Potsdam - der Wiederaufbau der Wilhelm-Staab-Straße

  • Schöne Beispiele, wie man im Krieg stark zerstörte Gebäude (fast) originalgetreu rekonstruieren kann. In den 1950er Jahren entstand die Straße gewissermaßen neu.

    Hoditzstraße 19, vor 1945

    Wilhelm-Staab-Straße 19, wiederaufgebaut 1950er Jahre.

    Hoditzstraße 18 (links)

    Wilhelm-Staab-Straße 18, wiederaufgebaut 1950er Jahre.

    Hoditzstraße 13, vor 1945.

    Wilhelm-Staab-Straße 13, wiederaufgebaut in den 1950er Jahren.

    Quellen. sw-Fotos, private Sammlung, Farbfotos: Von Clemensfranz - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

  • Schöner Vergleich potsdam -fan.Der Wiederaufbau in den 50er Jahren in der Innenstadt orientierte sich noch sehr stark am Vorkriegszustand.Wobei bei diesen Fassaden auf den Bildern es sich um Orginale weitestgehend handelt.Völlig neu wurde in den 50ern eigentlich nur hinter den Orginalfassaden gebaut.Die Fassade Staabstr.18 hat bei seiner Wiederherstellung das 2. Obergeschoss eingebüßt. Ein kompletter Neuaufbau inkl.historisierender Fassade(50er) sind die Häuser York Ecke Dortustraße bzw Eckhaus Charlotten/Staabstr..Es ist schon schade,wo der Wiederaufbau Anfang der 50er noch in die historische Richtung ging,erfolgte ca ab1960 ein Städtebaulich,,radikales"umdenken.Ein ,,Neuaufbau"(Flächenabrisse)der Stadtmitte bis zur Unkenntlichkeit Ende der 80er.
    Und dann stellen sich heute Leute(Potsdamer Mitte neu denken)demonstrativ und vollmundig in der Öffentlichkeit hin und fordern noch einen Erhalt und,,Neunutzung" dieser ,,Städtebaulichen Bausünden".Unglaublich!!

  • Genau. Die 18 war die einzige gründerzeitliche Aufstockung um ein Vollgeschoss in der Hoditzstraße. Schon finde die konsequente Kennzeichnung gründerzeitlicher Aufstockungen, so dass der ursprüngliche Zustand besser erkennbar ist.

  • In meinem vorangegangenen Beitrag sprachen wir schon mal die W.-Staab-Straße an.

    Schöne Beispiele, wie man im Krieg stark zerstörte Gebäude (fast) originalgetreu rekonstruieren kann. In den 1950er Jahren entstand die Straße gewissermaßen neu.

    Und hierzu muss ich unbedingt ein Foto einfügen, dass zeigt, wie man damals noch denken konnte: Die Wahrung unseres nationalen Kulturerbes!


    Quelle: unbekannt

  • Ja, das war bis zu Beginn der 60er Jahre offizielle DDR-Politik. Die Bauten der sog. Nationalen Tradition sind derweil größtenteils Denkmale und die Bauten können sich sehen lassen. Hernach wurde sich an den International Style angekoppelt, mit den beschränkten Verhältnissen von Geld und Material kamen dort vergleichsweise schwache Interpretationen der Moderne heraus, wie z. B. das Interhotel, die Wasserwirtschaft oder das Institut für Lehrerbildung.

  • "Wahrung des nationalen Kulturerbes", das wäre heute total Nazi AfD.

    In dubio pro reko

    Der größte Feind der Ideologie ist die Realität

    Edited once, last by reklov2708 (June 14, 2017 at 11:51 AM).

  • Die Wilhem Staab Straße war eines der ersten großen hist.Aufbauprogramme in der Innenstadt so Anfang bis Mitte der 50er.In der Zeit war auch noch die Hoffnung das Stadtschloss und vieles mehr wiederherzustellen.Was sich jedoch so ab Ende der 50er leider Radikal änderte. Ab Anfang der 60er war Aufbau nur noch mit Teil und Flächenabriss in der Innenstadt verbunden,statt behutsamer Sanierung (siehe W.Staab Str.)

  • Einfach großartig. In der Qualität hätte man gern in der ganzen DDR weitermachen können. Meinetwegen mit West-Krediten.

    In meiner Heimatstadt Neubrandenburg gab es anfangs auch Versuche eines traditionalisierten Wiederaufbaus des Zentrums, in Ermangelung vorhandener Altstadthäuser gerieten diese aber doch deutlich grobkörniger als in Potsdam. Siehe z.B. Friedländer Straße, Badstüberstraße, Stargarder Straße und Wartlaustraße.

  • In meiner Heimatstadt Neubrandenburg gab es anfangs auch Versuche eines traditionalisierten Wiederaufbaus des Zentrums, in Ermangelung vorhandener Altstadthäuser gerieten diese aber doch deutlich grobkörniger als in Potsdam.

    Als wir im vorigen Jahr zum ersten Mal in Neubrandenburg waren, waren wir begeistert von der eleganten, traditionsbezogenen Architektur der ersten Nachkriegsjahre! Ein Projekt vergleichbar mit den Neobarocken Gebäuden am Dresdener Altmarkt. An allererster Stelle, würde ich aber die herrliche Lange Strasse in Rostock setzen.

  • Häuser in der Wilhelm-Staab-Straße aus dem Wiederaufbauprogramm mit nur z. Tl. rekonstruierten Häusern und einigen 'neubarocken', sehr passenden, also angepassten Fassaden. Von heute mittag, von mir:

    Echt schön. Das ist irgendwie ernüchternd, wenn man bedenkt, dass in größeren westdeutschen Städten solche Fassaden schon längst mit Graffiti verschandelt worden wären. In Potsdam scheint man wirklich Liebe für die eigene Stadt zu empfinden.

  • Alles Reko bzw Neuerfindung? Ich dachte, die meisten Fassaden haben als solche (natürlich ausgebrannt) überlebt?

    Ich meine, die Neuerfindungen sind vor allem nebenan in der Yorckstraße (hier), während die Wilhelm-Staab-Straße authentischer in den Fassaden rekonstruiert wurde.

    Edit

  • Zeit diesem Thema einen eigenen Faden zu gönnen.

    Die Wilhelm-Staab-Straße befindet sich in der Innenstadt von Potsdam und verbindet dort die Yorckstraße mit der Charlottenstraße. Sie wurde 1946 nach dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Staab benannt. Hier befindet sich der berühmte Nikolaisaal und das sogenannte Sichtachsen-Haus – ein Bauwerk, das bewußt genau in Sichtachse zum Platz der Einheit errichtet wurde.


    Die Wilhelm-Staab-Straße in der historischen Altstadt hieß bis 1946 Hoditzstraße, benannt nach dem österreichisch-preussischen Grafen Albert Joseph von Hoditz, der zur Zeit Friedrichs des Großen in dieser Straße lebte und hier 1778 starb. Die Straße gehört zu den im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Teilen der Stadt. Hier und in Abschnitten der Yorckstraße wurde bereits Anfang der 1950er Jahre der Wiederaufbau vorangetrieben. Deshalb war auch von der Ersten Barockstraße der DDR die Rede.

    Ich habe noch ein paar zusätzliche Info gefunden, aber können zuerst die Mods folgende Beiträge in diesen Faden verschieben?

    Edit: Danke sehr!

  • Snork February 8, 2023 at 11:21 PM

    Changed the title of the thread from “Der Wiederaufbau der Wilhelm-Staab-Straße” to “Potsdam - der Wiederaufbau der Wilhelm-Staab-Straße”.
  • Weiter gehts. Die größten Änderungen gab es in den drei zerstörten Häusern WSS 7-9. Dazu habe ich noch ein paar weitere Photos gefunden.

    Vom kleinen Haus WSS 7 mit zwei Stockwerken und fünf Achsen habe ich ein hochauflösendes Bild gefunden (gemeinfrei, ca. 1912). Auffallend sind Bogenfenster mit Girlanden, zudem Büsten im zweiten Geschoss. Rechts war wohl mal ein Tor / Durchfahrt, die zugemauert wurde. Das Haus wird Georg Christian Unger zugeschrieben.

    Hier dasselbe Photo in geringerer Auflösung, aber weniger zugeschnitten, so dass man links angeschnitten die WWS 8 erahnt, von der ich kein direktes Photo gefunden habe. Das Haus 8 ist wohl eher schmucklos ohne erkennbare Rustifizierung oder Giebel.

    Hier noch einmal der Fassadenentwurf für die WSS 8, der entweder so nicht umgesetzt oder nachträglich vereinfacht wurde. Eventuell wurde er deshalb als künstlerisch weniger bedeutend eingestuft und so beim Wiederaufbau überbaut.

    Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte. "81-219-K3: Fassadenentwurf des Hauses Hoditzstraße 8" last modified 2021-11-26. https://brandenburg.museum-digital.de/object/9100

    Das einzige Photo, wo man die Fassaden der WWS 7-9 aus der Schräge erahnen kann (mitte-links).

    In Detail sieht man, dass die WWS 8 wohl kaum Dekoration hatte, außer einem Wappen (?) in der Mitte, zudem ein vereinsamter Dreiecksgiebel über einem Fenster auf der linken Seite?

    Die benachbarte WSS 9 war dagegen stärker barock ausgeprägt. Es gibt sieben Achsen, verzierte Fenstergiebel im zweiten Geschoss, einen Dreiecksgiebel auf dem Dach und ein rustifiziertes Erdgeschoss. Zudem war dort eine Art Vorgarten?

    In dem Photo vom Nikolaisaal (WSS 10-11) sieht man rechts angeschnitten die WSS 9 und ihre stark plastische Fassade.

    In der DDR wurden dann die drei zerstörten Häuser in einem intern einheitlichen Wohnblock zusammengefasst. Die WSS 9 (weiß) wurde erweitert von sieben auf neun Achsen mit einer Durchfahrt in der Mitte und einem Balkon und zwei Vasen auf dem Dach anstelle des vorherigen Giebels. Nur die moderate Deckenhöhe und der Fensterrhythmus lässt von außen den DDR-Bau erkennen.

    Ich frage mich, ob die Sandsteinteile von anderen Ruinen übrig waren oder für diesen Bau neu angefertigt wurden?

    Für die WSS 7-8 (rosa) wurde dann das kleine Haus WSS 7 auf 13 Achsen und drei Stockwerke vergrößert und hat die alte WSS 8 verspeist. Verzichtet hat man beim Wiederaufbau auf die Büsten/Portraits über den Fenstern, zudem gab es Bogenfenster nur noch in der "Beletage".

  • Ein weiterer Totalverlust war laut Schadenskarte die WSS 3.

    60462-wilhelm-staab-str-potsdam-jpg

    Dazu habe ich auch ein Photo gefunden mit der WSS 3 (links) und WSS 2 (rechts). Laut meinem schlauen Buch sind beide Häuser von Unger 1785 als zweistöckige Bürgerpalais mit je 7 Achsen errichtet worden. Man sieht auf der Brandwand "Reichsgraf vHoditz", der alte Name der Straße.

    Der DDR-Neubau WSS 3 war im Wesentlichen der rekonstruierte Vorgänger mit einem zusätzlichen Stockwerk. Die ersten zwei Geschosse wurden hier in der vollen barocken Höhe gebaut im Gegensatz zu den flacheren Neubauten WSS 7-9. Die Denkmalliste zur WSS 3 sagt "veränderter Wiederaufbau" 1955-57.

    Die benachbarte WSS 2 (gelb) war laut Karte nur beschädigt, kein Totalverlust. Mein Buch sagt aber, dass die WSS 2 1956 abgerissen und wiederaufgebaut wurde. Ein wesentlicher Unterschied zum alten Photo ist die zugemauerte Durchfahrt in der Mitte, stattdessen gibt es einen Hauseingang am rechten Rand. Das dritte Geschoss wirkt zudem etwas erhöht. Diese Umbauten können aber bereits vor dem Krieg geschehen sein. Die Leuchte und das Schild an der Hauswand sind wohl auch später hinzugekommen. Die Denkmalliste WSS 2 sagt hier nur "Wiederaufbau" 1952 ohne "verändert".

  • Sehr gelungen der Wiederaufbau. Bei so viel Traditionsbewusstsein fragt man sich schon warum wenige Jahre später das Stadtschloss und die Garnisonkirche in die Luft gesprengt wurden.