Dresden, Neumarkt - Quartier VI

  • Octavian hat sich in den letzten Jahren immer mal wieder verabschiedet. Er nimmt vieles zu persönlich. Schade, daß er nicht über den Dingen stehen kann. Ich hoffe doch sehr, daß seine Leidenschaft für das authentische, historisch schöne Bauen ihn stärker wirkt und ihn wieder zurückholt. Denn das vereint uns ja, oder!?

    Sind Kunsthistoriker und Künstler nicht letztlich alle Mimosen?! ;) Dennoch sehr wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft oftmals und gerade Oktavians Einsatz schätze ich sehr hoch, auch wenn ich mit ihm persönlich nicht grün werden könnte vermutlich. Ich denke und hoffe, dass er bald zurückkehren wird.

    Großes Lob auch nochmal für die vielen tollen Bilder der letzten Zeit! Jetzt noch das Hotel Stadt Rom und der Neumarkt ist wirklich ein Gesamtkunstwerk einer Raumkomposition auf Weltniveau, wie er es bis '45 auch schon lange war.

    Ich empfinde übrigens das Zurückgesetzte des Regimentshaus-Nachbarn als das einzig Positive an diesem Bau, so wirkt das Ganze wenigstens irgendwie organisch, gewachsen, altstädtisch.

  • Aber du musst dieser Stadt einfach Zeit geben. Die ist noch LANG nicht fertig.

    Bei so was musst du in Jahrhunderten denken, nicht in Jahren. Alleine die historische Innenstadt ist jetzt wieder so schön, das ist der Wahnsinn. Stell dir einfach vor, es ist eine kleine Stadt. Stadtgrenzen wie im 18. Jahrhundert. Fast alles Wichtige, was darin stand, steht wieder. Die Viertel drumherum, die du unurban findest , sag dir: Das ist Ackerland und Feld. Da kommt irgendwann was schönes drauf.

    Ja, ist nicht ganz korrekt. Ich sage mir aber solche Dinge. Einfach, um damit besser leben zu können, so dass ich diese einzigartige - und erhaltenswerte - Stadt eben nicht abschreiben muss.

    Grandioser Denkansatz übrigens!
    Genau so können wir das betrachten. Die Notdurft-Wiederaufbauviertel der Nachkriegszeit und der DDR-Mangelwirtschaft sind im Grunde -städtebaulich!- wie unbebautes Land zu betrachten. Wofür Lösungen gefunden werden müssen, das sind die sozialen Faktoren - wie mit den jetzigen Bewohnern umgehen, welche Alternativen können für sie geschaffen werden.
    Doch sich über die Einbindung der nicht vorhandenen Architektur (=Baukunst) im Großteil dieser Räume den Kopf zu zerbrechen halte ich für weitgehend vergeudete Energie. Hier ist tabula rasa in den allermeisten Fällen der einzig wirklich nachhaltige Weg zur dauerhaften Verbesserung.

  • Hier warte ich ja sehnsüchtig auf den Einbau der Tür unter dem linken Portal. Die gezeigten Modellbilder waren wunderbar. Im Moment pflastert man den Fußgängerbereich vorm Regimentshaus.

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    Bilder von gestern. Wünsche allen einen schönen Sonntag. :)

  • Die beiden exzellenten Bilder von Bert bieten auch den Freunden moderner Architektur etwas. Auf dem oberen Foto sehen wir rechts vom Regimentshaus zwei Neubauten von Stellwerk Architekten, zwischen denen ein Stückchen Kulturpalast zu sehen ist. Die Bezeichnung "Füllbauten" wird diesen Häusern nicht gerecht. Zunächst einmal finde ich es bemerkenswert, dass beide Häuser - obwohl sie vom gleichen Büro entworfen sind - völlig unterschiedlich gestaltet sind.

    Der an das Regimentshaus anschließende Neubau folgt in der Kubatur und im allgemeinen Gesamteindruck dem banalen Vorgängerbau, der früher dort stand. Die gegenüber dem Regimentshaus zurückgesetzte Platzierung am Jüdenhof ist ebenfalls historisch begründet und von großem städtebaulichen Wert. Wir sehen das insbesondere auf dem zweiten Foto von Bert. Durch den Rücksprung wird der Blick auf die herrliche Rosafassade im Quartier VII nicht verstellt. Sonst wäre sie von vielen Standorten auf dem Platz links angeschnitten. Dieser städtebauliche Zusammenhang ist auch auf vielen anderen Fotos hier im Strang zu erkennen.

    Im Detail ist die Gestaltung des Hauses keineswegs banal. In der ersten Fensterachse neben dem Regimentshaus ist das oberste Fenster das breiteste, das Fenster darunter etwas schmaler usw. In der zweiten Achse ist das unterste Fenster am breitesten, das darüber etwas schmaler usw. In der dritten Achse kehrt es sich wieder um. Der Besenstrichputz fällt kaum auf. Den Erdgeschosswänden wird durch stark kannelierte Betonplatten eine Struktur gegeben, die deutlich sichtbar ist, wenn man davor steht. Auf den Fotos kann man sie jedoch kaum erkennen. Der gegenüberliegende Stellwerk-Bau von Q VII zeigt eine völlig andere Reliefstruktur der Ladenzone. Insgesamt spielt der Bau in Q VI mit dem Archetypus des Stadthauses. Was die Architekten selbst dazu sagen, findet ihr hier.

    Der Stellwerk-Bau in Q VII ist nur eine Fensterachse breit. Positiv ist, dass der Investor die Fassadenbreite des Rosahauses nicht verändert hat. Auf dem verbleibenden schmalen Grundstück zum Jüdenhof hin sind die Fensteröffnungen versetzt angeordnet, was dem Ganzen einen etwas verspielten Charakter gibt. Jedes Geschoss kragt etwas weiter vor. Im Innern bildet der Eckbau mit dem Rosahaus eine Einheit. Die Geschosshöhen sind daher identisch. Positiv ist, dass man modern und historisch nicht gegeneinander ausgespielt, sondern gleichberechtigt nebeneinander gesetzt hat. Der Eckbau bildet einen bewusst gestalteten Übergang zur Rosmaringasse, in deren weiterem Verlauf sich die Fassade beruhigt.

    Von Stellwerk Architekten gibt es noch ein drittes Projekt im Bereich des Neumarktes: den Löwenhof im Kanzleigässchen. Hier ist die Gestaltung wieder eine völlig andere. Alle drei Projekte eint die Nutzung: Luxuswohnungen. Der Erhalt des Kulturpalastes ist daher nicht nur aus architekturgeschichtlicher Sicht wichtig, sondern auch um den für eine lebendige Innenstadt so wichtigen Nutzungsmix sicherzustellen.

    In den beiden Neubauten am Jüdenhof sind bereits die ersten Bewohner eingezogen.

  • Omg. Wie kannst du den Scheiß auch noch gutheißen. Kein Kommentar.

    Nach dem Hotel in der Rampischen sind das mit die schlechtesten Gebäude am Neumarkt.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Omg. Wie kannst du den Scheiß auch noch gutheißen. Kein Kommentar.

    Contradictio in adiecto(!), et de gustibus non est disputandum ^^

    Ohne die Erwähnung von Rastrelli wären mir die Details bezüglich Fenstergestaltug und profilierter Betonplatten nicht aufgefallen. Ich gebe Dir aber Recht, auch m. M. n. wird dadurch der unzureichende Gesamteindruck nicht gemildert. Eher schon im Gegenteil - jetzt wo ich mir dessen bewusst bin, kann ich die unregelmäßige Fenstergestaltung nicht mehr übersehen - für mich eher ein weiterer Minuspunkt. Kann man alles aber auch netter sagen :)

    2 Mal editiert, zuletzt von HelgeK (5. März 2019 um 07:33)

  • Ich finde es sehr positiv, dass sich jemand in diesem Forum auch einmal etwas ernsthafter und differenzierter mit den erkennbar nicht rekonstruierten Bauten am Neumarkt beschäftigt! Danke dafür Rastrelli! :applaus:

    Einmal editiert, zuletzt von OberstMadig (5. März 2019 um 16:16) aus folgendem Grund: Letzten Satz entfernt, da verstimmend.

  • Bekanntlich steht dieses Forum nicht gerade für das Bevorzugen von „modernen“ Bauten.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Mich würde mal eine qualifizierte Debatte interessieren, warum die unregelmäßige Fensteranordnung beim Regimentshaus in Ordnung geht und beim Neubau links daneben als "banalster Nonsens" abgetan werden kann.
    Ich finde die Ordnung der Fassade beim Neubau sehr gelungen und das Gebäude fügt sich doch insgesamt sehr harmonisch in die Umgebung ein. Ausserdem kann man den Architekten und Investoren hier auch keine "Billigdetails" etc. vorwerfen. Sogar auf die viel gescholtenen "Brüche" wurde verzichtet.

    Wenn man nach Möglichkeiten sucht, um ein Stadtbild wiederherzustellen, kann das doch eine gute architektonische Lösung sein, durch die sich niemand provoziert fühlen sollte.

    Vom "Weltuntergang" ist das jedenfalls weit entfernt.

  • Stichwort Symmetrie: die barocke Rekonstruktion ist auf Symmetrie angelegt, also Spiegelung an einer oder mehreren Achsen. Symmetrie ist das natürlichste von der Welt. Im menschlichen Empfinden wird sie als stimmig und zentrierend, harmonisierend, ausgleichend empfunden. Werde Dir Deiner Körperachse bewußt. Also stell Dir eine zentrale Linie durch Deinen Körper vor. Dann nimmst Du wahr, daß auch der menschliche Körper auf Symmetrie angelegt ist. Die Äußeren Gliedmaße und Sinnesorgane sind paarig angelegt. Also hat Symmetrie etwas mit menschlichem Maß und der Schöpfung zu tun. Das finden wir ja auch bei zahllosen Tier und Pflanzenarten. In der Geometrie (die den geschöpften Erscheinungsformen zugrunde liegt) sowieso.
    Wird von symmetrischer Konstruktion abgewichen, verlassen wir das harmonische Maß und Erscheinnungsbild. Die moderne Fassade hat keine auf den ersten Blick erkennbare, nachvollziehbare Symmetrie, eher ein zunächst gleichförmig erscheinendes Rastersystem, das sich aber immer wieder selbst bricht durch die gegenläufige Variation der Fensterbreiten von oben nach unten und umgekehrt. Das verursacht bei mir Verwirrung und Unruhe, das Gegenteil einer symmetrisch ausgerichteten Fassade.
    Vergegenwärtige dir die beiden Fassaden und lasse sie unvoreingenommen auf dich wirken, ohne dabei zu denken. Was empfindest du, was fühlst du, wie geht es dir dabei? Auf diese Weise Architektur zu sehen zeigt deren innere Wirkung auf.

    Davon abgesehen, rein auf formale Erscheinung hin analysiert scheint mir ein asymmetrischer Knick im Dach eben doch ein brechender Kontrast zu den historischen Mansarddächern zu sein, ebenso die eingezogenen "Dachgauben", ganz abgesehen von der tristen Farbgebung. Also letztlich eine Karikatur eines Barockbaus. Schneller Einfall, um anders sein zu wollen, aber eben aus dem schöpferischen Maß gefallen. Kann man ja machen, aber mit den Folgen ist halt auch zu rechnen, bzw. zu leben. Das mal sehr verkürzt aus meiner Sicht erläutert.

  • Dann müsste es ja Elb-Uffizien heißen!? :koenig:
    (Im Ernst, da haste mir jetzt aber zu einer neuen Informationslage verholfen. Das meint ja auch die Fülle der Kunstschätze in allen Museen und Galerien, eben ähnlich der Fülle in Florenz!?)

  • Ihr wisst aber schon, dass der Begriff "Elb-Florenz" sich eigentlich auf die Dresdner Gemäldegalerie bezieht und nicht auf die Architektur.

    Ja weiß ich........ist auch relativ offensichtlich..........es ging nur darum das "Mediterrane" von meinem Vorredner noch einmal aufzugreifen. Deswegen hätten Sie meinen Smiley auch mitzitieren sollen.

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • Am Regimentshaus ist die unterschiedliche Breite der Fenster organisch in das Gesamtkonzept eingebunden. Die Fensterachsen 2 und 3 sowie 8 und 9 sind Teile eines Risalits (der in diesem Fall freilich nicht vor-, sondern leicht zurückspringt). Als Teile desselben weisen sie besondere Giebelverdachungen auf und stehen über prächtig eingefassten Portalen (die jetzt leider nicht mehr als solche, sondern nur noch als reguläre Fenster erscheinen). Der Fassadenabschnitt dazwischen wird durch den übergiebelten Aufbau zu einer weiteren Einheit zusammengefasst.
    Die variierenden Abstände und Fensterbreiten sind also nicht willkürlich, wie beim modernen Nachbarhaus, sondern sie ergeben sie aus einer übergeordneten Struktur.
    Dieses Denken in über- und untergordneten Strukturen, die zusammen ein stimmiges Ganzes ergeben, wobei im Sinne der Fraktalaität eine Großform in immer kleinere Einheiten heruntergebrochen wird und diese dabei variiert werden können, ist etwas völlig anderes als die Idee einer Lochfassade mit beliebig breiten oder auch verspringenden Fenstern.
    Den Neubau neben dem Regimentshaus finde ich banal, die ungerahmten Fenster nehmen sich wie Löcher aus, das eternitähnliche Dach passt in seiner legosteinähnlichen Glätte und seinem eigenartigen, in keiner Weise durch die Fassade motivierten und daher sehr willkürlich erscheinenden Knick nicht zur übrigen Dachlandschaft.
    Der Eckbau zum Kultupalast schließlich hat mit klassischer Stadtarchitektur nichts mehr zu tun, da hier nicht von der Fassade her gedacht wird, sondern von aufgebrochenen Würfeln, die willkürlich übereinander gestapelt sind. Man kann diese Art zu bauen interessant finden, aber an dieser Stelle ist sie eine bewusste Kampfansage an den historischen Stadtraum und eine bewusste Konterkarierung des Rekonstruktionsvorhabens. Hier wollte die Moderne ganz bewusst eine Stinkbombe zünden.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Das meint ja auch die Fülle der Kunstschätze in allen Museen und Galerien, eben ähnlich der Fülle in Florenz!?

    Ja, der Begriff bezieht sich tatsächlich natürlich auf die ganze Fülle der Kunstschätze. Der Bezug auf die Gemäldegalerie war etwas verkürzend, wobei die schon immer im Mittelpunkt der Namensübertragung stand.

    @ Knobelsdorfff92: Ich hatte den Smiley ja mitkopiert; er wurde aber leider nicht in das Zitat übertragen.

  • @Seinsheim

    Das linke Portal des Regimentshauses erhält noch eine - wirklich schön gestaltete - Holztür. Habe die Vorarbeiten (Modellierung etc.) im Neumarkt-Kurier gesehen. :)

    Ein (kleiner) Pluspunkt des Anbaus ist die Ausbildung einer Dachtraufe sowie die Abgrenzung eines Sockelgeschosses. Man ist ja schon für Kleinigkeiten dankbar... :D

  • Man kann diese Art zu bauen interessant finden, aber an dieser Stelle ist sie eine bewusste Kampfansage an den historischen Stadtraum und eine bewusste Konterkarierung des Rekonstruktionsvorhabens. Hier wollte die Moderne ganz bewusst eine Stinkbombe zünden.

    Richtig. Und mehr gibt es da auch nicht zu sagen. Solche Bauten sind leider nur billige Provokationen, die wir heute schon erkennen und mit denen wir erstmal leben dürfen. Bis sie in ein paar Jahrzehnten (oder gar schon wenigen Jahren?) wieder ersetzt oder deutlich harmonisierender umgebaut werden.