Es ist ein enormer Glücksfall, daß dieser lebende Dinosaurier der Lübecker Stadtgeschichte nach einem siebenjährigen Tal der Tränen in dieser Qualität wieder aufgebaut wurde - es wird sicher ein Haus werden, das man als Anschauungsbeispiel heranziehen kann und mit dem zahlreiche Bezugspunkte entstanden sind und noch werden. Allen Beteiligten ein riesengroßes Dankeschön für dieses Happy End.

Lübeck - Wiederaufbau Hinter der Burg 15
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Hallo, Frank,
mit deinem Rekonstruktionsentwurf für die Giebelscheibe von Hinter der Burg 15 lagst du völlig richtig. Ich hatte diese Rekonstruktion möglichst steingenau bereits anhand von Fotodokumentationen von der Innenseite vor dem Brand vorgenommen, dort zeichneten sich die auf der Außenseite unter Mörtel und Farbe noch nicht erkennbaren Doppelluken deutlich ab. Die Dokumentation hatte der Bauforscher Dr. Michael Scheftel vorgenommen. Er hat zum Giebel auch eine Publikation herausgebracht, die den für 1300 üblichen sogenannten einhüftigen Giebel, das ist ein Giebel mit nur einer prominenten Mittelstaffel, als gesicherte bauzeitliche Ansicht herausstellte.
Abbildung: Entwurf als Basis für den Wiederaufbau der Giebelscheibe. Rechts der Laubengang befand sich entlang der gesamten Gebäudetiefe in der Kleinen Burgstraße zur Erschließung von Räumen (Wohnungen?) im Obergeschoss. Hinter der Burg 15 ist Teil eines sehr langgezogenen Gebäudes tief in die Kleine Burgstraße hinein, die Adressen Kleine Burgstraße 1 bis 11 befinden sich alle unter einem Dach, die Geschossdecken noch heute auf einem Niveau. Von diesem durchgehenden Dach von 1291 sind nur die abgebrannten Teile nicht mehr erhalten.
Die Rekonstruktionszeichnung hatte ich im Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege umverteilt. Die Abt. Denkmalpflege hat damals in Person ihrer Leiterin Frau Dr. Hunecke jedoch jegliche Hinzufügung zum zuletzt überlieferten Stand abgelehnt. Sie wollte nicht, dass ein Wiederaufbau über die bekannte Silhouette hinaus erfolgen sollte. Ich habe lange bei dem Bauherren dafür geworben, dass er dies dennoch wagen und auch beantragen sollte, damit zumindest eine amtliche Befassung mit diesem Wunsch stattfinden würde. Damals war man jedoch amtlich darauf eingestellt, der Charta von Venedig aus dem Jahr 1964 folgen zu müssen. Die Charta forderte, dass bauliche Eingriffe die Struktur und Gestalt der Denkmale nicht verändern sollten, sowie einen Umgebungsschutz. Rekonstruktionen sollten einzig in der Form der „Anastylose“, des Wiederzusammenfügens vorhandener Teile, erfolgen, weil die Beiträge aller Epochen respektiert werden müssten.
Diese Charta jedoch bei einem inzwischen völlig ruinierten Bestand so wörtlich auszulegen, konnten nicht zielführend sein und ist meines Erachtens wirklich niemandem vermittelbar, weder in der Fachöffentlichkeit und schon gar nicht einer der überlieferten Denkmalsubstanz aufgeschlossenen Öffentlichkeit. Die alte Giebelscheibe als lesbares baugeschichtliches Zeugnis war ohnehin mit seiner Rückstufung auf einen schiefen Dreiecksgiebel, der Verputzung und mit einem aufgemalten Fugennetz, das mit dem eigentlichen Mauerverband nichts gemein hatte, nur rudimentär aussagekräftig. Der Umgang mit der bauzeitlichen Fassade, die Herunterzonung aus Erwägungen des konstruktiven Witterungsschutzes unter das Satteldach wie vielfach geschehen, ist schließlich kein Beitrag einer Epoche, der mit einem gestalterischen Anspruch oder einer Modeerscheinung einherging, sondern erfolgte aus rein wirtschaftlichen Erwägungen zu Lasten einer Bausubstanz, die sich bauzeitlich vis-a-vis des damaligen Dominikanerklosters und der Klosterkirche Maria Magdalena einen prominenten Auftritt im Stile der Zeit und mit einer eigenen Lübecker Gestaltung leistete. Der große einhüftige Staffelgiebel ist eine Besonderheit dieser Zeit und nur noch bei wenigen Kleinhäusern zu finden sowie in der Fassade von Mengstr. 6, die aus Baumaterial von Fischstraße 19 an diesem Ort in ähnlicher Erscheinung anstelle einer noch vorhandenen barocken Fassade über der Parkhauszufahrt zum Wehdehof errichtet worden war. Das war 1957, es ist kein Original des 13./14. Jhs.
Dass die beiden Staffelecken, die nach dem Brand noch aufrecht standen, doch heruntergenommen werden mussten, lag daran, dass man sie mit einem kleinen Finger hätte umwerfen können. Ich war nach der Brandnacht mit dem Bauherren auf einem Hubsteiger an deren Oberkannte hochgefahren und konnte mich davon selbst überzeugen. So sind leider die beiden überlieferten Doppelluken in der linken Hochblende verloren gegangen. Sie wurden im Zuge des sich über Jahr hinziehenden Genehmigungsprozesses leider nicht wieder so hergestellt, die Blende ist jetzt glatt hochgemauert, was auch statische Gründe besaß. Am Rand der dahinter verschnittenen Dachhaut ist auch immer nur eine Luke offen, die andere als gestalterisches Element nur als Blende ausgeführt. Die Fotodokumentation von innen zeigt dies deutlich .
Foto oben: linke Hochblende nach dem Brand, erkennbar die Doppelluke aus Blende und echter Luke.
Foto unten: Ansicht von innen. Foto: Dr. Michael Scheftel.
Rekonstruktionsversuch des bauzeitlichen Zustands der Fassade um 1330 mit Öffnungen und Laubengang. Der linke Eingang führte vermutlich in einen Gang, von dem aus die Kelleranlagen erschlossen und so separat verpachtet werden könnten. Foto von der Fassade vor dem Brand.
Foto: Aus derselben Zeit gab es einen fast baugleichen Giebel --- Mühlenstraße 37, Aufnahme vor Abbruch vor 1900. Anhand des Fotos kann man die Steinlagen abzählen und kommt auf vergleichbare Luken- und Geschosshöhen wie bei Hinter der Burg 15. Auch hier ist der vermutlich einhüftige Staffelgiebel heruntergezont worden. Quelle: Fotoarchiv der Hansestadt Lübeck im St.-Annen-Museum.
Dass der Bauherr nun mutig und willens war, im weiteren Aufbau der Giebelscheibe die von mir angefertigte Zeichnung umzusetzen, muss man ihm hoch anrechnen. Er hat sogar neues Steinmaterial im exakten Format von 1300 und im Handstrichverfahren gefertigt beschaffen können, um zum einen die Hinzufügungen zum noch vor dem Brand bekannten Befund herauszustellen, aber im Raster des Verbands zu bleiben und so steingerecht die Höhe der Geschosse, der Hochblenden und der Lukenöffnungen wiederherstellen zu können. Aus statischen Gründen und weil das Dachwerk sich seit 1300 einseitig zum Giebel hin gesetzt hatte, damit aus der alten Firstlinie gewandert war, sind nur drei Steinlagen geändert, um den Aufriss des Giebels passend hinter die Geschossdecken und den First in Deckung zu bringen.
Etwas zum noch nicht fertiggestellten Abschluss schon einmal vorab: Um 1300 besaßen die Giebel oben keine schräg sitzende Pfannenabdeckungen aus Mönch-Nonne-Deckung oder S-Pfannen (ab der Renaissance). Diese sind nachweislich erst später aufgesetzt, dabei die Staffeln vorderseitig durch einige Steinreihen erhöht worden, um das Gefälle nach hinten herzustellen. Um 1300 und davor waren die Giebel wohl oben plan abgeschlossen und mit Kalksteinplatten belegt. Hierfür gibt es einen Befund, und zwar an der Giebelscheibe nach Norden am Hause Koberg 12, die man nicht einsehen kann, da der große Baukörper von Große Burgstraße 46 diesen verdeckt. In Anlehnung an solch einen bauzeitlich eher wahrscheinlichen Abschluss soll die Giebelscheibe nur mit einem Zinkblech mit schmaler Tropfkannte belegt werden. Die denkmalrechtliche Genehmigung steht noch aus.
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Welch wundervoller Beitrag, BurgThor7 ! Vielen Dank für die vielen sehr interessanten Informationen und Bilder. Ich wusste gar nicht, dass es eine deart detaillierte Bauaufnahme und Rekonstruktionszeichnungen in dieser Qualität gibt und bin überaus begeistert.
Vielen Dank für Dein Insistieren beim Bauherrn und bei der Denkmalpflege. Das hat uns jetzt dieses wundervolle Ergebnis geliefert, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Ein kleiner Wermutstropfen bei aller Euphorie ist jedoch das Weglassen der beiden Doppelluken in den seitlichen Staffeln, zumal die linke - wie auf dem Bild zu sehen - ja nun auch noch exakt dokumentiert war. Wenn es statische Gründe waren - hätte man diese nicht wenigstens mit entsprechend gemauerten Steinen andeuten können? Aber das ist natürlich jammern auf hohem Niveau.
Sehr interessant auch der Laubengang - und das in der ohnehin schon engen Kleinen Burgstraße. Das war mir nicht bekannt. Bisher kannte ich Laubengänge nur vom Haus "Im Reinfeld" an der Obertrave und beim Stützensaal (?) An der Mauer - beide längst abgerissen.
Jetzt machen auch die vermauerten gotischen Wandöffnungen Sinn, die im EG der Giebelseite und im OG der Traufseite zu erkennen sind.
Edit: Noch eine zusätzliche Frage: Warum sollen in der Rekonstruktion nur zwei Steinlagen oberhalb der Blendenspitzen kommen? Im Zustand von 1330 wurden doch vier bzw. sechs Lagen angenommen. Das schafft bessere Proportionen.
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Hallo, Frank1204,
die Rekonstruktionszeichnung des Zustands von 1330 stammt von mir und ist ein Zwischenstand früherer Überlegungen, daher habe ich Annahmen getroffen, die noch zu diskutieren waren. Die Staffeln waren bauzeitlich nach Meinung hierzu befragter renommierter Bauforscher oberhalb knapp über den Hochblenden abgeschlossen, was im Stadtbild wegen der allgemein späteren Erhöhung für die Herstellung eines Gefälles nach hinten, in der Renaissance dann Standard, nachträglich verändert wurde.
Foto: Koberg 12-15 - Entkernung 1977 mit Blick auf Rückgiebel des 13. Jhs. (Foto: Rainer Andresen, März 1978).
Die Erkenntnisse über bauzeitliche Giebelabschlüsse mit Kalksteinplatten sind nur über diesen Giebel nachweisbar.
Hinter der Burg 15 - Nordgiebel-Rekonstruktion (Michael Scheftel, 2014, in Festschrift für Rolf Hammel-Kiesow S. 251-267).
Die Rekonstruktionszeichnung von Michael Scheftel zeigt den knappen Abschluss der Staffeln über den Hochblenden, die ich später erst aufgegriffen habe. Beteiligt an der Diskussion war auch Jens-Christian Holst, ehem. Mitglied der ICOMOS Monitoring-Gruppe, der diesen Hinweis gab.
Dass die ersten und noch einst nachweislichen Doppelluken nicht wiederhergestellt wurden, ist schade. Da hierzu keinerlei Verpflichtung bestand und die Idee sowohl beim Bauherrn als auch bei der Denkmalpflege reifen musste, kann man jetzt umso dankbarer sein, dass in allen Ebenden darüber die Luken auch dort neu errichtet werden, wo sie gar nicht mehr vorhanden waren. Hier optisch den Ansatz der Luken in den nun glatt gemauerten Hochblenden links und rechts noch kenntlich zu machen, ginge später auch immer noch, nur nicht in die Tiefe des Mauerwerks hinein.
Welche Herausforderung das Vorhaben handwerkstechnisch darstellt, sollen die nachfolgenden Bilder zeigen, die ich auf dem Baugerüst vor ein paar Wochen aufnehmen durfte:
Um die neue, viel höhere Giebelscheibe überhaupt tragen zu können, ist ein erheblicher Aufwand im unteren Bereich der Fassade und der Deckenkonstruktion aus mächtigen Stahl-T-Trägern erforderlich gewesen. Was man um 1300 auf gut Glück und nach Erfahrung aufgebaut hat, genügt nicht den heutigen Anforderungen. In dem Wechselspiel von Gestattung der Abt. Denkmalpflege, statischem Nachweis gegenüber der Bauordnung, Genehmigung eines sich erst im Diskurs entwickelnden Vorhabens und einer erst wieder einsetzen müssenden Kraft- und Willensbildung beim Bauherren nach dem herben Rückschlag in der Brandnacht ist die nun gefundene Lösung ein Glücksfall, die viele Jahre kaum vorstellbar war.
Der Laubengang in der Kleinen Burgstraße:
Zum Laubengang hatte Michael Scheftel auch bereits publiziert, doch kannte er nur den Befund von Hinter der Burg 15 und Kleine Burgstraße 1. Bei einer erst nicht genehmigten Sanierungsmaßnahme im Hause Kleine Burgstraße 9 traten dann weiter Befunde zu auf einen Laubengang herabgeführten Eingängen und hinter den Putzflächen weggesägten Balkenlagen auf, die in den Straßenraum einst hineinragten. Das Öffnungsschema von Ausgang mit Phasensteingewände und großen Blockzargenfensteröffnungen mit Viertelstabeinfassung wiederholt sich dort exakt wie im Norden bei Hinter der Burg 15 und Kleine Burgstraße 1. Hier ein Bild während der Maßnahme, leider mit Baugerüst davor:
Deutlich zu sehen: Die Balken, die einst den Laubengang trugen.
Wahrscheinlich waren sie eins mit den Deckenbalken, weshalb sie noch im Mauerwerk liegen und lediglich zurückgeschnitten wurden.
Im Obergeschoss unterhalb des mittleren Fensters: Die einst auf den Laubengang herabgeführte Türöffnung, erkennbar an den Phasensteinen, einst die Öffnung links davon, heute zugemauert.
Die Fenster links und rechts in der aktuellen Fassade greifen an den Außenseiten die mittelalterlichen Fensteröffnungen auf, hier ist unter dem Putz das Gewände mit Phasensteinen verborgen gewesen; noch heute sitzen die inzwischen durch gute neue Holzfenster ersetzten früheren Kunststofffenster in diesen Fensterlöchern, die es links und rechts der Türöffnung gab, einst breiter, heute schlanker zugunsten des mittigen Fensters in gleicher Größe.
Leider war hier nach Freilegung sofort ein erster Mörtelbewurf erfolgt, die Denkmalpflege hat erst durch meine Hinweise den Denkmalwert erkannt und daraufhin eine bauforscherische Untersuchung beauflagt, ein steingenaues Aufmaß wäre vor der Neuverputzung für die Forschung wichtig gewesen. Ob dies vorliegt, müsste ich bei der Abt. Denkmalpflege erfragen. Dass dieses Haus Teil des großen Kornspeichers ist und bis heute unter dessen Dach und innerhalb dessen Wände steht, ist der Bauforschung seit Jahrzehnten bekannt gewesen. Doch sind immer nur Teile des Gesamtbauwerks als Denkmal erkannt worden, immer dann, wenn eine Baumaßnahme in einem der "Reihenhäuschen" anstand und nur dann, wenn auch ein Bauantrag bzw. heute ein separater Antrag auf denkmalrechtliche Genehmigung eingereicht wurde. Das verdeutlicht das Vollzugsdefizit bei der Erfassung und Erkennung von Denkmalen in Lübeck, welches nie behoben wurde.
Dabei ist dieser Kornspeicher als Bautypus in Lübeck und wohl im Ostseeraum als so vollständig überliefertes Zeugnis einzigartig. Es handelt sich um ein heute unterteiltes, jedoch in seinen Umfassungsmauern, Kelleranlagen und im gesamten Dachwerk einheitliches Bauwerk. Der Nordgiebel ist der geringste Teil davon, gab sich aber gegenüber der einstigen Klosterkirche Maria Magdalena (siehe Lageplan unten) äußerst repräsentativ und für die Zeit ungemein modern. Das heißt, die Phase tritt als Formstein auf und verdrängt den lange vorherrschenden Viertelstab als Form der 1260er Jahre folgende. Dass man das Material aber noch überwiegend verfügbar hatte, zeigt die Verwendung von beidem: Die Phase im Giebel, dem letzten Bauabschnitt, mit dem der sonst fertiggestellte Baukörper verschlossen wurde, der Viertelstab häufig noch im Inneren und in den Gewänden der Fensteröffnungen.
Kornspeicher Hinter der Burg 15, Kleine Burgstraße 1-11 (rot gekennzeichnet) - Lage im Katasterplan von 1910.
Seitenfassade Hinter der Burg 15. Foto vom 21. Juli 2017.
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BurgThor7: Ganz herzlichen Dank abermals für die vielen weiteren Informationen und die interessanten Baubilder! Jetzt wird der Strang hier ja richtig wissenschaftlich fundiert. Die Begründung für den Abschluss knapp oberhalb der Hochblenden leuchtet mir ein, auch wenn es etwas gedrungen wirkt. Ob der Bauher die seitlichen Blenden noch einmal aufreißen möchte, um die fehlenden Doppelluken mit einer Steintiefe anzudeuten, mag man bezweifeln. Sehr zu wünschen wäre es jedenfalls, und inzwischen halte ich bei diesem Projekt nichts mehr für unmöglich! Ich bin erstaunt, dass auch die Blindluken oben offenbar durch die gesamte Tiefe des Mauerwerks geführt wurden. Notwendig wäre es ja nicht gewesen. Mir war bisher nicht bekannt, dass das bauzeitlich offenbar üblich war.
Ebenfalls wusste ich nicht, dass es sich hier um einen Kornspeicher handelte. Wozu dann der Laubengang und die großen, noch heute bestehenden mittelalterlichen Fensteröffnungen zur Straße hin? Hier hätten ja ebenfalls kleine Belüftungsluken gereicht wie man sie z.B. am fast zeitgleich entstandenen Speicher des Heiligen-Geist-Hospitals an der Traufseite zur Großen Gröpelgrube hin findet. War an der Straßenseite eventuell doch auch bauzeitlich schon eine Wohnnutzung vorhanden?
Ein paar eigene Bilder von heute möchte ich noch beisteuern:
Abb.1: Kleine Burgstraße. Rot umrandet der ehemalige Speicher Hinter der Burg 15/Kleine Burgstraße 1-11. Im Hintergrund habe ich die Baumasse der ehemaligen Kirche des Burgklosters, St. Maria-Magdalena, grob eingezeichnet - vermutlich etwas zu niedrig. Die Dachflächen habe ich zur besseren Sichtbarkeit im Kupferpatina-Ton eingefärbt. Das Dach war aber wohl mit Tonziegeln gedeckt. Eventuell war der Kirchturm noch ein klein wenig weiter östlich (rechts), aber es sollte ungefähr so hinkommen. Es ist extrem schade, dass diese grandiose Ansicht mit dem Abriss der Kirche 1818 zerstört wurde.
Ganz links übrigens der frühgotische Kranen- (Crane-) Kovent. Eines der ältesten noch stehenden Häuser in Lübeck.
Abb.2: Die gesamte heutige Straßenfront des großen gotischen Speichers, Kleine Burgstraße 1-11. Ganz rechts Nummer 11. BurgThor7: Gibt es von der Seite auch eine Rekonstruktionszeichnung des Originalzustandes oder, wenn nicht, besteht Deinerseits die Motivation, eine anzufertigen? Das würde mich sehr interessieren. Oder ist die Datenlage dafür zu dünn? Aufgrund der Gleichförmigkeit und der größtenteils noch originalen Maueröffnungen müsste ja der von Dir gezeigte Befund von Nummer 9 ausreichen, um die ganze Front einigermaßen sicher rekonstruieren zu können.
Ganz links am Rand ist übrigens die Innenseite der noch stehenden nördlichen Wand des Kirchenschiffs zu sehen. Diese konnte seinerzeit nicht mit abgerissen werden, da sie gleichzeitig die Außenwand des dahinterstehenden Klostergebäudes ist.
Abb.3: Kleine Burgstraße 1 (links, zum jetzigen Projekt gehörend) und 3. Das Haus Nr. 3 ist in einem sehr erbärmlichen Zustand und "versaut" den ganzen Komplex. Am schlimmsten ist die Verbreiterung des ehemaligen Zwerchgiebels auf die volle Hausbreite, die optisch einer Aufstockung gleichkommt und die gemeinsame Traufe der gesamten Reihe zerstört. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Veränderung schon im 19.Jahrhundert passierte. BurgThor7: Hast Du irgendwelche Informationen, dass sich bei diesem Haus in absehbarer Zeit eine dringend nötige Sanierung abzeichnet, bei der die Aufstockung rückgängig gemacht werden könnte, um das Ensemble unter dem gemeinsamen Dach vollständig wiederherzustellen?
Abb.4: Auf diesem Bild ist an das Dachkante zu sehen, dass die Doppelluken durch die gesamte Mauerstärke gehen. Das war mir wie gesagt vorher nicht geläufig.
Abb.5: Kleine Burgstraße 1. Neben dem linken Fenster im 1. OG ist ein Teil nicht verputzt. Ich vermute, weil die gefasten Steine der linken Seite der Leibung als bauzeitlicher Befund sichtbar bleiben sollten, oder?
Abb.6: Noch einmal die Seite zur Kleinen Burgstraße. Links die Innenseite der nördliche Kirchenwand. An den dort verputzten Stellen wurden beim Abriss der Kirche die nicht mehr benötigtenPfeiler und Gewölbeanläufe abgeschlagen.
Abb.7: Der Komplex noch einmal von Norden gesehen. Der gewaltige ehemalige Speicher ging bis zur eingezeichneten roten Linie unterhalb des Kirchturms von St. Jakobi. Das Riesenrad gehört zum Weihnachtsmarkt auf dem Koberg.
Alle Fotos von mir
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Update vom 13.12.2024
Hier wieder ein paar aktuelle Fotos von mir:
Abb.1: Der Giebel ist inzwischen komplett fertiggemauert, und die obereste Gerüstlage ist entfernt worden. Im EG wurden bereits Fenster eingebaut.
Abb.2: Obere Giebelstaffel im Detail. Die Maurerarbeiten wurden meiner Meinung nach erstklassig ausgeführt. Meine Befürchtung, dass die Rundung der Hochblenden im oberen Teil in eine Gerade übergeht, hat sich zum Glück nicht bewahrheitet.
Abb.3: Das Erdgeschoss mit den neuen Fenstern. Ich bin gespannt, ob oben im Giebelbereich auch graue Fenster kommen werden. Ich würde grüne Zargen und weiße Rahmen/Flügel bevorzugen, aber ich möchte überhaupt nicht meckern.
Abb.4: Die Traufseite. Auch hier ist bereits ein neues Fester zu sehen.
Abb.5: Blick auf das Haus mit Umgebung vom Klostergelände aus fotografiert. Die Betonwand links zeichnet die ehemalige Burgkirche nach.
Alle Fotos von mir
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Update vom 02.01.2025
Erst einmal allen ein frohes neues Jahr!
Dieses startet auch gleich mit einer guten Nachricht: Es ist vollbracht: Die Rekonstruktion der Fassade ist (bis auf die Haustür und die Lukenfenster) abgeschlossen, und das noch vor kurzem Undenkbare ist nun ohne Gerüst zutage getreten. Ich habe mir diesmal sogar die Mühe gemacht, die Bilder geradezurichten so gut es ging. Es fing allerdings schon an zu dämmern, als ich gegen 15:30 Uhr dort war. Aber immerhin war es hier der erste sonnige Tag seit Wochen.
Nun also zu den Bildern:
Abb.1: Hinter der Burg 15, rekonstruierter gotischer Giebel. Ich sehe bei aller Begeisterung doch einen ganz kleinen Wermutstropfen: Während die Spitzbögen der mittleren Hochblenden perfekt gemauert sind, gibt es bei den beiden äußeren doch ein paar Unförmigkeiten. Vielleicht kann man hier ja noch etwas nachbessern und dann auch gleich die darunter noch fehlenden Doppelluken ergänzen.
Es sieht so aus als wurden bis an die Oberkante der 3er-Fensterreihe die historischen Steine wiederverwendet und darüber neue in historischer Größe benutzt.
Abb.2: Wir gehen einmal um das Haus herum. Hier die Eckansicht. Einfach ein Traum, der wahrgeworden ist!
Abb.3: Die Traufseite an der Kleinen Burgstraße mit den beiden Hausteilen.
Abb.4: Blick zurück zum Burgkloster. Hier ist die Rückseite des neu entstandenen Giebels zu sehen. Hinten die nördliche Innenwand der ehemaligen Burgkirche. Die helle Betonmauer an der Straße steht auf dem Grundriss der Kirche. Was für ein einmaliges gotisches Ensemble hätten wir hier, wenn die Kirche noch stünde. Es ist wirklich zu schade.
Abb.5: Die neue Fassade mit Blick in die Kleine Burgstaße und auf den Turm von St. Jakobi.
Abb.6: Ähnlicher Blick durch den Torbogen des Klostergeländes.
Abb.7: Ansicht von Nord-Nordost. Hier sieht man die Rückseite zum Hinterhof und hat einen guten Blick auf St. Jakobi. Dennoch würde ich mir wünschen dass die Bombenlücke, auf der jetzt lediglich die Garage steht, wieder geschlossen werden würde. Das ist aber nun wohl nicht mehr möglich, da sich auf der Garage die zum Haus gehörende Terrasse befindet.
Wenn es nach mir ginge, würde das Efeu vom gelben haus rechts (Kleine Burgstraße 2) entfernt werden. Ich mag zwar generell Grün, aber nicht, wenn damit historische Fassaden komplett zugewuchert werden und dies das Stadtbild beeinträchtigt. Und beim Haus Nr. 4 links daneben könnten endlich mal die schrecklichen 70er-Jahre-Klinker entfernt und die Putzfassade samt Gesimsen und passender Befensterung wiederherstellt werden. Wie das geht, zeigen ja die Nachbarhäuser zu beiden Seiten.
Abb.8: Fassade mit Kirchturmspitze "aus der Burgkirche heraus" fotografiert.
Abb.9: Das "Ensemble" mit schönem Sonnenuntergang vom Klostergelände aus gesehen. Rechts fallen die Häuser an der Burgtreppe steil ab.
Abb.10: Blick aus dem Durchgang zwischen Beichthaus und Hauptbau des Klosters. Aus dieser Perspektive wirkt der Kichturm besonders imposant.
Alle Fotos von mir
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Zu deinem "Wermutstropfen" fällt mir das Bonmot von Prof. Freise (Wer wird Millionär?) ein:
Als Gott den Mann erschuf, hat SIE nur geübt!
Ansonsten Dank für Deine Bilder.
Das Fassadengrün stört mich bei Deinem Foto weniger als bei diesem -->
Beispiel. Was mich mehr gestört hat, war der Sichtbeton, der auch auf deinen Fotos zu sehen ist. Der Kontrast von "Alt" zu neu ist mir doch zu heftig.
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Der Wiederaufbau ist ein großer Glücksfall; und vor dem Hintergrund des Baujahres und der Ausgangssituation nach dem Brand sicher ein fast singuläres Projekt; für die Lübecker Baugeschichte ein Meilenstein, der sich möglicherweise erst erschließen wird und das Potential zu höchsten Weihen hat. Wenn es einen Kandidaten für den Titel "Wiederaufbau des Jahres" gibt, dann isses unser so schönes Lübecker Haus.
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Bildvergleiche
Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, einmal eine Gegenüberstellung des Zustands vor Beginn der Sanierung und des aktuellen, fast fertigen Zustands nach dem Wiederaufbau bzw. der Rekonstruktion zu zeigen:
Abb.1: Zustände 2007/2025. Quelle linkes Foto: BurgThor7 - ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich das von Dir gepostete Foto für den Vergleich verwendet habe. Rechtes Foto von mir.
Und nachfolgend noch einmal eine Erinnerung, von wo wir kommen. Wenn man das sieht, ist die Wiederaufbauleistung als umso grandioser zu bewerten:
Abb.2: Zustände 2017/2020. Beide Fotos von mir. Oben kurz nach dem Brand, unten nach Entfernung der nicht mehr standsicheren Teile.
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LN-Online berichtet heute über das Haus (leider Bezahlschranke):
Von der Brandruine zum Hingucker: Historisches Haus in der Altstadt wird wieder aufgebautEs ist eines der ältesten Häuser Lübecks. Ein verheerendes Feuer zerstörte das Gemäuer Pfingsten 2017 fast vollständig. Siebeneinhalb Jahre später ist die…www.ln-online.deZu lesen ist, dass sehr viele Leute vor dem Haus stehenbleiben und fotografieren, insbesondere auch auswärtige. Unterstützt wurde der Bauherr u.a. von Bauforscher Dr. Michael Scheftel und Jörg Sellerbeck von der BIRL.
Sehr schön, dass man da wieder zusammengefunden hat. Die Information war neu für mich. Soweit ich mich an Pressebrichte erinnere, gab es damals Streit über unterschiedliche Ansichten bzgl. der Fassadensicherung, da der Bauherr die nicht standsicheren Teile der fast 800 Jahre alten Fassade abreißen lassen wollte (was dann auch geschah), anstatt sie sehr aufwändig zu sichern.
Weiter zu lesen ist, dass der Hausteil Kleine Burgstraße 1 nun eine komplett eigenständige Einheit geworden ist und als Einfamilienhaus verkauft werden soll. Erstaunt hat mich, dass der doch relativ schmale verbleibende Teil Hinter der Burg 15 doch immerhin noch 250-300 Quadratmeter Wohn- und Nutzflächen haben soll. Der Innenausbau fehlt noch komplett.
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Das sieht wirklich toll aus. Ich finde es erstaunlich, wie mächtig der Giebel dieses doch relativ kleinen Hauses nun wirkt.
Man stelle sich einmal vor, man hätte den etwa gleich alten Giebel von Fischstraße 19 im Lübecker Gründungsviertel in ähnlicher Manier rekonstruiert. Aber die Chance ist für die nächsten Jahrzehnte erst einmal vertan (außer, der Bauherr dort entschließt sich irgendwann, die historische Fassade vor die moderne zu setzen - die Proportionen des Neubaus dürften ja in etwa mit dem historischen Bau übereinstimmen).
Schade, dass Hinter der Burg 15 mitsamt seinem mittelalterlichen Dachstuhl erst ausbrennen musste, bevor es zu solch einer Giebelrekonstruktion kommen konnte - denn vor dem Brand hatte der Bauherr dies im Rahmen der sich ewig hinziehenden Sanierung ja meines Wissens nicht geplant.
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Man hätte den Giebel nur translozieren, und die Parkhausöffnung schließen müssen.
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Der Kurfürst Auf was beziehst Du dich?
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Damit müßte der Hintergrund der Mengstraße 6 gemeint sein: ursprünglich Fischstraße 19, mit den Steinen am neuen Ort transloziert und modifiziert wiederaufgebaut. Die Fassade Mengstraße 6 wurde "gotisiert". Der Gedanke, daß das originale Material wieder zurück in die Fischstraße käme, ist berechtigt und nachvollziehbar.
Mengstraße 6 – Wikipediade.wikipedia.org -
Genau dieses Gebäude oder besser den Giebel. Es wurde bereits nach dem Krieg dorthin verbracht und eine Parkhauseinfahrt hineingebaut.
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Das sieht wirklich toll aus. Ich finde es erstaunlich, wie mächtig der Giebel dieses doch relativ kleinen Hauses nun wirkt.
Man stelle sich einmal vor, man hätte den etwa gleich alten Giebel von Fischstraße 19 im Lübecker Gründungsviertel in ähnlicher Manier rekonstruiert. Aber die Chance ist für die nächsten Jahrzehnte erst einmal vertan (außer, der Bauherr dort entschließt sich irgendwann, die historische Fassade vor die moderne zu setzen - die Proportionen des Neubaus dürften ja in etwa mit dem historischen Bau übereinstimmen).
Schade, dass Hinter der Burg 15 mitsamt seinem mittelalterlichen Dachstuhl erst ausbrennen musste, bevor es zu solch einer Giebelrekonstruktion kommen konnte - denn vor dem Brand hatte der Bauherr dies im Rahmen der sich ewig hinziehenden Sanierung ja meines Wissens nicht geplant.
Ja, so hat der Brand, dann immerhin doch noch sein gutes gehabt. Und ja - vorher war keine Rekonstruktion des Giebels geplant.
Der Giebel wirkt im Vergleich zum Hauskörper so mächtig, weil ja die ganze Zeile bis hin zum heutigen Haus Kleine Burgstraße 11 ein einziges großes Haus (Speicher) war:
Die rote Linie verdeutlicht das riesige Ausmaß des gotischen Speichers. Wenn man bedenkt, dass die gesamte Traufseite von der vorderen Ecke bis zu dieser Linie einheitlich gestaltet war, ist der Giebel für dieses gigantische Gebäudes gar nicht mehr so übermächtig, sondern angemessen. Der gesamte originale Baukörper (die Außenmauern und vor allem auch der durchgehende gotische Dachstuhl) ist ja noch bis auf den nun abgebrannten Teil unter den Fassaden des 19. Jahrhunderts erhalten. Schon wenn das Haus Kleine Burgstraße 1 steinsichtig wäre, wäre das gefühlte Missverhältnis von riesigem Giebel zu geringer Haustiefe nicht mehr so stark gewesen. Aber die Steinsichtigkeit hätte wiederum nicht zur klassizistisch überformten Kleinhausfassade mit dem Zwerchgiebel gepasst. Hier auch den gotischen Zustand zu rekonstruieren, wäre dann wohl doch etwas zuviel verlangt gewesen. Foto von mir
Damit müßte der Hintergrund der Mengstraße 6 gemeint sein: ursprünglich Fischstraße 19, mit den Steinen am neuen Ort transloziert und modifiziert wiederaufgebaut. Die Fassade Mengstraße 6 wurde "gotisiert". Der Gedanke, daß das originale Material wieder zurück in die Fischstraße käme, ist berechtigt und nachvollziehbar.
Das ist hier zwar nicht das Thema und schon im Strang zum Gründungsviertel erläutert worden, aber ja, die Fassade hätte natürlich wieder in die Fischstraße zurückversetzt gehört. Es wäre dem Vernehmen nach dafür auch das Geld dagewesen, aber die Denkmalpflege stellte sich quer. Was nicht nachzuvollziehen ist, da die Fassade nicht einmal originalgetreu, sondern relativ frei nachgebaut wurde. Warum der Bauherr beim Neubau in der Fischstraße nicht trotzdem eine Reko - dann eben mit neuen Steinen - gebaut hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Es wäre für die Stärkung der Authentizitätswirkung der Fischstraße jedenfalls enorm wichtig gewesen. Die historische Fassade von Mengstraße 6 hatte den Krieg ja überlebt und wurde für diese Chimäre aus nachgebauter gotischer Fassade und Parkhauseinfahrt abgerissen. Dass so ein Unikum der Denkmalpflege wichtiger ist als eine exakte Rekonstruktion mit originalen Steinen an originaler Stelle, wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben. Erlaubt wird aber dann aber inkonsequenterweise, dass die Fassade in der Mengstraße für den Neubau des Buddenbrookhauses zersägt und vorübergehend abgebaut werden darf, um den Nebau dahinter besser errichten zu können...
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Also ich finde dass dieses Haus außergewöhnlich gut wiederaufgebaut wurde, eine herausragende Leistung, die einen Preis verdient hätte. Wenn man sich den in Beitrag 1 geposteten Ursprungszustand ansieht, bekomme ich den Eindruck, dass die gotische Fassade nun sogar deutlich besser zur Geltung kommt als vor dem Brand.
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Ich bin begeistert !
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