Hannover-Südstadt/Bult (Galerie)

  • OK, ich bin gerade so produktiv, da kommt jetzt noch die Südstadt. Die Südstadt ist ein weiteres der 5 großen Erweiterungsviertel Hannovers (wenn man die Nordstadt, Vahrenwald, List und Oststadt dazuzählt, Linden habe ich weggelassen, da es eine selbstständige Stadt war zur Zeit der Erbauung). Es ist aus meiner Sicht und auch aus Sicht derjenigen Bekannten, die dort gewohnt haben, das unprätentiöseste, und vielleicht "langweiligste" der großen Stadtviertel, nicht so schick wie die Oststadt oder östliche List, nicht so alternativ und geschlossen schön wie die zentrale Nordstadt oder Linden, einfach ein ruhiges und insgesamt gutes Wohnviertel.


    Orakel hatte es schon gesagt, es ist auch v.a. nach Norden hin eines der am stärksten zerstörten Wohnviertel. Typisch für diese Entwicklung nach außen/in die Peripherie hin hat es also a.e. die innenstadtnäheren und früh erbauten Gebiete der Südstadt getroffen, dominiert wird der Stadtteil in diesem Bereich von Nachkriegsarchitektur, und je weiter man nach Süden und Osten kommt, desto weniger war kaputt und desto jugend- später reform- und noch später backsteinexpressionistischer wird es. Anders als in der Nordstadt und in Linden gibt es hier kaum klassischen Historismus.


    Ich fange an der Stolzestraße an, die immer so als eine der schönsten Straßen des Stadtteils gehandelt wird, aber ganz klar hinter den schönsten Straßen der anderen Stadtteile steht:




    Ein sehr schöner und voll erhaltener Eckbau, der wohl zeigt, dass die Dachlandschaften der anderen gezeigten Häuser früher auch etwas aufregender daherkamen:




    Nach Osten Richtung Bahn dann auch schon hier geschlossen erhaltene Straßenzüge, aber eher einfach gehalten, wieder diese Durchmischung innerhalb der Viertel, Richtung Bahn und Lärm eben die einfacheren Wohnungen:



    Typische Szenen in diesem Viertel östlich der Sallstraße (die die Südstadt einmal von Nord nach Süd durchschneidet):



    An der Sallstraße so ein kleiner Platz, insgesamt sieht man hier auch nochmal, was ich meinte mit dem zurückhaltenden und angepassten Wiederaufbau, ein erhaltenes Wohnhaus am Platz ist erhalten, nach Norden eine Serie von Nachkriegswohnhäusern, die aber in derselben Flucht stehen, dieselben Traufhöhe haben und auch ein rot gedecktes Dach:



    Eine Kirche fehlt nie:



    Nach Süden wird die Sallstraße wieder geschlossener, ist aber weiterhin nicht wirklich wahnsinnig interessant, das ist diese spätkaiserzeitliche Architektur in einer einfacheren und weniger reizvollen Ausführung:


  • Zunächst nochmal ein Blick in die Seitenstraßen hier, relativ schlichte Reformarchitektur dominiert im Bereich um und nördlich der Geibelstraße:




    So sehen hier wirklich viele Straßen aus, manchmal fragt man sich, ob die Häuser teilweise entstuckt worden sind, so einfach wirken sie trotz "kaiserzeitlicher Proportionen".


    Interessant wird es aber nun wieder nach Osten Richtung Kreuzung Sall-/Geibelstraße:



    Ein letzter Block aus der Zeit direkt vor dem Ersten Weltkrieg, und dann kommt der Klinker:





    Nach Norden an der Sallstraße hier eine backsteinexpressionistische Kirche, die ich später nochmal genauer zeigen werde:



    Anscheinend werden nach und nach die Fenster wieder mit den alten Gliederungen eingebaut:




    Am Ende der Geibelstraße finden wir uns auf dem Geibelplatz wieder:


  • Bei fast keiner Architekturepoche ist die passende Fenstergliederung wichtiger als bei der Zwischenkriegsarchitektur, dieser bereits sanierte Abschnitt:



    lässt den leider vom Gesamteindruck her dominierenden Turm extrem alt aussehen:



    Die Südseite des Platzes ist dann schon wieder saniert mit neuen Fenstern:



    Auch die Seitenstraßen sind hier in einem guten Zustand und wirklich sehr schick:







    Am Ende landen wir an einem weiteren großen und grünen Platz, dem Bertha-von-Suttner-Platz:



    die Häuser hier sind geschätzt ein paar Jahre jünger und bereits etwas schlichter:


  • Unbedingt anschauen solltest du dir in der Südstadt noch das Haus Sextrostr. 1, die Bismarckschule am Altenbekener Damm, evtl. das Gebäude Maschstr. 25 Nähe Landesmuseum und (falls noch nicht geschehen) den Stephansplatz. Hier findet sich auch ein Gebäude von Fritz Höger.

    In der Nähe vom Neuen Rathaus ist noch die Hardenbergstr. ein ziemlicher Burner (zum Thema "das steht hier einfach mal so rum").

  • Vielen Dank für die Tipps, das mache ich dann nochmal bei einer "Südrunde" mit Südstadt, Döhren und Linden-Süd, habe ich ohnehin noch auf dem Plan. Am Bertha-von-Suttner-Platz geht es so weiter, hier anscheinend wieder Eigentumswohnungen oder Sanierung nur bei Mieterwechsel, denn manche Wohnungen haben passende, und manchen noch die ungeteilten Fenster:



    Zurück Richtung Geibelstraße:



    Hier in dieser Gegend gibt es so Straßen, bei denen ich mir nicht sicher bin, von wann genau die sind:




    "Konservative" 1920er oder ganz spätes Kaiserreich? Wahrscheinlich eine Mischung oder Fertigstellung während des Krieges. Oder sowas:



    Es gibt auch in Berlin solche Gegenden, wo zumindest ich das nicht sicher sagen kann. Das vordere Haus wirkt eher wie 1919 oder 1920, das hintere eher wie 1915. Vielleicht ist diese Grenze auch künstlich und gar nicht so wichtig.


    Wieder ein Beispiel für den hannoverschen Wiederaufbau, sogar für einen Giebel hat es gereicht:



    Auch passen die Nachkriegs-5-Geschosser fast perfekt zu den kaiserzeitlichen 4-Geschossern von der Traufhöhe.


    Der Stephansplatz, wieder einer der typischen großzügigen und grünen Plätze in den hannoverschen Stadterweiterungen....



    Die katholische St.-Heinrich-Gemeinde verrät, dass diese Gegend schon vor 100 Jahren von "Zuwanderern" bewohnt wurde aus katholischen Gegenden, vielleicht Schlesien?



    Die Kirche wurde 1928 geweiht und war nach einem Entwurf des in Hannover geborenen, in Köln arbeitenden Architekten Eduard Endler gebaut. Interessant ist, dass sie nahezu vollständig zerstört wurde in 2 Bombenangriffen am 09.10.1943 und endgültig mit komplettem Einsturz am 25.03.1945 (!). Der originalgetreue Wiederaufbau wurde schon im Dezember 1949 fertiggestellt.



    Zeigt mal wieder, dass die Architektur der Zwischenkriegszeit damals einen ganz anderen Leumund hatte als der "Wilhelminismus". Trotzdem natürlich eine gute und richtige Entscheidung, das ist ein Stil, den ich liebe.


    Ich gehe nun wieder zurück nach Norden zu meinem Auto, aber durch die Gebiete östlich der Sallstraße:



    Typischer Südstadtmix.... weiter nach Norden wieder etwas älter, dieser wirklich ziemlich schmucklose Reformstil direkt vorm Ersten Weltkrieg:



    Das war's aus der Südstadt.

  • Zu Post #4 noch eine kleine Ergänzung.


    Ist nicht mehr die Südstadt aber die angrenzende Bult: Einen gewissen Schauwert hat die Brehmstraße. Auch das Altbauschiff zwischen Heiligengeiststraße und Willestraße ist eine ziemliche Granate. Zum angrenzenden Zooviertel sage ich jetzt mal nichts, das wäre einen eigenen Strang wert. Unter den Tisch gefallen ist irgendwie auch das Landesmuseum (und auch ein paar nennenswerte Zwischenkriegsbauten).

  • Beim Zooviertel dachte ich auch an die Stadthalle, die ein exzellentes Beispiel für die Architektur der späten Kaiserzeit ist und an die "Jahrhunderthalle" in Breslau erinnert. Ich bin da sogar dran vorbeigefahren, aber für ein Foto reichte es nicht.



    Die ganze Geschichte kann und soll ja auch keine vollständige Darstellung der gesamten sehenswerten Architektur in allen hannoverschen Stadtvierteln sein, das schaffe ich nicht. Mag auch sein, dass ich ein paar Sachen knapp und aufgrund von Unkenntnis verpasst habe, ich bin mehr so der "Treibenlasser", der sich nur einige wenige ganz zentrale Punkte raussucht vorher und dann so durch die Gegend wandert.


    Aber ich würde das Zooviertel und die Bult dann auch noch in meine "to do Liste" für eine weitere Runde durch Hannover aufnehmen. Ich habe gestern Abend auch noch den exzellenten Artikel auf Wikipedia über Backsteinexpressionismus in Hannover gelesen und gesehen, was ich alles nicht gesehen habe:



    Man könnte also auch nochmal eine Art Expressionismus-Tour machen, wenn man richtig viel Zeit hätte und würde es nicht bereuen.

  • Na ja, mir ging es auch nicht unbedingt um eine lückenlos bebilderte Darstellung in diesem Strang, sondern eher um Infos für dich persönlich, da dich das sehr zu interessieren scheint. Und ja, der Backsteinexpressionismus hat in Hannover einige sehr geile Sachen hinterlassen. In der Südstadt ist das besonders noch die Stadtbibliothek am Aegi, die Bertha-von-Suttner-Schule und das Akademiegebäude in der Bismarckstraße.


    Im Zooviertel gibt es natürlich nochmal Altbau satt. Ist aber dem Philosophenviertel vielerorts nicht unähnlich. In der Zeppelinstraße 24 steht dann auch noch mal so ein richtiger Altbauschrank. Von innen ein absolutes Highlight ist die katholische Kirche St. Elisabeth in der Gellertstraße. Da kommt man aber leider nicht so ohne weiteres hinein. Sonst fällt mir im Zooviertel auf Anhieb noch die (ehem.) Sohienschule und das Landesamt für Denkmalpflege ein (Scharnhorst- und Seelhorststraße).


    Vielleicht mache ich mit der Zeit ja mal ein paar Bilder von dezentraleren Sachen, oder ergänze deine Stränge gelegentlich etwas (falls dir das recht ist). Auch weiter draußen gibt es noch einiges zu sehen - z.B. den Edelhof in Ricklingen, Herrenhausen, oder die ehemalige Lungenklinik "Heidehaus" an der A2, Abfahrt Berenbostel (in Leipzig gibt es eine ganz ähnliche Anlage). Oder sehr malerisch ist auch die Schleusenanlage in Limmer. Sieht im Sommer manchmal aus wie von Monet gemalt.

  • Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Du die Galerien noch ergänzt mit allem, was Du für zeigenswert hältst!

  • Also Heinzer,


    diese umfangreiche Arbeit mit Deinen eindrucksvollen Fotos und den dazugehörigen Textbeschreibungen könntest Du als Buch herausgeben. Ich glaube, das würden sogar Hannoveraner lesen und genießen. Schon mal dran gedacht?

  • Snork

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  • Gestern bei einem Pflichttermin noch ein paar Bilder von der Bult gemacht. Da es sich aufgrund der Größe der Bult nicht lohnt, hierfür extra einen eigenen Strang anzulegen, stelle ich die Bilder mal im Strang "Südstadt" ein, da die Bult direkt an die Südstadt grenzt.


    Ich beginne mit dem Stift zum Heiligen Geist in der Heiligengeiststraße. Großartiges Gebäude, es viel mir schwer Bilder auszuwählen, deshalb sind es etwas mehr geworden ...


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    Eingangsbereich

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    Einer dieser Flure, wie sie für viele Kliniken und Schulen in Hannover so typisch sind

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    Rechts der Stift zum Heiligen Geist, links die Südseite des nördlich angrenzenden Sodenklosters

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    Vieles etwas verfallen, aber das hat auch seinen Charme ...

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    In Kürze folgt noch ein Post mit Bildern vom Sodenkloster und dem Schwesternhaus!


    Alle Bilder sind von mir.

  • Stift zum Heiligen Geist in der Heiligengeiststraße, Stadtteil Bult, Teil 2





    Fassadendetail, hier ist mein Handy leider an seine Grenzen gestoßen:



    Bilder vom benachbarten Sodenkloster:







    Kurz noch ein Blick auf die andere Straßenseite. In der Umgebung stehen noch einige Villen:



    Alle Bilder sind von mir.


    Edit.: Die Bilder wurden am 10.08.2023 neu gehostet.

  • Hier etwas verspätet noch Bilder vom benachbarten Schwesternhaus. Eigentlich hat Heinzer den Charakter der Südstadt bereits derart gut dargestellt, dass dem kaum noch was hinzuzufügen ist. Außer vielleicht hier und da ein paar selbsterklärende Bilder.


    Äußerlich wirkt das Gebäude frisch saniert. Innen allerdings ist seit der Entstehungszeit offenbar kaum etwas geschehen. Überall Türen an denen die Farbe abbröckelt und uralter Putz. Wirkt dadurch unglaublich authentisch. Wenn man da auf einem der Flure steht, fällt es nicht schwer sich die Bombennächte 1944 vorzustellen. Wie da Leute aufgeregt herum gelaufen sind und "Heil Hitler" gebrüllt haben. Ein Ort wie eine Zeitkapsel. In vielen Räumen und Fluren in Hannover wurde die Vergangenheit mit frischer Farbe übertüncht, hier (noch) nicht ...


  • Snork

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  • Ein bereits vor einigen Jahren entstandener Neubau am Altenbekener Damm kurz vor dem Maschsee, der gut in den APH-Kontext passt. Zumindest ein User dürfte die Bilder schon kennen. Insgesamt ein wirklich stimmiger Bau mit den Staffelgeschossen. Meiner Meinung nach gelungener als z.B. das weitaus grössere, aber mit den Bögen durchaus vergleichbare Pergolenviertel in Hamburg.






    Für Klinker im Hof hat es leider nicht mehr gereicht:



    Alle Bilder sind von mir.

  • Hannover is wirklich recht eine reizvolle Stadt. Bin immer von Bilder der Aussenviertel froh überrascht.
    Kommt die Qualität der gut behalten Viertel von Leipzig, München, Stuttgart, Chemnitz, Nürnberg oder Halle nahe.

  • @ Civitas fortis:


    Die aus der Klinkertapete ausgestanzten Bögen beim Pergolenviertel sehe ich eher als modernes Stilmittel. Die Idee gefällt mir eigentlich ganz gut. Nur aufgrund der Masse erinnern z.B. die Akarden dadurch an irgendein beliebiges Einkaufszentrum. Das Gebäude am Altenbekener Damm mit den richtig gemauerten Bögen und den Staffelgeschossen begreife ich eher als Zugeständnis von Gegenwartsarchitektur an traditionelle Bauformen. Das halte ich für einem zukunftsfähigen Kompromiss. Ist aber Ansichtssache.


    Klassiker:


    Tatsächlich besitzt Hannover in den Wohnstadtteilen weitaus mehr Altbausubstanz als Chemnitz, Stuttgart, Nürnberg oder Halle. Zählt man die Bausubstanz aus der Zwischenkriegszeit hinzu, welche in Hannover vorrangig in Klinker ausgeführt wurde, bewegt sich die Masse der Altbausubstanz hier insgesamt in annähernd ähnlichen Dimensionen wie in Leipzig. Ich bin noch nicht einmal davon überzeugt, dass das viel grössere Hamburg in den Wohnstadtteilen noch mehr Altbausubstanz besitzt als Hannover.

  • Am Altenbekener Damm stand ich kürzlich längere Zeit an der Bushaltestelle und habe mir dann auch den historischen Bau der Gilde-Brauerei an der Ecke Hildesheimer Straße ansehen können. Der folgende dreibogige Bau steht getrennt an der Hildesheimer.


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    Bildquelle jeweils: Wikimedia, Urheber: Christian A. Schröder (ChristianSchd), CC BY-SA 4.0


    Und schräg gegenüber liegt der Heinrich-Heine-Platz. Das im verlinkten Wiki-Artikel abgebildete große Gebäude von 1913/14 mit den zwei Giebeln zum Platz wurde gemäß einer angebrachten Plakette durch einen Mauermeister errichtet.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Orakel: ja so etwas habe ich auch schon überdachtet nachdem ich Hamburg in 2022 (sehr kurz aber doch intensiv) besucht habe.

    Hannover hat bestimmt nicht weniger wertvoller Bausubstanz so zu sehen. Hamburg hat mich in dieser Hinsicht etwas enttäuscht.

  • Der folgende dreibogige Bau steht getrennt an der Hildesheimer.

    Die darunter gelegene U-Station nimmt übrigens das Motiv der Brauerei auf. Einige U-Stationen sind gar nicht mal schlecht gestaltet, trotz viel Beton. (Besonders angetan hat es mit die Station Geibelstraße. Erinnert mich in ihrer Weitläufigkeit irgendwie an die Moskauer Metro.)


    Klassiker:


    Wohlgemerkt nur die Wohnstadtteile. Die Innenstadt von Hamburg ist natürlich eine ganz ganz andere Hausnummer als Hannover.