste Geschoss und das Dachgeschoss des Mittelbaus nur eine senkrechte Teilung in den Fenstern bekommen hat.
    Beim Eckabau hat man ja auch bis oben hin Fenster mit senk- und waagerechter Teilung eingebaut.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.