Potsdams historische Mitte - Allgemeines und Stadtpolitik

  • Zitat

    "Potsdam, die Hauptstadt der Rekonstruktion im 21. Jahrhundert."

    [...]

    „Ein Armutszeugnis für unsere Zeit“ sei es, wenn wir längst abgerissene Gebäude heutzutage rekonstruieren, sagte ein Student der Potsdamer Fachhochschule in der Diskussion. Die heutige Zivilgesellschaft vermöge es allerdings nicht, gänzlich neue Gebäude hervorzubringen, die auch nur annähernd so hochwertig seien, wie die rekonstruierten Bauten, räumte der junge Mann vom Fachbereich Architektur ein und bekannte zugleich: Etwas bauen, das von uns selbst zeugt – „da sind wir gerade nicht gut drin“.

  • "Potsdam, die Hauptstadt der Rekonstruktion im 21. Jahrhundert."

    Ich hätte zwar gesagt, dass Dresden oder Budapest diesen Titel verdient hätten, aber vielleicht haben die Diskutanten die Projekte dort gar nicht auf dem Schirm. Das Kompliment (auch wenn es so nicht gemeint war) nimmt man natürlich trotzdem gerne an. :thumbup:

  • Als wenn Rekonstruktionen eine lieblose, schematische und einfach Wiederholung des Vergangenen wären. Ich halte es mit Sabrow: die Erinnerungsbauten sind eben der Ausdruck unserer Zeit.

    Wie definierte der ehem. Stadtkonservator Kalesse: "Eine Erinnerungsarchitektur ist ein Ausdruck aktuellen Bauens, welche am originalen Standort eines materiell weitgehend untergegangenen Bauwerks durch Rückgewinnung bzw. Bezugnahme auf wesentliche Gestaltungselemente der verlorenen Architektur an diese zu erinnern versucht, ohne sie zu kopieren. Dabei hängt einerseits der erzielbare Näherungswert an das Original von der Überlieferungsqualität und -menge ursprünglicher Dokumente, zeichnerischer, schriftlicher, fotografischer und baulicher Art, ab. Andererseits kann in den meisten Fällen nur eine den aktuellen Nutzungsbedürfnissen und den aktuellen Baunormen angepaßte neue Architektur entstehen und so ist eine Rekonstruktion im klassischen Sinne von vornherein weitgehend ausgeschlossen und wird auch gar nicht erst angestrebt.

    Die Erinnerungsarchitektur legt Zeugnis dafür ab, wie verlorene historische Gestaltqualitäten zur Rückgewinnung bzw. Reparatur eines größeren Bauensembles in die aktuellen Daseinsformen einer Stadt oder anderer baulicher Zusammenhänge gelingen kann.

    Die Grenzen zur Rekonstruktion können dabei allerdings fließend sein und hängen in ihrem Gelingen von den politischen, rechtlichen und ökonomischen Grundvoraussetzungen ab.

    Mit Hilfe der Erinnerungsarchitektur kann an frühere künstlerische Qualitäten und auch an die Tragik ihres Verlustes erinnert werden. Sie kann auch als eine Art von Modell 1:1 verstanden werden, um durch die haptische Erfahrung eine frühere Erscheinungsform architektonischer Zusammenhänge besser verstehen zu können und sie somit nachvollziehbar zu gestalten. Der Übersetzungsfaktor von Alt zu Neu spielt also eine wesentlich größere Rolle in einem derartigen Prozeß als die akribische wissenschaftlich abgesicherte Wiederholbarkeit einer verlorenen Form."

  • Es wird ja weniger rekonstruiert, weil die Moderne so schlecht ist, sondern vor allem, weil das Vergangene so schön war.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es wird ja weniger rekonstruiert, weil die Moderne so schlecht ist, sondern vor allem, weil das Vergangene so schön war.

    Ich finde, es stimmt beides. Zum einen erkennt man an, was für eine besondere Qualität das Vorbild hatte. Gleichzeitig zeigt sich jedoch deutlich, dass die Moderne es nicht schafft solche Stadträume zu bauen. Das macht doch diese großen Rekonstruktionsprojekte so einflussreich. Sie zeigen, dass ein aus dem Boden gestampftes neues Stadtbild mit aktueller Bautechnik, sehr wohl bestens funktionieren kann vom Start weg. Etwas, das bei modern gestalteten Quartieren oft angeführt wird, dass sich ja erst alles einleben muss, die Begrünung größer werden muss, die Menschen sich daran gewöhnen müssen, liebgewinnen müssen. Und dann nach Jahrzehten es häufig trotzdem noch nicht gut ist.

  • Majorhantines Ich gebe Dir völlig Recht. Mir ist es nur wichtig, dass wir nicht nur aus einem generellen antimodernistischen Affekt heraus handeln: dass wir uns nicht von negativen, sondern von positiven Beweggründen leiten lassen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Interessanter Beitrag in den Tagesthemen zu Rekonstruktionen und Abriss von DDR-Architektur in der Potsdamer-Mitte.

    Das Fazit am Ende ist fantastisch: Die Mehrheit der Einwohner habe kein Problem mit Preußischen Rekonstruktionen.

    Barbara Kuster spricht für Mitteschön und sagt man könne nicht 300 Jahre Preußen mit 40 Jahren DDR vergleichen.

    Die Gegenposition mit Potsdamer Mitte Neu Denken kommt hier gar nicht so radikal rüber, wie sie manchmal auftreten, da hier selber zugegeben wird, dass die Nachkriegsmoderne nicht so gut ankam/ ankommt seit der Wende. Aber sie treten hier dafür ein dass nicht alles direkt abgerissen werden muss.

    Der Alte Markt steht im Fokus mit seinen Neubauten und der kommende Abriss des Staudenhofes, die Garnisonkirche und das im Bau befindliche neue Kreativquartier wird nicht thematisiert, dafür aber der drohende Abriss des Rechenzentrums.

    #mittendrin aus Potsdam: DDR-Bauten oder Preußenschlösser im Stadtbild
    #mittendrin aus Potsdam: DDR-Bauten oder Preußenschlösser im Stadtbild
    www.tagesschau.de
  • Natürlich kann man 300 Jahre Preußen und 40 Jahre DDR vergleichen, dann fallen einem die Unterschiede schnell auf.

    Hier geht es aber schon nicht um "40 Jahre DDR" sondern nur um 20 Jahre, da die "Ostmoderne" nur zwischen in den 1960er und 1970er Jahre gebaut wurde. Vorher baute auch die DDR in Potsdam noch ganz traditionell und ab 1980 schon in der DDR-Postmoderne (Berliner Nikolaiviertel, Rekosntruktionen).

    Diese innerstädtische Verabschiedung von der abstrakten Moderne hat zudem wenig mit DDR zu tun - das Phänomen tritt in ganz Europa auf, da die autogerechte und naiv-zukunftgläubige Stadt sich schlicht als naiver Irrtum der Architektur erwiesen hat. Die Gründe für Abriß und Umgestaltung des Areals des Technischen Rathauses in Frankfurt am Main sind doch exakt die gleichen wie der Abbrich des Instituts für Lehrerbildung (nachmalig FH-Potsdam) und dessen Neubebuung mit fast 40 Einzelparzellen.

  • Ich finde auch sehr amüsant, wie sich der DDR-Nostalgiker über die Abrisse seiner Betonkisten als Tabularasa beschwert. Das gab es ja in seiner geliebten DDR natürlich nicht, dass man Gebäude beseitige, mit denen sich die jeweilige Bevölkerung verbunden fühlte.

  • Ich glaube nicht, dass es sich hier um DDR Nostalgiker handelt.

    Ich glaube eher das es sich um eine sehr kleine Gruppe handelt,

    die sehr viel gefaehrlicher ist. Ich glaube eher, diese versteckt sich

    hinter der DDR, das ist fuer diese Leute sicherer. Oportunisten halt.

    Und das muessen wir den guten Buergern auch sagen duerfen.

  • Ich glaube, dass die Zuschreibung als DDR-Nostalgiker nicht den Kern ihrer Motivation trifft. Es geht doch um die Stadt, in der sie aufgewachsen sind, mit der sie identitätsstiftende Erinnerungen verbinden. Wir alle verklären doch das Umfeld, in dem wir unsere jungen Jahre verbracht haben, ein Stück weit. Und viele werden es nicht gerne sehen, wenn diese Orte, mit denen wir uns selbst identifizieren, nach und nach verschwinden. Ich denke, wenn man das verstehen lernt, könnte der Dialog fruchtbarer sein. Empathie ist gefragt.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Du meinst die Empathie, die umgekehrt den Rekonstruktionsanhängern entgegengebracht wird, wie wir es z.B. beim Berliner Schloss erleben dürfen? Stimmt, daran sollten wir uns echt ein Beispiel nehmen. :wink:

    In dubio pro reko

  • Dieser Bericht war für diejenigen die sich für das Thema interessieren,nichts neues.Der Architekt Steffen Pfrogner und auch die meisten Mitglieder von der Wählergruppe ,"Die Andere"gehören der linken Stadtinitiative "Potsdamer Mitte Neu Denken" an. Neu Denkt da keiner von dieser Truppe,was die Potsdamer Stadtmitte betrifft. Diese Initiative"Potsdamer Mitte Neu Denken"hat sich als reine demonstrative Gegeninitiative zu "Mitteschön" gegründet.

    Hier ein Link zu diesen Mitteneudenkern:.https://brandenburg.imwandel.net/seite/potsdamer-mitte-neu-denken/

  • Interessant ist doch, dass die Initiative die "Anwendung direktdemokratischer Instrumente" fordert. Auf der anderen Seite heißt es hier doch immer, dass es um eine kleine Gruppe handelt, die nicht die Mehrheit der Bevölkerung in Potsdam repräsentiert. Was würde dann näher liegen, als zukünftig Volksabstimmungen über die wesentlichen Bauprojekte in der Stadt anzustreben? Wenn sich da beide Seite in diesem Vorgehen einig sind, sollt dies doch umzusetzen sein. Ich frage mich, warum Mitteschön diesen Weg nicht geht. Am Widerstand der Gegeninitiative kann es doch nicht liegen. Hier sollten doch beide Seiten übereinstimmende Interessen haben.

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  • Wenn man sich das Bilder der Mitglieder "Potsdamer Mitte Neu Denken" anschaue, sehe ich keinen Architekten, Architektjournalisten oder Kunsthistoriker die ganz jung sind (Anfang 20). Das bedeutet warum haben die Mitglieder sich nicht schon vor über 20 Jahren in die Stadtpolitik eingemischt und ihre Stimme erhoben. Wenn Sie die Stadt doch so lieben oder sich für die Stadt und deren Mitte interessieren.

    Erst wenn ein Ergebnis vorliegt und hier ist es egal ob man über die Fachhochschule, Garnisonkirche / Rechenzentrum oder Staudenhof spricht, dann werden die "Aktivistinen und Aktivisten" aktiv.

  • Ich glaube, dass die Zuschreibung als DDR-Nostalgiker nicht den Kern ihrer Motivation trifft. Es geht doch um die Stadt, in der sie aufgewachsen sind, mit der sie identitätsstiftende Erinnerungen verbinden. Wir alle verklären doch das Umfeld, in dem wir unsere jungen Jahre verbracht haben, ein Stück weit. Und viele werden es nicht gerne sehen, wenn diese Orte, mit denen wir uns selbst identifizieren, nach und nach verschwinden. Ich denke, wenn man das verstehen lernt, könnte der Dialog fruchtbarer sein. Empathie ist gefragt.

    Ich glaube, ein Großteil der "Neudenker" ist zugezogen. Dein Argument trifft auf sie nicht so ganz zu.

  • Ich glaube, ein Großteil der "Neudenker" ist zugezogen. Dein Argument trifft auf sie nicht so ganz zu.

    Sollte dies so sein, dann nehme ich das Argument in der Tat zurück. Aber ich habe bisher nichts Gegenteiliges vernehmen können, das auch wirklich verifizierbar ist.

    Die ganzen Bauprojekte in der Potsdamer Mitt wurden demokratisch über Jahrzehnte beschlossen.

    Meine Anmerkung bezog sich allerdings schon auf die Projekte, die noch in der Schwebe sind, so zum Beispiel das Schiff der Garnisonkirche oder der Stadtkanal.

    Übrigens: Diejenigen, die meinen Vorschlag einer Volksabstimmung mit einem nichtssagenden Smiley ablehnen, mögen sich doch bitte die Mühe machen, dies auch zu begründen. Sonst ist kaum ein sinnvoller Austausch möglich, Element7 und Eiserner Pirat!

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