Potsdams historische Mitte - Allgemeines und Stadtpolitik

  • Philipp: zusammengefasst sagst du "Ich hab aber re-hecht!"

    Die einzig adäquate Antwort darauf (schade aber wahr): "hast du ni-hicht!"

    So, Thema durch. Weitere Diskussion auf dem Niveau ist sinnlos.

    Das ist leider unter Niveau und kennzeichnet nur
    den jenigen, der keine Argumente mehr hat. Schade.

  • Luftpost: ich habe sehr wohl Argumente. Die habe ich auch vorgebracht. Wenn dir Antwort darauf aber ist "stimmt ja gar nicht, es gibt wohl objektive Kriterien, nach denen Schönheit gemessen werden kann" - was soll ich darauf sonst sagen als "stimmt aber wo-hohl"? Irgendwann wird so eine Diskussion absurd, und der Moment ist hier eindeutig erreicht - spätestens seit wir die Metaebene betreten haben.
    Ich habe auch einfach keine Lust mehr, das Thema weiterzudiskutieren. Genausowenig wie ich Lust darauf habe, mir meinen (subjektiven) Geschmack vorschreiben zu lassen. Also nochmals mein Appell: haltet euch mit absoluten Wertungen zurück, lasst jedem seine Freiheit, etwas schön oder hässlich zu finden. Ist ja nicht so schwer.

  • Ohne den prinzipiellen Anspruch der Objektivierbarkeit von Ästhetik kann man das Forum hier auch gleich auf eines für Politik, Geschichte und Bauhandwerk reduzieren. Im systematisierenden abendländischen Denken ist Schönheit ja oft als Einheit aufgefaßt worden, in der Thomasischen Aristotelesrezeption etwa als Einheit von Stoff- und Formursache, die sich in der Einheit des Künstlers als causa efficiens und seines künstlerischen Willens als causa finalis widerspiegelt oder bei Hegel als Einheit von Idee und Erscheinung (der absolute Geist in der Form subjektiver Anschauung) bis hin zum pragmatistischen form follows function, das in der vorherrschenden utilitaristischen Interpretation den Menschen allerdings aufs Materiell-Konsumistische reduziert.
    Zur Definition der Schönheit bedarf es kategoriellen Denkens, wonach sich das Was der Einheit bestimmt. Nun ist mit der Einführung von Kategorien aber immer schon eine bestimmte ideologische Prädisposition gegeben, der kulturwissenschaftliche Mainstream folgt aber, wie richtig bemerkt worden ist, einem Nihilismus. Das Problem dieser Art des skeptizistischen Dekonstruktivismus (geistesgeschichtlich ein uralter Hut, der als der letzte Schrei verkauft wird; gab's schon bei den Sophisten und systematisiert bei Pyrrhon und der mittleren Akademie) ist, daß er seine eigenen Prinzipien nicht auf sich selbst anwenden kann. Wenn es ohnehin keine Objektivität gibt, warum dann die bekämpfen, die diese für sich in Anspruch nehmen? Der Dekonstruktivismus, der sich in Schüttelfenstern, gesprengten Sehgewohnheiten, Disproportionen äußert, erhält nur als Gegenstück zum Affirmativ-Identitären des in der Geschichte durch Anverwandlung der Umwelt Gewachsenen Gewicht; er ist der Geist, der verneint. Wenn die Kunsttheorie aber nun dies zur Norm für gute Architektur erheben will, nimmt sie dann nicht selbst einen doktrinären Standpunkt ein, und wenn alle Meinungen gleichwertig sind, warum nimmt sie dann nicht den rein quantitativen Standpunkt ein, daß gebaut wird, was allg. gefällt?

    Was zudem ggü. dem Schönen immer etwas zu kurz kommt, ist mM die Empfindung des Erhabenen, des einzelnen sub specia aeternitatis, das romantische Unendlichkeitsempfinden, das vom einzelnen entgrenzend fortweist, der sich aber gerade darin aufgehoben fühlt. Das ist die Einbindung des einzelnen in übergeordnete Ganzheiten und Geschichtlichkeit als Individuationsprinzip des Absoluten. Die Aufhebung von geschichtlicher Einbettung und Streben nach heimatlicher Anverwandlung der Welt führt zu der Art geistiger Leere, die die moderne Architektur ausstrahlt. Sie als unschön anzusehen, entspricht nicht nur repräsentativen Umfragen, sondern auch dem inneren Anspruch ihrer ideenlosen Schöpfer, die ja gerade in der Leugnung der objektiven Möglichkeit des Schönen das Schöne von vornherein verbannen.

    Würde Musik denselben Mechanismen unterliegen wie Architektur, würden die Herren Professoren und Politiker einen zwingen, nur noch Zwölftonmusik und Karl-Heinz Stockhausen zu hören, und erzählen, dies sei die einzig zulässige moderne Ausdrucksweise.

  • Also, ich oute mich jetzt mal: Ich habe den letzten Ford Granada Turnier als Krönung des Automobildesigns empfunden, und ich fand den VW K 70 viel schöner als den NSU RO 80 - vor ziemlich genau 40 Jahren. Heute schüttele ich mich ob des kubistischen (sic!) Designs von Granada und K70 - während ich die zukunftsweisende Designvision des RO 80 bewundere.

    Und die Moral von der Geschicht': Selbst ein und dieselbe Person kann ihren Geschmack im Laufe der Zeit ändern. Um wie viel mehr sollten wir dann anderen zugestehen, dass sie tatsächlich einen derartigen Geschmack haben...

    Ob man Architekten ohne Weiteres erlauben sollte, ihren Minderheitengeschmack an prominenter Stelle der Allgemeinheit aufzuzwingen, ist eine andere Frage. Aber selbst "Minderheitengeschmack" hat ja etwas Subjektives.

    Schließen möchte ich mit einem Zitat aus einer Hörzu aus den 80ern, Seite 3: Über Geschmack kann man sich streiten. Oder auch nicht. Ganz nach Geschmack.

    _______________________________________
    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • ... Wie wäre es, wenn jeder hier nur seine eigene Meinung sagt und nicht versucht, die der anderen zu bestimmen? Es gibt nun einmal keine 100% objektiven Kriterien für Schönheit; wat dem einen sin Uhl is dem annern sin Nachtigall. ...

    Zuerst die Aufforderung an die Mitleser und Schreiberlinge, Toleranz zu üben. Gut, richtig so. Tolerant sollten wir doch alle sein, oder?

    Danach die gegnerische Behauptung, dass Schönheit berechenbar wäre, durch die Gegenbehauptung gekontert: "Es gibt nun einmal keine 100% objektiven Kriterien für Schönheit;" und mit der Redewendung "wat
    dem einen sin Uhl is dem annern sin Nachtigall." bekräftigt versucht zu belegen. Ein Beweis ist das nicht, gell? Das bleibt auch trotz nachgeschobener Redewendung eine Behauptung. Schließlich hat die Menschheit auch tausende Jahre behauptet, die Erde ist eine Scheibe und dafür wunderbare Redewendungen gehabt.

    Was bleibt, sind zwei hier unbelegte Behauptungen, die hier gegeneinander stehen.

    So. Und jetzt wird aber richtig Toleranz geübt:

    ... Es gibt keine objektiven Kriterien für Schönheit, und wer solche Kriterien vorschreiben will, handelt übergriffig.
    ... Aber dem anderen vorschreiben zu wollen, was dieser für schön zu halten hat, ist inakzeptabel.

    Es wurde Dir nicht vorgeschrieben, was Du für schön zu halten hast. Dies ist eine Schlussfolgerung, die Du aus der Behauptung gezogen hast, das mathematisch beweisbar wäre, was schön ist. Das Du das dann schön zu finden hast, wurde nicht gesagt und bleibt immer noch Dir überlassen.

    Die Art und Weise Deines Konters spricht jedoch Bände. Intolerante Bände. Und in diesem Tonfall geht es weiter:

    Also etwas kann objektiv hässlich, aber subjektiv schön sein? Und die Objektivität hast du gepachtet? Zum Donner, wenn wir Vitruv zum Maßstab nehmen, fällt ein Großteil der Architektur des hier hochgeschätzten Historismus durch! Seid doch nicht so schrecklich eng und klein! Warum fällt es einigen hier so schwer, andere Meinungen gelten zu lassen?

    Warum fällt es Dir so schwer, zu einer anderen Behauptung so wenig Toleranz zu üben? Warum verlangst Du Tolerzanz zu Deiner Behauptung, die Du ebenso wenig bewiesen hast, wie die der Gegenseite, sprichst der Gegenseite jedoch jegliche Existenzberechtigung ab? Warum pachtest Du für Dich jegliche Toleranz, die die Gegenseite aufzubringen habe, wärend Du dazu selbst nicht gewillt bist?

    Im übrigen: das der "Historismus durchfällt" ist ebenfalls eine weitere Behauptung die den Beweis schuldig bleibt.

    Du scheinst meine Redewendungen nicht zu verstehen. Deren Sinn ist, dass es eben keine objektive, sondern stets nur subjektive Schönheit gibt, denn die liegt eben im Auge des jeweiligen Betrachters und ist stets anders.Nach welchen streng objektiven Kriterien beurteilst du denn Schönheit? Mit welchem Recht sprichst du mir oder anderen ab, die "wahre" Schönheit zu erkennen? Du führst "Tausende Jahre an Architekturlehren" an, aber jeder neue Baustil galt mal als hässlich. Gotik und Barock waren ursprünglich Schimpf- und Spottnamen!
    Alles, worum ich bitte, ist die Vermeidung solch absoluter Verurteilungen wie "objektiv hässlich". Reicht es Dir nicht zu sagen "ich und viele andere finden dieses Gebäude sehr hässlich"? Warum musst du mir vorschreiben, was ich für schön zu finden habe? Lass mir doch diese Freiheit!

    Redewendungen sind Redewendungen. Sie können Wahrheiten beinhalten. Sie können aber auch einfach nur Unwahr und eine sinnlose Redewendung sein. Eine Redewendung ist kein Beweis.

    Und Dir spricht niemand etwas ab, ausser Du selbst. Aber das kann ich tolerieren. Nur bitte mit gemäßigtem Tonfall.

    Jedoch hier wirkt das Ganze nur als eines: dogmatisch. Nicht der anderen Seite Behauptung tolerieren wollen - ja ihr jegliche Sinnhaftigkeit ohne Gegenbeweis absprechen, der Gegenseite jedoch Intoleranz zur eigenen Behauptung -ebenfalls ohne Beweis- vorwerfen.

    Tut mir leid: so verwirkt man nicht nur die Toleranz beim Anderen, sondern auch die Akzeptenz sich mit der Gegenseite auch nur noch auseinandersetzen zu wollen. Denn aus Ihren Worten spricht nur Ideologie und Dogmatismus. Da ist Toleranz unangebracht, da sie zu einer Einbahnstraße wird.

    Ich kann nur hoffen, dass Sie im realen Leben anders wirken, sprechen und handeln, als hier.

    Luftpost

  • 1. Ich finde es wirklich schade, dass thematisch spannende Diskussionen, wie diese, im APH-Forum immer direkt zu einer hasserfüllten Total-Konfrontation werden, obwohl - wie ich vermute - wir uns relativ nahe stehen.

    Zum Thema:

    Es muss meiner Meinung nach gewisse objetive Grundregeln für Schönheit geben, sonst hätten sich etliche Phänomene nicht zeit- und kulturübergreifend herausgebildet:

    Menschen lieben das Regelmäßige, das Rhytmische, also all das, was mit gewissen mathematischen Regeln auftritt. Bsp. Trommelmusik: Mir ist kein Kulturkreis bekannt, in welchem wild auf Trommeln eingedroschen wird. Stattdessen hat sich menschheitsübergreifend das herausgebildet, was wir ‚Rhythmus‘ nennen. (Man kann hier sogar ganz esoterisch werden und behaupten, dass Rhythmus das ist, was uns mit dem Kosmos verbindet. Zb ohne Rythmus ist ein Sonnensystem instabil und der Planet, der sich außer Takt bewegt, wird früher oder später aus dem System geschleudert)

    Auch ein Blick in die Geschichte bestätigt das: Seit Jahrhunderten - ach was rede ich - seit Jahrtausenden (Stonehenge) bauen Menschen den Regeln der Mathematik entsprechend und genau das sind die Gebäude, welche bis heute faszinieren und von Touristenströmen heimgesucht werden. Mathematik alleine macht ein Gebäude zwar noch nicht automatisch schön, führt aber schonmal zur Zeitlosigkeit (vgl. Das Haus ohne Eigenschaften).

    Paradoxerweise empfindet der Mensch ausgerechnet das Gegenteil zur Ordnung auch als schön. Nämlich die Natur und die Natürlichkeit. Bauernhäuser und Lehmhütten sind wohl selten exakt mathematische Gebilde, aber durch ihre Einbindung in die Natur und die Verwendung von natürlichen Materialien, wirken sie schön.

    Die Idee wiederum - auf die moderne Architektur (und Kunst) hauptsächlich abzielt - alleine reicht aber nicht aus, um schön zu sein. Sie braucht immer entweder das Element der Mathematik oder der Natürlichkeit, um schön zu wirken. Vgl. etwa das Opernhaus von Sydney. Ich bin überzeugt, dass modernen Architekturformen nicht diese Feindseligkeit entgegenschlagen würde, wenn sie statt in Beton, Glas und Aluminium in ‚natürlichen‘ Materialien errichtet worden wäre.

    Damit will ich nicht behaupten, dass es nur eine richtige Form von Schönheit gibt, dafür ist Schönheit in zu unterschiedlichen Formen manifest - sowohl das Taj Mahal wie auch Versailles sind schön - aber das es gewisse, fundamentale Regeln gibt. Wie auch immer, ich denke nicht, dass sich die Frage nach objektiver Schönheit sich auf reine, völlig subjektive Modetrends reduzieren lässt - dafür ist das Phänomen ‚Schönheit‘ zeit- und kulturübergreifend viel zu konstant.

    Und die Moral von der Geschicht': Selbst ein und dieselbe Person kann ihren Geschmack im Laufe der Zeit ändern. Um wie viel mehr sollten wir dann anderen zugestehen, dass sie tatsächlich einen derartigen Geschmack haben..

    Aus diesem Grund habe ich weiter vorne vorgeschlagen, zwischen den Empfindungen "etwas ist schön" vs "etwas ist interessant" zu unterscheiden - beides evoziert eine emotionale Reaktion, aber nur "schön" ist zeitlos. Vielleicht kann man auch von zeitloser und zeithafter Schönheit unterscheiden, um dieses Gefühl der emotionalen Ergriffenheit zu beschreiben?

  • Ich bin der Meinung das jeder den Begriff "schön" oder was er dafür hält anderes interpretiert. Sollte jemand einmal eine andere Meinung haben, kann man den Teilnehmer im Forum gerne kritisieren (mich eingenommen) aber es sollte immer sachlich bleiben.

  • In diesem Thread wurde von PotsdamFan schon einmal das folgende Video gepostet, das die eigentlich recht simplen Grundregeln "schönen" Bauens verdeutlicht. Dass der Würfel neben dem Barberini diesen Kriterien nicht einmal im Ansatz gerecht wird (und vermutlich daher zukünftig als Störfaktor wahrgenommen werden wird) dürfte eigentlich klar sein.

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    .

  • Mir scheint in der Diskussion und der Argumentation werden Geschmack und Schönheit, bzw. Schönheitsempfinden gleichgesetzt. Das dürfte aber m.E. eine Unklarheit und Nivellierung bewirken. Was ist Geschmack, was Schönheit!? Über diese Definitionen sollte erst einmal ein Konsenz hergestellt werden. Dann kann man weitersehen.
    Und wie richtig angeführt wird, zeigt sich Schönheit in den Proportionen der Natur und des Kosmos, ausgedrückt durch die innewohnende Mathematik. Das ist objektiv nachvollziehbar. Lebewesen und Formobjekte im kosmischen Maß im Vergleich zu Objekten außerhalb des kosmischen Maßes zu vergleichen und auf das innere Empfinden zu achten könnte vielleicht einen Schritt weiter helfen herauszufinden, daß Schönheit jenseits von Geschmack für eine größere Menge von Betrachtern/innen nachvollziehbar wird.
    Ich empfehle zur Erhellung die Lektüre und vor allem das Betrachten der zahlreichen Abbildungen in diesem Klassiker:

    György Doczi, Die Kraft der Grenzen - Harmonische Proportionen in Natur, Kunst und Architektur

    https://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&url=search-alias%3Daps&field-keywords=György+Doczi%2C+Die+Kraft+der+Grenzen+-+Harmonische+Proportionen+in+Natur%2C+Kunst+und+Architektur

  • Eines der wesentlichen Stilmittel des Rokoko ist das Aufbrechen der barocken Regelmäßigkeit und Spiegelsymmetrie. Trotzdem wird wohl niemand behaupten wollen, der Rokokostil sei objektiv weniger schön als der Barockklassizismus! Außer natürlich den Menschen der unmittelbaren nachfolgenden Epoche, nämlich des Klassizismus. Die empfanden den Rokokostil nämlich als grauenhafte Geschmacksverirrung und objektiv hässlich.
    ich glaube, was viele hier mit objektiven Kriterien von Schönheit meinen, ist der Mehrheitsgeschmack. Natürlich gibt es bestimmte Stile, die zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort für schöner gehalten werden als andere. Aber dem liegen keine objektiven Kriterien zugrunde, sondern es ist einfach der Geschmack der Mehrheit, der dann von dieser Mehrheit zur 100% objektivierbaren Schönheit erklärt wird.
    Die Impressionisten galten zu ihrer Zeit als grauenvolle Künstler, Zwölftonmusik ist nicht jedermanns Sache, manche Speisen werden vom einen geliebt und vom anderen gehasst. Man mag einwenden, das seien alles Geschmacksfragen, ich sehe allerdings nicht den Unterschied zwischen "das gefällt mir" und "das ist schön".
    Ich muss zugeben, dass ich im Ton aggressiv geworden bin, und hierfür bitte ich um Entschuldigung. Deine Beweisführung, dass ich intolerant sein, weil ich keine intoleranten Meinungen toleriere, lieber Luftpost, kann ich allerdings immer noch nicht nachvollziehen.

  • ...Ich muss zugeben, dass ich im Ton aggressiv geworden bin, und hierfür bitte ich um Entschuldigung. Deine Beweisführung, dass ich intolerant sein, weil ich keine intoleranten Meinungen toleriere, lieber Luftpost, kann ich allerdings immer noch nicht nachvollziehen.

    Mensch, als ich den Beitrag las, dachte ich: super, endlich wieder auf die sachliche Ebene zurück gekehrt. Und dann kann der letzte Satz, der die Entschuldigung glatt negiert.

    Eine andere Meinung ist nicht intolerant, weil sie eine andere, als die eigene Meinung ist. Aus den Zeiten sind wir auch hier im Osten seit mehr als 25 Jahren raus, dass gefälligst alle einer Meinung zu sein haben, und vorgegeben wurde, wie die auszusehen hat.

    Da spricht schon wieder Ihre Intoleranz aus diesem Satz: intolerant ist es, andere Meinungen solcherart zu diskreditieren!

    Luftpost

    PS. Der Rokoko ist eine Unterart des Barock und keine eigenständige Architekturform. Der Barock ist eine eigene Archtekturform und der Klassizismus ebenfalls. Was ist bitte der "Barockklassizismus"?

  • Was ist bitte der "Barockklassizismus"?

    Ein Barock, das anders als das meist gekannte süddeutsch-österreichsich-böhmisch-italienische (bewegte und ornamental reiche) Barock stark von klassizierenden Tendenzen gekannzeichnet ist. So z. B. in Frankreich (Style classique"), den Niederlanden, Schweden, Preußen, England (Wren!)
    Sachsen nimmt eine wunderbare völlig schwebende Mittelstellung zwischen diesen beiden Tendenzen ein.

  • Danke, lieber Oktavian, für die gute Erklärung - hätte ich selbst (Studium der Kunstgeschichte, Schwerpunkt Barockarchitektur) nicht besser sagen können!
    Eine kleine Ergänzung: viele Bauten aus der Zeit Friedrichs II., z.B. das Potsdamer Stadtschloss (Vorbild Versailles!), weisen im Äußeren Merkmale des Barockklassizismus auf. Im Inneren bevorzugte Friedrich dagegen den verspielten Rokokostil, der später sogar nach ihm benannt wurde und erst nach seinem Tod 1786 aufgegeben wurde - aus der Mode war er schon viel früher gekommen und galt dann als grässliche Geschmacksverirrung.
    Zweite Ergänzung: in der neueren Kunstgeschichte wird der Rokoko nicht mehr als Teil des Barock, sondern als eigenständige Stilrichtung zwischen (und neben) Barock und Klassizismus angesehen.
    Zur Weiterbildung der werten Mitdiskutanten:
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Klassizistischer_Barock
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Rokoko

  • Zweite Ergänzung: in der neueren Kunstgeschichte wird der Rokoko nicht mehr als Teil des Barock, sondern als eigenständige Stilrichtung zwischen (und neben) Barock und Klassizismus angesehen.

    Richtig!

  • Eines der wesentlichen Stilmittel des Rokoko ist das Aufbrechen der barocken Regelmäßigkeit und Spiegelsymmetrie.

    Aber dieses Aufbrechen der Symmetrie gilt doch fast ausschließlich für den Bereich Dekoration, oder? Also nur im "Mikrobereich" eines Gebäudes. Bereits der Gesamtraum ist wieder auf die Symmetrie ausgerichtet und die Fassade sowieso. Man denke an die Palais, Theater und Kirchen des Rokoko im süddeutschen Raum.

  • Also meine Beobachtungen von Deckenstukkierungen aus dem Rokoko lassen durchaus noch ein symmetrisches Ordnungssystem erkennen, in dem nur die Einzelformen die strenge Symmetrie aufbrechen zugunsten einer mehr organischen Symmetrie.
    Ein Rokokoaltaraufbau kann ja mit schwingendem Sprenggiebel, dessen Giebelseiten links und rechts sich ganz anders aufrollen und verdrehen dennoch der zentralen Achse treu folgen.

    Unser UrPotsdamer Kunsthistoriker scheint mir geflissentlich die Erkenntnisse aus der Beobachtung von Naturformen und die aus den Analysen „heiliger Architektur“ gewonnenen Einsichten zu ignorieren, um mit uns zu einer verbindenden Definition des Schönheitsbegriffes zu gelangen. Die reine vergleichende und einordnende Kunstgeschichte greift da oft zu kurz. Kaum ein Kunsthistoriker wird sich mathematischer Analysen bemühen oder den Goldenen Schnitt in Schmetterlingsflügeln nachweisen oder ihn in Japanischen Pagodenbauten finden wollen.
    Dazu braucht es fächerübergreifendes Verständnis und Offenheit.
    Mit einem Kampf um Meinungsfreiheit kommen wir der wahren Erkenntnis gemeinsam auch nicht näher.
    Es bedarf des Betretens von Neuland!

  • Ich versuche jetzt mal so wenig polemisch wie möglich zu argumentieren.

    So ziemlich jeder Kunststil der vergangenen mindestens 500 Jahre galt zu irgendeinem Zeitpunkt als hässlich. Beispiele habe ich in vergangenen Beiträgen ausgiebig gebracht. Das schließt all die Kunststile mit ein, von denen heute die meisten sagen würden, dass sie schön sind. Gibt das den Apologeten der objektiven Schönheit nicht zu denken? Offensichtlich waren selbst die Klassizisten nicht fähig, die Schönheit des Rokokostils zu erkennen, denn der galt um 1800 als hässlich, altmodisch und kitschig. Schönheit liegt eben im Auge des Betrachters, ist subjektiv und unterliegt der Mode. Was gestern noch modern, schick und schön war, ist heute altbacken und hässlich. Morgen kann es schon wieder topmodern und schick sein, wie es dem Rokoko um 1860 erging.

    Hier wird gerne das Lob der Symmetrie und des goldenen Schnitts gesungen. Es gibt auch Kunsthistoriker, die überall den Goldenen Schnitt erkennen. Sie werden oft mit gutem Grund nicht besonders ernst genommen. Die Welt, ob natürlich oder künstlich, ist viel zu komplex, als dass man sie über den einen Kamm des goldenen Schnitts scheren könnte. Damit will ich nicht abstreiten, dass der Goldene Schnitt oft Grundlage von Konstruktionen war. Oft war er es aber auch nicht, und die so entstandenen Kunstwerke sind nicht weniger schön. Was die Symmetrie angeht, so wurde in vielen gotischen Kirchen bewusst ein Bruch in der Symmetrie herbeigeführt
    - die volkstümliche Erklärung sagt, um das Gebäude nicht perfekt zu machen, weil Perfektion nur Gott selber zusteht. Tatsächlich haben die Baumeister der Gotik schon erkannt, wie ermüdend absolute und perfekte Symmetrie sein kann. Bauten des Neoklassizismus und, auf die Spitze getrieben, des Faschismus in all seinen Spielarten erschlagen einen oft nicht nur durch die unmenschlichen Dimensionen, sondern eben auch durch die absolute Symmetrie.

    Wenn 60 oder 80 oder gar 95% der Bevölkerung eine bestimmte Art zu bauen für schön halten, dann bleibt das dennoch eine subjektive Meinung. Unumstößliche, absolut objektive Werturteile müssen nicht nur synchron, sondern auch diachron Bestand haben, d. h. sie müssen Zustimmung nicht nur bei allen Menschen finden, die jetzt leben, sondern auch bei allen Menschen, die jemals gelebt haben und noch leben werden. Wie ich oben gezeigt habe, wurde so gut wie jeder Baustil der vergangenen 500 Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt allgemein für hässlich gehalten. Das heißt, dass das Werturteil "schön" in der Diachronizität durchgefallen und nicht objektivierbar ist - das gilt selbst für den Rokokostil, von dem man meinen könnte, es gebe keinen Zweifel an seiner objektiven Schönheit.

    Diese Diskussion hat sich an einem modernen Gebäude neben dem Palais Barberini in Potsdam entzündet, bzw. vielmehr daran, dass einige Diskutanten ihr persönliches Werturteil verabsolutierten und verlangten, dass sich jeder dem anschließe. Nur darum geht es mir: ich habe kein Problem mit der Aussage, dass die weitaus größte Mehrheit der Potsdamer den Bau hässlich findet, ja sogar dass er allgemein für hässlich gehalten wird. Auch wer sagt "ich finde ihn hässlich", trifft bei mir auf keinen Widerstand. Aber lasst bitte jedem seine Meinung! Verbietet niemandem den Mund! Auch ein gönnerhaftes "du darfst das ja subjektiv für schön halten, aber objektiv ist es hässlich" ist fehl am Platze. Der Monarch kann seinen eigenen Geschmack nicht mehr dem ganzen Land aufoktroyieren, wie es Friedrich II. mit dem friderizianischen Rokoko tat. In einer Demokratie werden auch solche Dinge ausgehandelt. Das ist das Gegenteil von Intoleranz!

  • Das es zu vielen Dingen von den Menschen unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen gibt ist ja auch normal.Problematisch wird es,wenn der eine dem anderen seine Meinung,Sichtweise aufzwingen will.Es ist nicht einfach eine Sache umzusetzen wenn es da verschiedene Meinungen dazu gibt.Wenn man alle unterschiedlichen Ansichten berücksichtigen müsste,würde es nur sehr müssig oder gar nicht vorwärts gehen.Da muss dann eben das eine oder andere einfach durchgesetzt werden wenn kein Kopromiss möglich ist.
    Das beste Beispiel sind ja hier in Potsdam schon die unterschiedlichen Ansichten zur städtebaulichen Entwicklung und Gestaltung der Mitte.Bei Ansichten zu bestimmten Dingen von Menschen, spiet auch ihre persönlichen Einstellung eine Rolle z.B.ihre innere politische Einstellung oder es liegt ein Eigennutz vor oder,oder.